Der Deutsche Kita-Preis geht in eine neue Runde

Kitas und lokale Bündnisse für frühe Bildung können sich jetzt anmelden – Insgesamt 130.000 Euro Preisgelder

In der Kindertagesbetreuung bewegt sich wie immer viel. Überall meistern Menschen in und für Kitas die Entwicklungen der Pandemie und engagieren sich dafür, dass Kinder bestmöglich aufwachsen können. Der Deutsche Kita-Preis will diese wertvolle Arbeit würden und soll gute Qualität in der frühen Bildung sichtbar machen. Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) werden die Auszeichnung zum fünften Mal vergeben.

Jetzt für 2022 anmelden!

Kitas und lokale Bündnisse können sich ab sofort unter www.deutscher-kita-preis.de/bewerbung registieren. Dann gilt es die Bewerbungsfragen zu beantworten und das Motivationsschreiben zu erstellen. Der aktuelle Arbeitsstand lässt sich jederzeit speichern und später ergänzen. Ihre fertigen Bewerbungen können die Teilnehmenden in der offiziellen Bewerbungsphase vom 15. Mai bis 15. Juli 2021 absenden. Die Zeit vorab können sie etwa nutzen, um die Einreichung gemeinsam im Team vorzubereiten.

Mit 130.000 Euro dotiert

Der Deutsche Kita-Preis ist mit insgesamt 130.000 Euro dotiert. Die Auszeichnung wird in den Kategorien „Kita des Jahres“ und „Lokales Bündnis für frühe Bildung des Jahres“ verliehen. Die Erstplatzierten dürfen sich über jeweils 25.000 Euro freuen. Zudem warten auf vier Zweitplatzierte in beiden Kategorien je 10.000 Euro. Wer eine Auszeichnung mit nach Hause nehmen darf, entscheidet sich nach einem mehrstufigen Auswahlverfahren im Frühjahr 2022.

Worauf es ankommt

Aktuell stehen zehn Kitas und zehn lokale Bündnisse im Finale des Deutschen Kita-Preises 2021 und warten, ob sie die Auszeichnung in diesem Jahr erhalten. Sie alle zeigen beispielhaft, worauf es im Auswahlprozess ankommt: Preisverdächtig sind Einrichtungen und Initiativen, die Kinder konsequent in den Mittelpunkt ihrer pädagogischen Arbeit stellen und bei denen Kinder, Eltern und Fachkräfte aktiv mitwirken können. Entscheidend ist zudem, wie die Teams weitere Institutionen vor Ort einbinden sowie die eigene Arbeit reflektieren und weiterentwickeln. Jede Kita und jedes Bündnis für frühe Bildung in Deutschland kann sich um die Auszeichnung bewerben. Die individuellen Rahmenbedingungen vor Ort werden in der Auswahl berücksichtigt. Zudem zeichnet der Deutsche Kita-Preis nicht nur gute Ergebnisse aus, sondern würdigt auch gute Prozesse.

Alle Informationen zum Deutschen Kita-Preis, zu den Bewerbungsmodalitäten und zur Auswahl der Preisträger finden Interessierte unter www.deutscher-kita-preis.de.




Besonders Müttern fällt es schwer Arbeitszeitwünsche durchzusetzen

Studie Arbeitszeit von Männern und Frauen: Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander 

Männer arbeiten im Durchschnitt neun Stunden pro Woche mehr als Frauen. Dabei möchten mehr Männer als Frauen ihre Arbeitszeit reduzieren und andererseits mehr Frauen als Männer ihre Arbeitszeit ausweiten. Damit besteht Potenzial zur Angleichung der Arbeitszeiten zwischen den Geschlechtern. 

Anteil unterbeschäftiger Frauen fast doppelt so hoch wie bei Männern

In Deutschland arbeiten erwerbstätige Männer im Durchschnitt 41 Stunden und erwerbstätige Frauen 32 Stunden pro Woche. Allerdings wünschen sich Männer mit 37 und Frauen mit 30 Stunden pro Woche eine kürzere Arbeitszeit. Insgesamt arbeiten 50 Prozent der männlichen und 41 Prozent der weiblichen Beschäftigten mehr, als sie gerne würden, und sind damit überbeschäftigt. Dieses Bild dreht sich beim Blick auf jene Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit gerne ausweiten würden, die also unterbeschäftigt sind: Mehr Frauen als Männer möchten ihre Stundenzahl ausweiten. So ist der Anteil unterbeschäftigter Frauen mit 17 Prozent fast doppelt so hoch wie bei Männern – von ihnen arbeiten nur neun Prozent weniger als gewünscht.

Unterscheidliche Arbeitszeiten ein Hauptgrund für unterschiedliche Einkommen

„Unterschiedliche Arbeitszeiten sind einer der Hauptgründe für die unterschiedlichen Erwerbseinkommen von Männern und Frauen. Unsere Analysen zeigen: Das Potenzial für die Angleichung von Arbeitszeiten ist da. Und es ist auch gesellschaftlich geboten“, kommentiert Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Im Mittelpunkt der neuen Studie, die ein ForscherInnen-Team um Andreas Peichl vom ifo Institut im Auftrag der Stiftung erstellt hat, sehen die Entwicklung der tatsächlichen und gewünschten Arbeitszeiten seit 1985 sowie die Gründe für die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. 

Müttern fällt es schwerer als Vätern, ihre Arbeitszeitwünsche umzusetzen

Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte können ihre Arbeitszeitwünsche nicht gleich gut umsetzen. Während Vollzeitbeschäftigte im Durchschnitt gerne rund sechs Stunden weniger pro Woche arbeiten würden, besteht bei in Teilzeit beschäftigten Frauen und Männern zwischen gewünschter und tatsächlicher Arbeitszeit nahezu kein Unterschied.

Insbesondere Müttern fällt es schwer, ihre Arbeitszeitwünsche zu realisieren. Die Berechnungen zeigen, dass dies nicht auf Kinder an sich, sondern auf den Mangel an Betreuungsmöglichkeiten oder die zu hohen Kosten dafür zurückzuführen ist. Lassen sich Familie und Beruf gut miteinander vereinbaren, können auch Arbeitszeitwünsche besser verwirklicht werden.

Auf die Arbeitszeitwünsche von Männern haben Kinder und die Betreuungssituation hingegen so gut wie keinen Einfluss. Dies deutet darauf hin, dass die traditionelle Rollenaufteilung nach wie vor dominiert. „Fehlende oder zu teure Kinderbetreuung führt immer noch dazu, dass insbesondere Mütter ihre Arbeitszeitwünsche nicht realisieren können”, kommentiert Dräger. „Auch acht Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz müssen die Angebote ausgeweitet werden.” 

Männer sind im Schnitt neun Stunden mehr pro Woche als Frauen erwerbstätig. Während aber Frauen mehr arbeiten wollen, möchten Männer weniger erwerbstätig sein. Besonders Müttern fällt es schwer, ihre Arbeitszeitwünsche durchzusetzen.

Verfügbarkeit von Betreuungsmöglichkeiten ist ein zentraler Hebel

Die Corona-Pandemie verschärft die Situation – erste Untersuchungen zeigen, dass sich die Kita- und Schulschließungen negativ auf die Arbeitszeitwünsche von Müttern auswirken. Ohne funktionierende Kinderbetreuung ziehen sie sich weiter aus der Erwerbsarbeit zurück. „Die Pandemie verdeutlicht: Gute Kitas und ein gutes Ganztagsangebot in den Schulen sind zentral, damit Mütter ihre Arbeitszeitwünsche umsetzen können”, sagt Dräger.

Darüber hinaus müssten Fehlanreize im Steuer-, Abgaben- und Transfersystem abgebaut werden, weil sie die Mehrarbeit für Frauen und Mütter häufig unattraktiv machen. Die Kombination aus Ehegattensplitting und Minijobs führt beispielsweise dazu, dass es sich für ZweitverdienerInnen häufig nicht lohnt, eine substanzielle Beschäftigung aufzunehmen. Die Verwirklichung von Arbeitszeitwünschen von Männern und Frauen ist aber eine wesentliche Voraussetzung für eine gleichere Aufteilung der Erwerbs- und Fürsorgearbeit. 

Hintergrund und Download

Die Studie „Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Unter- und Überbeschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ wurde von Maximilian Blömer, Johanna Garnitz, Laura Gärtner, Andreas Peichl und Helene Strandt vom ifo Institut im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt. Um die Entwicklung der tatsächlichen und gewünschten Arbeitszeiten differenziert nach Geschlecht, Beschäftigungstyp und Alterskohorte von 1985 bis einschließlich 2017 nachzuzeichnen, nutzten sie das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) sowie das Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung (PASS). Dabei beziehen sich die Werte vor der Wiedervereinigung nur auf Westdeutschland. Beide Datensätze ermöglichen neben der deskriptiven Beschreibung der Arbeitszeitdiskrepanzen auch die Beantwortung der Frage, welche Faktoren eine Arbeitszeitdiskrepanz vergrößern oder verringern.

Hier der Link zum Download

  




Regelmäßiges Anschreien, Schlagen oder Schütteln schädigt das Gehirn

Internationale Studie belegt erstmals nachhaltige körperliche Schäden durch negative Elternschaft

Bei Kindern nimmt die Größe bestimmter Gehirnstrukturen ab, wenn sie immer wieder angeschrien, geschlagen oder geschüttelt werden. Das belegt eine Studie, die an der Universität Montreal und dem Forschungszentrum CHU Sainte-Justine in Zusammenarbeit mit einem Forscherteam der Stanford University entstanden ist.

Gleiche Folgen wie bei Kindesmissbrauch

Schon bei früheren Untersuchungen stellte sich heraus, dass schwere Kindesmisshandlungen wie sexueller, körperlicher und emotionaler Missbrauch, Vernachlässigung oder Heimunterbringung oftmals zu Angstzuständen und Depressionen führen. Es hat sich auch gezeigt, dass Kinder, die einen solchen Missbrauch erlebt haben, eine Verringerung der Größe des präfrontalen Kortex und der Amygdala aufweisen. Das sind zwei Schlüsselstrukturen bei der Verarbeitung von Emotionen und der Entstehung von Angst- und Depressionsproblemen.

MRT-Bilder, die die Schädigung von Gehirnstrukturen bei Jugendlichen zeigen, die eine gewalttätige Erziehung erlebt haben.

Negative Elternschaft schädigt das Gehirn nachhaltig

Die Erkenntnisse der aktuellen Studie beziehen sich jedoch nicht auf die so genannten „schweren Kindesmisshandlungen“, sondern auf „negative Elternschaft“, die durch stetiges Schreien, Schlagen, Schütteln oder andere stetig sich wiederholende aggressive Aktionen gegen das eigene Kind identifizieren.

Zudem haben die Forscher in der aktuellen Studie auch eine Verringerung der Größe des präfrontalen Kortex und der Amygdala bei Jugendlichen festgestellt (vgl. Abbildung), die in ihrer Kindheit wiederholt negativen Erziehungspraktiken ausgesetzt waren, aber nicht schwer misshandelt wurden.

„Abgesehen von den Veränderungen im Gehirn denke ich, dass es wichtig ist, dass Eltern und Gesellschaft sich bewusst sind, dass die häufige Anwendung negativer Erziehungspraktiken potenziell schädliche Folgen für die Entwicklung von Kindern hat. Es geht um ihre soziale und emotionale Entwicklung, aber auch um die Entwicklung ihres Gehirns“, sagt Sabrina Suffren, Doktor der Psychologie und Erstautorin der Studie.

Gewalttätige Erziehungspraktiken existieren noch immer

Tatsächlich sind solche „Erziehungsmethoden“ in Teilen unserer Gesellschaft und in allen Milieus noch immer üblich. Erst Ende vergangenen Jahres hat das Kinderhilfswerk UNICEF eine repräsentative Studie publiziert publiziert, in der sich herausstellte, dass trotz des Rechtes der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung, Körperstrafen oftmals noch immer üblich sind. Und in Zeiten von Corona hat nach den Forschungsergebnissen des Forschungsnetzwerks Medizinischer Kinderschutz des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) die Gewalt gegen Kinder sogar noch zugenommen.

Sicher geht es nicht um den berühmten „Ausrutscher“ oder darum, dass Eltern auch mal schimpfen, statt am Ärger zu ersticken. Aber konstante Wutausbrüche und körperliche Gewalt in der Erziehung sind eben auch keine Seltenheit. Alternativen dazu gibt es seit vielen Jahrzehnten. Die bekannteste und erfolgreichste Methode stammt von Adele Faber und Elaine Mazlish, die mit dem Buch „So sag ich’s meinem Kind“ den erfolgreichsten Elternratgeber aller Zeiten verfasst haben. Der Grund dafür ist eindeutig: Er zeigt Eltern einen praktischen Weg aus ihrer gefühlten Ohnmacht gegenüber ihren Kindern und zu einem nachhaltig kooperativen Umgang miteinander. Rund 35.000 Elternkurse werden dazu jährlch veranstaltet. Ers jüngst hat die Tocher von Adele Faber Joanna Faber gemeinsam mit ihrer Freundin aus Kindertagen Julie King in ihrem Buch „Wie Sie sprechen sollten, damit ihr Kind sie versteht“, das Konzept weiter ausgebaut und um etliche praktische Beispiele und Lösungsansätze erweitert. Erst jüngst hat Joanna Faber im Interview mit spielen und lernen die Entstehung von Erziehungskonflikten beschrieben und Lösungsstrategien empfohlen.

Der erfolgreichste Elternratgeber aller Zeiten mit 3,5 Millionen verkauften Exemplaren!!!

Adele Faber / Elaine Mazlish

So sag ich’s meinem Kind
Wie Kinder Regeln fürs Leben lernen

276 Seiten
ISBN: 9783963040337
22,90 €

Dennoch haben die Ergebnisse der Studie die Fachwelt überrascht. Suffren erklärt dazu: „Diese Ergebnisse sind wichtig und neuartig, da dies das erste Mal ist, dass negative Elternschaft, ohne schwere Misshandlung, mit Unterschieden in der Größe der Hirnstruktur verbunden ist, ähnlich dem, was in Verbindung mit schwerer Misshandlung beobachtet wurde.“

Die Kinder wurden von Geburt an im CHU Sainte-Justine beobachtet

Eine der Stärken dieser Studie ist die Nachbeobachtung der Kinder von der Geburt an, die am Sainte-Justine CHU in den frühen 2000er Jahren von der Groupe de recherche sur l’inadaptation psychosociale chez l’enfant (GRIP) der Université de Montréal und vom Institut de la statistique du Québec eingerichtet wurde. Das Center Hospitalier Universitaire Sainte-Justine (CHU) ist das größte Mutter-Kind-Zentrum in Kanada und eines der vier wichtigsten pädiatrischen Zentren in Nordamerika. Das GRIP setzt sich aus Forschern zusammen, die die Nachsorge dieser Kinder organisierten und langfristig sicherstellten: Dr. Jean Séguin, Michel Boivin und Richard Tremblay.

Die elterlichen Praktiken und Ängste wurden jedes Jahr bei Kindern im Alter von 2 bis 9 Jahren untersucht. Basierend auf diesen Daten wurden die Kinder in Gruppen eingeteilt, die ein niedriges oder hohes Maß an negativen Erziehungspraktiken repräsentierten, die über die Zeit hinweg konsistent waren.

„Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass negative Erziehung durchgängig im Alter von zwei bis neun Jahren erlebt wurde. Die Unterschiede im Gehirn hängen also mit negativen elterlichen Praktiken zusammen, die während der Kindheit wiederholt erlebt wurden“, sagt Sabrina Suffren, die mit ihren Mitarbeitern den Grad der Angst bei diesen Kindern gemessen und eine anatomische Magnetresonanztomographie verwendet hat, als sie zwischen zwölf und 16 Jahre alt waren.

Diese Studie ist der erste Versuch, die Querverbindungen zwischen der Hirnanatomie, negativer Elternschaft und der von Kindern erlebten Angst zu bestimmen.

Miteinander richtig sprechen lernen

Joanna Faber/Julie King

Wie Sie sprechen sollten, damit Ihr Kind Sie versteht
Ein Überlebenshandbuch für Eltern mit Kindern von 2 bis 7 Jahren

384 Seiten
ISBN/EAN: 9783963040269
24 €

Über die Studie

Im Rahmen ihrer Doktorarbeit der Abteilung Psychologie und unter der Leitung der Professoren Françoise Maheu und Franco Lepore hat Sabrina Suffren die Studie durchgeführt.

Der Artikel  „Prefrontal cortex and amygdala anatomy in youth with persistent levels of harsh parenting practices and subclinical anxiety symptoms over time during childhood“ von Sabrina Suffren und Kollegen, wurde am 22. März 2021 in der Zeitschrift Development and Psychopathology veröffentlicht. Die Pressemitteilung dazu finden Sie hier.

Die Studie wurde von den Canadian Institutes of Health Research, dem Quebec Ministry of Health and Social Services, dem Fonds de recherche du Québec – Société et culture, dem Social Sciences and Humanities Research Council of Canada, dem CHU Sainte-Justine Research Centre und der Foundation of Stars sowie den Universitäten von Montreal und Laval finanziert.




Spielen und lernen: Grundsatzgedanken zur Psychologie des Spiels

Die hohe Bedeutung des Spiels als Bildungsmittelpunkt für Kinder und als Basiswert einer späteren „Schulfähigkeit“ (Teil 1)

Spielen und lernen ist unser Thema, weil uns Kinder wichtig sind und das der einzige Weg ist, wie Kinder wirklich lernen können. Zum Thema „Spielen“ hat Prof. Dr. Armin Krenz in seinem Buch „Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik“ einen sehr umfassenden Beitrag über rund 50 Seiten verfasst. Da die Erfahrung zeigt, dass aktuell eher kürzere Beiträge viele Leser finden, veröffentlichen wir daraus, seine „Grundsatzgedanken zur Psychologie des Spiels“. Alle 14 Tage publizieren wir einen weiteren Teil.

Die Frage nach dem Warum

Wenn sich (sozial)pädagogische Fachkräfte mit dem großen und gleichzeitig bedeutsamen Thema „Psychologie des Spiels“ auseinandersetzen wollen, wird zunächst eines sehr deutlich werden: Es gibt kaum einen zweiten Themenschwerpunkt in der Psychologie und Pädagogik, der in einem gleichen Maße so umfangreich in der Literatur berücksichtigt und behandelt wurde/wird. So sind hunderte von Büchern auf dem Markt, die sich dem „Spiel“ zuwenden und es gibt weltweit ungezählte wissenschaftliche Untersuchungen, die sich ganz bestimmten Phänomenen des Spiels gewidmet haben. Die Frage nach dem „warum“ ist auf den ersten Blick vielleicht schnell zu beantworten – weil das Spiel(en) in allen Kulturen und zu allen Zeiten ein fester Bestandteil im Leben des Menschen war bzw. ist und dadurch überall eine große Beachtung findet.

Das Spiel gehört zum Leben des Menschen

Ob in der Steinzeit, der Antike, im Hochland von Mexiko oder im alten Ägypten, im Mittelalter, in sakralen Handlungen oder auf Hinterhöfen: auf der ganzen Welt legen Aufzeichnungen, Dokumente und Berichte Zeugnis davon ab, dass das Spiel aus dem Leben des Menschen nicht wegzudenken war und es damit ganz offensichtlich eine wichtige Funktion im Leben von Menschen erfüllt hat. Insofern kann dieses wichtige Phänomen Spiel auch in der Alltagspädagogik gar nicht ausgeblendet werden, sondern muss zweifelsohne eine Berücksichtigung in der Kleinkindpädagogik finden. Andreas Flitner, einer der großen Spielforscher des letzten Jahrhunderts, schrieb:

„Das Kinderspiel ist eine zu auffällige Erscheinung aller Zeiten und aller Kulturen, als dass die Menschen es nicht von jeher beachtet […] hätten […]. Schon die frühesten Bilder des alten Reichs der Ägypter zeigen Puppen, Spieltiere, Bälle und Wagen zum Ziehen; sie zeigen Kinder, die tanzen und hüpfen, übereinander wegspringen und sich balgen, ja sogar theatralische Szenen spielen und dabei Masken tragen […]. In der vorindustriellen Gesellschaft haben die Kinder auch unmittelbar an den eigenen Spielen der Erwachsenen teilgenommen […], so wie ihr ganzes Kinderleben noch in das Leben und Arbeiten der Erwachsenen eingefügt war. Erst das Industriezeitalter zerstörte diese Gemeinschaft. Erst an der Schwelle entstand deshalb die moderne pädagogische Reflexion, welche Theorie und Erforschung des Kinderspiels ermöglichte.“

Flitner, A. (1977): Spielen- Lernen. Praxis und Deutung des Kinderspiels. München: Piper, S. 13

Heute hingegen verbinden viele Menschen mit dem Begriff „Spiel“ weniger bedeutsame Lebensrituale oder gesellschaftspolitische Aspekte als vielmehr die einfache Gleichung, dass das Spiel vor allem etwas sei was zu Kindern gehöre. Jeder, der sich mit seiner eigenen Kindheit beschäftigt wird automatisch auch an eigene Kinderspiele denken.

„Das ganze Leben ist ein Spiel“

Nebenbei fällt aber auch auf, dass das Wort selbst in unserer Sprache häufiger vorkommt als auf den ersten Blick gedacht. So sagen wir bei Dingen, die uns unwichtig erscheinen: „Das spielt doch keine Rolle.“ Menschen, die ein hohes Risiko eingegangen sind, haben „alles aufs Spiel gesetzt“ und wenn eine befreundete Person etwas getan hat, durch das man selbst tief verletzt wurde und von der man sich nun trennen wird, hat sie „ein für alle Mal verspielt“. Menschen, die das Leben nicht so ernst nehmen, besitzen aus Sicht der ernsthafteren Personen eine „Spielernatur“ und andere wiederum sind der festen Überzeugung: „Das ganze Leben ist ein Spiel“. Wenn jemand ein außergewöhnlich hohes Risiko eingeht, dann sagen wir, er „spielt mit dem Feuer“ und wenn jemand etwas nicht versteht heißt es: „Der weiß gar nicht, was hier gespielt wird.“ Menschen, die viele Schicksalsschläge hinnehmen mussten, wurde „im Leben übel mitgespielt“ und einem Übeltäter kann es passieren, dass er bei seiner Festnahme die Worte hört: „Das Spiel ist aus.“

Phänomen Spiel

So vielschichtig die jeweiligen Bedeutungen dieser alltagssprachlichen Aussagen sind, so unterschiedlich werden auch in der „Psychologie des Spiels“ bestimmte Phänomene betrachtet. Doch darf diese Tatsache nicht dazu führen, dass man sich weniger ernsthaft diesem „Phänomen Spiel“ zuwendet. Im Gegenteil: es kommt darauf an, in der ungewöhnlich großen Menge fachwissenschaftlicher Arbeiten das Wesentliche zu entdecken und für die Praxis nutzbar werden zu lassen. Im Rahmen des 16. Weltkongresses der Internationalen Gesellschaft für Spiel (IPA- International Play Association), die 2005 in Berlin tagte und bei der sich Fachleute aus aller Welt darüber austauschten, welche Rolle das Spiel(en) heute einnimmt, äußerten sich beispielsweise Fachleute und Politiker wie folgt:

„Allzu oft wird Spiel als Zeitvertreib betrachtet, um Kinder ruhig zu halten bis sie erwachsen sind. Allzu oft wird Spiel auch als ein Bildungswerkzeug angesehen. Aber nur selten ist man sich der Tatsache bewusst, dass Kinder beim Spielen für das Leben lernen.“

Jan van Gils, IPA Präsident 2005

„Beim Spielen lernen Kinder den Umgang mit anderen; sie probieren sich aus, entwickeln körperliche Fähigkeiten und geistige Talente. Darum müssen Kinder spielen dürfen… Ich freue mich besonders, wenn Erwachsene den Lärm spielender Kinder als Zukunftsmusik empfinden.“´

Horst Köhler, ehem. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland

„Spielen ist ein Kinderrecht. Wir alle sind aufgefordert, uns für dieses Recht einzusetzen.“

Edelgard Bulmahn, damalige Bundesministerin für Bildung und Forschung

„… für Kinder ist die Fähigkeit zu spielen einzigartig. Hier können sie ihre Gefühle artikulieren und aktiv ihre Umgebung mitgestalten.“

Renate Schmidt, ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

„Kinder lernen im Spiel am besten. Und sie eignen sich dabei mehr an als es jede Paukerei vermag: nämlich ein lebendiges Wissen, das nicht auswendig gelernt werden kann …“

Klaus Wowereit, ehem. Regierender Bürgermeister von Berlin

kirenz elementarpaedagogik

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik
Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln

Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548029
200 Seiten, 24,95 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




Bildungsmosaik: Angebote in der Corona-Krise

Vorträge, Seminare und Jours Fixes an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich

Die Pädagogische Hochschule Niederösterreich (PH NÖ) bietet ein umfangreiches Programm an Bildungsveranstaltungen zu drängenden Themen in Zeiten der Pandemie.

Ein Zuversicht spendendes Bildungsmosaik in nicht ganz einfachen Zeiten bietet die PH NÖ in den kommenden Wochen und Monaten. „Die Bürden der aktuellen Situation spüren wir alle – mehr oder weniger. Darum, aber auch um Chancen und Perspektiven geht es in unserem Bildungsmosaik“, schreiben die beiden Programmplanerinnen Christine Schörg und Kerstin Angelika Zechner in der Einladung zur Veranstaltungsreihe.

Die Vorträge, Seminare und Jours Fixes finden online statt und richten sich in erster Linie an Lehrpersonen. Zu den Vorträgen sind auch Studierende und alle interessierten Personen eingeladen.

Detailprogramm




Corona führt zunehmend zu traditioneller Rollenverteilung

In erster Linie haben Mütter die Schul- und Kitaschließungen kompensiert

In erster Linie Mütter haben während des coronabedingten ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 die Kita- und Schulschließungen kompensiert und ihre Kinder selbst betreut. Das geht aus einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von pairfam-Daten hervor.

Starker Anstieg der Kinderbetreuung und Hausarbeit bei Frauen

So hat sich der Anteil der Familien in Deutschland, in denen die Frauen die Kinderbetreuung fast vollständig übernehmen, im Vergleich zum Vorpandemiejahr 2019 von etwa acht auf 16 Prozent verdoppelt. Die Hausarbeit erledigen in fast 27 Prozent der Familien – statt zuvor in rund 22 Prozent – fast vollständig die Frauen.

Allerdings bleibt der Anteil der Paare, die sich die Sorgearbeit egalitär aufteilen, infolge der Pandemie weitgehend unverändert. Zudem gibt es sogar wenige Familien mehr als zuvor, in denen der Mann fast vollständig oder überwiegend Kinderbetreuung und Hausarbeit übernimmt – allerdings handelt es sich dabei um nicht mehr als etwa fünf Prozent der Familien.

Quelle: DIW

„Mit Blick auf die Aufteilung der Sorgearbeit während der Corona-Pandemie ergibt sich ein differenziertes Bild“, erklärt Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics in der Abteilung Staat des DIW Berlin. „In Familien, in denen sich Frauen schon zuvor deutlich mehr um Kinderbetreuung und Haushalt gekümmert haben, ist das Ungleichgewicht während der Corona-Pandemie aber noch größer geworden“, so C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie.

Wahrnehmung der Aufteilung von Sorgearbeit sehr unterschiedlich

Gemeinsam mit Jonas Jessen, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Familie, haben Spieß und Wrohlich Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam ausgewertet. Im Rahmen dieser Längsschnittstudie werden jährlich rund 12.000 Personen befragt. Im Frühjahr 2020 wurde eine Corona-Zusatzerhebung gestartet, an der sich mehr als 3.000 Menschen beteiligten. Die Studie stützt sich insgesamt auf 967 Paarhaushalte mit Kindern.

„In Familien, in denen sich Frauen schon zuvor deutlich mehr um Kinderbetreuung und Haushalt gekümmert haben, ist das Ungleichgewicht während der Corona-Pandemie noch größer geworden.“  

C. Katharina Spieß

Die Analysen geben auch Auskunft darüber, wie sich die Aufteilung der Sorgearbeit in Abhängigkeit der Homeoffice-Nutzung verändert hat. Wenn Mütter im Homeoffice arbeiten, erledigen sie demnach auch mehr Sorgearbeit, während dies bei Männern umgekehrt nicht der Fall ist. Konnten beide Elternteile von zu Hause arbeiten, ergaben sich jedoch keine signifikanten Unterschiede in der Aufteilung von Kinderbetreuung und Hausarbeit.

„Bemerkenswert ist, dass Unterschiede in der Wahrnehmung der Aufteilung von Sorgearbeit in der Pandemie größer geworden sind“, sagt Jessen. So gaben von den befragten Frauen 24 Prozent an, dass sie in ihrer Familie die Kinderbetreuung (fast) vollständig alleine übernehmen – bei den Männern berichteten dies nur fünf Prozent.

Anpassung der familienpolitischen Leistungen könnten zu kurz greifen

Die Politik hat im Zuge der Pandemie familienpolitische Leistungen an einigen Stellen angepasst und die Zahl der sogenannten Kinderkrankentage auf 20 Tage erhöht, um Eltern die Kinderbetreuung zu erleichtern. „Die Erhöhung der Kinderkrankentage ist zwar grundsätzlich gut, womöglich aber zu knapp bemessen“, so Katharina Wrohlich. Weitere Maßnahmen, etwa eine abermalige Ausweitung der Kinderkrankentage, wären wünschenswert. „Unabhängig von der Corona-Pandemie könnten beim Elterngeld bei gleichbleibender Bezugsdauer die Partnermonate auf vier Monate ausgedehnt werden, um eine größere Gleichstellung bei der Verteilung von Sorgearbeit zu erreichen“, so Spieß.

Die Studie finden Sie hier

Quelle: DIW




Rechtsanalyse: EU-Reformvorschläge zur Asylpolitik werden Kinderrechten nicht gerecht

In einem Positionspapier fordern Organisationen zur Nachbesserung

Eine Rechtsanalyse im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes, Deutschen Komitees für UNICEF, Paritätischen Gesamtverbands sowie von Plan International Deutschland, Save the Children Deutschland, terre des hommes Deutschland und World Vision Deutschland hat gezeigt, dass die Rechte von Kindern in den Vorschlägen der Europäischen Kommission für ein Migrations- und Asylpaket nicht umfassend verankert werden. In einem gemeinsamen Positionspapier fordern die Organisationen daher, dass das Kindeswohl in allen Verfahren vorrangig behandelt wird, wie es die UN-Kinderrechtskonvention vorgibt.

Regelungslücken und Unübersichtlichkeit

„Wir begrüßen zwar, dass die Europäische Kommission teils in ihrem Entwurf des Migrations- und Asylpakets auf die Belange und Rechte von Kindern eingeht. Es fehlt allerdings eine systematische und damit auch praktisch durchsetzbare Sicherstellung der Rechte von Kindern“, heißt es in dem heute veröffentlichten Positionspapier. „Die Vielzahl von Richtlinien und Verordnungen greifen keineswegs nahtlos ineinander. Dadurch entstehen Regelungslücken und eine Unübersichtlichkeit, die einen effektiven Schutz von Kindern und die flächendeckende Umsetzung ihrer Rechte verhindern.“

Sorge um Situation der Kinder

In dem Positionspapier äußern die beteiligten Organisationen die Sorge, dass das Reformpaket in der aktuellen Form die Situation geflüchteter und migrierter Kinder insgesamt verschlechtert. So gebe es zwar einige positive Ansätze, wie zum Beispiel die Einführung eines Monitoring-Mechanismus und die Anerkennung von Geschwistern als Teil der Kernfamilie, doch insbesondere die entstehenden Regelungslücken hätten negative Auswirkungen auf die Situation von Kindern. So besteht zum Beispiel die Gefahr, dass unbegleiteten Kinder keine vormundschaftliche Vertretung mit geeigneten fachlichen Qualifikationen zur Seite steht.

Der besondere Schutzbedarf muss geprüft werden

Die Organisationen fordern, dass der besondere Schutzbedarf von Kindern geprüft werden muss und eine kindgerechte Unterbringung von Anfang an sicherzustellen ist. Kinder dürfen nicht in Haft genommen oder unter haftähnlichen Bedingungen untergebracht werden. Aus Sicht der Organisationen ist es unerlässlich, der Definition der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung zu tragen, nach der allen Kindern ein besonderer Schutzbedarf und besondere Rechte zwingend gewährt werden müssen.

Hintergrund:

Am 23. September 2020 stellte die EU-Kommission ein „Migrations- und Asylpaket“ vor, das aus einer Reihe von Gesetzesentwürfen zur europäischen Migrations- und Asylpolitik besteht. Kernziele der Kommission sind die Etablierung eines effizienten und schnellen Verfahrens an den EU-Außengrenzen, die Verhinderung von Sekundärmigration durch Sanktionen sowie die verbesserte Durchsetzung der Ausreisepflicht.
Das Positionspapier mit den Forderungen der Organisationen finden Sie hier: www.dkhw.de/kinderrechte-asyl-migration 
Die rechtliche Analyse zur Rechtsstellung von Kindern im neuen Migrations- und Asylpaket der EU findet sich hier: https://www.plan.de/advocacy-und-kampagnenarbeit.html#c26698 

Quelle: Pressemitteilung DKHW




Eine Ostergeschichte mit Marcus und Luise

Eine extra lange Vorlesegeschichte mit einem tollen Rezept für einen Osterzopf

Weder Mama noch Wecker brauchte Marcus morgens, um wach zu werden. Denn an jedem Wochentag weckte ihn früh um sieben das Läuten der Kirchenglocken. Dann drehte er sich noch mal auf die andere Seite und hörte den Glocken zu: Erst begann die große mit dem tiefen Klang zu schlagen. Dann stimmten die anderen nach und nach ein. Schließlich läuteten alle Glocken volle Pulle, wurden wieder leiser; bald hörte man nur noch ab und zu einen Glockenton, zuletzt schlug die große noch zwei-, dreimal – dann war wieder Ruhe. Zeit zum Aufstehen!

Marcus mochte den Glockenklang – und fand es daher schade, dass die Glocken am Karfreitag zum vorerst letzten Mal läuteten. Er wusste, warum: An diesem Freitag vor vielen hundert Jahren war Jesus gestorben. Deshalb schwiegen die Glocken. Am Freitagabend, am gesamten Samstag hörte man keinen Ton von ihnen. Erst Sonntag früh, wenn die Sonne aufging, erklangen sie wieder. Klar, denn am Ostersonntag war Jesus damals auferstanden.

Und weil die Glocken so viele Stunden schweigen mussten, schien es, als ob sie am Ostersonntag besonders fröhlich läuteten. Der Ostersonntag war überhaupt einer der schönsten Tage des Jahres. Marcus freute sich auf das Osterfrühstück mit den buntgefärbten Eiern, auf den Familiengottesdienst, der mit einem Osterfeuer vor der Kirche begann und natürlich auf das Suchen der Osternester. Das würde heute dreimal passieren: erst auf der Kirchwiese, dann daheim und schließlich noch am Nachmittag bei Oma und Opa.

Ach ja – und dann war da in diesem Jahr noch etwas ganz Besonderes: Sehr zeitig, noch vor dem Frühstück, würde die ganze Familie spazieren gehen. Könnte ja sein, dass der Osterhase schon unterwegs war und dabei ein paar Süßigkeiten verloren hatte.

Papa hatte erzählt, solch ein Osterspaziergang frühmorgens sei eine alte Tradition – also, das täten die Leute schon seit vielen, vielen Jahren. So, wie die Frauen damals am Ostermorgen zum Grab von Jesus gelaufen seien und dann festgestellt hätten, dass Jesus gar nicht mehr tot sei. Und weil die Frauen unterwegs noch ganz traurig waren, wird bei so einem Osterspaziergang nicht geredet. Ganz schön schwierig: kein Wörtchen durfte gesagt werden. Marcus würde das schon hinkriegen, klar. – Aber Luise! Ihr Schnattermäulchen konnte nicht mal drei Minuten ruhig bleiben. Immerhin, sie hatte sich vorgenommen, während des Spazierganges keinen Pieps zu sagen.

Es war ungefähr um sechs, als sie loszogen. Papa hatte Marcus und Luise noch versprochen: „Wer unterwegs nicht redet, bekommt zur Belohnung einen Schokoladen-Osterhasen.“ Na, wenn das nichts war!

Sie liefen nebeneinander durch die Wiesen Richtung Waldrand. Ganz schön seltsam, wenn keiner spricht. Marcus entdeckte einen gelben Schmetterling, einen Zitronenfalter. Aber er durfte es den anderen nicht sagen. Dann bemerkte er, dass die aufgehende Sonne ganz rot aussah. Aber er durfte nichts sagen. Allerdings hatte das Schweigen auch Vorteile: Beim Schließen seiner Jacke hatte Marcus sich verknöpft. Ihn selbst störte das nicht. Und wenn es Papa oder Mama störte: Dazu sagen konnten sie ja nichts…

osterhase

Zum Waldrand wollten sie spazieren und zurück. Sie waren noch nicht mal bei der alten Eiche angekommen, da rief Luise plötzlich: „Ich glaube, da saust eine Eidechse!“ Und legte sich gleich die Hand auf den Mund. Zu spät. Der Schokoladenhase war weg. Marcus musste feixen: Das hatte er sich gleich gedacht. Aber dazu sagen durfte er nichts. „Zählt das schon?“, fragte Luise. Aber niemand antwortete ihr. „Das zählt noch nicht“, entschied sie. Ganz in der Nähe rief ein Kuckuck. „Der Kuckuck und der Esel, die hatten einen Streit“, fing Luise an zu singen und merkte erst nach der zweiten Strophe, dass sie schon wieder geredet hatte. „Singen zählt auch nicht“, sagte sie. Marcus, Mama und Papa schmunzelten über das ganze Gesicht. Aber sie sagten kein Wort.

„Das muss ich dann in der Kirche gleich meiner besten Freundin Claudia erzählen, dass ich heute früh nicht geredet hab“, schnatterte Luise. „Da drüben sind Schneeglöckchen.“ Alle schauten hin, aber keiner sagte was. „Erzählen ist sowieso viel schöner“, plapperte Luise, die es keine zehn Minuten ausgehalten hatte zu schweigen. „Außerdem schmeckt mir sowieso kein Schokoladenosterhase, so!“ „Klar schmeckt er dir!“, hätte Marcus um ein Haar gerufen. Er konnte sich gerade noch bremsen.

Luise schnatterte durch die Wiesen, die anderen drei waren still. Schließlich kam Luise auf die Idee, ihren großen Bruder reinzulegen. „Marcus?“, fragte sie zuckersüß. Aber Marcus konnte sich gut konzentrieren. „Marcus, ich schenke dir meinen Spielzeugbagger, wenn du was sagst.“ Marcus sagte nichts. Mit dem Bagger spielte er sowieso hin und wieder. Das wusste Luise bloß nicht. „Dann erzähle ich eben alleine“, meinte seine Schwester und machte das auch. Mal sang sie, mal schwatzte sie, mal kicherte sie. Die anderen schwiegen.

Als sie wieder zu Hause angekommen waren, platzte Marcus heraus: „He, Luise, du solltest ruhig sein!“ „Na, das war ja ein ,stiller‘ Osterspaziergang“, flunkerte Papa, „man hat die Vögel kaum singen hören.“ Und dann gab er Marcus den verdienten Schokoladen-Osterhasen. „Tut mir leid, Luise“, sagte er, „aber du hast unterwegs geredet.“ „Aber fast nichts“, antwortete sie. „Und außerdem bin ich noch klein.“ Doch da war nichts zu machen. Luise war sauer. Sie ging ins Kinderzimmer und setzte sich aufs Bett. Marcus kam hinterher. „Jetzt spiel nicht die beleidigte Leberwurst“, sagte er. „Du weißt selber, dass du andauernd geschnattert hast.“ „Ich sag ‚ überhaupt nichts mehr! Nie wieder!!“ Luise ärgerte sich riesig, als sie sah, wie Marcus den Hasen auswickelte und in die Schokolade biss. Wirklich – Luise saß auf dem Bett, starrte vor sich hin und gab keinen Mucks von sich. „Sei nicht blöd“, meinte Marcus. „Heute wird so ein schöner Tag.“ Aber Luise sagte nichts. Richtig ungewöhnlich. Komisch: Mit einem Mal fehlte Marcus Luises Geschnatter. Jedenfalls war ihm das lieber, als wenn sie bloß da saß und schwieg. Also brach er ein großes Stück Schokolade ab und hielt es seiner Schwester hin: „Hier – aber erst musst du was sagen.“

Luise guckte noch ein Weilchen böse, dann brummte sie: „Danke…“ und steckte sich die Schokolade fix in den Mund. „Hmm…“, sagte sie, „meine Lieblingssorte. Weißt du was, Marcus, als wir vorhin spazieren waren, da habe ich einen Schmetterling gesehen, der war ganz gelb. Weiße habe ich schon oft gesehen und bunte auch, aber so einen gelben noch nicht. Der ist immer rumgeflattert; manchmal wollte er sich hinsetzen, aber da war ihm bestimmt das Gras zu nass. Und dann…“ „Weiß schon, Luise. Das war ein Zitronenfalter. Den hab‘ ich auch gesehen.“ „Aber ich zuerst“, erwiderte Luise. „Und außerdem… !“

Das Hefezopfrezept haben wir selbst ausprobiert. Das ist das Ergebnis. Er ist erstaunlich groß geworden und war richtig fluffig.
hefezopf

Hefezopf

Zutaten: 750 g Mehl, 500 g am Vortag gekochte Kartoffeln,
100 g Margarine, 125 g Zucker, 1/4 Liter Milch, 40 g Hefe,
350 g Rosinen, 1 Prise Salz

Zubereitung: Alle Zutaten zu einem lockeren Teig verkneten.

Diesen warm stellen und gehenlassen, zusammenstoßen und in drei gleich große Stücke teilen. Daraus drei dünne Stangen rollen und zu Zöpfen verflechten. Diese auf einem gefetteten Blech mit Zuckerwasser bestreichen und bei Mittelhitze (180°-200°) ca. 50 Min. goldgelb backen.

PS: Ein Hefezopf sollte nicht aufgeschnitten, sondern abgerissen werden. So bleibt er luftiger und macht mehr Spaß beim Verzehr.

Reuter Kichenjahr

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Das Kirchenjahr mit Kindern feiern
Ein Vorlesebuch mit lustigen Geschichten, Backrezepten und Spielen.

Reuter, Thomas
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548906
96 Seiten, 9,90 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de