Einsamkeit bei Kindern: Schon Fünfjährige fühlen sich häufig allein

Neue Daten des Deutschen Jugendinstituts zeigen: Auch Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren erleben Einsamkeit – und das häufiger als bislang angenommen.

Einsamkeit beginnt oft früher, als viele denken. Laut aktuellen Auswertungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) fühlt sich mehr als jedes fünfte Kind im Kindergarten- oder Grundschulalter zumindest gelegentlich einsam. Die Daten stammen aus dem Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A), der im Jahr 2023 über 2.100 Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren befragte.

In persönlichen, kindgerecht gestalteten Interviews berichteten 17 Prozent der Kinder, dass sie sich in der Woche vor der Befragung manchmal allein gefühlt hätten. Weitere fünf Prozent gaben an, dieses Gefühl häufig oder ganz oft zu haben. Damit zeigt sich: Einsamkeit ist nicht nur ein Thema für Jugendliche oder ältere Erwachsene, sondern betrifft bereits viele Kinder in der Grundschule.

Familiäre Veränderungen erhöhen das Risiko

Die Auswertungen zeigen deutliche Unterschiede je nach familiärer Lebensform. Kinder aus Trennungs- oder Stieffamilien berichten besonders häufig von Einsamkeit. Während 22 Prozent der Kinder aus sogenannten Kernfamilien von Einsamkeitserfahrungen berichten, steigt dieser Anteil bei Kindern, die bei nur einem Elternteil leben, auf 28 Prozent. In Stieffamilien liegt er sogar bei 34 Prozent.

„Eine elterliche Trennung bedeutet für Kinder eine tiefgreifende Veränderung ihrer Lebenswelt“, erklärt Dr. Alexandra Langmeyer, die gemeinsam mit Dr. Christine Entleitner-Phleps die Daten analysiert hat. „Das kann sich negativ auf ihr Wohlbefinden auswirken und Einsamkeit begünstigen.“

Materielle Belastung wirkt sich spürbar aus

Auch die wirtschaftliche Situation im Elternhaus spielt eine Rolle. Kinder, die in Haushalten mit materiellen Einschränkungen leben – also in jenen Familien, die sich notwendige und für den üblichen Lebensstandard charakteristische Ausgaben nicht oder kaum leisten können – berichten bis zu 29 Prozent über Einsamkeit. In Familien ohne solche Einschränkungen liegt der Anteil bei 21 Prozent.

„Wenn Teilhabechancen fehlen und die Stimmung in der Familie durch Geldsorgen belastet ist, kann sich das auf die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern auswirken“, so die Studienautorinnen.

Auffälliges Verhalten und Einsamkeit: ein wechselseitiger Zusammenhang?

Die Auswertung zeigt außerdem einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Verhaltensauffälligkeiten. Kinder, die von ihren Eltern im SDQ (Strengths and Difficulties Questionnaire) als auffällig eingeschätzt wurden, fühlen sich deutlich häufiger einsam als Kinder mit unauffälligem Verhalten. 25 Prozent der auffällig eingeschätzten Kinder berichten von gelegentlicher Einsamkeit, neun Prozent sogar von häufigem Alleinsein. Zum Vergleich: Bei Kindern mit unauffälligem Verhalten liegen die Werte bei 17 beziehungsweise fünf Prozent.

Ob Einsamkeit eher Folge oder Ursache von Verhaltensproblemen ist, bleibt offen. „Mit den vorliegenden Daten lassen sich keine eindeutigen Rückschlüsse ziehen“, erklärt Langmeyer. Sie und Entleitner-Phleps plädieren für längsschnittliche Studien, die den Lebensverlauf von Kindern über einen längeren Zeitraum begleiten, um solche Fragen klären zu können.

Hintergrund: AID:A-Survey und Aktionswoche gegen Einsamkeit

Die Daten stammen aus dem Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A), den das DJI regelmäßig durchführt. Die Veröffentlichung der Ergebnisse erfolgte im Rahmen der Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend initiiert wurde. Sie zielt darauf ab, Einsamkeit als gesamtgesellschaftliches Thema sichtbar zu machen – auch in frühen Lebensphasen.

Kontakt:
Dr. Alexandra Langmeyer
Leitung der DJI-Fachgruppe „Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern“
E-Mail: langmeyer@dji.de