Sozial benachteiligte Schulkinder sind öfter krank und einsam
DAK- Schulstudie vergleicht Gesundheit und Wohlbefinden nach Sozialstatus
In Deutschland geht es nach Ende der Pandemie sozial benachteiligten Schulkindern deutlich schlechter als Gleichaltrigen aus gut gestellten Familien. Die Hälfte der Jungen und Mädchen mit niedrigem Sozialstatus ist einsam. Viele haben häufiger Schmerzen, depressive Symptome oder Schlafprobleme als Gleichaltrige mit hohem Sozialstatus. Mehr als ein Fünftel der sozial benachteiligten Schulkinder hat wegen Schlafproblemen sogar schon einmal Schlafmittel genommen. Das zeigt der aktuelle Präventionsradar der DAK-Gesundheit für das Schuljahr 2022/2023. Für die breit angelegte Schulstudie hat das IFT-Nord in Kiel rund 15.000 Jungen und Mädchen der Klassen 5 bis 10 in insgesamt 14 Bundesländern befragt und die Ergebnisse mit den Vorjahren verglichen. Als Konsequenz aus der aktuellen Studie fordert DAK-Vorstandschef Andreas Storm eine gezielte Präventionsoffensive in den betroffenen Schulen. Das Bundesfamilienministerium bekräftigt seine Forderung nach einer Kindergrundsicherung – auch um die Gesundheit der Heranwachsenden zu schützen.
„Wir wissen seit Jahren, wie bestimmend die soziale Herkunft für den Bildungserfolg ist. Unser Präventionsradar zeigt als Frühwarnsystem jetzt eindrücklich auf, dass auch Chancen auf eine gute Gesundheit ungerecht verteilt sind“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. „Wenn es vom familiären Hintergrund abhängt, ob Schulkinder einsamer sind, mehr Schmerzen und depressive Symptome haben oder schlechter schlafen, dann müssen wir handeln. Wir brauchen eine gezielte Präventionsoffensive für gesundheitliche Chancengleichheit.“
Die Hälfte der benachteiligten Schulkinder fühlt sich einsam
Laut DAK-Präventionsradar fühlt sich jedes dritte Schulkind der Klassen 5 bis 10 oft allein und ausgeschlossen und hat das Gefühl, keine Freunde zu haben. In der Gruppe mit einem niedrigen Sozialstatus ist sogar die Hälfte von Einsamkeit betroffen. Auch bei körperlichen Beschwerden schneiden sozial benachteiligte Schulkinder schlechter ab. 38 Prozent von ihnen haben mindestens einmal pro Woche eine oder mehrere Arten von Schmerzen, bei gut situierten Kindern sind es 21 Prozent. Unter allen befragten Schulkindern sind Kopf- und Rückenschmerzen mit 27 beziehungsweise 25 Prozent besonders verbreitet. Von regelmäßigen Bauchschmerzen berichtet etwa ein Fünftel (19 Prozent). In Bezug auf depressive Symptome zeigt sich ein vergleichbares Bild: Bei den Befragten mit niedrigem Sozialstatus haben 44 Prozent emotionale Probleme und sind von einer traurigen Stimmung, von Freudlosigkeit oder Selbstwertverlust betroffen. Unter denjenigen mit einem hohem Sozialstatus sind es mit 26 Prozent deutlich weniger.
Soziale Situation korrespondiert mit Gesundheitszustand
„Die vergangenen Jahre haben Heranwachsende – insbesondere aufgrund der COVID-19 Pandemie – vor große Herausforderungen gestellt. Jungen und Mädchen aus Familien, die einer niedrigen sozialen Schicht zuzuordnen sind, hatten es schwerer, diese Herausforderungen gut zu bewältigen. Die Daten des Präventionsradars zeigen: je ungünstiger die soziale Situation, desto schlechter der Gesundheitszustand. Dies zeigt sich drastisch in Krisenzeiten. Wir sollten daher besonders diejenigen Heranwachsenden unterstützen, die aus Familien stammen, die wenig Ressourcen zur Verfügung haben, um zu verhindern, dass sich Störungen und Erkrankungen im Jugendalter manifestieren“, erklärt Professor Reiner Hanewinkel als Studienleiter beim IFT-Nord in Kiel. „Um das Ziel von gesundheitlicher Chancengleichzeit zu erreichen, bedarf es jetzt dringend einer breiten Präventionsoffensive, mit Maßnahmen und Strategien auf den unterschiedlichsten Ebenen und einer guten Zusammenarbeit vieler Partnerinnen und Partner“, ergänzt Andreas Storm.
Bundesfamilienministerium fordert Kindergrundsicherung
Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, kommentiert: „Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist elementar wichtig – sie prägt den Lebensweg von Beginn an und damit auch die Entwicklung unserer Gesellschaft. Der ‚Präventionsradar 2023‘ zeigt, dass es vielen Kindern und Jugendlichen grundsätzlich gut geht, aber eben nicht allen und die Kluft wird zunehmend größer.
Das ist alarmierend und zeigt: Wir müssen Präventionsangebote wie die Mental Health Coaches absichern, weil wir sie für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche in Schulen dringend brauchen. Zudem brauchen wir eine Kindergrundsicherung, die vor Armut und Benachteiligung schützt und damit auch die Gesundheit fördert.“
Präventionsoffensive für gesundheitliche Chancengleichheit
Im vergangenen Jahr hatten die Bundesministerien für Gesundheit und für Familien, Senioren, Frauen und Jugend eine Interministerielle Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ eingesetzt. In ihrem Abschlussbericht im Februar 2023 erklärten die Ministerien unter anderem, an ausgewählten Schulen Mental Health Coaches einzuführen, die sich präventiv um die Stärkung der seelischen Widerstandskraft von Schulkindern und weitere Gesundheitsaspekte kümmern. „Wir brauchen dringend eine Präventionsoffensive für gesundheitliche Chancengleichheit. Dass im kommenden Schuljahr erstmals Mental Health Coaches ihre Arbeit aufnehmen sollen, ist hierfür ein guter Einstieg“, so DAK-Vorstandschef Andreas Storm. „Sie müssen ganz gezielt dort eingesetzt werden, wo der Bedarf besonders groß ist und wo zum Einzugsgebiet der Schulen besonders viele sozial benachteiligte Familien gehören.“
Mehr als ein Drittel aller Schulkinder haben Schlafprobleme
Ein weiteres Ergebnis des DAK-Präventionsradars: Mehr als ein Drittel (36 Prozent) aller Schulkinder haben mindestens einmal pro Woche Schlafprobleme. Etwa die Hälfte der Jungen und Mädchen aus Familien mit niedrigem Sozialstatus schlafen schlecht. Etwa ein Fünftel (22 Prozent) von ihnen hat deswegen schon einmal Schlafmittel genommen. Eine große Rolle bei den Schlafproblemen der sozial benachteiligten Schulkinder spielen exzessive Bildschirmzeiten. Die Studie zeigt, dass benachteiligte Jungen und Mädchen deutlich mehr Zeit am Bildschirm verbringen als besser gestellte Mitschülerinnen und Mitschüler. Und lange Zeiten am Handy, an der Spielekonsole und am Laptop sind nach Modelrechnungen auf Grundlage der Befragungsergebnisse deutlich mit häufiger auftretenden Schlafproblemen assoziiert.
Quelle: Pressemitteilung DAK