Nachwuchswettbewerb Jugend forscht geht in die neue Runde

8.527 Kinder und Jugendliche haben sich mit 4.788 Projekten angemeldet

In der kommenden Woche beginnen die Wettbewerbe der 57. Runde von Jugend forscht/Schüler experimentieren. Die Jungforscherinnen und Jungforscher präsentieren ihre kreativen Projekte zunächst auf den Regionalwettbewerben im gesamten Bundesgebiet. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes finden die Wettbewerbsveranstaltungen vornehmlich online statt. Für die aktuelle Runde des Nachwuchswettbewerbs haben sich insgesamt 8.527 Kinder und Jugendliche mit 4.788 Projekten angemeldet.

Große Bandbreite

Auch in diesem Jahr ist die Bandbreite der Forschungsarbeiten in den sieben Jugend forscht Fachgebieten groß: So entwickelte ein Forscherteam aus Algen eine biologisch abbaubare Kunststoffalternative für den 3-D-Druck. Welche Bedeutung die einzigartigen Gesänge der Weißhandgibbons für deren Sozialstruktur haben, untersuchte eine Jungforscherin am Beispiel einer Affengruppe im Nürnberger Tiergarten. Ein Jungforscher ging der Frage nach, wie Drohnen technisch optimiert werden müssen, um damit Menschen etwa im Brandfall aus Hochhäusern retten zu können. Präsentiert wird auch ein spezielles Konzept zum Urban Farming für den Hausgebrauch, das ermöglicht, Nutzpflanzen platzsparend in der Vertikalen anzubauen. Ein Team programmierte eine Software, die mittels künstlicher Intelligenz Hasskommentare in sozialen Medien erkennen und klassifizieren kann. In einem weiteren Projekt wurde vor dem Hintergrund der letztjährigen Flutkatastrophen analysiert, wie verschiedene Baustoffe infolge von Durchfeuchtung an Stabilität verlieren.

Landeswetbewerbe beginnen Mitte März 

Die Siegerinnen und Sieger der Regionalebene qualifizieren sich für die Landeswettbewerbe, die Mitte März 2022 beginnen. Den Abschluss der 57. Wettbewerbsrunde von Jugend forscht bildet das Bundesfinale vom 26. bis 29. Mai 2022 in Lübeck – gemeinsam ausgerichtet vom Forschungsforum Schleswig-Holstein e. V. als Bundespate und von der Stiftung Jugend forscht e. V.

Alle Wettbewerbstermine, Veranstaltungsorte und Ansprechpersonen finden Sie im Internet unter www.jugend-forscht.de.




Bildungsgerechtigkeit jetzt verwirklichen

Deutsches Kinderhilfswerk fordert umfangreiche Maßnahmen zum Tag der Bildung

Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) vermisst an vielen Stellen den politischen Willen, sich dem drängenden, strukturellen Problem der schlechten Bildungschancen der von Armut betroffenen Kinder in Deutschland anzunehmen. Und auch bei der Integration von geflüchteten Kindern ins Bildungssystem gibt es noch viel zu tun. Zudem muss nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes die digitale Bildung von Kindern und Jugendlichen gesichert werden. Diese soll junge Menschen dazu befähigen, ihre Rechte im Internet wahrzunehmen und im Zeitalter der Digitalisierung Angebote barrierearm in Anspruch nehmen zu können.

Das Recht gilt für alle gleich

„Das Recht auf Bildung gilt für alle Kinder, ungeachtet ihrer sozialen Lage oder ihrer Herkunft. Deshalb müssen wir es schaffen, die Vererbung von Bildungsverläufen aufzubrechen. Bildung als Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und für den chancengerechten Zugang zu einer angemessenen beruflichen Entwicklung ist nachweislich von entscheidender Bedeutung. Deshalb müssen allen Kindern gleichwertige Chancen ermöglicht werden. Dies gilt insbesondere für die fast drei Millionen Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland von Armut betroffen sind. Hier lassen sich auch über eine gute Personal-, Raum- und Sachausstattung von Bildungseinrichtungen, durch eine bedarfsgerechte Qualifizierung der Lehr- und pädagogischen Fachkräfte sowie ein vielfältiges, nicht nur an Lehrplänen orientiertes Bildungsangebot die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen in den Elternhäusern ausgleichen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des DKHW.

Recht auf Bildung und Beschulung

Aus dem Recht auf Bildung folgt zudem, dass alle Kinder in Deutschland Anspruch auf Bildung und Beschulung haben. Auch zu uns geflüchtete Kinder sollten schnellstmöglich eine Schule besuchen können. Dabei geht es zum einen um das Lernen generell, aber auch um den sozialen Austausch mit anderen. Das monatelange Warten und Ausharren in Gemeinschafts- oder Sammelunterkünften ohne ausreichenden Zugang zu Bildung widerspricht der UN-Kinderrechtskonvention“, so Hofmann weiter.

Recht auf digitale Bildung

„Mit dem General Comment No.25 sichern die Vereinten Nationen Kindern ein Recht auf digitale Bildung zu. Dies umfasst sowohl die technische Ausstattung, die Qualifizierung der Fachkräfte zum Umgang mit Technik und Materialien als auch die Förderung von Entwicklung und Anschaffung digitaler Bildungsmaterialien. Digitale Bildung sollte junge Menschen dazu befähigen, ihre Rechte im Internet wahrzunehmen. Digitale Bildung kann zudem das Recht auf Bildung in Situationen sichern, die eine Teilnahme am Unterricht in der Schule nicht zulassen“, sagt Holger Hofmann.




Keine Chancengleichheit für Flüchtlingskinder

Bildung ist ein Menschenrecht, das vielen Flüchtlingskindern vorenthalten wird

Bildung ist ein Menschenrecht, das in der Kinderrechtskonvention und in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert ist. Auch in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen ist Bildung ein wichtiges prioritäres Thema: Kinder und Jugendliche sollen gleichberechtigt die Möglichkeit auf hochwertiges und lebenslanges Lernen erhalten, um ein eigenständiges und erfülltes Leben führen zu können.

Zugang zu weiterführender Bildung für Flüchtlingskinder

Neben den armen Kindern stecken vor allem Flüchtlingskinder in einer prekären Bildungssituation fest. Darauf weist die UNO-Flüchtlingshilfe in einer Erklärung hin: „Flüchtlingskinder und -jugendliche brauchen vor allem einen verstärkten Zugang zu weiterführender Bildung, ohne diese ist ihre Zukunft in Gefahr,“ sagt Peter Ruhenstroth-Bauer, Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe, dem nationalen Partner des UNHCR.

Das Geld fehlt allzu oft

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder auf der Flucht nicht in die Schule gehen können, fünfmal höher als im globalen Durchschnitt. „Viele Bildungsprojekte für Flüchtlinge können nicht gestartet werden, weil das Geld fehlt. Hier müssen wir dringend handeln“, fordert Ruhenstroth-Bauer.

Einschulungsrate bei nur 34 Prozent

Zugang zu weiterführender Bildung ist besonders schwierig: Nur rund ein Drittel der Flüchtlingskinder kann derzeit mehr als nur die Grundschule besuchen. Nach einer UNHCR-Studie, für die in 40 Ländern Daten erhoben wurde, lag die Einschulungsrate von Flüchtlingen in der Sekundarstufe 2019 bis 2020 nur bei 34 Prozent. Die Corona-Pandemie hat ihre Chancen noch weiter verschlechtert.

UNHCR: Educate-a-Child-Programm

Seit 2012 setzt sich der UNHCR mit dem Educate-a-Child-Programm (EaC) für eine schulische Ausbildung von Flüchtlingskindern ein. Und das sehr erfolgreich: Bislang konnte mit diesem Programm mehr als 1,2 Millionen Flüchtlingskindern der Zugang zu Bildung ermöglicht werden. Seit vielen Jahren unterstützt die UNO-Flüchtlingshilfe das EaC-Programm und stellte im letzten Jahr dafür fast 1,7 Millionen Euro zur Verfügung.

Mehr zum Educate-a-Child-Programm finden Sie hier.




Halbzeit bei „Echt kuh-l!“ – Der Schulwettbewerb geht weiter

Schulmaterialien, Ideen und Tipps für Schülerinnen und Schüler ab der dritten Klasse

Das Motto des diesjähringen Schulwettbewerbs lautet: „Kichern Erbsen? Nicht die Bohne! – Starke Eiweißhelden“. Hierfür können Schülerinnen und Schüler der 3. bis 10. Klasse aller Schulformen ihre Beiträge einreichen und tolle Preise gewinnen. Die Jurysitzung findet im Mai 2022 statt, die Preise werden im Juni 2022 in Berlin verliehen. Auf der Webseite des Schulwettbewerbs werden nützliche Tipps und Infos für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte zur Verfügung gestellt.

Teilnahme noch möglich – also los geht’s!

Für den Schulwettbewerb ist Corona zwar eine Herausforderung, jedoch kein Hindernis. Der Wettbewerbsstart war im Oktober 2021 und für Kurzentschlossene ist noch genügend Zeit, sich mit einem Projekt zu bewerben. Egal ob Lied, Podcast, Film, Blog oder Aktionstag an der Schule: der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und alles darf eingereicht werden. Die einzige Voraussetzung ist, dass sich das Projekt mit dem Jahresthema Hülsenfrüchte be-schäftigt. Um das diesjährige Motto im Unterricht integrieren zu können, werden für Lehrkräfte Schulmaterialien auf der Webseite des Wettbewerbs zum Download bereitgestellt. Außerdem findet man hier auch Ideen und Tipps für alle verschiedenen Projektarten. Und für mehr Inspirationen für Teilnehmende laufen alle Posts zum Wettbewerb auf der Social Wall zusammen. Anmeldungen zum Wettbewerb sind auf der Homepage von „Echt kuh-l!“ möglich.

Der Schulwettbewerb

„Echt kuh-l!“ beschäftigt sich grundsätzlich mit ökologischem Landbau und mit Fragen zur nachhaltigen Landwirtschaft und Ernährung. Er will Kinder und Jugendliche dazu ermutigen, die Gestaltungsräume der Landwirtschaft und des eigenen Konsums für mehr Umwelt- und Klimaschutz zu entdecken und zu erobern.

Der Schulwettbewerb stellt jedes Jahr ein anderes Motto in den Mittelpunkt und richtet sich an Schülerinnen und Schüler der 3. bis 10. Klasse aller Schulformen. Zu gewinnen gibt es Berlin-Fahrten, Preisgelder bis maximal 2.000 Euro und die Trophäe „Kuh-le Kuh“.

Weitere Informationen zum Schulwettbewerb des BMEL finden Sie unter: www.echtkuh-l.de




Angeleitetes Spiel fördert Kinder besser als konventioneller Unterricht

Wissenschaftler der University of Cambridge analysiern das Verhalten von 3800 Kindern

Leider haben viele Menschen noch immer ein seltsames Verständnis von Lernprozessen. Das führt gelegentlich dazu, dass viele Kinder in der Grundschule unnötig „diszipliniert“ und mit den falschen Unterrichtsmethoden konfrontiert werden. Schließlich fällt es gerade den jüngeren Kindern schwer, still zu sitzen und sich auf den Unterricht zu konfrontieren.

Angeleitetes Spiel immer besser

Wie unnötig diese Quälerei sein kann, zeigt nun das Ergebnis einer Analyse, die Wissenschaftler der University of Cambridge in Großbritannien durchgeführt haben. Sie wollten wissen, ob denn nun der konventionelle Unterricht mit klarer Aufgabenstellung oder angeleitetes Spiel zu besseren Lernerfolgen führt. Dazu haben sie Studien mit rund 3800 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse der Studie, die vor ein paar Tagen im Fachmagazin „Child Development“ (https://srcd.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/cdev.13730) publiziert wurden, sind wenig überraschend. Sie lassen sich in etwa so zusammenfassen: Unterricht mit „angeleitetem Spiel“ fördert Kinder im Alter bis acht Jahren besser als der konventionelle Unterricht. Beim Lesen und Schreiben ist der Unterschied dabei nur gering. Beim Rechnen sind Lernerfolge erheblich größer.

Insofern wäre angeleitetes Spiel, wie es etwa der Grundschulverband (https://grundschulverband.de/) seit vielen Jahren fordert, der bessere Weg zum Lernen in der Schule.

Angeleitet und nicht frei?

Und warum muss das Spiel nun angeleitet und nicht frei sein? „Schule“, wie wir sie kennen, hat nun einmal meist etwas mit Lernzielen zu tun. Um diese zu erreichen, muss die Lehrkraft das Lernziel zumindest im Kopf haben. Das heißt jedoch nicht, dass diese auch die verschiedenen Schritte Stück für Stück vorgeben sollte. Im Gegenteil: Die Kinder sollten den Weg selbst wählen und auch ihre eigenen Schlüsse ziehen. Dass es dabei für die Lehrkräfte auch mal schwierig werden kann, wenn einige Kinder partout die falschen Schlüsse ziehen, versteht sich. Andererseits müssen sie dabei nichts anderes tun, als die Kinder erneut auf den Weg zu schicken. Entscheidend ist es, möglichst mit den Kindern fantasievolle Spiele zu entwickeln, die diese zum Lesen, Schreiben oder Rechnen auffordern.

Frühpädagogen kennen diese Prozesse schon lange. Für die Schule sei darauf hingewiesen, dass sich gerade das Theaterspiel in allen Altersstufen dazu eignet, all diese und weitere Fähigkeiten zu fördern, und dass der Mensch das Wesen ist, das sein ganzes Leben lang beim Spielen lernt.




Gefühl bis in die Fingerspitzen

Balancieren

Lernen über die Sinne

Wir lernen über unsere Sinne. Sie ermöglichen es, die für alle Erfahrungen nötigen Eindrücke von Umwelt und eigenem Körper wahrzunehmen und zu verarbeiten. Schon im Mutterleib reagiert der Fötus auf Außenreize, vor allem durch den taktilen Hautreiz und durch das vestibuläre System, das über Lage und Druckverhältnisse Auskunft gibt. Diesen Sinnesempfindungen in der ersten Lebensphase wird eine entscheidende Bedeutung, nicht nur für den sensorischen, sondern auch für den kognitiven und sozial-emotionalen Bereich, zugeschrieben.

Motorische Aktivitäten sind Voraussetzung für Sinnesreize

Um die Sinnesreize aufzunehmen und ohne Störungen zu speichern, sind motorische Aktivitäten unersetzliche Bedingung. Ein Kind ist von Anfang an bewegungsfreudig. Es untersucht ganzheitlich, mit all seinen Sinnen und körperlichen Möglichkeiten die Umwelt, differenziert sie und erschließt sie sich im Laufe seiner Entwicklung. Kindliche Bewegungen sind am Anfang ungenau und unkoordiniert. Sie werden erst im Zuge der Entwicklung und durch ständiges Üben sparsam und genau, also ökonomisch und präzise.

Im Vorschulbereich lässt sich die Bedeutung für die Entwicklung an vier Faktoren deutlich machen:

a ) aus biologischer Sicht, also für den Muskel- und Skelettapparat, liegen im Alter von 3 bis 6 Jahren wichtige Wachstums- und Entwicklungsabschnitte, die durch Bewegungsschulung entscheidend beeinflusst werden können.

b ) auf psychologischer Ebene sind die Wechselwirkungen des Körperlich-Motorischen mit dem Geistig-Seelischen sicherlich unzweifelhaft. Bewegungsgeschickte Kinder können sich besser in ihrer Umwelt zurechtfinden, was sich wiederum positiv auf das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein auswirkt.

c ) die kognitive oder intellektuell geistige Entwicklung wird entscheidend über frühere Bewegungserfahrungen gesteuert. Nur in der mtorischen Auseinandersetzung mit der Umwelt können sich geistige, also Denkentwicklungen vollziehen.

d ) auch die soziale Entwicklung ist nicht unabhängig von der motorischen. Motorisch ungeschickte Kinder haben in der Kinder- und Erwachsenenwelt mehr Schwierigkeiten, sie stoßen eher auf Ablehnung und dies wiederum wirkt sich negativ auf die motorische Entwicklung aus, da das Kind wichtige neue Bewegungsanregungen, zum Beispiel durch das Gruppenspiel und die aktive Auseinandersetzung mit seiner Umwelt nur schwerlich und unzureichend erfährt.

Stetiges Wiederholen und Ausprobieren

Wir brauchen also grundsätzlich Wahrnehmungsfähigkeiten und koordinative Leistungen für das Erlernen von Bewegungen. Für beide Teile sind Wachstum und Reifung wesentlich, jedoch ebenso wichtig ist das Einüben und beständige Wiederholen und Ausprobieren dieser Fähigkeiten. Das Vorschulalter nimmt hier als frühes Lernalter eine wichtige Stellung ein, damit solche Bewegungserfahrungen gemacht werden können.

„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!“

Gelingt es in dieser frühen Phase vielfältige Anreize zu geben und so eine ganzheitliche, sinnvolle und sinnenvolle Basis zu schaffen, ist dies eine gute Voraussetzung für jedes Kind, sich den zukünftigen Aufgaben und Anforderungen, nicht nur für das Bewegungslernen, gewachsen zu fühlen.

Dies gilt zunächst für den Schritt ins Schulleben. Die ungewohnt vielen kognitiven Leistungen, die Konzentration und Kooperation sind deutlich leichter zu bewältigen, wenn man sich in seinem und mit seinem Körper wohl fühlt und Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und das Können oder die Bereitschaft hat, gerne diese vielen neuen Herausforderungen zu meistern.

GLEICHGEWICHT (Fähigkeit) BALANCIEREN (Tätigkeit)

seiltanz

Ist es nicht beeindruckend, wenn sich Seiltänzer scheinbar mühelos auf dem dünnen Drahtseil bewegen und dabei noch Kunststücke vorführen, oder wenn Artisten sich und unterschiedliche Geräte ausbalancieren? Geschicklichkeit alleine reicht für diese „hohe Kunst“ nicht aus. Ein besonderes Maß an Gleichgewichtsvermögen kommt hinzu.

Aber nicht nur Artisten sind bei ihrer Arbeit auf diese Fähigkeit angewiesen. Auch in der Alltagsmotorik spielt das Gleichgewicht eine wesentliche Rolle. Wir nutzen die Gleichgewichtssicherung im Stand und in der Fortbewegung, um uns gegen die Schwerkraft aufzurichten. Selbst ungemütliche, unsichere und kippelige Haltungen können wir einnehmen, ohne umzufallen. Das erfordert komplexe motorische und sensorische Leistungen, die zum einen durch Entwicklung und Reifung des Menschen entstehen, zum anderen aber durch vieles und abwechslungsreiches Üben erlernt werden. Das Gleichgewicht kann auf sehr verschiedene Arten erfahren werden. Wir können einen Gegenstand oder unseren Körper im Gleichgewicht halten, wobei der Körper sich dabei in einer bestimmten Position befinden kann oder aber bewegt wird. Dementsprechend unterscheidet die Fachliteratur das Objektgleichgewicht (wie es beim Jonglieren mit Bällen erforderlich ist), das statische Körpergleichgewicht (etwa auf einem Bein oder im Handstand stehen) und das dynamische Gleichgewicht (zum Beispiel über ein Seil balancieren). Hierbei kann die Unterstützungsfläche, z. B. der Boden oder das Balanciergerät, wie die umgedrehte Bank, feststehen. Dann spricht man von stabilen Unterstützungsflächen. „Wackelt“ die Unterstützungsfläche wie beim Wackelteller, dann wird sie als labil bezeichnet.

Alle drei vorgestellten Teilfähigkeiten sollten beim Spielen und Üben mit den Kindern berücksichtigt werden.

Generell sollte darauf geachtet werden, dass barfuß geübt wird, damit die Fußmuskulatur beim Halten des Gleichgewichts und Erspüren des Untergrunds eingesetzt werden kann. Außerdem sollte der methodische Leitsatz „vom Leichten zum Schweren“ beachtet werden. Das bedeutet in diesem Fall: von breiten zu schmalen und von niedrigen zu hohen Balanciergeräten.

DER ZAUBERER GEHT UM

Alle Kinder laufen durch den Raum. Der Zauberer (Spielleiter) gibt den Hinweis, sich sehr achtsam und aufmerksam zu bewegen, um ein Zusammenprallen mit anderen Kindern zu vermeiden. (Hierbei wird gleichzeitig die räumliche Orientierungsfähigkeit angesprochen!) Bei einer vorher fest gelegten „Zauberformel“ bleiben die Kinder sofort bewegungslos stehen, wie „verzaubert“, und zwar in der Position, in der sie sich gerade befinden. Zauberformeln sind entweder akustische Signale, wie eine Rassel oder Handtrommel (womit auch die gesamten Laufbewegungen der Kinder begleitet werden können) oder optische Signale, wie Farbkarten oder Handzeichen. Es kann natürlich auch ein „echter“ Zauberspruch gesprochen werden. Nach einigen Sekunden wird der „Zauber“ durch ein vorbestimmtes Signal von den Kindern genommen und das Spiel kann weitergehen.

Der Zauberer gibt Bewegungen und Haltungen vor, die von den Kindernausgeführt werden. Dies können Bewegungsarten sein, wie:

  • vorwärts, rückwärts und seitwärts laufen, hüpfen, federn,
  • laut und leise laufen, schnell und langsam laufen, schleichen,
  • auf allen Vieren krabbeln oder ähnliches.

Andere „Verzauberungen“ (eingefrorene Positionen) sind eher statisch, wie:

  • auf einem Bein stehen,
  • im Hochzehenstand verharren,
  • in der Hocke kauern,
  • mit beiden Händen den Boden berühren,
  • mit einer Hand und einem Fuß Bodenberührung haben,
  • sich hinsetzen oder hinlegen,
  • ein Knie zum Ellbogen führen oder desgleichen mehr.

Als „Herr aller Tiere“ kann der Zauberer die Kinder in bekannte Tiere verwandeln, die dann in Bewegungen und Geräuschen nachgeahmt werden müssen. Diese Variante schult eher andere Teilaspekte der Koordination als unbedingt das Gleichgewicht, ist aber immer eine willkommene Abwechslung.

JONGLEURE UND AKROBATEN

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Zum Balancieren eignen sich ziemlich viele Geräte und Materialien. Sehr einfach ist es, einen Luftballon auf der Hand zu balancieren. Schwieriger wird es, wenn er auf dem Handrücken, dem Arm, der Schulter, der Stirn, dem Kinn, dem Knie, dem Fuß, auf einem Finger oder gar auf der Nasenspitze balanciert werden soll.

Ebenso können verschieden große Bälle, Papprollen, Sandsäckchen, Tannenzapfen, Tücher, Plastikteile balanciert werden. Mit Stäben oder Doppelklöppeln wird es noch schwieriger.

Dazu kann noch eine Fortbewegung oder eine bestimmte Haltung angegeben werden, etwa sich während des Balancierens hinsetzen oder drehen, auf einem Bein stehen oder einem anderen Kind die Hand geben …

IM LAND DER SPUREN

Der zur Verfügung stehende Raum wird zum „Spurenland“. Dazu verwandeln sich seine vorhandenen Linien oder Geräte zu Balanciermöglichkeiten.

Bodenmarkierungen oder Linien im Raum, vielleicht auch Spielfeldabgrenzungen, bieten einfache Balancieranregungen. Sollten diese nicht vorhanden sein, sind sie schnell durch Kreidestriche oder ­dünne Seilchen herzustellen.

Seilchen eignen sich besonders, da sich damit nicht nur gerade Linien legen lassen, sondern die Kinder können Fantasiegebilde (Kreise, Achten, Schnecken, Dreiecke u. s. w.) formen und diese neuen Spuren zum Balancieren nutzen.

Mit den bei der Übung „Der Zauberer geht um“ (vgl. S. 24) genannten Bewegungsformen ist das Spurenland auf leichtere oder schwerere Art zu durchforschen.

Weitere Balanciergeräte wie Reifen, lange Teppichbodenstreifen, zusammengefaltete Wolldecken oder andere Materialien machen den Spurentanz noch spannender. Dabei muss nur darauf geachtet werden, dass die Kinder nicht ausrutschen oder sich verletzen können.

In einer Spielphase sollte das Balancieren mit geschlossenen Augen unbedingt eingebaut werden. Es mobilisiert alle anderen Sinne in erhöhtem Maße und lässt die Füße viel bewusster den Untergrund erspüren. Selbst einmal ausprobieren, es ist gar nicht so einfach!

SEILTÄNZER UND CO.

Während des Balancierens können weitere Anreize gegeben werden, die den Spaß und die Ausdauer beim Üben erhöhen. Hierfür einige Beispiele: Auf ein Zeichen nehmen die Kinder bestimmte Positionen ein.

Damit wird dann gleichzeitig das statische Gleichgewicht gefördert (vgl. Zaubererspiel). Geübtere Kinder können zusätzlich Gegenstände balancieren, etwa einen Stab quer vor den Körper halten, wie es die „richtigen“ Seiltänzer vormachen. Sie können auch einen Ball, einen Luftballon, Tennisringe oder andere Gegenstände vor, hinter und neben dem Körper transportieren; schwierig wird es, wenn ein Ball mit beiden Händen über dem Kopf getragen wird oder ein Tischtennisball auf einer Zeitung mit beiden Händen gehalten wird. Weitere Ideen haben hier Platz.

Die Bewegungsaufgabe lässt sich auch verändern, indem „Hindernisse“ in den Weg gelegt werden. Dies können Bälle sein, die auf Tennisringen liegen, damit sie nicht unkontrolliert wegrollen, aber auch gehaltene Stäbe oder Reifen (waagerecht oder senkrecht gestellt), die zum Übersteigen / Unterdurchkriechen anregen.

BÄNKE, NICHT NUR ZUM SITZEN

All diese Ideen sind auch für das Balancieren auf Bänken geeignet. Zu Anfang wird die breite Seite genutzt, wenn die Kinder sicherer sind, sollten die Bänke umgedreht werden.

Doch zuerst einige kleine Spielideen. Sie eignen sich zum Erwärmen und Einstimmen, helfen aber auch zwischendurch, die Konzentration wieder auf das Balancieren zu lenken.

  • Möglichst viele Kinder sollen gemeinsam auf einer Bank stehen.

Es werden zwei Gruppen gebildet, jede hat eine Bank zur Verfügung (max. 8 Kinder an einer Bank).

  • Welche Gruppe kann am längsten auf der Bank stehen, ohne herunterzufallen? Dabei stehen die Kinder einmal hintereinander und einmal nebeneinander.
  • Können sie dann noch in die Hocke oder in den Hochzehenstand gehen, vielleicht sogar auf einem Bein stehen?

KLEINE STAFFELSPIELE

Größere und geübtere Kinder können auch einen Ball oder Luftballon von einem zum anderen geben. Es geht von vorn nach hinten über Kopf, durch die Beine, im Wechsel oder als Acht um den Körper. (Hierfür eventuell vorher um die Bänke kleine Turnmatten legen, damit das „Runterpurzeln“ nicht weh tut!)

PUDDING IN DEN BEINEN

Bisher ist das Spielen mit dem Gleichgewicht zwar immer schwieriger geworden, aber die Kinder hatten zumindest noch „festen“ Boden unter den Füßen. Dies ist bei den nachstehenden Beispielen nicht mehr der Fall. Aus der „stabilen Unterstützungsfläche“ des Bodens und der Geräte wird nun eine „labile“. Hier muss das Kind sein Gleichgewicht ständig neu herstellen. Das kann nur gelingen, wenn die Muskulatur jedes „Wackeln“ schnell ausgleicht. Es ist also neben dem Gespür und Gefühl für das Gleichgewicht auch eine intensive Muskelschulung.

kreisel

Die Wackelteller, Sport- oder Therapiekreisel werden häufig in der Haltungserziehung, zu therapeutischen Zwecken oder in der Psychomotorik eingesetzt: Aus der Physiomotorik kommen auch die Pedalos. Mittlerweile haben sie sich aber als Spielgerät im Kindergarten und in der Grundschule bewährt und sind aus einer abwechslungsreichen Bewegungsschulung nicht mehr wegzudenken. Die Pedalos gibt es in verschiedenen Ausführungen. Diejenigen, die nur zwei Rollen und schmale Stege haben, sind schwerer zu fahren als solche mit einem Fußbrett und vier Rollen. Dazu gibt es noch größere Geräte, die mehrere Kinder gleichzeitig befahren können.

Zunächst einige Ideen für die Sport- oder Therapiekreisel

Sie werden zuerst mit der flachen Seite auf den Boden gelegt und die Kinder versuchen, auf der runden Seite zu stehen.

Danach werden die Kreisel umgedreht, diese neue Herausforderung an die Gleichgewichtsfähigkeit kann zunächst im Sitzen ausprobiert werden. Dabei können im ersten Schritt die Füße am Boden Stabilität bieten, eine sinnvollere Aufgabe ist es, einen Fuß oder beide Füße vom Boden ab zu heben, geschulten Kindern gelingt es sogar die angehobenen Beine zu strecken.

Die Kinder sitzen im Schneidersitz auf dem Kreisel. Können sie sich dabei langsam drehen?

Auf dem Gerät können sie auch liegen. Es geht in der Bauchlage oder Rückenlage. Dabei versuchen sie mit Händen und Füßen zu winken, sich zu drehen oder Schwimmbewegungen zu machen.

Die Kinder knien auf dem Wackelteller. Zuerst helfen die Hände noch, das Gleichgewicht zu halten, dann sollten die Hände weder den Kreisel noch den Boden berühren. Es können eher ­Gegenstände (Luftballons, Tücher etc.) gehalten oder zum vorsichtigen Spielen genutzt werden.

Die Kinder stellen sich auf die Kreisel; zuerst beidbeinig, dann einbeinig, zuletzt probieren sie viele verschiedene andere Positionen aus.

Aus dem Stand auf den Geräten gehen die Kinder langsam in die Hocke und stehen wieder auf.

Mehrere Wackelteller liegen hintereinander. Darüber soll vorsichtig balanciert werden.

Ideen mit den Pedalos

pedalo

Zum Ausprobieren sollten die Kinder erst nur mit den Händen das Pedalo fortbewegen (hier eignen sich die mit den schmalen Stegen). Danach kann im Knien gefahren werden (dazu werden die größeren Pedalos mit vier Rollen gebraucht).

Das Fahren im Stand sollte am Anfang nur mit Hilfe eines ­Erwachsenen geübt werden, wenn keine Stützhilfen angebracht sind. Nach einiger Übungszeit reichen Stäbe als Stützhilfe, die in die Hand genommen werden. Ein sehr reizvolles, aber betreuungsintensives Spielgerät!

Haben die Kinder erst einmal „den Bogen“ heraus, wird das Pedalo fahren eine reine Freude und ist auch selbstständig gut zu beherrschen.

Dr. Gabriela Falkenberg-Gurges
Gefühl bis in die Fingerspitzen
Körpererfahrung in Kindergruppen
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 978-3-944548-10-4
Taschenbuch, 96 Seiten
14,95 €
Mehr auf www.oberstebrink.de




Toben macht Kinder fit und klug

Wie Kinder durch Bewegung lernen

Kinder vervollkommnen ihre vielfältigen Bewegungsformen vom dritten bis siebten Lebensjahr. In dieser Zeit eignen Sie sich auch erste Bewegungskombinationen an. Dabei müssen wir die Entwicklung der Motorik als Prozess fortschreitender Veränderung begreifen. Der Entwicklungsstand eines Kindes sollte zwar in etwa einem Vergleich mit anderen Kindern standhalten, zu berücksichtigen sind aber immer die individuell doch oft unterschiedlichen Anlagen und vorhandenen Fördermöglichkeiten.

Jedes Kind ist auch in seiner Entwicklung als Individuum zu begreifen. Leistungsvergleiche und Leistungsdruck sind schädlich und verunsichern.

In den vergangenen Jahren haben die Haltungsschäden bei Kindern zugenommen. In der Entwicklungsbegleitung von Kindern sollte man versuchen, darauf zu achten, dass sie bei ihren Aktivitäten nicht einseitig grobmotorisch belastet werden. Angebote, die eine gute Haltung unterstützen, sind sinnvoll.

Maßgebend für eine positive motorische Entwicklung ist die sensorische Integration.

Sensorische Integration

Diesen Begriff möchte ich etwas ausführlicher erklären: Jeder Mensch lernt von Geburt an, Empfindungen, die er wahrnimmt, einzuordnen, um sie gebrauchen zu können. Dies ist die Integration der Sinne. Unsere Sinne geben uns verschiedene Informationen, etwa über den physikalischen Zustand unseres Körpers. Sie geben uns aber auch Informationen über unsere Umwelt. Laufend erreichen uns neue Signale, die wir sinnlich wahrnehmen.

Diese verschiedenartigen Empfindungen werden vom Gehirn geordnet – damit wir uns etwa normal bewegen lernen. Erst wenn diese gespeicherten Empfindungen geordnet und in der nötigen Reihenfolge abgerufen werden können, können sie auch zielgerecht genutzt werden, um Lernprozesse in Gang zu setzen und gewünschtes Verhalten zu verinnerlichen.

Bewegung für das Gehirn

Verhaltenschaos entsteht dagegen bei unorganisierten Empfindungen. Das Kind muss in diesem Fall seine Sicherheit neu gewinnen. Sensorische Integration ist also sinnliche Verarbeitung von Wahrnehmungen ganz verschiedener Art. Bei der Integration werden Empfindungen in Wahrnehmungen überführt und etwa als Verhaltensanleitung gespeichert. So muss ein Kind sehr viel an sensorischer Integration aufbringen, um die ersten Bewegungen auszuführen. Es ist dabei für uns Erwachsene wichtig zu wissen, dass das Gehirn bis zum Alter von sieben Jahren vorwiegend eine Verarbeitungs- und Speicherfunktion für sinnliche Wahrnehmungen darstellt. Das Kind sammelt seine Erfahrungen weitgehend über die Gefühle und Empfindungen.

Der Körper reagiert in Beziehung zu diesen Empfindungen, die Reaktionen gehen eher von den Muskeln als vom Verstand aus. Sie sind eher motorisch als geistig konzipiert. Die ersten sieben Jahre sind also Jahre der sensomotorischen Entwicklung.

Auch wenn später geistige und soziale Reaktionen diese sensomotorischen Impulse ersetzen, so ist die sensorische Integration, die etwa in der Bewegung Ausdruck findet, die Grundlage für die komplexere sensorische Integration, die nötig ist für intellektuelles und soziales Verhalten.

Laufen und Springen fördern die Intelligenz

Ermöglichen wir dem Kind in den ersten sieben Jahren vielfältige Erfahrungen in diesem Bereich, so wird es später in intellektuellen und komplizierteren motorischen Abläufen leichter lernen können, weil es über eine gute Grundsicherheit verfügt. Kinder möchten sich bewegen; das Erlebnis der Bewegungen stimuliert ihr Gehirn. Toben, Hüpfen, Laufen und Springen, all diese körperlichen Empfindungen fördern die Intelligenz und das Selbstbewusstsein. Das Kind wächst mit seinen Aufgaben. Geben wir ihm welche. Aber ohne Druck!

Es gibt sehr viele motorisch unruhige und gehemmte Kinder. Die Ursachen dafür sind oft in der Bewegungsarmut zu finden. Traut man Kindern nicht viel zu, werden sie in ihrem Bewegungsdrang eingeschränkt, so werden sie schließlich leicht verstört, verkrampfen sich, verlieren an Selbstvertrauen – werden auffällig.

Reizüberflutung

Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) hat in den vergangenen Jahren extrem zugenommen. Kinderärzte haben festgestellt, dass man Kindern zu wenig Bewegungsfreiräume lässt, außerdem spielt die Reizüberflutung beim Medienkonsum eine große Rolle.

Kinder müssen viel sitzen und bekommen selten die Möglichkeit sich auszutoben. Die Erwachsenen sind schnell durch unruhige ADS-Kinder genervt. Statt notwendige Bewegungsaktionen möglich zu machen, werden den Kindern schnell Ritalin oder ähnliche Beruhigungsstoffe verabreicht. Dadurch werden die Kinder chemisch ruhiggestellt und die Erwachsenen sind wieder zufrieden.

Hirnforscher warnen in wissenschaftlichen Untersuchungen vor der passiven Aktivität der Kinder mit Computern, da im Kontakt mit dem Computer die sinnliche Erfahrung fehlt. Dadurch findet Lernen einseitig statt. Das selbstständige Denken kommt zu kurz, die Hirnsynapsen verkümmern. In seinem Buch, „die digitale Demenz“ weist der bekannte Hirnforscher Manfred Spitzer auf diese Gefahren hin. Sein Kollege Gerald Hüter berichtet von Beispielen emotionaler Defizite durch passiven Medienkonsum. Die Hirnforschung warnt vor passivem Kopflernen und empfiehlt Bewegungseinheiten zwischen den Lernphasen oder während der Lernphasen!

Kinder müssen in der Familie, im Kindergarten oder in der Schule häufig stillsitzen, nehmen passiv auf und lernen, indem sie das Gesagte geistig verarbeiten. Wir beobachten oft, dass Kinder, die in der Schule zu geistigen Höchstleistungen in der Lage sind, Bewegungsstörungen aufweisen. Eltern machen oft den Fehler, dass sie Geist und Körper nicht als Ganzes, eine Einheit begreifen. Sie richten ihr Augenmerk überwiegend auf die Leistungen im geistigen Bereich und versuchen diese entsprechend dem Leistungsideal unserer Gesellschaft zu verstärken.

Überforderung statt Bewegungsfreiraum

Der Leistungsdruck der Kinder ist enorm gestiegen, die Kinder müssen viel intellektuelle Kopfarbeit leisten und sind damit oft überfordert. Im Kindergarten werden Erzieher/innen von den Eltern oft danach befragt, ob sie auch Vorschulübungen anbieten, ob die Kinder im intellektuellen Bereich gefördert und auf die Schule vorbereitet werden. Selten wird dagegen nach der Entwicklung im motorischen Bereich gefragt, also ob das Kind genügend Bewegungsfreiräume hat, ob es sich etwas zutraut. Bildung findet in verschiedenen Bereichen statt und nicht nur durch eine „Vorschulübungsmappe“. Kinder lernen spielerisch und durch Bewegung. Sie erleben, erforschen, entdecken und gestalten. Diese Aktivitäten finden nicht nur im Kopf statt, sondern auch durch Körpererfahrungen.

Körper und Psyche im Einklang

Interesse zeigen manche Eltern erst dann, wenn Kinder im Sport Höchstleistungen erbringen. Die ganz normale Bewegungsförderung des Körpers, dem Bewegungsdrang der Kinder mit Anregungen entgegenzukommen, das haben Erwachsene verlernt oder sehen es nicht als für ihr Kind wichtig an. Der Grund ist vielleicht, dass sie selbst ihre Bewegungsstörungen, ihre Bewegungsarmut nicht mehr wahrnehmen. Sie haben es verlernt oder nie gelernt, Körper und Psyche in Einklang zu bringen, ihren Gefühlen und Stimmungen durch Bewegung Ausdruck zu verleihen.

Warum laufen wir nicht einfach los, wenn uns danach ist, statt gesittet auf dem Gehweg zu schreiten? Warum springen wir nicht einfach in die Luft, wenn wir uns freuen, statt nur zu lächeln und die Freude durch Sprache auszudrücken? Sind wir nicht auch schon bewegungsgestört? Wir kompensieren Frust durch Konsum, der in der Regel wenig Bewegungsaktivität erfordert.

Toben bringt gute Laune

Um das Bewegungsverhalten und Bedürfnis unserer Kinder zu verstehen, müssen wir aber auch unser eigenes Verhalten in diesem Bereich kritisch überprüfen und möglichst einer Veränderung unterziehen; es lohnt sich.

Tobespiele machen Spaß. So habe ich in der Arbeit auf Seminaren mit Kindern und Erwachsenen festgestellt, dass Erwachsene solchen Spielen erst sehr ablehnend gegenüber standen, nach einer Gewöhnungsphase aber viel Spaß daran hatten. Gerade beim Toben wird viel gelacht. Je wilder das Spiel, je mehr Bewegung im Spiel ist, umso lustiger wird die Stimmung. Auch in diesem Sinn hat Bewegung etwas mit psychischer Verfassung zu tun. Warum sehen wir meist die Familien gesittet und gemächlich bei ihrem Sonntagsspaziergang die Parks abschreiten? Warum veranstalten sie nicht mal wilde Tobespiele miteinander? Weil sich das nicht gehört? Sie würden mit Sicherheit in einer ausgelasseneren Stimmung den Heimweg antreten.

Bewegungsspiele können ermüdete und verspannte Menschen, Frustrierte und Ängstliche, Langsame und Verkrampfte, Unsportliche und Gehemmte wieder in bessere Form und gute Laune bringen.

Diesen Artikel haben wir aus Regina Grabbets Buch mit dem Titel „Laufen, Toben, Springen … Loben“ entnommen. Das Buch ist bei Burckhardthaus-Laetare erschienen und steckt voller praktischer Anregungen und Spiele:

Regina Grabbet
Laufen toben springen loben
Bewegungsspiele in Kindergruppen
Broschur, 96 Seiten
4 fbg. Abb. und Illustrationen 
ISBN 978-3-944548-11-1
14,95 €

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Nichtraucherschutz für Kinder muss dringend verbessert werden

rauch

Deutsches Kinderhilfswerk stellt deutlichen Verbesserungsbedarf fest

Der Nichtraucherschutz für Kinder und Jugendliche hat sich nach Recherchen des Deutschen Kinderhilfswerkes (DKHW) in den vergangenen Jahren verbessert. Trotzdem besteht nach Ansicht der Kinderrechtsorganisation in vielen Bundesländern noch erheblicher Verbesserungsbedarf. Das gilt sowohl für Schulen und Kindertageseinrichtungen als auch für die Kindertagespflege und Kinderspielplätze. An diesen zentralen Lebensorten von Kindern sind nach Ansicht des DKHW umfassende Rauchverbote nötig. Doch vielfach wird dem Gesundheitsschutz der Kinder nicht der Stellenwert eingeräumt, den er eigentlich haben müsste. Zudem schlägt das DKHW auf der Bundesebene eine Änderung der Straßenverkehrsordnung vor, um Kinder und Jugendliche auch in Autos vor den massiven Gefahren des Passivrauchens zu schützen.

Bestimmungen sind Flickenteppich

„Die Bestimmungen zum Nichtraucherschutz für Kinder und Jugendliche in Deutschland sind ein Flickenteppich und entsprechen in kaum einem Bundesland den Standards, die nötig und möglich sind. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen Artikel 24 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention, der das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit anerkennt“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Lediglich Brandenburg und Hamburg gewährleisten einen umfassenden Nichtraucherschutz für Kinder sowohl in Schulen und Kindertageseinrichtungen als auch in der Kindertagespflege und auf Kinderspielplätzen. In allen anderen Bundesländern, zuvorderst in Baden-Württemberg und Sachsen, ist es um den Nichtraucherschutz für Kinder weniger gut bestellt“, so Hofmann weiter.

Ernsthafte Debatte gefordert

Nach Ansicht des DKHW muss eine ernsthafte Debatte darüber geführt werden, an welchen Orten ein umfassender Nichtraucherschutz für Kinder und Jugendliche notwendig ist. Es ist an der Zeit, dabei auch Orte wie Freibäder oder Freizeitparks in der Diskussion zu berücksichtigen. Vor allem aber braucht es dringend ein Rauchverbot in Autos, wenn Kinder mitfahren.

Blick über den Tellerrand

„Nach Messungen des Deutschen Krebsforschungszentrums ist die Giftstoffbelastung durch Raucherinnen und Raucher im Auto extrem hoch. Selbst bei leicht geöffnetem Fenster ist die Konzentration einiger toxischer Partikel teils fünfmal so hoch wie in einer durchschnittlichen Raucherkneipe. Rund eine Million Kinder in Deutschland sind Tabakrauch im Auto ausgesetzt. Appelle allein reichen hier nicht mehr aus. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss endlich gesetzlich abgesichert werden. Eine Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages kommt zu dem Ergebnis, dass ein Rauchverbot in Fahrzeugen mit dem Grundgesetz vereinbar ist. In vielen europäischen Ländern, beispielsweise in Frankreich, Finnland, Großbritannien, Italien und Österreich, ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Tabakqualm in Fahrzeugen bereits gesetzlich geregelt. Studien in Kanada, wo es in weiten Teilen des Landes bereits seit längerer Zeit ein entsprechendes gesetzliches Rauchverbot gibt, haben gezeigt, dass das Rauchen in Autos in Anwesenheit von Kindern dadurch deutlich abgenommen hat. Diesen Beispielen sollten wir schnellstmöglich folgen“, sagt Holger Hofmann.

Weitere Informationen unter www.dkhw.de/Nichtraucherschutz, dort findet sich auch eine Tabelle mit einem Ranking der Bundesländer zum Nichtraucherschutz für Kinder und Jugendliche.