UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland 2021

Kinderhilfsorganisation fordert Gipfel für Kinder, Jugendliche und Familien zur Bewältigung der Corona-Krise

Die Kinderhilfsorganisation UNICEF fordert einen Gipfel für Kinder, Jugendliche und Familien zur Bewältigung der Corona-Krise: Schon vor der Covid-19-Pandemie kämpfte ein beträchtlicher Teil der Kinder und Jugendlichen in Deutschland mit mentalen Problemen und fehlenden Chancen. Dies ist Ergebnis des UNICEF-Berichts zur Lage von Kindern in Deutschland 2021.

Report „Kinder – unsere Zukunft“

Der Report unter dem Titel „Kinder – unsere Zukunft!“ warnt vor gravierenden Konsequenzen der Covid-19 Pandemie für das kindliche Wohlbefinden. Die Pandemie verschärft bestehende Probleme und stellt auch Eltern vor große Herausforderungen, ihre Kinder bestmöglich zu unterstützen. 

„Der Sicherung der Kinderrechte muss jetzt höchste Priorität eingeräumt werden. Es gilt, einen Gipfel für Kinder, Jugendliche und Familien zur Bewältigung der Folgen der Corona-Krise einzuberufen. Und dort muss auch Kindern und Jugendlichen selbst eine Stimme gegeben werden“, so Georg Graf Waldersee, Vorstandsvorsitzender von UNICEF Deutschland.

Solidarität mit den Jüngeren

„Die jungen Menschen in Deutschland haben in der Pandemie große Solidarität bewiesen“, so Elke Büdenbender, UNICEF-Schirmherrin. „Aber je länger die Krise dauert, umso größer wird die Belastung gerade für die jungen Menschen und umso stärker kommen sie an ihre Grenzen. Jetzt müssen wir Älteren Solidarität mit den Jüngeren zeigen und uns aktiv für ihre Interessen bei der weiteren Bewältigung der Pandemie einsetzen.“

Daten zum subjektiven Wohlbefinden gesammelt

Der bekannte Familiensoziologe Prof. Dr. Hans Bertram hat für UNICEF-Deutschland die verfügbaren Daten zum subjektiven Wohlbefinden von Kindern, ihren Beziehungen zu Freundeskreis und Familie, zur Bildungssituation, Gesundheit, ihrem Verhalten und möglichen Risiken sowie zur materiellen Situation bis zum Ausbruch der Pandemie ausgewertet. Befunde neuerer Untersuchungen zu den Auswirkungen von Covid-19 auf die Lebenssituation von Kindern und ihren Familien ergänzen die Analyse: Danach waren schon vor der Pandemie mehr als jedes fünfte Mädchen und nahezu jeder siebte Junge im Alter von 15 Jahren unzufrieden mit ihrem Leben. Bei weniger privilegierten Kindern, bei Kindern mit einer Einwanderungsgeschichte oder Mobbingerfahrungen war die Lebenszufriedenheit geringer als im Durchschnitt. Rund 16 Prozent der Mädchen schätzen sich als depressiv ein. 13 Prozent der Mädchen erhielten verschreibungspflichtige Beruhigungsmittel. In Griechenland waren es nur 2,8 Prozent.

Unterstützung und Rückhalt entscheidend

Die Unterstützung und der Rückhalt durch die Familie ist für Kinder entscheidend. Vor der Krise fühlte sich laut LBS Kinderbarometer die Mehrheit der Kinder in Deutschland in der Familie „meist gut“, „gut“ oder sogar „sehr gut“. Bereits 2015 schätzten in einer PISA-Untersuchung 91 Prozent der befragten Kinder ihre Eltern als unterstützend und interessiert an ihrer schulischen Entwicklung ein. Es mehren sich jedoch die Hinweise, dass derzeit viele Familien an ihre Grenzen stoßen. So gaben bei einer aktuellen Befragung von mehr als 1.000 Eltern in Deutschland über die Hälfte der Väter oder Mütter an, dass die Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung von Schulen und Kindertagesstätten den Stress in ihren Familien deutlich erhöht haben. Ein Teil berichtet zudem von einem gestiegenen aggressiven Verhalten gegenüber den Kindern. 

Familien haben viel aufgefangen

„Die Familien haben durch ihre große Anpassungs- und Improvisationsfähigkeit im vergangenen Jahr unglaublich viel aufgefangen. Aber die private Lebensführung kann öffentliche Räume nicht ersetzen“, sagte Prof. Dr. Hans Bertram. „Mädchen und Jungen brauchen unbedingt öffentliche Räume wie Schulen, Kindergärten und Sportvereine, um sich gut entwickeln zu können. Der direkte Austausch mit Gleichaltrigen ist entscheidend, um die Kompetenzen zu erwerben, die sie in unserer Gesellschaft brauchen.“ 

Der UNICEF-Bericht zeigt weiter, dass die gute Konjunktur der vergangenen Jahre nicht ausreichend genutzt wurde, um relative Kinderarmut zurückzudrängen. So waren 2019 in Deutschland 1,48 Millionen Kinder unter 16 Jahren von Armut betroffen. Dies entspricht einer Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen von 12 Prozent. Dies bedeutet zwar einen leichten Rückgang um 2,6 Prozentpunkte im Vergleich zu 2014. Allerdings haben bestimmte Gruppen wie die Kinder von alleinerziehenden Elternteilen und Kinder mit Einwanderungsgeschichte weiterhin ein stark erhöhtes Armutsgefährdungsrisiko.

„Wohlbefinden und Rechte von Kindern jetzt stärken“

UNICEF Deutschland ruft vor der Bundestagswahl die Politik dazu auf, das Wohlbefinden und die Rechte von Kindern in Deutschland gerade jetzt zu stärken. Es muss sichergestellt werden, dass

  • Bildungseinrichtungen sowie soziale Dienste und Angebote insbesondere in benachteiligten Quartieren personell und finanziell gut ausgestattet sind;
  • benachteiligte Kinder sowohl durch materielle Leistungen als auch durch Infrastrukturleistungen stärker unterstützt werden. Bestehende Leistungen sollten gebündelt und unbürokratisch ausgezahlt werden, beispielweise in einer Kindergrundsicherung.
  • die Kinderrechte im Grundgesetz umfassend festgeschrieben werden. 

Quelle: Pressemitteilung von UNICEF Deutschland

Kinder – unsere Zukunft! Der UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland 2021

In einer neuen Analyse für das Deutsche Komitee für UNICEF zeichnet der Familiensoziologe Prof. Dr. Hans Bertram ein detailliertes Bild der Lage von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Grundlage ist eine Auswertung der aktuellsten empirischen Daten zum subjektiven Wohlbefinden, Beziehungen zu Freundeskreis und Familie, Bildung, Gesundheit, Verhalten und Risiken sowie zur materiellen Situation vor dem Ausbruch der Pandemie. Befunde neuerer Untersuchungen zu den Auswirkungen von Covid-19 auf die Lebenssituation von Kindern und ihren Familien sowie europäische Daten ergänzen die Analyse.

Der UNICEF-Bericht ist somit eine wichtige Basis, um das kindliche Wohlbefinden in Deutschland besser zu verstehen und daraus Schlussfolgerungen für politische Maßnahmen abzuleiten. Eine UNICEF-Information zur Studie mit zentralen Ergebnissen und Empfehlungen finden Sie hier:

UNICEF-Information zum UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland 2021

Hier geht es zur Studie




Investitionen in Spielplätze sind meist nicht von der kommunalen Finanzlage abhängig

Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks zeigt, dass weiter viele Spielflächen verschwinden

Investitionen der Städte in Deutschland in den Erhalt und die Modernisierung von Spielplätzen sind vorrangig keine Frage der kommunalen Finanzlage. Das ist das zentrale Ergebnis einer Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerkes unter den 81 Großstädten in Deutschland.

Gemeinden investieren sehr unterschiedlich in Spielplätze

„Die Zahl und Größe der Spielplätze sowie die Ausgaben für laufende Instandhaltungen und Investitionen sind gemessen an der Zahl der Kinder in den Städten und der Finanzkraft der Kommunen in … unterschiedlich. So finden sich zwischen Kiel im Norden bis Freiburg im Süden Kommunen, die trotz klammer Kassen überdurchschnittlich hohe Ausgaben bei den Spielplätzen leisten, ebenso wie Städte mit überdurchschnittlicher Finanzkraft, die sich hier eher knauserig zeigen. Das zeigt, dass Investitionen der Städte in den Erhalt und die Modernisierung von öffentlichen Spielplätzen vorrangig eine Frage des politischen Willens und keine Frage der kommunalen Finanzlage sind“, sagt Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Viele Kommunen kürzen

Die Zahlen zeigen auch, dass es in einigen Kommunen in den vergangenen Jahren deutliche Kürzungen der finanziellen Mittel, und in vielen Kommunen lediglich Fortschreibungen der Haushaltsansätze gegeben hat, womit inflationsbereinigt immer weniger Geld für die Spielplätze zur Verfügung steht. Gleichzeitig gibt es in einigen Kommunen aber auch starke finanzielle Zuwächse für Instandhaltungen von und Investitionen in Spielplätze. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Finanzmittel sinnvoll unter Beteiligung der Kinder einzusetzen.

Recht auf Spiel

„Jedes Kind muss täglich die Möglichkeit haben, selbstständig im Freien zu spielen. Es ist für ein gesundes Aufwachsen essenziell und spätestens in Zeiten des digitalen Lernens besonders deutlich geworden“, sagt Ute Eckardt, Leiterin des Arbeitskreises „Spielen in der Stadt“ der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz.

Weiterhin Trend zum Rückbau und zur Umwidmung

„Das Deutsche Kinderhilfswerk beobachtet in zahlreichen Kommunen zudem den Trend, dass seit Jahrzehnten bewirtschaftete Spielplätze teilweise oder vollständig rückgebaut oder gar in Bebauungsplänen festgesetzte Spielflächen zu Bauland erklärt und veräußert werden. Zudem werden viele informelle Spielräume, wie zum Beispiel Brachflächen trotz hohem Spielwert zunehmend dem Neubau von Gebäuden und Straßenverkehrsmaßnahmen geopfert“, so Hofmann.

Keine repräsentativen Ergebnisse

An der Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerkes unter den 81 Großstädten in Deutschland hatten 69 Kommunen teilgenommen. Die Ergebnisse der Umfrage sind aufgrund der sehr unterschiedlichen Definitionen der Kommunen, was unter Instandhaltungsausgaben (nur „reine“ Ausgaben, die dem Spielen der Kinder direkt zugutekommen oder beispielsweise auch Grünpflege) oder Investitionsausgaben (nur kommunale Finanzmittel oder beispielsweise auch eingeworbene Drittmittel und Spenden) gefasst wird, nicht repräsentativ. Aufgrund der hohen Rücklaufquote der Umfrage und im Anschluss geführter Gespräche mit den Kommunen können aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes aber klare Tendenzen und Aussagen aus den Angaben der Städte abgeleitet werden.

Quelle: Mitteilung des Deutschen Kinderhilfswerks




Miteinander Sprache erleben und gestalten

Spiel- und Sprachförderung in der Kita – von Ferdinand Klein

Gerade in der aktuellen Diskussion um nötige Sprachförderung sollte es nicht allein um ein gezieltes Trainieren nach einem bestimmten „Sprachförderprogramm“ gehen. Vielmehr sollte die Förderung der Sprache integrierter Bestandteil der alltäglichen Kita-Arbeit sein – besonders bei Kindern mit (drohenden) Verhaltensproblemen. Ferdinand Klein gibt in seinem Beitrag viele Anregungen, wie das gelingen kann.

Sprachförderung ist Teil des Alltags in der Kita

Beim Fördern der Sprache geht es besonders darum,

  • im Alltag viel und sorgsam miteinander zu sprechen, aufeinander hören zu wollen,
  • miteinander zu singen, zu dichten und zu reimen,
  • lebendige Dialoge miteinander zu führen (und keine Monologe auf Kinder loszulassen!),
  • statt auf Fragen Antworten zu geben, gemeinsam nach befriedigenden Antworten zu suchen,
  • über Kinder und ihre Tätigkeiten zu staunen,
  • über Gott und die Welt zu philosophieren,
  • vielfältige Bewegungsaktivitäten gemeinsam zu erleben und zu genießen,
  • Geschichten zu erfinden, Symbiose-, Trennungs- und Individuationsmärchen zu lauschen,
  • Theaterstücke gemeinsam zu entwickeln und diese dann auch miteinander aufzuführen (Neuhäuser/Klein 2019, 161).

Sprachförderung ist somit ein grundlegender Bestandteil im pädagogischen Alltag.

Dem gefährdeten Kind zur Resilienz verhelfen

Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Kinder bei einer frühkindlichen Fremdbetreuung häufig deutliche Verhaltensirritationen zeigen. Bei diesen Kindern fällt der pädagogischen Fachkraft die Aufgabe zu ihnen zur Entwicklung einer Resilienz zu verhelfen, um durch ihre dann vorhandene Widerstandsfähigkeit aufkommende Verhaltensprobleme zu meistern. Mithilfe eines starken emotionalen Immunsystems können Kinder Belastungen besser aushalten und bei Problemen lösungsorientierte Handlungsschritte spielerisch in Gang setzen.

Die pädagogische Fachkraft wird durch Sicherheit vermittelnde Bindungserfahrungen versuchen den Kindern eine förderliche psychosoziale und kognitive Entwicklung zu ermöglichen. Sie schafft durch

  • Aufgeschlossenheit und personale Stabilität,
  • konstruktive Kommunikation und ausdrucksstarke Klarheit,
  • klare und transparente Regeleinhaltung,
  • positive Verstärkung kindeigener Leistungsansätze und Beharrlichkeit (Festigkeit ohne Starrheit)

den Rahmen dafür, dass Kinder in klaren, durchschaubaren und einschätzbaren Strukturen ihre Entwicklungsressourcen entdecken, ihre subjektiv bedeutsamen Selbstwirksamkeit im Erlebnismittelpunkt SPIEL auf- und ausbauen können.


Resiliente Erziehung in Familie, Krippe, Kita und Grundschule

Der Arzt Prof. Dr. Gerhard Neuhäuser und der Pädagoge Prof. Dr. Ferdinand Klein berichten gemeinsam von langjährigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Anhand zahlreicher Fallbeispiele wird deutlich, wie Kinder durch therapeutische Erziehung Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit und Gleichwürdigkeit von Beginn an erleben und wie sie von der Entwicklungsunterstützung persönlich profitieren können. Das Buch enthält viele Anregungen für ein kindgemäßes pädagogisches Handeln. Der Text wendet sich an Eltern, elementarpädagogische Fachkräfte, pädagogisch-therapeutische Mitarbeiter in Krippe, Kita und Grundschule, an Ärzte und Studierende der Medizin und Pädagogik, insbesondere der Sozial-, Heil- und Sonderpädagogik, der Heilpädagogik/Heilerziehung.

Therapeutische Erziehung, 192 Seiten, Burckhardthaus. Mehr zum Buch…


Das Spiel wieder ins Zentrum rücken

Um dem Erlebnisschwerpunkt SPIEL wieder zu seiner hohen Bedeutung für die Arbeit in der Kita zu verhelfen, bedarf es einer selbstkritischen Reflexion der Fachkraft. Folgende Fragen bieten sich an, wobei die Antworten mit jeweils praktischen Ausführungen, Beschreibungen und Beispielen zu belegen sind:

  • Messe ich dem Spiel in der Kindertageseinrichtung tatsächlich den hohen Bedeutungswert bei, der ihm wissenschaftlich begründet zusteht?
  • Welche aktive oder passive Rolle nehme ich während der Spielaktivitäten der Kinder ein?
  • Bin ich den Kindern ein authentisches Spiel- und Sprachvorbild? Ergreift mich das Spiel und schaffe ich es, mich spielversunken auf die Spieltätigkeiten der Kinder einzulassen?
  • Gibt es Spielformen, die ich besonders bevorzuge bzw. die ich vernachlässige oder ablehne? Welche Hintergründe kann es dafür geben und welche Möglichkeiten bieten sich an, das eigene Spielverhalten zu erweitern und zu intensivieren?
  • Stehen den Kindern in der eigenen Kita zu viel oder zu wenig Spielmittel zur Verfügung?
  • Sind die Spielmittel in einem ansprechenden attraktiven, und Impuls gebenden Zustand? (siehe auch nächsten Abschnitt)
  • Ist der Spielzeit im täglichen Ablauf genügend Zeit eingeräumt?
  • Haben die Kinder die Möglichkeit, bei jedem Wetter auch draußen zu spielen?
  • Gibt es genügend und ausreichende Spielflächen?
  • Können Kinder ihre Spiele zu Ende führen oder werden Kinder durch zu stark strukturierte Aufteilungen im Alltag in ihren Spielaktivitäten zu häufig unterbrochen?
  • Trage ich in regelmäßigen Abständen die hohe Bedeutung des Spiels für die Entwicklung des Kindes in die Öffentlichkeit?
  • Bringe ich den Eltern mittels fachlicher Grundlageninformationen den unersetzlichen Bedeutungswert des Spiels nahe?  (Klein 2019, 220).

Spiel- und Lerngegenstände unter 4 Aspekten prüfen

(1) Selbstgestaltung ermöglichen

  • Ist das Spielmittel dem Spielbedürfnis, dem Spielinteresse und der Spielfähigkeit der Kinder bzw. der Gruppe angemessen?
  • Kann es Bereitschaft zum Spielen, zur Neugierde, zum spontanen Handeln und zur Spielfreude wecken?
  • Hat es eine klare Struktur und regt es die Fantasie an (automatisch funktionierende und komplizierte Materialien sind zu vermeiden)?
  • Ermöglicht es sprachliche Kommunikation?
  • Ermöglicht es das Zusammenspiel mit anderen?

(2) Vertrauen und Sicherheit in die eigenen Kräfte

  • Ist das Spielmittel weich, warm oder griffig und vermag es angenehme Gefühle auszulösen?
  • Kann das Kind durch das Spielmittel Vertrauen in seine eigenen Kräfte (wieder) entwickeln?
  • Ermöglicht es das Üben der Aufmerksamkeit, Ausdauer und Konzentration?
  • Motiviert es zu selbstständigem Spiel?

(3) Einem Spielzweck folgen

  • Welche Lerninhalte kann das Kind oder die Gruppe mit dem Spielmittel (Spielgegenstand) erfahren?
  • Welche Wahrnehmungs- und Bewegungsübungen ermöglicht es?
  • Welche sprachlichen und sozialen Übungen ermöglicht es?
  • Welche Gewohnheiten, Fähigkeiten und Fertigkeiten kann das Kind oder die Gruppe einüben und ausbilden?

(4) Kindgerechte Beschaffenheit

  • Genügt das Spielmittel in Farbe, Form und Größe ästhetischen Ansprüchen?
  • Lässt es sich gut reinigen?
  • Ist es nicht zu gefährlich? (Klein 2012, 172)

Spiel- und Sprachkompetenzen sind lebensbedeutsame Grundleistungen

Die bisherigen Darlegungen lassen erkennen: Kinder erwerben im Spiel sprachliche Kompetenzen (Fähigkeiten). Im Einzelnen sind es folgende:

  • „Vernetzungen und Verbindungen herstellen: zwischen unterschiedlichen Dingen kombinieren und koordinieren können;
  • Zuwendung aufbringen: Interesse, Aufmerksamkeit, Kontakt und Beziehungen zu den Dingen, zu den an einer Tätigkeit beteiligten Personen und den Abläufen herstellen; […]
  • Wahrnehmung erweitern: die Vielfalt der Sinnestüchtigkeit ausformen, sie immer wieder aufs Neue aktivieren […];
  • funktionelle Systeme entwickeln: geeignete Sprach-Schemata im Bereich der Kognition und der Handlungsvielfalt aufbauen, um selbst gesetzte oder erwartete Strategien zur Verfügung zu haben;
  • Regelsysteme erkennen und zu nutzen wissen: einzelne Tätigkeiten aufeinander sprachlich abstimmen können;
  • Kreativität entwickeln: bisherige Handlungskonzepte auf ihre Effizienz hin überprüfen und neuartige Strategien entwerfen und ausprobieren können“ (Krenz 2009, 16).

Diese lebensbedeutsamen Grundleistungen, die ohne Sprache nicht denkbar sind, entwickeln sich im Spiel nicht nacheinander, sondern immer in Abhängigkeit voneinander.

Fazit

(1) „Bildung durch Bindung“ (Krenz/Klein 2013) im gestalteten Spiel-, Erfahrungs- und Bildungsraum des Kindes

  • entspricht seinem Bedürfnis nach Sicherheit, Kontinuität, Rhythmus und Wiederholung,
  • schafft Zufriedenheit, Freude und Dankbarkeit im Miteinander und
  • sorgt dafür, dass sich Kinder möglichst keinen Trennungserlebnissen, Beziehungsnöten, Bedrohungsängsten, Auslieferungs- oder Ohnmachtserlebnissen ausgesetzt fühlen.

(2) Im gemeinsam strukturierten Raum des Wohlfühlens bilden sich entwicklungsneurologisch fundierte gesundheitsfördernde und emotional stabilisierende Persönlichkeitsmerkmale sowie stabile soziale Gewohnheiten, die dem Kind mit Verhaltensprobleme Sicherheit und Zuversicht in die Potenziale und Ressourcen der eigenen bio-psycho-sozialen Entwicklung geben (Neuhäuser/Klein 2019, 145).

Literatur

Klein, Ferdinand: Inklusive Erziehung von Anfang an. Bewegung, Spiel und Rhythmik in der inklusiven Kita-Praxis. Bildungsverlag EINS, 2012

Klein, Ferdinand: Inklusive Erziehung in Krippe, Kita und Hort – Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Gesite Janusz Korczaks, BurckhardtHaus 2018

Klein, Ferdinand: Inklusive Erziehungs- und Bildungsarbeit in der Kita. Heilpädagogische Grundlagen und Praxishilfen. 3. Auflage. Bildungsverlag EINS, 2019

Krenz, Armin: „Das Spiel ist der Beruf des Kindes!“ – Die hohe Bedeutung des Spiels als Bildungsmittelpunkt für Kinder und als Basiswert einer späteren „Schulfähigkeit“. In: Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik – Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln, BurckhardtHaus 2013

Krenz, Armin/Klein Ferdinand: Bildung durch Bindung. Frühpädagogik: inklusiv und beziehungsorientiert. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, 2013

Neuhäuser, Gerhard /Klein, Ferdinand: Therapeutische Erziehung. Resiliente Erziehung in Familie, Krippe, Kita und Grundschule. BurckhardtHaus 2019

Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln

In einer Zeit wirtschaftlicher und technologischer Wandlungen, veränderter Situationen des Wohnens und Zusammenlebens, in der mediale Konsumorientierung bereits das frühkindliche Leben mitprägt, sollten wir einmal einen Schritt zurücktreten und – ohne uns den modernen Möglichkeiten zu verweigern – darüber nachdenken, was unsere Kinder, seien es eigene oder im pädagogischen Rahmen anvertraute, zu einer positiven Selbstentwicklung wirklich brauchen. Armin Krenz behandelt fach- und sachkundig und stets praxisnah das Thema der frühkindlichen Entwicklung, sei es im Bereich der Sprache, der Motorik, der sozialen Persönlichkeit oder der Kognition. Er zeigt auf, welch große Bedeutung die Beobachtung und Begleitung der kindlichen Entwicklung in der Pädagogik spielt, sei es im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten oder zur Ermöglichung einer freien Spielpraxis, die die positive Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit erst ermöglicht. Mehr zum Buch…




Online-Fachtag zu kreativer Medienarbeit in der Kindertagesstätte

SIN – Studio im Netz e.V lädt ein – Kostenlos anmelden und teilnehmen

„Kinder in der Wissensgesellschaft“ ist der Titel eines Online-Fachtags, zu dem der SIN – Studio im Netz e.V. aus München einlädt. Diesmal lautet das Motto „Stift, Schere, Tablet – Kreativ-Ideen für den Medien-Einsatz in der Kita”. Der Fachtag findet am Mittwoch, 12. Mai 2021 von 10:00 – 15:30 Uhr statt. Die Teilnahme ist kostenlos.

Der Fokus liegt dieses Jahr auf der kreativen Medienarbeit in der Kindertagesstätte. Neben vielen konkreten Praxis-Einblicken und -Ideen finden Workshops statt, die auch kollegialen Austausch ermöglichen. Zudem wird es eine Materialien-Seite mit allen Infos zum Fachtag sowie einer Sammlung an weiteren Fach-Inputs zu den Themen kreativer Medien-Einsatz in der Kita, mit Kindern und Familien geben.

Weitere Informationen und das vorläufige Programm finden Sie hier: https://www.studioimnetz.de/projekte/mula-multimedia-landschaften-fuer-kinder/fachtag-2021/ 

Der Fachtag findet online über die Videokonferenzplattform Webex statt.
Die Teilnahme am Fachtag ist kostenlos, eine Anmeldung ist unter divetta@studioimnetz.de erforderlich.

Zielgruppe des Fachtags sind medienpädagogisch Tätige und Interessierte aus Kindertagesstätten.
Der Fachtag „Kinder in der Wissensgesellschaft“ findet jährlich im Rahmen des Projekts „MuLa – Multimedia-Landschaften für Kinder“ sowie in enger Kooperation mit dem Referat für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München statt.




„Lasst uns (was) bewegen!“

Kinderhilfswerk und Sportjugend rufen zu großer Bewegungs- und Sportaktion am Weltspieltag auf

Das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend rufen Familien und Vereine zu einer großen Bewegungs- und Sportaktion in der Woche rund um den Weltspieltag am 28. Mai 2021 auf. Dabei sollen in den sozialen Medien unter den Hashtags #Weltspieltag und #lasstunswasbewegen Fotos oder Videos gepostet werden, die Menschen entweder bei ihrer geliebten Sportart, beim Sport an ungewöhnlichen Orten oder bei einer für sie unbekannten Sportart zeigen.

Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für ein gesundes Aufwachsen

Damit soll auf die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für ein gesundes Aufwachsen von Kindern aufmerksam gemacht werden. Unterstützt wird die Aktion vom Kinder- und Familienradio Radio TEDDY. Botschafterin des Weltspieltags 2021 ist die ehemalige Boxweltmeisterin Regina Halmich, Botschafter der ehemalige Skirennläufer Felix Neureuther. Die Schirmherrschaft über den Weltspieltag hat die Kinderkommission des Deutschen Bundestages übernommen. 

Rahmenbedingungen für die Bewegung von Kindern verbessern

Im Vorfeld des Weltspieltages fordern das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend Politik und Gesellschaft dazu auf, die Rahmenbedingungen für die Bewegung von Kindern zu verbessern. Dazu sollte es beispielsweise in den Kommunen mehr altersgerechte, eigenständig erreichbare und frei zugängliche Spiel-, Sport- und Grünflächen geben, mehr Bewegungsmöglichkeiten in den Schul- und Kita-Alltag integriert werden und zudem der Vereinssport stärkere Unterstützung erhalten als bisher. 

Kinder entdecken spielend die Welt

„Kinder spielen zumeist überall dort, wo es möglich ist. So entdecken sie die Welt. Deshalb brauchen wir öffentlichen Raum, der sich besser zum bewegten Spielen eignet, wir brauchen Spielplätze, die mehr bieten als eine Rutsche, Sandkiste und Schaukel, und wir brauchen Sportvereine, wo Kinder ihre Lieblingssportart gemeinsam mit anderen ausüben können. Ich freue mich zum Weltspieltag schon auf viele tolle Fotos und Videos, die Kinder und Erwachsene beim Sport zeigen. Natürlich wäre es toll, wenn auch viele prominente Erwachsene beim Weltspieltag mitmachen. Also, auf geht‘s“, sagt Regina Halmich, Botschafterin des Weltspieltages 2021.

Halmich und Neureuther Botschafter des Weltspieltags

„Bewegung an der frischen Luft ist das A und O, sowohl für die Kinder wie auch für die Eltern. Ich selbst war als kleiner Bub ständig draußen am Spielen, beim Kraxeln auf den Bäumen und Rumtoben mit meiner Schwester. Dabei spielen die Eltern eine ganz wichtige Rolle. Mir haben es damals meine Eltern von klein auf vorgelebt und gezeigt, wie viel Spaß Bewegung und Sport machen und mich immer wieder dazu animiert. Genau das lebe ich meinen Kindern jetzt auch vor. Daher mein Appell an alle: Geht gemeinsam raus und entdeckt zusammen die Natur, tobt durch den Garten und erlebt Abenteuer. Nur wenn die Eltern aktiv sind, werden die Kinder es ihnen gleichtun. Wie sonst auch, werde ich am Weltspieltag mit meinen Kindern raus gehen und jede Menge Spaß haben“, sagt Felix Neureuther, Botschafter des Weltspieltages 2021.

Natürlicher Bewegungsdrang während Corona eingeschränkt

„Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang, dem sie vielfach schon vor der Corona-Pandemie nur unzureichend nachkommen konnten. Wir müssen jetzt aufpassen, dass sich durch die Einschränkungen in der Pandemie das Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen nicht grundsätzlich nachteilig verändert. Denn wenn Kinder selten herumtollen, sich nur wenig bewegen und beim Sport nicht auch mal richtig auspowern, kann das bis ins Erwachsenenalter negativen Einfluss auf die Physis haben. Aber auch die Psyche leidet unter dem Bewegungsmangel. Insbesondere Kinder aus armen Verhältnissen sind davon betroffen. Deshalb gilt es insgesamt, dem Bewegungsdrang von Kindern möglichst immer und überall freien Lauf zu lassen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

14. Weltspieltag

Der Weltspieltag 2021 wird deutschlandweit zum 14. Mal ausgerichtet. Zum diesjährigen Weltspieltag sind Kinder und Erwachsene zu einer großen Bewegungs- und Sportaktion aufgerufen, außerdem appellieren das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend an Schulen und Kindergärten, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen, in ihrer Stadt oder Gemeinde eine beispielgebende oder öffentlichkeitswirksame Aktion durchzuführen, soweit es die Corona-Pandemie zulässt – egal ob Spiel-, Beteiligungs- oder Protestaktion. Denn der Aktionstag dient ebenso der Lobbyarbeit für das Recht auf Spiel. Die Partner sind vor Ort für die Durchführung ihrer Veranstaltung selbst verantwortlich. Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt umfangreiche Aktionsmaterialien zum Bewerben des Weltspieltages zur Verfügung. Weitere Informationen unter www.weltspieltag.de.




Inklusives Klimabildungsheft – kostenloser Download als barrierefreies PDF

Informationen zum Klimaschutz in einfacher Sprache und Braille-Schrift von LVR

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat ein inklusives Klimabildungsheft entwickelt. In einfacher Sprache erklärt es jungen Menschen mit Lese- und Lernbeeinträchtigungen Wissenswertes rund um den Klimaschutz. Das Heft liegt künftig in allen LVR-Förderschulen und bei Veranstaltungen des LVR, wie dem Tag der Begegnung, zur Anwendung und Mitnahme bereit. Zudem ist es als barrierefreies PDF zum kostenlosen Download verfügbar. Eine Version des Klima-Hefts in Braille-Schrift ist in Kürze erhältlich.

Klimaschutz, Energie, Mobilität, Ernährung, Konsum und Müll

Das Klima-Heft in einfacher Sprache ist im Rahmen der LVR-Klimaschutzarbeit entstanden. Nun sind die Informationen für Projektwochen im Rahmen des Unterrichts oder generell als Bildungsmaterial kostenlos verfügbar. Illustrationen begleiten durch die Themen Klimaschutz, Energie, Mobilität, Ernährung, Konsum und Müll. Dabei stellen die Illustrationen auch ein Bild der diversen, inklusiven Gesellschaft dar. Das Klima-Heft ist in einfacher Sprache geschrieben. Es entspricht jedoch weitestgehend den Anforderungen der leichten Sprache, die sich an Menschen mit Lernbehinderungen richtet und als Prüfkriterium auch von dieser Zielgruppe getestet wird.

Bastelbogen für eigenes Steuerrad

Mit einem beigefügten Bastelbogen können die Kinder ihr eigenes Steuerrad erstellen, das sie durch das Heft leitet – und so spielerisch ihren Kurs auf Klimaschutz setzen. 

Viele Kinder interessieren sich für den Klimawandel und engagieren sich für stärkeren Klimaschutz und Klimagerechtigkeit weltweit. Doch Schulmaterialien und Projektangebote zum Thema gibt es nahezu ausschließlich für Regelschulen. Schülerinnen und Schüler mit Behinderung, aber auch Millionen von Menschen in Deutschland, die Lese- und Lernschwierigkeiten haben, benötigen jedoch Texte, die entsprechend aufbereitet sind und Fachwissen in einfachen, leicht nachvollziehbaren Sätzen vermitteln.

Quelle: Pressemitteilung des Landschaftsverbandes Rheinland




Studie zeigt: deutlich mehr Kinder mit SARS-CoV-2 infiziert als bekannt

Etwa achtmal mehr Kinder weisen Antikörper gegen Corona auf als am Ende der ersten Welle:

Eine Studie des Helmholtz Zentrums München kommt zu dem Ergebnis, dass während der zweiten Corona-Welle drei- bis viermal mehr Kinder in Bayern mit SARS-CoV-2 infiziert waren, als über PCR-Tests gemeldet. Zudem wiesen am Ende der zweiten Welle etwa achtmal mehr Kinder Antikörper gegen das Coronavirus auf als am Ende der ersten Welle.

Tests mit Blutproben

Die Häufigkeit von SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern im Vorschul- und Schulalter ist ein wichtiger Maßstab, um über Kindergarten- und Schulöffnungen zu entscheiden. Mit der Screening-Studie „Fr1da“ untersuchen Forschende unter der Leitung von Anette-Gabriele Ziegler Kinder in Bayern auf ein Frühstadium von Typ-1-Diabetes. Bei diesen Tests werden Blutproben entnommen.

Um diese wertvolle Studieninfrastruktur auch für die Corona-Pandemiebekämpfung nutzbar zu machen, beschloss die Forschungsgruppe im vergangenen Jahr, auch SARS-CoV-2-Antikörpertests mit besonders hoher Genauigkeit in ihre Untersuchungen mit einzubeziehen. Noch während der ersten Welle im Frühjahr 2020 ergaben die Testergebnisse bei den untersuchten Kindern eine SARS-CoV-2-Antikörperhäufigkeit von 0,87 Prozent. Dies bedeutet, dass sechsmal mehr Kinder in Bayern mit dem Coronavirus infiziert waren als über PCR-Tests gemeldet.

Mehr Infektionen während der zweiten Welle 

Durch die Fortführung der Fr1da-Studie in Bayern stellen die WissenschaftlerInnen nun fest, dass der Nachweis von SARS-CoV-2-Antikörpern während der zweiten Welle im Herbst und Winter deutlich erhöht war. Vorschulkinder wiesen im Testzeitraum zwischen Oktober 2020 und Februar 2021 eine Antikörperhäufigkeit von 5,6 Prozent auf.

Bei Schulkindern, die von November 2020 bis Februar 2021 getestet wurden, lag der Wert sogar bei 8,4 Prozent. Insgesamt war die Antikörperhäufigkeit am Ende der zweiten Welle (Januar und Februar 2021) etwa achtmal höher als am Ende der ersten Welle (April bis Juli 2020). Außerdem zeigten die Ergebnisse, dass in der zweiten Welle drei- bis viermal mehr Vorschul- und Schulkinder in Bayern mit SARS-CoV-2 infiziert waren als über PCR-Tests gemeldet. 

Viele Kinder sind asymptomatisch

Markus Hippich, Erstautor der Studie und Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München, sagt: „Dass die Häufigkeit der Infektion bei Kindern höher ist, als durch die PCR-basierte Virusüberwachung gemeldet, ist wahrscheinlich zum Teil auf asymptomatische Fälle im Kindesalter zurückzuführen.“ Von den 446 Kindern, die in der zweiten Welle positiv getestet wurden, füllten 92,6 Prozent Fragebögen zu Symptomen aus. Der Anteil antikörperpositiver Kinder ohne Symptome lag bei den Vorschulkindern bei 68,0 Prozent. Bei den Schulkindern waren es 51,2 Prozent. 

Viele Gründe, eine Auswirkung

Der starke Anstieg der SARS-CoV-2-Infektionen während der zweiten Welle ist nach Vermutung der Forschungsgruppe Ergebnis einer Kombination verschiedener Ereignisse. Dazu gehören eine allgemein höhere Virusexposition im Herbst und Winter, Schulöffnungen und neue, infektiösere Virusvarianten. Studienleiterin Anette-Gabriele Ziegler erklärt: „Oft wird angenommen, dass Kinder eine geringere Anfälligkeit für eine SARS-CoV-2-Infektion haben als Erwachsene. Die Datenlage dazu ist jedoch spärlich. Die Ergebnisse unserer Studie zeigen deutlich, dass sowohl Kinder im Vorschul- als auch im Schulalter für eine SARS-CoV-2-Infektion empfänglich sind. Um das Infektionsgeschehen in dieser Bevölkerungsgruppe besser in den Griff zu bekommen, könnten entsprechende Maßnahmen zur Eindämmung der Virusausbreitung in Kindergärten und Schulen hilfreich sein.“

Antikörper über mehrere Monate nachweisbar

Innerhalb der Studie konnten Kinder, die positiv auf SARS-CoV-2-Antikörper getestet wurden, eine weitere Probe zur Überprüfung der Entwicklung des Antikörperstatus abgeben. Die WissenschaftlerInnen beobachteten, dass der Titer der Antikörper im Blut innerhalb eines Zeitraum von durchschnittlich drei Monaten nach der ersten Probe zunahm. Insgesamt blieben 64 von 66 Kindern in der Nachverfolgung positiv für SARS-CoV-2 Antikörper. Die Forschungsgruppe geht davon aus, dass dies weniger das Ergebnis einer erneuten Infektion als vielmehr der natürliche Verlauf nach einer Corona-Infektion ist.

Kein Zusammenhang zwischen Typ-1-Diabetes und COVID-19 bei Kindern

Die Fr1da-Studie untersucht Kinder in Bayern bis zu einem Alter von 10 Jahren auf präsymptomatischen Typ-1-Diabetes, der durch multiple Inselautoantikörper definiert ist. Weder während ersten noch der zweiten Welle konnte ein Zusammenhang zwischen präsymptomatischem Typ-1-Diabetes (positiver Test auf Inselautoantikörper) und einer durchgemachten Erkrankung an COVID-19 (positiver Test auf SARS-CoV-2-Antikörper) festgestellt werden. 

Einschränkungen der Studie

Antikörper gegen SARS-CoV-2 sind erst nach einer bis vier Wochen nachweisbar. Deshalb können diese Messwerte nicht dafür genutzt werden, um Aussagen über das aktuelle Infektionsgeschehen zu treffen. 

Über die Studie

Diese Studie wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) unterstützt. Förderer der Fr1da-Studie sind die LifeScience-Stiftung, JDRF und The Helmsley Charitable Trust.

Originalpublikation

Hippich et al., 2021: A Public Health Antibody Screening Indicates a Marked Increase of SARS-CoV-2 Exposure Rate in Children during the Second Wave. Med, DOI: 10.1016/j.medj.2021.03.019

Quelle: Helmholtz-Zentrum München




GEW: „Fernunterricht für Schulen ab Inzidenzwert 100“

Bildungsgewerkschaft zur Anhörung des Gesundheitsausschusses zum Bevölkerungsschutzgesetz

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert, dass die Notbremse in Bildungseinrichtungen für alle ab einem Inzidenzwert von 100 gezogen werden müsse. Das gelte dann, wenn der Ausbruchsherd in einer Kommune nicht ganz konkret definiert werden könne.

Politisch motivierte Setzung

„Kinder, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte und Bildungspersonal sind von der Virusmutation stark betroffen. Die Zahl 200 im Infektionsschutzgesetz ist eine politisch motivierte Setzung, damit Schulen und Kitas geöffnet bleiben können. Der Wert ist nicht wissenschaftsbasiert, er ist nicht am Gesundheitsschutz der Lehrenden und Lernenden orientiert“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe während der Anhörung des Bundestagsausschusses für Gesundheit zum Bevölkerungsschutzgesetz am Freitag in Berlin.

Nicht genügend Sicherheit durch Selbsttests

Die GEW-Vorsitzende macht deutlich, dass Selbst- und Schnelltests nicht genügend Sicherheit böten, um Schulen und Kitas bis zu einer Inzidenz von 200 zu öffnen. Bisher gebe es noch keine ausgefeilte, erprobte Teststrategie. Dafür müssten pro Woche rund 24 Millionen Tests an die Schulen gebracht werden.

Zudem brauche es geschultes Personal etwa des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) oder des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), um die Tests sicher durchzuführen. Tepe begrüßt, dass Lernende Bildungseinrichtungen nur getestet besuchen dürften. Sie mahnt an, dass alle Lehrkräfte sowie die Erzieherinnen und Erzieher mindestens zwei Mal wöchentlich Testangebote erhalten sollten, einer Testpflicht für die Beschäftigten stehe sie jedoch kritisch gegenüber.

Wechselunterricht ab Inzidenz 50

„Die GEW macht sich wie das Robert Koch-Institut (RKI) ab einer Inzidenz von über 50 für Wechselunterricht stark. Nur wenn der Unterricht in kleinen Gruppen oder mit zusätzlichem Personal in mehr Räumen stattfindet, kann der nötige Abstand eingehalten und damit ein wichtiger Beitrag zum Gesundheitsschutz aller in der Schule geleistet werden“, betont Tepe. Sie macht noch einmal deutlich, dass es die Bildungsgewerkschaft grundsätzlich für richtig und wichtig halte, dass Kitas und Schulen ihre Aufgaben Bildung und Betreuung erfüllen können. Insbesondere ohnehin benachteiligte Kinder und Jugendliche müssten aufgefangen werden und dürften nicht ins soziale Abseits gleiten.