Tablet-Nutzung ändert bei Vorschulkindern offenbar die Wahrnehmung
Studie: Tablet-Kinder im Vorschulalter sehen den Wald vor lauter Bäumen oft nicht
Schon seit geraumer Zeit fordern unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO oder der Berufsverband der Kinder und Jungendärzte (bvkj), Kinder unter drei Jahren gar nicht und Kinder im Kindergartenalter nur maximal eine halbe Stunde pro Tag vor Bildschirmen sitzen zu lassen. Dazu zählen neben TV-Geräten und Computermonitoren auch die Bildschirme von Smartphones und Tablets. WHO und bvkj stützen sich dabei auf Langzeitstudien, die vor schädlichen Folgen für die geistige, emotionale und körperliche Entwicklung von Kindern warnen.
Tablet Spiele haben eigene Anforderungen
Das Alpha Generation Lab des Diagnostik- und Therapie-Exzellenz-Programms an der Eötvös Loránd Universität (Budapest) hat nun speziell für Kleikinder entwickelte Tablet-Spiele unter die Lupe genommen. Damit die Kinder hier erfolgreich sind, müssen sie eine ganze Reihe Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Einsatz bringen, wodurch Feinmotorik und Sensorik trainiert werden. Die Experten haben sich deshalb der Frage gestellt, inwieweit die bei diesen Spielen entwickelten Fähigkeiten Einfluss auf die Wahrnehmung der Kinder haben:
Vom Detail zum Gesamtbild
Die meisten Menschen erfassen zunächst das große Ganze und dann die Details, also zum Beispiel erst den Wald und dann die Bäume. Bei den untersuchten Tablet-Spielen geht es aber darum, die Details möglichst schnell zu erfassen und zu verarbeiten.
Mit Hilfe von Wahrnehmungstests und psychologischen Tests konnten die Wissenschaftler bei den Kindern im Vorschulalter vor allem zwei Dinge feststellen. Jene Kinder, die häufig mit Tablets spielten, konnten Details besser erfassen als andere. Im Gegensatz dazu hatten sie Probleme, das große Ganze zu identifizieren. Zudem hatten die trainierten Kinder größere Schwierigkeiten, sich in andere hineinzuversetzen.
In nur sechs Minuten
„Interessanterweise reichten sechs Minuten Spielzeit mit einem Ballonschießspiel aus, um einen detailfokussierten Aufmerksamkeitsstil in einer konsekutiven (direkt darauf folgenden) Aufgabe zu induzieren. Im Gegensatz dazu zeigten die Kinder, die mit einem nicht-digitalen Spiel spielten, den typischen globalen Fokus“, sagt Ádám Miklósi, Leiter der Gruppe.
Der Gebrauch von digitalen Geräten verändert also die Art und Weise, wie Kinder die Welt wahrnehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Art der Erfahrungen, mit denen Kinder konfrontiert werden, entscheidend ist. Denn in diesem Alter ist das Gehirn sehr plastisch, so dass eine solch massive frühe Exposition einen signifikanten Langzeiteffekt haben kann.
„Der atypische Aufmerksamkeitsstil bei Kindern, die Mobiltelefone benutzen, ist nicht unbedingt schlecht, aber mit Sicherheit anders, und wir können das nicht ignorieren – zum Beispiel in der Pädagogik“, sagt Krisztina Liszkai-Peres, eine Mitarbeiterin der Gruppe und Zweitautorin der Publikation.
Neues Bildungsmaterial nötig?
Diese Kinder brauchen wahrscheinlich eine neue Art der Präsentation von Bildungsmaterial. Wie die Forscher betonen, sind Menschen, die auf Details achten, geschickter im analytischen Denken, aber weniger kreativ und haben schwächere soziale Fähigkeiten. Daher ist es möglich, dass – wenn sich dieser Trend nicht ändert – es unter den Kindern der neuen Generation mehr wissenschaftliche Denker und weniger künstlerische oder soziale geben wird, und das wird wahrscheinlich die Welt, in der wir leben, verändern.
Studienverlauf
Die Studie wurde mit insgesamt 40 Kindern, die aus insgesamt 1270 Kindern aufgrund bestimmter Kriterien ausgewählt wurden, durchgeführt. Sie waren im Durchschnitt fünf Jahre alt. 20 Kinder waren regelmäßige Nutzer von Tablets, 20 kamen mit diesen Geräten so gut wie nicht in Verbindung. Bei der Auswahl der Kinder aus der großen Gruppe unter wissenschaftlichen Kriterien sind diese sehr wahrscheinlich repräsentativ für ihre Altersgruppe. Allerdings ist die Gruppe sehr klein, weshalb die Ergebnisse der Studie als wahrscheinlich oder Tendenz betrachtet werden können. Ob sie aber repräsentativ sind muss offen bleiben. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, findet die Studie hier.