Aus der Komfortzone heraus lässt sich kein Wandel schaffen
Wie Faulheit, Inkompetenz und wirtschaftliche Interessen eine Besserung der Verhältnisse verhindern
Der VBE hat eben festgestellt, was eigentlich alle bereits wissen. 50.000 Lehrerstellen in Deutschland sind unbesetzt. Bei den pädagogischen Fachkräften erreicht der Mangel mittlerweile sogar weit über 100.000. Über 5 Millionen Fachkräfte insgesamt sollen bis 2030 in Deutschland fehlen. All das ist seit einiger Zeit bekannt.
Und wie begegnet unsere Gesellschaft diesem Mangel? Außer, dass wir wie einst Rohstoffe nun auch gerne Fachkräfte aus den ärmeren Regionen dieser Welt importieren möchten, weitgehend nur mit hektischem Aktionismus. Denn die Gründe sind weit älter und gehen viel tiefer als es viele von uns gerne hören.
Denn der aktuelle Fachkräftemangel ist seit vielen Jahrzehnten absehbar. Etliche Schülergenerationen dürften sich die deutsche Bevölkerungspyramide ansehen, um festzustellen, dass sie eher einem Pilz gleicht. Die Gesellschaft ist überaltert.
Statt darauf mit einer engagierten Familienpolitik zu reagieren, wie dies etwa in Frankreich seit Beginn des 20. Jahrhunderts geschieht, begnügte man sich hierzulande mit einer Art Feigenblattpolitik, verbunden mit großen Sprüchen und gestützt auf einen der dümmsten Sprüche Konrad Adenauers „Kinder kriegen die Leute immer“.
Dem „Alten“, wie ihn einst Helmut Schmidt nannte, fehlte es wie an vielen anderen Stellen eben auch die Vision. Aber auch Schmidt machte es als Bundeskanzler nicht viel besser als seine Vorgänger und Nachfolger. Richtig, es gab einzelne Familienleistungen. Aber es sind auch die Eltern der Kinder, die für ihren Beitrag zur Gesellschaft auch den höchsten Konsumaufwand haben und damit weite Teile der Wirtschaft am Laufen halten.
Es ist also dringend an der Zeit, über die eigene Nasenspitze hinaus zu denken und hier eine andere Richtung einzuschlagen. Zwar bringt uns das nicht unmittelbar die notwendigen Fachkräfte, die wir so dringend benötigen, kann aber mittelfristig helfen, dieser Herausforderung zu begegnen.
Aber woher sollen denn heute die Fachkräfte kommen, wenn sie niemals geboren wurden? Sicher gibt es auch hier eine Reihe von Maßnahmen, die dazu etwas Abhilfe schaffen können.
- Es gibt von wissenschaftlicher Seite keinen Mangel am nötigen Wissen, wie der Bildungsbetrieb aussehen sollte. Dass das in der Praxis nicht geschieht, hat mit vielen Vorurteilen, Inkompetenz im Entscheidungsbereich und massiven wirtschaftlichen Interessen zu tun. Dass sich die Bildungswirtschaft etwa im Bereich der digitalen Bildung in den Krippen über die Empfehlungen der Ärzteschaft hinwegsetzt ist das peinlichste und deutlichste Zeichen dafür. Eigentlich ein Skandal.
- Es muss dringend daran gearbeitet werden, dass weniger Jugendliche durch das Raster fallen. Eben hat die Stiftung Bertelsmann erst darüber berichtet, dass noch immer jedes Jahr fast 50.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen.
- Noch immer gibt es zahlreiche Lehrkräfte, die nur Jahresverträge erhalten. Der Staat hat sich hier innerhalb der Wirtschaft eine Ausnahmestellung verschafft, die ihm hilft, diese Menschen auszubeuten. Darunter sind viele sogenannte „Nichterfüller“, die etwa ihre Lehrprobe nicht bestanden haben. Deshalb werden sie zwar nicht festangestellt, dürfen aber über viele Jahre hinweg unterrichten. Viele von jenen, die dem Beruf treu geblieben sind, gehören heute zu den engagiertesten und besten Lehrkräften an ihren Schulen, leben aber in ständiger Sorge um ihre Anstellung und erhalten die schlechtesten Gehälter. Warum erhalten diese Menschen keine neue Chance?
Das sind nur einige wenige Beispiele, die auch einen Weg aus der Misere weisen könnten. Und es gibt keinen Grund dafür, sie nicht anzugehen. Natürlich kostet jeder Wandel Kraft und ist ein wenig schmerzhaft. Umso mehr ist es höchste Zeit, sich aus der Komfortzone zu bewegen und den Wandel dringend anzugehen. Am Ende leiden vor allem die Kinder.
Gernot Körner