Planvolle Digitalisierung statt digitaler Planlosigkeit
Wissenschaftler fordern mehr Wissen statt mehr Technik im Schulalltag und ein Medienerziehungskonzept
Gerade wird in Deutschland über die Fortsetzung des Digitalpaktes diskutiert, um die Schulen fit für eine digitale Zukunft zu machen. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang die Ausstattung aller Schüler mit Tablets gefordert.
Vor diesem Hintergrund haben Dr. Rüdiger Maas, Gründer und Vorstand des Instituts für Generationenforschung in Augsburg, Prof. Dr. Christian Montag, Leiter der Abteilung Molekulare Psychologie an der Universität Ulm und Prof. Dr. Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, ein Buch mit dem Titel „Das Digital-Dilemma“ veröffentlicht: Ohne Digitalisierung will niemand mehr, doch wieviel ist gut für die Gesellschaft, vor allem für die Kinder? Und: Wie sollte die Digitalisierung organisiert werden? Das Plädoyer von Rüdiger Maas, Christoph Sonntag und Klaus Zierer nach der Analyse von mehreren hundert Studien ist eindeutig: Sie fordern planvolle Digitalisierung statt digitaler Planlosigkeit.
Fokus zu sehr auf die Technikfrage gelenkt
Nach Einschätzung der drei Wissenschaftler hat die Bildungspolitik in den vergangenen Jahren zu sehr den Fokus auf die Technikfrage gelenkt, ohne über die Sinnhaftigkeit nachzudenken. Wie bei jeder technischen Entwicklung komme es jedoch auch bei digitalen Medien auf die Nutzer an. Laut Studien sei bereits im Alter von zwölf Jahren eine flächendeckende Durchdringung mit Endgeräten gegeben. Aber die besten Geräte hätten wenig Nutzen, wenn den Schülerinnen und Schülern nicht vermittelt werde, wie man Informationen bewerte, Fake News erkenne oder mit den Geräten kreativ arbeite.
Mehrstufiger Fahrplan für sinnvollen Technik-Einsatz
Es gehe also nicht darum, jeden Schüler mit dem neuesten Tablet auszustatten. Vielmehr sei ein Fahrplan vonnöten, der den Einsatz dieser Technologien sinnvoll gestalte. Daher fordern die Wissenschaftler ein Smartphone-Verbot für die Unter- und Mittelstufe sowie ein Medienerziehungskonzept vonseiten der Bildungspolitik.
Des Weiteren sprechen sie sich aufgrund des hohen Ablenkungspotenzials gegen eine flächendeckende Einzelausstattung mit Tablets aus – vor allem, wenn sie privat angeschafft und verwaltet werden. Besser seien schulische Geräte, die gezielt im Unterricht eingesetzt werden könnten. Denn im Unterricht sollten auch die Vorteile der analogen Welt im Fokus stehen. Diese seien gerade beim Lesen und Schreiben nicht von der Hand zu weisen: „Komplexe Inhalte verstehen viele Schülerinnen und Schüler besser, wenn sie diese auf Papier sehen und erarbeiten“, sagen Rüdiger Maas, Christoph Montag und Klaus Zierer.
Die Rolle der Lehrpersonen ist mitentscheidend
Auch die Rolle der Lehrpersonen sei entscheidend. Sie sollten in Fortbildungen nicht nur den Umgang mit der Technik, sondern auch digitale Kompetenzen vermittelt bekommen. Außerdem sollten sie von technischen Wartungsarbeiten entlastet werden. Und die Eltern seien gefragt, ihren Kindern auch beizubringen, wann es wichtig sei, technische Geräte beiseitezulegen. Nicht zuletzt halten die drei Wissenschaftler Kooperationen mit Experten außerschulischer Einrichtungen für notwendig, um auch kurzfristig Lösungen im Sinn eines zielführenden digitalen Curriculums umsetzen zu können. Ihr Appell an die politischen Entscheidungsträger: „Es geht nicht um mehr Tablets, sondern um mehr Wissen. Nur wenn wir unsere Kinder umfassend ausbilden – in Medienkunde, Medienkritik und digitaler Gestaltung – werden sie fit für die Zukunft sein.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Univ.-Prof. Dr. Klaus Zierer
Ordinarius für Schulpädagogik, Universität Augsburg
Tel.: +49 821 598 – 5575
E-Mail: klaus.zierer@phil.uni-augsburg.de
Originalpublikation:
Maas, Montag, Zierer (2024), Das Digital-Dilemma: Was für die Entwicklung unserer Kinder heute wichtig ist, ISBN 978-3-7727-1868-7
Corina Härning Stabsstelle Kommunikation und Marketing, Universität Augsburg