„Wir brauchen ein 100-Milliarden-Sondervermögen für Bildung“

Bildungsgewerkschaft GEW zum „Tag der Arbeit“

„Gleiche Bildungschancen sind entscheidend für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Sie ermöglichen den Menschen Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben“, begründet Maike Finnern, Vorsitzende der GEW, ihren Vorstoß während der Kundgebung der DGB-Gewerkschaften am 1. Mai in Essen. Der „Tag der Arbeit“ steht unter dem Motto „GeMAInsam Zukunft gestalten“.

Große und bedeutsame Worte auch füllen

Die GEW-Vorsitzende macht deutlich, dass sie die Bildungsvorhaben mit dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“, die die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hat, grundsätzlich begrüße. Sie stellt aber auch fest: „Die neue Bundesregierung inszeniert sich mit viel Pathos. So große und bedeutsame Worte wollen aber erst einmal gefüllt und umgesetzt werden. Denn so gut und fortschrittlich sich die Pläne der Regierung anhören, so wenig wird über die Preisschilder gesagt, die sich hinter den angekündigten Maßnahmen verbergen. Und bereits jetzt, nach knapp fünf Monaten, bröckelt die Einheit, der kleinste Koalitionspartner FDP nimmt sich extrem viel Raum.“

Kooperationsverbot beenden

Die angekündigten Verbesserungen der Betreuungsrelation in den Kitas, Qualitätsstandards für den Ganztag, sozial Ungleiches ungleich zu behandeln mit dem Startchancen-Programm, das für 20 Prozent der allgemein- und berufsbildenden Schulen greifen soll, mehr Dauerstellen für Daueraufgaben an den Hochschulen und die Fortführung der Nationalen Weiterbildungsstrategie seien richtige Projekte. „Fest steht: Das alles kostet Geld, viel Geld. Das Sondervermögen ist eine Lösung. Aber die Bundesregierung wird ihre Projekte nicht finanzieren können, ohne das Kooperationsverbot in der Bildung komplett zu schleifen, die Schuldenbremse zu kippen und die Lasten in unserer Gesellschaft anders zu verteilen. Wir brauchen eine mutigere und gerechtere Steuerpolitik, die Vorschläge des DGB liegen auf dem Tisch“, unterstreicht Finnern.

„Die zweite entscheidende Frage lautet: Mit welchem Personal sollen die Veränderungen vor dem Hintergrund des dramatischen Fachkräftemangels gelingen? Bis 2030 werden mindestens 250.000 qualifizierte Menschen in den Bildungsberufen fehlen. Bund und Länder müssen diesen Fachkräftemangel endlich gemeinsam wirksam bekämpfen“, betont Finnern. „Wenn das nicht gelingt, sind alle anderen Vorhaben zum Scheitern verurteilt.“ Zusätzlich müssten die Fachkräfte an Kitas, Schulen, Hochschulen und in der Weiterbildung nach zwei Jahren Corona-Pandemie endlich entlastet werden: „Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten am Limit – und oft darüber hinaus.“

Solidarität der Gewerkschaftsbewegung mit Geflüchteten

Die GEW-Vorsitzende verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine scharf. Sie appelliert an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: „Beenden Sie diesen Krieg sofort! Lassen Sie endlich die Waffen schweigen!“ Finnern verweist auf die grenzüberschreitende Solidarität der Gewerkschaftsbewegung: „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben eine friedenspolitische Überzeugung aus historischer Verantwortung. Wir arbeiten eng mit der internationalen Gewerkschaftsbewegung zusammen. Wir organisieren praktische Hilfe.“ Gemeinsam unterstützten die DGB-Gewerkschaften die ukrainischen Gewerkschaften mit humanitärer Hilfe, organisierten Konvois und Züge mit Hilfsgütern und öffnen Bildungsstätten für Geflüchtete. „Die vielen Kinder und Jugendlichen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, in das Bildungssystem in Deutschland zu integrieren, ist eine große Herausforderung. Dieser stellen sich alle Beschäftigten gerne. Sie brauchen von der Politik jedoch materielle und personelle Unterstützung“, sagt Finnern.

Quelle: Pressemitteilung GEW




Alleinerziehende haben das Nachsehen

Studie der Bertelsmann-Stiftung „Wer gewinnt? Wer verliert?“ gratis zum Download

Frauen können sich, auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet, nur etwas mehr als halb so viel Bruttoeinkommen erarbeiten wie Männer. Dieser sogenannte Gender Lifetime Earnings Gap ist für Mütter noch größer. Eine von der Bertelsmann Stiftung geförderte Studie des ForscherInnenteams um Timm Bönke von der FU Berlin zeigt, dass sich diese Lücke mit Blick auf die verfügbaren Einkommen und damit den tatsächlichen Lebensstandard vor allem dann schließt, wenn Frauen sich innerhalb des traditionellen Familienbilds bewegen. Werden beide Einkommen im Haushalt zwischen den Eheleuten gleichmäßig aufgeteilt, fängt das Partnereinkommen Einkommensausfälle von Müttern infolge von Erwerbsunterbrechungen, beispielsweise durch Kindererziehungszeiten, auf. 

Alleinerziehende haben höhere Einbußen

Fällt diese Absicherung im Haushalt jedoch weg, kann der Staat Einkommensausfälle in der Lebensperspektive nur unzureichend kompensieren: Heute Mitte-30-jährige verheiratete Mütter und Väter haben in ihrem Haupterwerbsalter, das heißt zwischen 20 und 55 Jahren, nach Steuern und Abgaben zuzüglich Transfers und Familienleistungen jeweils rund 700.000 Euro zur Verfügung. Frauen, die überwiegend alleinerziehend sind (mehr als die Hälfte der Erziehungszeit) kommen lediglich auf rund 520.000 Euro und müssen im Vergleich zu verheirateten Müttern damit durchschnittlich Einbußen von rund 25 Prozent hinnehmen. Der tatsächliche Lebensstandard hängt also stark von der Familienkonstellation und den wohlfahrtsstaatlichen Leistungen ab. „Für verheiratete Mütter schließt sich die geschlechtsspezifische Lücke in den Lebenseinkommen – die Partnerschaft sichert sie finanziell ab“, sagt Manuela Barišić, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung. „Alleinerziehende haben dagegen das Nachsehen, da sie von Partnereinkommen kaum oder gar nicht profitieren können.“

Der Sozialstaat gleicht Lebenseinkommensverlust von Alleinerziehenden nicht aus

Bei (überwiegend) alleinerziehenden Müttern kann das im Zuge der Familiengründung wegfallende Einkommen kaum oder gar nicht durch einen Partner kompensiert werden. Sie sind daher stärker auf staatliche Sozialleistungen angewiesen und hinken dennoch hinterher. Das gilt auch für Mütter, die über einen längeren Zeitraum verheiratet waren und sich nach der Trennung um die Kinder kümmern. Das verfügbare Lebenseinkommen von heute Mitte-30-jährigen teilweise alleinerziehenden Müttern (weniger als die Hälfte der Erziehungszeit) liegt bei 625.000 Euro und ist damit rund 10 Prozent niedriger als das der verheirateten Mütter. Die Zahlen zeigen auch, dass Alleinerziehende zunehmend auf Transferleistungen angewiesen sind. Im Vergleich zu älteren Alleinerziehenden (Jahrgang 1964), ist der Anteil der Transfers am gesamten Lebenseinkommen für jüngere teilweise alleinerziehende Mütter (Jahrgang 1985) von fünf auf neun Prozent und für überwiegend Alleinerziehende von zehn auf 17 Prozent stark angestiegen. Gleichzeitig ist der Anteil des Einkommens aus Erwerbstätigkeit gesunken, weil sich beispielsweise Phasen der Ausbildung oder der Arbeitslosigkeit verlängert haben. Sie sind nur bedingt in der Lage, zu den verheirateten Müttern aufzuschließen. „Viele der familienbezogenen Leistungen sind noch immer auf die eheliche Lebensgemeinschaft ausgerichtet, so wie das Ehegattensplitting oder die beitragsfreie Mitversicherung. Für Alleinerziehende oder nicht verheiratete Paare sind diese Leistungen nicht zugänglich“, sagt Bönke, Juniorprofessor für Öffentliche Finanzen und Autor der Studie. 



Fehlanreize abbauen, Kinderbetreuung ausbauen und finanzielle Absicherung stärken

Insbesondere die Kombination aus Ehegattensplitting, steuer- und abgabenfreien Minijobs und fehlenden Betreuungsmöglichkeiten setzt starke Anreize für eine traditionelle Rollenaufteilung, in der die Frau weniger Erwerbsarbeit und dafür mehr Sorgearbeit übernimmt als der Mann. Dabei sind die Vorteile einer solchen Spezialisierung im Haushalt über das Leben gering, der Preis langfristig aber hoch: „Viele Frauen stecken in der Zweitverdienerinnenfalle fest. Dadurch sind es bei Trennungen und im Alter vor allem Frauen, die gravierende finanzielle Einbußen in Kauf nehmen müssen“, mahnt Barišić. „Wohlfahrtstaatliche Leistungen, die einen spezifischen Lebensentwurf fördern, sollten der Vergangenheit angehören, zumal Familie heute deutlich vielfältiger ist als früher.“ 

Stattdessen müsse es um eine universellere Absicherung unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten gehen – durch verlässliche und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und größeren finanziellen Spielraum. Dies seien wichtige Rahmenbedingungen für eine gleichmäßigere Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern und eine bessere Absicherung von Alleinerziehenden.

Zusatzinformationen:

Der von der Bertelsmann Stiftung geförderten Studie „Wer gewinnt? Wer verliert? Die Absicherung von Lebenseinkommen durch Familie und Staat“ liegt ein dynamisches Mikrosimulationsmodell zugrunde, das vollständige Erwerbsbiografien im Längsschnitt auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) nachzeichnet. Basierend auf den jährlichen Haushaltsbruttoerwerbseinkommen, der Haushaltszusammensetzung und der Einkommens- und Erwerbshistorie werden Transferansprüche, staatliche Familienleistungen (inklusive Ehegattensplitting), Steuern und Abgaben im Alter zwischen 20 und 55 Jahren für die Geburtskohorten 1964 bis 1985 modelliert. Dabei wird ein vollständiges Einkommenspooling unterstellt, sodass Erwerbseinkommen zwischen Eheleuten gleichmäßig aufgeteilt werden. So kommt man vom individuellen Bruttolebenserwerbseinkommen zum äquivalenten verfügbaren Lebenseinkommen. Diese Publikation bildet die dritte und letzte Studie der Reihe „Wer gewinnt? Wer verliert?“ zu langfristigen Arbeitsmarkt- und (Lebens-)Einkommensentwicklungen von Frauen und Männern in Deutschland.

Quelle: Pressemitteilung Bertelsmann Stiftung




Öffentlichkeitsarbeit: Tue Gutes und zeige es den anderen!

Public Relations als notwendiger Teilbereich einer professionellen Kita-Pädagogik

Über viele Jahrzehnte führte die Kindertagesstättenpädagogik ein eher unspektakuläres Dasein – bis neue pädagogische Arbeitsansätze ab den 70er und 80ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, eine Qualitätsdiskussion ab den 90er Jahren, eine Bildungsdiskussion mit Beginn des neuen Jahrhunderts und vor allem eine Fokussierung auf die Neurobiologie und die Bindungsforschung ab Mitte des ersten Jahrzehnts dieser Zeit für neue Zielrichtungen und klar formulierte Aufgaben sorgten.

Gleichzeitig hat sich aber in der breiten Öffentlichkeit immer noch nicht deutlich genug herumgesprochen, dass Kindertageseinrichtungen eigenständige FACHINSTITUTIONEN und die dort tätigen Mitarbeiter/innen FACHKRÄFTE weder liebevolle „Kinderbeschäftigungskräfte“ noch als Hilfskraft eingesetzte „Vorschullehrer/innen“ sind. Das kann viele unterschiedliche Hintergründe haben. Vielleicht liegt es daran, dass Erzieher/innen bisher zu wenig für eine breit angelegte und offensiv gestaltete Öffentlichkeitsarbeit beigetragen haben. Umso bedeutsamer ist es daher, dass Kindertageseinrichtungen ihr eigenständiges, unverwechselbares Profil, ihren überaus bedeutsamen Beitrag für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung, ihre nicht zu ersetzende Wertigkeit im Hinblick auf die Persönlichkeits- und Schulentwicklung der Kinder sowie ihren Anspruch auf Wertschätzung zum Ausdruck bringen: klar formuliert, deutlich, unmissverständlich, kontinuierlich und aussagestark.

Öffentlichkeitsarbeit orientiert sich an Zielen

Öffentlichkeitsarbeit hat grundsätzlich immer drei Aufgaben zu erfüllen:

1.) Herstellung einer Transparenz der Aufgaben und Ansprüche,
2.) Steigerung des Ansehens der Einrichtung in der Öffentlichkeit und
3.) Aufbau, Ausbau und Pflege eines Vertrauens zur Öffentlichkeit.

Jede Art von Institution – egal, um welche Einrichtung es sich handelt und mit welchem Schwerpunkt diese Einrichtung verbunden ist – hat sich im Laufe ihrer Existenz – beabsichtigt oder unbeabsichtigt sei einmal dahingestellt – ein ganz bestimmtes „IMAGE“ erworben. Dabei kann es passieren, dass Personen, deren Meinung über diese betreffende Institution gefragt ist, im ersten Augenblick ihrer Einschätzung die Nase rümpfen, voller Hochachtung gute oder sogar beste Bewertungen abgeben oder achselzuckend ihre Schultern heben und überrascht sind, dass diese Institution überhaupt einen bestimmten Schwerpunkt verfolgt.

Öffentlichkeitsarbeit ergibt sich immer aus einer bipolaren Zielorientierung:

Wenn eine qualitätsgeprägte und professionell gestaltete Öffentlichkeitsarbeit wirklich erfolgreich sein möchte, dann muss der Blick aller MitarbeiterInnen stets in zwei Richtungen verlaufen:

a) nach innen – in das Zentrum der Einrichtung selbst, die unterschiedlichen und vielfältigen Aufgaben, die bisherigen Stärken und Schwächen sowie ihre unverwechselbaren Besonderheiten und
b) nach außen – ausgerichtet auf die vielen Ansprechpartner, die Ziele und die ständig neuen Aufgaben, die sich durch die Weiterentwicklung einer ständig neuartigen Realität ergeben.

Ziele leiten sich dabei aus einer sorgsamen Analyse bisheriger Erfahrungen, eigenen und fremden Erwartungen, besonderen Bedürfnissen und aktuellen Notwendigkeiten ab, die eine entsprechende Weiterentwicklung bestimmter Arbeitsbereiche erforderlich macht.

Damit die für eine qualitätsorientierte Öffentlichkeitsarbeit notwendigen  Merkmale immer stärker zu einer neuen Praxis werden können, sollen elementarpädagogische Fachkräfte ihre bisherige Öffentlichkeitsarbeit einmal sorgsam betrachten. Diese

* helfen dabei, diffuse Visionen für eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit in konstruktive, praktisch gestaltete Bahnen zu lenken,

* differenzieren die einzelnen, unterschiedlichen Aufgabenfelder, um Arbeitsanfängen und Weiterführungen eine (neue) Struktur zu geben und

* unterstützen Mitarbeiter/innen schließlich dabei, notwendige Planungsvorhaben in konstruktive und vor allem nachhaltige Arbeitsschritte zu wandeln.

Vor jeder Neugestaltung bzw. Weiterführung der bisherigen Öffentlichkeitsarbeit steht eine Ist-Analyse, um Stärken zu entdecken und Schwächen zu orten. Folgende Checkliste kann dabei hilfreich sein:        

Bestandsaufnahme zur aktuellen Situation der Öffentlichkeitsarbeit

Zielgruppe:   IST-Situation: Beispiele, die die >Stärken< herausstellen IST-Situation: Situationsbeschrei-bungen, die die >Schwächen< offenlegen
Eltern      
Lehrer/innen der Grundschule    
Kinderärzte      
Logopäden      
Ergotherapeuten      
Motopäden      
Beratungsstellen      
frei praktizierende Psychologen    
Jugendämter      
örtliche Presse      
überregionale Presseorgane    
Nachbarschaft      
Regionale TV-Sender    
Sponsoren      
Politische Mandatsträger    
(über)örtliche Firmen/ Gesellschaften    
(über)örtliche Vereine    
andere Kindertagesstätten    
Fach(hoch)schulen      
………..      

Wenn auf der einen Seite von Mitarbeiterinnen des öfteren der Umstand beklagt wird, dass der Kindergarten in der Öffentlichkeit entweder noch immer als „Aufbewahrungsstätte/ Beschäftigungsort für Kinder “ angesehen   o d e r  mit einer „frühpädagogischen Kaderschule für besonders effektives Lernen“ verwechselt wird , wenn elementarpädagogische Fachkräfte  – auch heute noch-  von politischen Mandatsträgern und einem großen Teil der Presse immer noch als „Kindergärtnerinnen“ bezeichnet werden,
und der Kindergarten im Vergleich zum „Bildungssystem Schule“ entweder einen untergeordneten Wert oder eine „Zuarbeiteraufgabe für die Grundschule“ zugeschoben bekommt, dann hat es die Elementarpädagogik noch nicht geschafft, ihrer Aufgaben und ihren eigenständigen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag kompetent nach außen zu tragen. Daher geht es um die Transparenz!


Unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Elementarpädagogik

Was bedeutet es ErzieherIn zu sein – in Bezug auf Kinder, Eltern und Träger? Was sind die täglichen Aufgaben? Welche Werte und welches Bild der pädagogischen Arbeit sollen nach außen getragen werden? Armin Krenz gibt auf Fragen nach produktiver Selbstreflektion, optimierter Teambildung, effizienter Öffentlichkeitsarbeit, nach zielorientierter Gesprächsführung, sei es mit Fachkollegen oder Eltern, fachlich fundierte und doch leicht verständliche, praktische Antworten,
Armin Krenz
Grundlagen der Elementarpädagogik – unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Frühpädagogik
Klappenbroschur, 192 Seiten
ISBN: 978-3-944548-03-6
24,95 €


Wenn – sicherlich eher vereinzelt – manche Eltern von den ErzieherInnen annehmen, dass es in der Pädagogik eher um die unreflektierte Fortsetzung einer begonnenen Familienerziehung gehe und dafür keine besondere Ausbildung nötig sei (Aussage einer Mutter: „Das könnte ich auch, hier mit Kindern spielen!“), dann wird dem Kindergarten keine Professionalität zugestanden. Gleichzeitig wird auch der Kindergarten wenig oder gar nichts dazu beigetragen haben, dass ein Mindestmaß an Professionalität zu erkennen war.

Kindergärten und Kindertagesstätten sind eine bedeutsame Institutionalisierung professioneller Pädagogik, allerdings nur dann, wenn fachkompetent an einem eigenständigen und unverwechselbaren Profil gearbeitet wird. Öffentlichkeitsarbeit kann dabei helfen, diese Situation zu verändern. Daher geht es um die Steigerung des Ansehens!

Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit wird sicherlich nur dann erreicht, wenn bestimmte Aktionen auffallen und damit der Öffentlichkeit deutlich ins Auge springen. Doch wissen wir aus der Kommunikationspsychologie, dass auf der einen Seite zwar die Inhalte bedeutsam sind, auf der anderen Seite aber auch die Beziehungsebene nicht unterschätzt werden darf. Wenn Ziele erreicht werden sollen, muss gewissermaßen auch das Herz angesprochen sein. Zum anderen geht es in der Öffentlichkeitsarbeit nicht um irgendwelche punktuellen „Spots“, bei denen nur dann die Öffentlichkeit gesucht
wird, wenn aktuelle Notwendigkeiten dazu drängen, bestimmte Kontakte aufzunehmen oder Arbeitsschwerpunkte urplötzlich zu installieren. Öffentlichkeitsarbeit lebt aus einer qualitätsgeprägten Kontinuität heraus – fachlich begründet und beziehungsfreundlich in die Öffentlichkeit transportiert. Daher geht es um den Aufbau und die Pflege eines Vertrauens zur Öffentlichkeit mit langfristigen Wirkungen!

Öffentlichkeitsarbeit dient nicht zur Rechtfertigung

  • Öffentlichkeitsarbeit leitet sich nicht aus einem Selbstzweck, der in sich selbst begründet ist oder einer notwendigen Rechtfertigung ab, die sich lediglich aus der Vollständigkeit eines elementarpädagogischen Qualitätsinventariums ergibt.
  • Öffentlichkeitsarbeit ist auch nicht deswegen ein bedeutsames Arbeitsfeld der Elementar- oder Primarpädagogik, weil irgendwelche Menschen der Überzeugung waren bzw. sind, dass diese Tätigkeit mit einer professionellen Pädagogik verknüpft sein muss.
  • Öffentlichkeitsarbeit gehört vielmehr zur Elementarpädagogik, weil es berufspolitisch sinnvoll und gesellschaftspolitisch erforderlich ist, diese einzigartige Pädagogik in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
  • Öffentlichkeitsarbeit ergibt sich also aus dem Zusammenhang notwendiger Erfordernisse.
  • Öffentlichkeitsarbeit fordert dabei alle Beteiligten auf, sich mit sich und den eigenen (In)kompetenzen auseinanderzusetzen, getreu dem Motto:
  • Wer etwas öffentlich erreichen möchte, muss zunächst sich selbst erreichen.
  • Wer der Öffentlichkeit nahe sein will, muss sich selbst nahe sein.
  • Wer von der Öffentlichkeit etwas verlangt, muss sich selbst einen Arbeiteinsatz abverlangen.
  • Wer von der Öffentlichkeit etwas erwartet, muss zunächst Erwartungen an sich selbst stellen und auch erfüllen.
  • Wer Öffentlichkeit informieren will, muss selbst sehr viele fachliche und aktuelle Informationen besitzen.
  • Wer Verantwortung für „die gute Sache“ delegiert, muss eigene Verantwortung für sein eigenes Tun und Nichtstun übernehmen.
  • Und wer Öffentlichkeit für etwas motivieren will, muss selbst viel Motivation in sich tragen.

Kindergärten und andere sozialpädagogische Einrichtungen, die ein Interesse daran haben,

  • ihr fachliches Interesse, verbunden mit einer persönlichen Überzeugung zu verdeutlichen,
  • ihr Berufsbild zu stärken,
  • als Interessenvertreterinnen für Kinder zu wirken,
  • ihrer Einrichtung zu einem (noch) deutlich(er)en Profil zu verhelfen,
  • ihre Arbeit und Aufgaben, Schwerpunkte und Ziele transparent öffentlich nachvollziehbar zu machen,
  • ihre Zusammenarbeit mit anderen Personen und Institutionen zu verbessern und
  • ihre Einrichtung konstruktiv in eine öffentliche Beachtung und Diskussion zu bringen, wählen vielfältige, aktive Formen der Öffentlichkeitsarbeit, die auch tatsächlich eine breite Außenwirkung in Gang setzen wird.

Unverwechselbare Merkmale einer qualitätsgeprägten, offensiven Öffentlichkeitsarbeit:

  • Öffentlichkeitsarbeit muss Neugierde und Interesse wecken!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss interessant und lebendig gestaltet sein!
  • Öffentlichkeitsarbeit sollte eine Diskussion in Gang setzen!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss durch Kontinuität gekennzeichnet sein!
  • Öffentlichkeitsarbeit verlangt vom Anbieter Einsatz und inneres Engagement!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss ein hohes Maß an Aktualität besitzen!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss sowohl gegenwartsorientiert als auch perspektivisch ausgerichtet sein!
  • Öffentlichkeitsarbeit dient weder der persönlichen Eitelkeit noch einem privaten Interesse!
  • Öffentlichkeitsarbeit ist ein aktiver (agierender), kein passiver (reagierender) Prozess!
  • Öffentlichkeitsarbeit ist stets ein geplanter und strukturierter Vorgang!
  • Öffentlichkeitsarbeit bedient sich zielorientierter Methoden und wählt situationsorientiert angemessene Formen!
  • Öffentlichkeitsarbeit will Einfluss nehmen und Meinungen gestalten!
  • Öffentlichkeitsarbeit ist immer eine Kombination aus einer Sach- und Beziehungspflege!
  • Öffentlichkeitsarbeit baut gezielt Berührungsängste ab!
  • Öffentlichkeitsarbeit trägt zu einer niveauvollen Streitkultur bei!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss ein fester Bestandteil der Elementarpädagogik sein!

Öffentlichkeitsarbeit zeigt sich in einer breiten Vielfalt

In einer Vielzahl von Kindertagesstätten gibt es eine häufig zu beobachtende Haltung der Mitarbeiter/innen, die entweder durch eine traditionell gepflegte „stille Kleinkindpädagogik“ (mit einem reaktiven Charakter, getreu dem Motto „Nur nicht auffallen“) charakterisiert werden kann  o d e r  in der es darum geht, permanent und ohne Unterlass in der Öffentlichkeit aufzutreten (getreu dem Motto: „Springe auf jeden neumodischen Zug auf, lasse dich auf jeden aktuellen Trend ein und zeige der Öffentlichkeit, dass du mit deiner Pädagogik stets und immer „up to date“ bist.

Beide Grundsatzhaltungen bzw. Einstellungen sind für eine professionell gestaltete Öffentlichkeitsarbeit weder hilfreich noch akzeptabel.

Eine aussagekräftige Elementarpädagogik verfolgt stattdessen ihr Ziel, den eigenständigen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag mit vielfältigen Dokumentationsbelegen transparent zu machen und ihr unverwechselbares Profil nach außen zu transportieren. Dabei nutzen die elementarpädagogischen Fachkräfte möglichst viele, unterschiedliche Formen der Öffentlichkeitsarbeit, um die hohe Bedeutung der pädagogischen Arbeit für die Entwicklung der Kinder (und deren Familien) sowie ihre gesellschaftspolitische Wertigkeit zu dokumentieren. Kindertagesstätten präsentieren dabei ihre konzeptionellen Grundsätze/ Richtlinien und ihre aktuelle, schriftlich fixierte Konzeption, ihre regelmäßigen Projektdokumentationen und ihre neuesten Jahresberichte. Sie arbeiten an Fachpublikationen mit und sorgen durch ihr öffentliches Engagement auch auf politischer Ebene für ein kinderfreundliches (entwicklungsförderliches) Umfeld. Ihre Teilnahme an Fachsymposien und Kongressen, ihre Kontaktpflege mit den Ausbildungsstätten (Fach-/hochschulen) und die vielfältigen, öffentlichen Darstellungen (Ausstellungen/ Mitwirkungen bei Aktionen), die Außenpräsentanz bei Projekten und die Mitwirkung bei kommunalen/ gemeindlichen Aktionen  prägen ein Bild von der Institution, die ihr professionelles Selbstverständnis klar, nachvollziehbar und offensiv auf den Punkt zu bringen versucht. Nicht zuletzt dadurch schaffen es die Fachkräfte, das traditionell geprägte Bild einer „Kindergärtnerin“ aufzuheben und das einer professionellen Fachkraft mit einem hohen Fachwissen und einer gut ausgeprägten Handlungskompetenz zu stabilisieren. Öffentlichkeitsarbeit ist stets spannend, lebendig und aufregend. Sie schafft gezielt und aktiv Situationen, die in der Öffentlichkeit mit einer interessierten Spannung wahrgenommen werden und dazu reizen, mehr in Erfahrung bringen zu wollen.

Schlussbemerkung

Die Elementarpädagogik ist in einem ständigen Entwicklungsprozess begriffen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse fordern zum Überdenken bisheriger Positionen auf. Die Öffentlichkeit hat einen berechtigten Anspruch darauf, an diesen Veränderungen teilzuhaben. Wenn es  die Elementarpädagogik schafft, selbst in Bewegung zu bleiben, starre Mechanismen zu verändern und neue Strukturen zu bilden, dann besteht bei den elementarpädagogischen Fachkräften auch der Wunsch, andere an dieser spannenden Entwicklung zu beteiligen. Und damit ist die wesentliche Grundlage für eine qualifizierte Öffentlichkeitsarbeit gelegt, getreu dem Motto: „Wer sich nicht bewegt, kann auch nichts bewegen.“ Oder noch präziser formuliert: „Tue Gutes und transportiere es in die Außenwelt.“

Literatur:

Franck, Norbert: Praxiswissen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Leitfaden für Verbände, Vereine und Institutionen. Wiesbaden 3. Aufl. 2017
Krenz, Armin: Professionelle Öffentlichkeitsarbeit in Kindertagesstätten. SCHUBI Lernmedien AG, Schaffhausen 3. Aufl.  2013,
Puttenat, Daniela: Praxishandbuch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Der kleine PR-Coach. Springer Verlag, Wiesbaden 2. Aufl. 2012

Autor: Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor a.D., Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Entwicklungspädagogik




Das Erziehungs- und Bildungsverständnis in der Waldorfpädagogik

Die Eigenaktivität des Kindes – ein biopsychosoziales Grundbedürfnis

Der Entwicklungsneurologe Hans Georg Schlack bezeichnet die Eigenaktivität, die jedem Kind eigen ist, als spontane Freude am Erkunden, Lernen und Handeln. Jedes Kind will Akteur seiner Entwicklung sein. Seinem biopsychosozialen Grundbedürfnis hat pädagogisches Handeln zu entsprechen. Befunden der frühkindlichen Deprivationsforschung zufolge „lassen sich vier psychische Grundbedürfnisse in der frühen Kindheit formulieren, von denen jeweils zwei in einer polaren (gegensätzlichen) Beziehung zueinanderstehen:

Grundbedürfnis nach

Bindung und Sicherheit <–> Autonomie und Eigenaktivität

Berechenbarkeit und festen Regeln <–> Abwechslung und neue Reize

Aktives Erkundungs- und Lernverhalten setzt eine ,sichere Basis’ voraus, und umgekehrt werden diese Aktivitäten blockiert, solange die Aktivitäten und Energien des Kindes dafür in Anspruch genommen werden, sich der Bindung versichern zu müssen“ (Schlack 2005, S. 42).

Auf die kindliche Eigenaktivität wirken positiv emotionales Interesse, unmittelbare und regelmäßige Rückmeldung sowie responsives Verhalten der Erzieherin. Responsivität überlässt dem Kind die Initiative zur Kontaktnahme mit Menschen und Gegenständen, reagiert bestätigend auf initiatives Verhalten, falls erforderlich auch korrigierend. Negativ wirkt auf die Entwicklung des Kindes ein Verhalten der Beziehungsperson, das ein Kind in eine passive Rolle bringt, sei es aus Mangel oder Übermaß an Anregung.

Die Befunde weisen nachdrücklich auf die fundamentale Bedeutung der Eigenaktivität bei Kindern mit biologischen Risiken (Frühgeborene), bei blinden, schwerhörigen, kognitiv beeinträchtigten oder bewegungsgestörten Kindern hin. Es handelt sich bei der Selbstentwicklung aus eigener Initiativkraft um ein Prinzip, das für alle Kinder zutrifft und dem die Erzieherin durch ihr Vorbild wie in einem Resonanzraum zu entsprechen sich bemüht (Näheres im Beitrag „Dem Resonanzbedürfnis des Kindes antworten“- ab 5.05.22 online).

Aus den entwicklungsneurologischen Erkenntnissen geht auch hervor, dass so genannte neue Krankheiten ursächlich damit zusammenhängen, dass Kinder nicht eigenmotiviert explorieren (untersuchen, forschen) konnten. Wird ihnen Lernfreude vorenthalten, dann können sie kein sicheres Selbstwertgefühl aufbauen. Schließlich verlieren sie die Lust am freien Spielgestalten und gewöhnen sich daran den passiven Konsum zu genießen. Auf diese Störung der Willenskraft (zur Selbstgestaltung) gehen zahlreiche Verhaltens-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen zurück.


In diesem Buch bringt Ferdinand Klein Rudolf Steiners Gedanken über die Erziehungs- und Bildungspraxis ins Gespräch. Dabei geht es auch um Humanisierung und die Entschulung der Schulen und Kindergärten, um grundlegende Orientierung am sich entwickelnden Kinder in der Lebenswirklichkeit hier und heute. Denn alles Forschen, Lehren, Erziehen und Bilden dient einer Aufgabe: Das (auf)gegebene individuelle Kind auf seinem Entwicklungsweg mit Herz und Tatkraft zu begleiten und zu leiten.

Waldorfpädagogik in Krippe und Kita
Einblick in eine ganzheitliche Praxis, die jedem Kind seinen individuellen Lebensweg ermöglicht
Klein, Ferdinand
BurckhardtHaus
ISBN: 9783963046100
208 Seiten, 25 Euro
Empfohlen vom Internationalen Archiv für Heilpädagogik

Mehr dazu auf oberstebrink.de


Anerkennung des Ich als geistigen Wesenskern

Waldorfpädagogik versteht das Kind als Subjekt seines individuellen Erziehungs- und Bildungsprozesses, das auf seinem Entwicklungsweg achtsam so zu unterstützen und zu begleiten ist, dass sich seine veranlagten Potenziale in einem ausgewogenen Verhältnis frei entfalten können. Auf diesem Weg bedarf es einer Haltung und Handlung der Erzieherin, die das Kind in seiner unverfügbaren Individualität als Subjekt so wertschätzt, dass es sich mit seinen Sinnen in Freiheit entfalten kann und seine spätere Lebensgestaltungskompetenzen im Blick hat – und nicht die zu messenden Leistungen.

Am Ur-Bedürfnis des Kindes orientieren

Gegen curriculares Festschreiben verwertbarer Kompetenzen steht ein am Menschen orientiertes Verständnis, das danach fragt, was im Menschenkind veranlagt ist und sich in ihm entwickeln will, damit es seelisch gesund, sich wohl fühlt, resilient und selbstwirksam seine Ich-Stärke, Kreativität, Lebens- und Lernfreude, sein Interesse und seine Herzensbildung zusammen mit andern entwickeln kann. Bei diesem offenen und ganzheitlichen Bildungsauftrag für die frühe Kindheit fragt die Erzieherin: Wie unterstütze und begleite ich die Kinder so, dass sie sich in ihrem Körper und in der Gruppe so zu Hause fühlen und beheimaten können, dass sie ihr individuelles Entwicklungsbedürfnis und ihre Potenziale voll und ganz frei verwirklichen können?

Die Waldorferzieherin achtet darauf, dass jedes Kind mit der Geburt zwei Ur-Erfahrungen mitbringt: Beziehungswillen (Willen zur Verbundenheit und Beziehung) und Gestaltungswillen (Willen zum Gestalten und Wachsen). Sie hat einen Beziehungsraum zu schaffen, in dem sich die Potenziale entfalten können. Um dieser herausfordernden Aufgabe soweit wie möglich zu entsprechen, hat die Erzieherin auf sich selbst zu schauen und sich zu fragen: Wer bin ich und wie muss ich sein, damit sich das Kind in der von mir gestalteten Umgebung selbst erziehen kann?

Die Antwort kann durch vertiefte Selbstreflexion gefunden werden: durch das Gespräch mit sich selbst, über das unter drei weiteren Fragen nachzudenken ist:

  • Bin ich offen für die geistige Heimat, aus der das Kind kommt?
  • Bin ich dialogfähig und wie gestalte ich die Beziehungsangebote?
  • Bin ich in meinem eigenen Leib zu Hause und kann ich dem Kind ein Vorbild sein, an dem es sich selbst erzieht? (Glöckler/Grah-Wittich 2020, S. 31)

Mit dieser Fragehaltung antwortet die Erzieherin dem Beziehungswillen des Kindes: Sie ist bemüht, seinem Grundbedürfnis zu entsprechen und schenkt ihm Geborgenheit, Wärme und Vertrauen. Damit antwortet sie dem Gestaltungswillen des Kindes und ermöglicht ihm Freiheit, Autonomie und Kreativität. Auf dieser Basis

  • Willen zur Verbundenheit und Beziehung und
  • Willen zum Gestalten und Wachsen

entfaltet das Kind sein Denken, Fühlen und Wollen. Ziel der Erziehungs- und Bildungsarbeit ist es also, dass Kinder einerseits zu selbstbestimmten, andererseits zu beziehungsfähigen Menschen heranreifen. Stets geht es darum, dem Kind eine sichere Bindung und freies Erkunden zu ermöglichen, bei dem die Erzieherin wie ein Reflektor (Spiegel) für das Kind ist, damit es selbstwirksam tätig sein kann, seine Potenziale selbstbestimmt, also frei, autonom und kreativ, beziehungsfähig und vertrauensvoll entfalten kann. Die Erzieherin gibt durch ihr Dasein, durch ihre authentische und wertschätzende Haltung dem Kind eine Hülle für die Entfaltung seiner Kräfte des Denkens, Fühlens und Wollens, die in einem fortwährenden lebenserfüllten Wandlungsprozess sind. Das kann die Erzieherin auf ihre ganz persönliche Art (er)spüren und das Kind auf der Basis des Vertrauens begleiten und sich fragen: Was braucht gerade in diesem Moment dieses Kind von mir?

Dieser zu gestaltende Beziehungsraum achtet Kontinuität (Ausdauer, Beharrlichkeit) und Konstanz (Beständigkeit), die das Kind als haltend und schützend wahrnimmt. Zudem ist dieser Raum zu strukturieren. So kann durch die geschaffenen äußeren Strukturen das Kind diese verinnerlichen und auf einer sicheren Beziehungsbasis seine Welt erfahren. Um diesen Prozess verstehen zu können und Beziehungen förderlich zu gestalten und Räume zu strukturieren, braucht die Erzieherin ein intersubjektives Reflektieren und Verstehen. Sie braucht ein feines Gespür dafür wie sie dem Kind im Beziehungsraum (Resonanzraum) eine Hülle für seine Selbstwirksamkeit gibt.

Das Kind will mit allen Sinnen seine Welt erkunden

Beim Spazierengehen kommt ein Kind zu einer Eiche, sieht sie im Sonnenlicht stehen und entdeckt, dass sie einen Schatten auf den Boden wirft. Es umrundet den Baum und nimmt wahr, dass hinter der Eiche alles anders ist als vor der Eiche. Es fängt an die Eicheln zu sammeln: lauter kleine Eicheln. Nach einer Weile kommt es wieder um den Baum herum und beobachtet eine der Eicheln genauer. Gleich setzt es sich auf den Boden, steht bald wieder auf und läuft nochmals um den Baum herum. Durch diese Sinnesaktivitäten formt es sein Selbstbild an der Welt. „Indem es an bestimmten Stellen gründlich in die Tiefe geht, kann es die nötigen Wahrnehmungen machen, um in der Weltbegegnung Sicherheit zu gewinnen“ (Glöckler/Grah-Wittich 2020, S.123). In dieser Weltbegegnung (Anfassen der Eichel, Umrunden des Eichenbaumes, Einnehmen unterschiedlicher Standpunkte) begreift es, was eine Eichel und eine Eiche sind.

Bei dieser Begegnung mit der Natur und Kultur beobachtet das Kind seine es umgebende Welt, bildet dabei seine Denkfähigkeit weiter und gewinnt Sicherheit. Bei einem anderen bestimmten Baum, zum Beispiel bei einer Birke, macht es ähnliche Erfahrungen und erweitert dadurch seine individuelle Denkkraft. Es baut sich in der Einheit von Bewegen (Gehen), Sprechen und Begreifen seine Brücke zur Welt auf.

Diese Verbundenheit mit der Natur und Kultur hat auch Janusz Korczaks partizipative Pädagogik im Sinn. Für ihn kennt das Empfinden des Kindes keine Hierarchie: Es „leidet mit einem gequälten Pferd, mit einem geschlachteten Huhn. Der Hund und der Vogel sind ihm verwandt, Schmetterling und Blumen sind ihm ebenbürtig, im Steinchen und in der Muschel findet es seinen Bruder“ (Korczak 1999, S. 389).

Die Erzieherin kann sich fragen: Bin ich fähig, dieses Bedürfnis des Kindes, das die Welt erkunden will, aufmerksam wahrzunehmen und durch meine eigenen Intentionen einen Raum für die autonomen Impulse des Kindes zu schaffen?

Mit dieser Frage beherrscht sie nicht die Situation, sondern nimmt eine Haltung ein, die es dem Kind ermöglicht sich selbst zu empfinden und zu erleben.

Geboten ist das Gestalten der Umgebung, bei der das Denken, Fühlen und Wollen der Erzieherin auf den kindlichen Organismus unmittelbar wirkt. Auf diese Umgebungsgestaltung weist uns die Hirnforschung nachdrücklich hin: Was die Erzieherin sagt, was sie tut und vor allem wie sie ist, ist wesentlich.

Gefragt ist die Biografie, das beispielhafte Vorleben, die Gestaltung der eigenen Individualität, die abhängt von der Fähigkeit sich mit dem

  • eigenen Denken aus dem übergreifenden Geistigen heraus zu verständigen,
  • am eigenen Tun und Wollen und
  • am eigenen Fühlen zu orientieren.

„Alles, was wir in diesem frühen Alter tun oder unterlassen, legt eine Spur fest, in der das Kind gehen muss. Im späteren Leben, wenn es darauf ankommt, dass es selbstständig denken kann, wenn es den ,Schritt aus dem Paradies‘, den Schritt des ersten Ungehorsams, immer wieder tun muss, kann es das umso besser, je mehr es sich mit dem identifizieren kann, was es auf dieser Erde vorhat, und wenn es ihm gelingt, sich seinen Leib gefügig zu machen, dass es dem auch standhält. Dafür braucht es eine Basis“

(Glöckler/Grah-Wittich 2020, S. 127).


Literaturverzeichnis:

Glöckler, M./Grah-Wittich, C. (Hrsg.) (2020): Die Würde des kleinen Kindes 2. Gesunde Entwicklung und Prävention. Dornach, am Goetheanum

Korczak, J. (1999): Wie liebt man ein Kind/Das Recht des Kindes auf Achtung/Fröhliche Pädagogik. Bearbeitet von F. Beiner und S. Ungermann. Gütersloh, Gerd Mohn

Schlack, H. G. (2005): Das Kind als Akteur seiner Entwicklung. In: Büchner, Chr. (Hrsg.): Lebensspuren. Über den Zusammenklang von Erziehung und Therapie. Luzern, SZH, S. 39 – 49

Der Autor:

Prof. Dr. Dr. et Prof h.c. Ferdinand Klein ist Lehrer, Heilpädagoge und Logotherapeut, Erziehungswissenschaftler im Fachgebiet Heilpädagogik. Er war 14 Jahre in der heilpädagogischen Praxis tätig, dann an acht Universitäten im In- und Ausland. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen Kindheitspädagogik, interkulturelle und inklusive Pädagogik, Forschungsmethoden, Korczakpädagogik und ethische Fragen.




Die Nummer gegen Kummer: über 120.000 Beratungen in 2021

Zahl der Anrufe am Kinder- und Jugendtelefon und am Elterntelefon gestiegen

Die kostenlosen und anonymen Hilfsangebote der „Nummer gegen Kummer“ sind seit über 40 Jahren eine wichtige Anlaufstelle für Heranwachsende und Erziehende, die über ihre Sorgen, Ängste und Nöte sprechen möchten und darüber Entlastung oder auch konkrete Lösungsansätze suchen. Seit dem Beginn gesicherter statistischer Aufzeichnungen haben tausende ausgebildete ehrenamtlich Beratende fast 5 Mio. Beratungen mit Ratsuchenden geführt. 

Großes Thema Corona

Im Jahr 2021 fanden insgesamt 121.174 Beratungen über die Angebote der „Nummer gegen Kummer“ statt. Davon 89.169 am Kinder- und Jugendtelefon, 12.328 in der Online-Beratung (Mail+Chat) für junge Menschen und 19.677 am Elterntelefon. Am Elterntelefon (+11%) und in der Chat-Beratung (+47%) sind die Beratungszahlen im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Rund 10% aller Beratungen standen in einem direkten Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Am Elterntelefon meldeten sich sogar 20% aller Fälle mit einer Thematik, die im Zusammenhang mit Corona stand.

Mehr Konflikte in Familien

„Wir sind sehr froh, dass wir auch in 2021 erweiterte Beratungszeiten an unseren Angeboten aufrechterhalten konnten. So konnten wir vielen jungen Menschen und Erziehenden zur Seite stehen. Unsere Hilfsangebote geben Aufschluss darüber, was Eltern, Kinder und Jugendliche bewegt. Die Zahlen aus 2021 spiegeln unter anderem ein erhöhtes Konfliktpotenzial in Familien sowie eine Zunahme von psychischen Problemen bei Heranwachsenden wieder. Eine Entwicklung, die seit Beginn der Pandemie von uns und auch vielen anderen Expert*innen der Kinder- und Jugendhilfe und des psychosozialen Gesundheitssystems befürchtet wurde.“, so Rainer Schütz, Geschäftsführer der „Nummer gegen Kummer“.

Hilflosigkeit und Überforderung

Besonders häufig meldeten sich Ratsuchende am Elterntelefon, um über Gefühle der Hilflosigkeit und Überforderung, auch im Zusammenhang mit Corona, zu sprechen. Viele Erziehende fanden hier außerdem Unterstützung. Wenn es um die Beziehung zum eigenen Kind und Probleme mit (Ex-)Partner*innen ging. Häufiger als in 2020 thematisierten ratsuchende Eltern die psychischen Probleme ihrer Kinder. Und auch ratsuchende Kinder und Jugendliche suchten zu den eigenen psychischen Problemen häufiger Hilfe bei der „Nummer gegen Kummer“ als noch im Vorjahr. Darüber hinaus sprachen junge Ratsuchende verstärkt über ihre Beziehung zu den Eltern, sexuellen Missbrauch, Selbstverletzung und auch Suizidgedanken bzw. -versuche.

Jahresstatistiken

Die Jahresstatistiken zeigen, mit welchen Belastungen Familien in Deutschland zu kämpfen haben und wie es sowohl jungen Menschen als auch Erziehenden im zweiten Jahr der Corona-Pandemie geht: https://www.nummergegenkummer.de/aktuelles/zahlen-und-fakten/. In den angefügten Fact Sheets sind die wichtigsten Zahlen und Fakten noch einmal zusammengefasst.

Über Nummer gegen Kummer e.V.

Nummer gegen Kummer e.V. ist der Dachverband für örtliche Vereine, die in Deutschland ein Kinder- und Jugendtelefon und Elterntelefon betreiben. Die derzeit 87 lokalen Träger der Beratungstelefone sind überwiegend örtliche Verbände des Deutschen Kinderschutzbundes so- wie anderer Wohlfahrtsverbände. Dieses Netzwerk stellt das deutschlandweit größte kosten- freie, telefonische Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern dar. Speziell ausgebildete, ehrenamtlich engagierte BeraterInnen unterstützen die Anrufenden im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe bei Alltagsproblemen und in schwierigen Lebenssituationen. Zur Finanzierung des Netzwerkes bemühen sich Nummer gegen Kummer e.V. bundesweit und seine Trägervereine lokal um Spenden von Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen.

Nummer gegen Kummer e.V. ist aus dem Deutschen Kinderschutzbund hervorgegangen und diesem als Mitglied in seiner Zielsetzung verbunden. Der Dachverband ist Mitglied bei Child Helpline International.
Nummer gegen Kummer e.V. wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und unterstützt durch die Deutsche Telekom. Jeder Anruf an den Beratungstelefonen ist kostenlos, die Verbindungsgebühren trägt die Deutsche Telekom AG, Kooperationspartner von Nummer gegen Kummer e.V. seit 1991.

Elterntelefon unter 0800 – 111 0 550
Mo – Fr von 9 – 17 Uhr sowie Di und Do von 17 bis 19 Uhr
Kinder- und Jugendtelefon unter 116 111
Mo – Sa von 14 bis 20 Uhr
Online-Beratung für Kinder und Jugendliche per Mail und Chat unter www.nummergegenkummer.de

Weitere Informationen unter www.nummergegenkummer.de




Erziehungspartnerschaft statt Elternbelehrung – ein schwerer, doch lohnender Weg!

In einer Erziehungspartnerschaft heißt das Ziel: gemeinsam das Kindeswohl unterstützen

Vielleicht kennen elementarpädagogische Fachkräfte, sofern sie Eltern sind und ihre eigenen Kinder in einer Kindertagesstätte untergebracht hatten bzw. haben, bestimmte Situationen, die ihnen wenig angenehm waren. Gespräche mit den Erzieher*innen waren eher belehrend aufgebaut, häufig war ein erhobener Zeigefinger zu spüren, Erwartungen wurden formuliert, ohne dass die individuelle Lebenssituation bekannt war oder berücksichtigt wurde. Und so hatte man als Elternteil fast schon ein schlechtes Gewissen, wenn die Leitungskraft um ein Elterngespräch bat. Eine Erziehungspartnerschaft fordert ein Paradigmenwechsel: vom Monolog zum Dialog und von einer einseitigen Belehrung hin zu einem gemeinsamen, zugewandten Gespräch, gekennzeichnet durch ein gegenseitiges Informationsinteresse. 

KindheitspädagogInnen und Eltern tragen zur Entwicklung des Kindes bei!

Kinder – das ist bekannt – entwickeln schon in ihrem pränatalen Stadium und weiter  in den ersten Lebensjahren ihre individuelle Persönlichkeitsstruktur. Dabei läuft ihre Entwicklung nicht nur nach einer stringenten, inneren Abfolge von dispositionalen, vorgegebenen Entwicklungsschritten ab. Vielmehr wirkt sich die von ihnen erlebte Umgebung mit den ungezählten Einflussfaktoren auf die Art und Weise der ‚Formung’/ Ausprägung ihrer Entwicklungsprozesse aus, wobei sowohl die familiären, kulturellen und  wohnortspezifischen Einflüsse und die Einflüsse der Institution „Kindertagesstätte“ mit ihren besonderen Struktur- und Prozessbedingungen als auch die EntwicklungsbegleiterInnen (= KindheitspädagogInnen) in beiderseitiger Größe einen Einfluss auf das Entwicklungsgeschehen der Kinder haben.

Von der Elternbelehrung hin zur Erziehungspartnerschaft

Auf der einen Seite bestimmt der gesetzlich verankerte, eigenständige Erziehungs-, Betreuungs- und Bildungsauftrag“ für Kindertageseinrichtungen (in Verbindung mit den länderspezifischen Kindertagesgesetzen, Bildungsgrundsätzen und  trägerspezifischen Richtlinien/ Verordnungen etc.), welche Ziele und Aufgaben KindheitspädagogInnen zu leisten haben, auf der anderen Seite bringen die Familien, die ihr(e) Kind(er) in die Kita bringen, ihre einmalige, ganz persönliche Biographie mit und so treffen auf diese Weise – von Anfang an – zwei „Welten“ aufeinander, die es zu verbinden gilt. Eine solche Verbindung kann aber nur geschehen und von Erfolg gekrönt sein, wenn KindheitspädagogInnen die innerlich verankerte Bereitschaft an den Tag legen, (a) sich selbst als permanent Lernende zu verstehen, (b) ein großes Interesse an den Lebensverhältnissen der Familien zeigen, (c) Professionalität und Humanität im Alltagsgeschehen und dies im Umgang mit den Familien sowie den Kindern miteinander verbinden, (d) Partizipation der Familien und der Kinder zu einem festen Bestandteil ihrer Interaktion erklären, (e) ihre Arbeitsweise, Aufgaben und Ziele transparent machen sowie (f) ihr profundes Wissen aus den Bereichen der Entwicklungspsychologie/ -pädagogik, Bindungsforschung und Bildungswissenschaft gleichzeitig in eine zugewandte Gesprächsführung einbauen, so dass Familien die gepflegte Kommunikation als eine Bereicherung erleben können.

Damit stellt eine Erziehungspartnerschaft ein hohes Gut für beide Seiten dar, von denen das Kind im Mittelpunkt gleichermaßen profitiert.


Der Kindergarten als Lebensraum

Der Kindergarten als Lebensraum unterliegt immer der großen Gefahr, sich durch verschiedene Programme/Ansätze bildungspolitischer Strömungen allzu schnell von einem Lebensraum zu entfernen. Dabei gibt das Wort LEBENSRAUM schon die Grundlage vor: L wie Lust und Lebendigkeit, E wie Eigenständigkeit und ernstnehmend, B wie bunt und begreifen, E wie einfühlend und erfrischend, N wie neugierig und normal, S wie spannend und sorgsam, R wie reich an Erfahrungen und raumnutzend, A wie ausdauernd und akzeptierend, U wie umfassend und ursachenorientiert, M wie menschenorientiert und marginal.

Armin Krenz
Elementarpädagogik und Professionalität – Lebens- und Konfliktraum Kindergarten
Klappenbroschur, 192 Seiten
ISBN: 978-3-944548-00-5
24.95 €


Erziehungspartnerschaft verzichtet auf Überlegenheit und bedingungslose Akzeptanz

Kam es in einer funktional gestalteten Elternarbeit, wie sie in vergangener Zeit (und teilweise auch heute noch) üblich war bzw. ist, zu einer Erwartungskollision, weil den Elternteilen institutionelle/pädagogische Ziele vorgestellt und ihnen damit existierende Erwartungen übergestülpt wurden, geht eine Erziehungspartnerschaft einen anderen Weg. Durch das intensive und damit authentisch vorhandene Interesse der KindheitspädagogInnen, (a) Familien an ihren ziel- und aufgabenorientierten Schwerpunkten teilhaben zu lassen, (b) ihnen den besonderen Bedeutungswert ihres beruflichen Selbstverständnisses sowie (c) ihre kurz-, mittel- und langfristigen Aufgaben zu verdeutlichen und mit Zeit/ in Ruhe vorzustellen, dann entspricht es einer partnerschaftlichen Sichtweise, Familien genügend Raum und Platz zu lassen, den geäußerten Überlegungen beizupflichten oder selbstverständlich auch Kritik zu äußern, (Nach)Fragen zu stellen, eigene Überlegungen einzubringen, neue Vorschläge (beispielsweise bei einer Zielfindung) zu unterbreiten, selbstverständlich auch Unmut zu äußern oder ihr Unverständnis über bestimmte Tatsachen auszudrücken. Hier liegt es eindeutig auf der Seite der KindheitspädagogIn, immer wieder für eine entspannte Kommunikationsatmosphäre zu sorgen, die es auch ermöglicht, aus einem schwierigen, verhärteten, festgefahrenen oder konfrontativen Interaktionsprozess erneut zu einem zielführenden Gesprächsverlauf zurückzufinden, um letztlich ergebnisorientiert voranzukommen.

Bisherige, sehr oft genannte Merkmale eines erziehungspartnerschaftlichen Umgangs sind häufig nur ungenau bzw. missverständlich benannt

Schaut man in bisherige Buchinhalte und Fachartikel zur Erziehungspartnerschaft, trifft man einerseits auf immer dieselben Begriffe, in denen es nahezu plakativ (d.h. lediglich stichwortartig und damit nicht ausführlich genug) um solche Aussagen wie „Prozessorientierung ist der Weg“/ „Toleranz zeigen“/ „Gleichberechtigung realisieren“/ „Eltern müssen ernst genommen werden“/ „Radikalen Respekt für Verschiedenheit aufbringen“/  usw. geht. Nun: Eine Prozessorientierung kann ohne eine klare Zieldefinition sehr schnell auf einen Nebenweg mit einem anderen Ziel führen. Solche Aussage ähnelt der einer Selbsterfahrungsteilnehmerin, die nach ihrem aktuellen Entwicklungsvorhaben gefragt wurde und mit der Aussage: „Das kann ich nicht genau sagen: ich befinde mich nämlich gerade in einem Prozess.“ geantwortet hat.

Das Wort ‚Toleranz’ kommt aus dem lateinischen ‚tolerare’ und bedeutet übersetzt so viel wie ‚ertragen’. Dabei wird oftmals übersehen, dass etwas ertragen immer mit einem eigenen Unmut, mit einer offenen oder unterdrückten Zurückhaltung zu tun hat und im Widerspruch zur ‚Akzeptanz’ (der authentischen Annahme) steht. Eine ‚Gleichberechtigung’ kann es zwischen KindheitspädagogInnen und Familienmitgliedern nicht geben, denn das würde beispielsweise bedeuten, dass auch Familienmitglieder die Art und Weise der Arbeit, die konzeptionelle Ausrichtung, die Bildungsinhalte oder pädagogischen Vorhaben gleichberechtigt mitbestimmen könnten, auch im Gegensatz zu bestehenden Richtlinien oder ggf. humanistisch geprägten Werten. Und worin läge beispielsweise der Bedeutungswert einer qualifizierten Ausbildung von Kindheitspädagog*innen, wenn Familien die Ausrichtung der Arbeit vorgeben könnten?  So ist stattdessen der Begriff „Gleichwertigkeit als Person“ sicherlich weitaus angebrachter, weil eine Erziehungspartnerschaft durch eine Kommunikation auf „gleicher Augenhöhe“ gekennzeichnet ist.

Dass „Eltern ernst genommen werden müssen“ ist doch eine Selbstverständlichkeit – wer dies als Kennzeichen einer ‚Erziehungspartnerschaft’ hervorhebt, drückt damit auch aus, dass dies bei einer ‚Elternarbeit’ offensichtlich nicht stattgefunden hat. An dieser Stelle würden elementarpädagogische Fachkräfte, die bisher eine solche qualitätsorientiert umgesetzt haben, sicherlich (auch zu Recht) protestieren. Die Forderung nach einem „radikalen Respekt für Verschiedenheit“ ist in dieser generellen Formulierung nur schwer bzw. gar nicht nachzuvollziehen. Hätten Sie einen ‚radikalen Respekt’ vor Elternteilen oder Fachkräften, die Kinder schlagen, zum Essen zwingen, der Lächerlichkeit preisgeben, in Ohnmachtssituationen bringen, mit einem Bildungsangebot nach dem anderen konfrontieren oder in großen Gefahrensituationen alleine lassen, um sie auf diese Weise stark zu machen?

Doch eine immer wiederkehrende Aussage darf (und muss!) mehr als deutlich in Frage gestellt werden, wenn es immerzu heißt: „Eltern sind Experten für ihre Kinder“ bzw. „… sind Erziehungsexperten.“ Nun: Experten, egal welcher Ausrichtung, haben immer eine langjährige Ausbildung, haben diverse Zusatzqualifikationen erfolgreich absolviert, haben (bezogen auf die Bereiche Pädagogik/ Psychologie) Selbsterfahrung auf sich genommen und eine permanente Persönlichkeitsreflexion zum festen Bestandteil ihrer Professionalität erklärt. All’ dies haben Erziehungsberechtigte nicht. Insofern trifft die Aussage besser zu, dass diese durch eine kindeswohlorientierte, dauerhaft gepflegte Erziehungspartnerschaft mit ihren sehr unterschiedlichen Begleitformen immer stärker zu Experten einer/ einem kindorientierten und förderlichen Entwicklungsbegleiter*in werden.

Merkmale einer lebendigen, authentisch gelebten Erziehungspartnerschaft

Kindheitspädagog*innen, deren Ziel es ist, eine gelebte Erziehungspartnerschaft herzustellen bzw. weiterhin zu pflegen, können dies nur erreichen, wenn sie vor allem folgende Qualitätsmerkmale in ihrer Alltagspädagogik umsetzen:

  • Zunächst geht es um eine für alle positiv erlebte Atmosphäre, die sich durch Freundlichkeit, Zugewandtheit, Aufmerksamkeit, Interesse an den Freuden/ Ängsten/ Sorgen und Nöten der Menschen auszeichnet. Das fängt mit der täglichen Begrüßung der Team-/ Familienmitglieder und des Kindes an und endet mit der persönlichen Verabschiedung aller. Dadurch erleben und erfahren Kolleg*innen und Eltern einen besonderen Bedeutungswert, der ihnen zeigt, dass sie in der Kita eine gewichtige Rolle innehaben.
  • KindheitspädagogInnen haben sich als Motor der Beziehungspflege zu verstehen und können diese Aufgabe nicht von Familienangehörigen erwarten. Schuldelegationen wie „Die Eltern wollen gar nicht kommen“ oder „Die Eltern haben kein Interesse an unserer Arbeit“ müssen in die Fragestellung umgedeutet werden wie beispielsweise: „Was müssen wir tun und was haben wir in der Vergangenheit übersehen, dass sich Eltern nicht willkommen gefühlt haben, fern bleiben oder mit Konfrontationen reagieren?“
  • Professionelles Verhalten – angefangen von einer qualitätsorientierten Gesprächsführung (bestenfalls mit einer Weiterbildung in ‚Beratungspsychologie’) über eine vorhandene Konfliktkompetenz bis zu einem profunden Fachwissen, eingebettet in eine freundliche Umgangskultur – ist die Grundlage, um eine bisherige ‚Elternarbeit’ in eine Erziehungspartnerschaft zu wandeln bzw. eine solche zu pflegen.
  • Der ‚Dreiklang’ einer Erziehungspartnerschaft (die Familie – das Kind mit seinen Entwicklungsrechten und Grundbedürfnissen – die KindheitspädagogIn als ImpulsgeberIn, BeraterIn, UnterstützerIn) – setzt voraus, dass KindheitspädagogInnen sowohl eine Sensibilität für aktuelle Elternbedürfnisse als auch für ein situationsorientiertes Handeln besitzen, um möglichst punktgenaue Aktivitäten zu planen und umzusetzen.
  • Zur Umsetzung eines erziehungspartnerschaftlichen Umgangs miteinander gehört eine breite Kenntnis der Lebensbedingungen der Familie, ihrer Werte und Normen, ihrer Weltsichtweise sowie ihrer Erziehungsvorstellungen, um diese zu verstehen und bei der Beziehungspflege zu berücksichtigen.
  • Eine Erziehungspartnerschaft zeigt sich u.a. durch – zumindest kurze – freundlich geführte Tür- und Angelgespräche, lebendige und spannende Elternabende, interessante Elternbriefe, gemeinsame Feiern, ein offenes Ohr für Beschwerden, einen periodisch stattfindenden Elternstammtisch, wenn möglich ein Elterncafe (z.B. bei fehlenden Räumlichkeiten in einem geschmackvoll eingerichteten Bauwagen für Elterntreffs), gemeinsame Aktivitäten (auch mit Kindern) in der Kita, gemeinsamen Aktionen (auch außerhalb der Kita), dem Besprechen von Beobachtungen und Entwicklungsberichten sowie in einer Unterstützung bei besonderen Fragestellungen und – falls nötig und erwünscht – Hinweisen auf weiterführende Hilfen aus.
  • Einmal pro Jahr ausgelegte, anonymisierte Fragebögen zu bestimmten Bereichen (z.B. die Eigenbeteiligungsmöglichkeit betreffend, die Mitsprache, die erlebte Atmosphäre, das Aufgreifen von Ideen und Vorschlägen, die Weitergabe von Informationen, die Transparenz der Arbeit, eine ausreichende Zeit für Gespräche, Gestaltung der Räume, Engagement der Kindheitspädagog*innen …) und zum Grad einer (Un)Zufriedenheit geben Eltern die zusätzliche Möglichkeit, ihre Meinung kund zu tun und Veränderungswünsche zu formulieren.                             

Literatur:

Albers, Timm + Ritter, Eva: Zusammenarbeit mit Eltern und Familien in der Kita. Reinhardt Verlag, 2015

Dusolt, Hans: Elternarbeit als Erziehungspartnerschaft. Ein Leitfaden für den Vor- und Grundschulbereich. Beltz Verlag, 4. Aufl. 2018

Gerth, Andrea: Auf dem Weg zur Erziehungspartnerschaft. Lern- und Arbeitsbuch für Kindergartenteams. Verlag das netz, 2007

Schlösser, Elke: Zusammenarbeit mit Eltern – interkulturell. Informationen und Methoden zur Kooperation mit Eltern mit und ohne Migrationserfahrung in Kita, Grundschule und Familienbildung. Ökotopia Verlag, 4. Edition 2017

Textor, Martin: Bildungs- und Erziehungspartnerschaft in Kindertageseinrichtungen. Books on Demand, 2. Edition 2014

Woll, Rita: Partner für das Kind. Erziehungspartnerschaften zwischen Eltern, Kindergarten und Schule. Vandenhoeck & Ruprecht, 2008

Armin Krenz, Prof. h.c. et Dr. h.c., Honorarprofessor a.D., Wissenschaftsdozent für Elementar- und Entwicklungspädagogik/ Entwicklungspsychologie; Email: armin.krenz@web.de 




Wattestäbchen haben im Gehörgang nichts zu suchen

ÖKO-TEST hat Wattestäbchen untersuchen lassen–-Test gratis

Im aktuellen ÖKO-TEST-Magazin findet sich auch ein aktueller Test von Wattestäbchen. Bezüglich der Schadstoffe in den Wattestäbchen gibt es kaum Auffälligkeiten. Lediglich in vier von 25 Produkten haben die Tester so genannte halogenorganische Verbindungen gefunden. Viele dieser chlorhaltigen Stoffe gelten als allergieauslösend.

Schlechte Recycling-Quote

Die Recycling-Quote in den Wattestäbchen ist allerdings gering. Nur vier der getesteten Stäbchen enthalten überhaupt Recyclingpapier. Dafür können die Hersteller jedoch kaum etwas. Der Grund besteht in der schon seit einiger Zeit anhaltenden Papierknappheit. Diese wird aktuell durch den Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine noch verschärft.

Zwei wichtige Tipps

Zwei wichtige Tipps gibt das ÖKO-TEST-Magazin seinen Leserinnen und Lesern auch noch mit:

1. Wattestäbchen besser nicht in den Gehörgang stecken. Grund: Mit einem Stäbchen drückt man Ohrenschmalz nur noch fester und tiefer ins Ohr. Beinahe alle Produkte tragen einen entsprechenden Warnhinweis.

2. Babywattestäbchen müssen nicht sein. Die äußere Ohrmuschel lässt sich auch mit einem Waschlappen oder einem herkömmlichen Stäbchen reinigen.

Den vollständigen Test finden Sie unter diesem Link.




Der Reformwille scheitert allzu oft an der Alltagsbürokratie

Prof. Dr. Claus Hurrelmann erläutert die Cornelsen Schulleitungsstudie im Video

Schulleiterinnen und Schulleiter möchten sich intensiv um Strategie- und Unterrichtsentwicklung kümmern – ihr Alltag sieht anders aus. Das zeigt eine repräsentative Studie, deren Ergebnisse Bildungswissenschaftler Prof. Dr. Klaus Hurrelmann im Interview zusammenfasst und kommentiert. Die Cornelsen-Schulleitungsstudie wurde durch das FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie unter seiner Beteiligung durchgeführt und wird auch auf der didacta 2022 Thema sein. Die Bildungsmesse findet vom 7. Bis 11. Juni 2022 in der Messe Köln statt.

Quelle: https://bildungsklick.de/