Akuter Personalmangel in westdeutschen Kitas – mindestens 20.400 Fachkräfte fehlen

Potenzial für Qualitätsverbesserungen in Ostdeutschland:

Für einen Kita-Ausbau, der den Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr erfüllt und den Bedarf der Eltern deckt, fehlen in den westdeutschen Bundesländern in den kommenden fünf Jahren mindestens 20.400, gegebenenfalls sogar bis zu 72.500 Kita-Fachkräfte. Das entspricht vier bis 15 Prozent des Personalbestands in Kindertageseinrichtungen für Kinder bis zum Schuleintritt im Jahr 2019. In den ostdeutschen Ländern werden hingegen bald schon mehr Fachkräfte ausgebildet als benötigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Autorengruppe einer Studie des Forschungsverbundes Deutsches Jugendinstitut/Technische Universität Dortmund.

Kurzfristige und schnell wirkende Lösungsansätze sind gefragt

Den Berechnungen zufolge reichen in Westdeutschland die gegenwärtig absehbaren Neuzugänge für das Arbeitsfeld Kita bei weitem nicht aus, um den Personalbedarf zu sichern: Die Spannbreite zwischen 20.400 und 72.500 fehlenden Fachkräften ergibt sich durch die Kombination wahrscheinlicher Szenarien: Angenommen, der Personalbedarf ist niedrig und eine hohe Anzahl an Erzieherinnen startet nach der Ausbildung tatsächlich in das Arbeitsfeld Kita, wächst die Personallücke bis zum Jahr 2023 auf einen Wert von 20.400 fehlenden Fachkräften. Geht man jedoch von einem höheren Bedarf aus bei gleichzeitig weniger neu ausgebildeten Erzieherinnen, die in die Kitas einmünden, würde die Personallücke 2025 mit 72.500 fehlenden Fachkräften den Höchststand erreichen. In beiden Fällen verringert sie sich danach zwar wieder leicht. Zumindest bis zum Jahr 2026 muss allerdings mit einem ungedeckten Personalbedarf gerechnet werden. Hinzu kommt, dass für die Kindertagespflege bis 2030 voraussichtlich weitere 13.000 bis 17.000 Personen benötigt werden.

„Da in den westdeutschen Ländern der Personalbedarf kurzfristig sehr hoch ist, sind vor allem schnell wirkende Lösungsansätze gefragt, um weiteres Personal zu gewinnen“, fordert Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, DJI-Direktor und Mitglied der Autorengruppe: Geplante Qualitätsverbesserungen sind in diesen Szenarien noch nicht berücksichtigt, beispielsweise beim Personalschlüssel in den Kita-Gruppen, sodass sich der Personalbedarf unter diesen Gesichtspunkten weiter erhöhen dürfte. Die Vorausberechnungen beziehen sich allein auf die Bereitstellung eines bedarfsdeckenden Angebots für Kinder vor dem Schuleintritt – ein Versprechen, das seit Einführung der Rechtsansprüche seiner Umsetzung harrt.

Schere zwischen Platzangebot und Nachfrage ist in westdeutschen Ländern weiter auseinandergegangen

Der Personalbedarf ergibt sich unter anderem aus dem weiterhin bestehenden Bedarf an zusätzlichen Kita-Plätzen für Kinder bis zum Schuleintritt. Dieser wird maßgeblich durch zwei Größen beeinflusst: die demografische Entwicklung und den unerfüllten Elternbedarf. Um diesen bis zum Jahr 2025 zu decken, werden in Westdeutschland für Kinder bis zum Schuleintritt rund 462.000 bis 630.000 zusätzliche Plätze in der Kindertagesbetreuung benötigt. Das entspricht zwischen 18 und 24 Prozent der im Jahr 2019 vorhandenen Kita-Plätze. Bis zum Jahr 2030 dürfte der Bedarf allerdings wieder um 90.000 bis 95.900 Plätze zurückgehen.

„Es müssten demnach mehr als 500.000 Plätze zusätzlich geschaffen werden, von denen aber knapp jeder fünfte Platz nur vorübergehend benötigt wird“, erklärt Dr. Christiane Meiner-Teubner aus der Autorengruppe der Studie. Die Dynamik des Ausbaus muss deshalb noch einmal deutlich gesteigert werden.

Würde sich lediglich die bisherige Ausbaugeschwindigkeit fortsetzen, könnte der Platzbedarf für Kinder unter drei Jahren erst viele Jahre später, zwischen den Jahren 2028 und 2030, gedeckt werden und für Kinder zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt erst in den Jahren 2023 bis 2026. Wichtig seien außerdem kluge Übergangslösungen für die zwischenzeitlichen Spitzen.

Ostdeutsche Bundesländer können Personalschlüssel verbessern

Deutlich anders stellt sich die Lage in Ostdeutschland dar: Sofern die Ausbildungszahlen weiterhin stabil und die aktuellen Personalschlüssel unverändert bleiben, werden dort deutlich mehr Fachkräfte ausgebildet, als für die Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern bis zum Schuleintritt benötigt werden. „In den ostdeutschen Ländern könnte daher eine Qualitätsoffensive gestartet werden, mit der die immer wieder kritisierten Personalschlüssel verbessert werden könnten“, schreibt die Autorengruppe in der Studie. Weiterhin könnten für künftige Berufseinsteigende Anreize geschaffen werden, dort zu arbeiten, wo Personal dringend gebraucht wird. Von einer Senkung der Ausbildungskapazitäten rät die Autorengruppe ab, nicht zuletzt, weil von den verfügbaren Fachkräften andere Arbeitsfelder profitieren könnten, beispielsweise die ganztägige Betreuung von Grundschulkindern.

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter erhöht Platz- und Personalbedarf sowie Kosten

Der mit dem hier skizzierten Kitaplatz- und Personal-Ausbau verbundene Finanzbedarf wäre erheblich: Bis zum Jahr 2030 ist jährlich mit zusätzlichen Betriebskosten von deutschlandweit bis zu 9 Milliarden Euro und Investitionskosten in Höhe von jährlich maximal knapp 3 Milliarden Euro zu rechnen. Der Platz- und Personalbedarf und die damit verbundenen Kosten werden noch steigen, wenn die geplante Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz im Grundschulalter für West- und Ostdeutschland berücksichtigt wird.

Publikation:

Thomas Rauschenbach, Christiane Meiner-Teubner, Melanie Böwing-Schmalenbrock, Ninja Olszenka (2020): Plätze. Personal. Finanzen. Bedarfsorientierte Vorausberechnungen für die Kindertages- und Grundschulbetreuung bis 2030. Teil 1: Kinder vor dem Schuleintritt (PDF-Download)

Quelle: Pressemitteilung DJI




Bildschirmzeiten für Kinder: (K)ein Streitthema in Familien

In Corona-Zeiten sollten sich Kinder und Eltern nicht um die Bildschirmzeiten streiten:

Wenn Kinder und Jugendliche durch Lockdown und Homeschooling mehr Zeit am Smartphone, vor dem Fernseher oder am Computer verbringen, können Bildschirmzeiten zum Streitthema in der Familie werden. Der Medienratgeber „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“ gibt Eltern Tipps für verbindliche Regelungen in der Familie.

Digitale Medien derzeit länger im Einsatz

Neben den aktuellen Herausforderungen für Eltern im Corona-Alltag können Regeln für Bildschirmzeiten zusätzlichen Stress bedeuten. In vielen Haushalten sind digitale Medien derzeit länger im Einsatz als sonst. „Natürlich sind bildschirmfreie Zeiten für Heranwachsende in jedem Alter auch während der Corona-Pandemie wichtig“, sagt SCHAU HIN!-Mediencoach Kristin Langer. Trotzdem brauchen Kinder und Jugendliche nach dem Lernen am Bildschirm noch ausreichend Zeit, um sich mit FreundInnen auszutauschen und zu entspannen – das alles findet derzeit vor allem vor dem Bildschirm statt. In der Lockdown-Zeit sind Ausnahmen in Ordnung: Statt die Bildschirmzeit auf eine bestimmte Stundenzahl zu begrenzen, können Familien Regeln dafür vereinbaren, wann digitale Geräte auch mal ausgeschaltet bleiben. „Eine gemeinsame Medienpause wird so nicht zur unfreiwilligen Auszeit, sondern zum lohnenswerten Ziel im Familienalltag“, sagt Langer.

Gemeinsame Verabredungen treffen

Die Akzeptanz für bildschirmfreie Zeiten steigt, wenn für alle Familienmitglieder gemeinsame Verabredungen beschlossen werden. „Dabei können Eltern auch erklären, dass die Regelungen für die Ausnahmesituation gelten, in der viele Freizeitaktivitäten online stattfinden müssen“, sagt Langer. Für die ganze Familie kann die gemeinsame Zeit am Morgen und Abend an bestimmten Wochentagen ganz analog gestaltet werden – beispielsweise mit Spaziergängen, (Vor-)Lesen, Basteln oder Gesellschaftsspielen. So haben alle einen Ausgleich zum digitalen Alltag. Für Kinder können beim Lernen am Laptop oder Tablet wie in der Schule Pausenzeiten festgelegt werden, in denen sie sich ohne digitale Medien beschäftigen, um sich körperlich und geistig zu erholen. Ein Mediennutzungsvertrag kann dabei helfen, die Regeln gemeinsam festzulegen. Hilfreich für die Familienorganisation können auch ein Medien-Wochenplan sein oder Gutscheine für Medienzeiten bzw. -pausen. Mehr Informationen zur Mediennutzung ihrer Kinder finden Eltern auf www.schau-hin.info.

Hintergrund

„SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“ ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der beiden öffentlich-rechtlichen Sender Das Erste und ZDF sowie der AOK – Die Gesundheitskasse. Der Medienratgeber für Familien unterstützt seit 2003 Eltern und Erziehende dabei, ihre Kinder im Umgang mit Medien zu stärken.

Quelle: Pressemitteilung von SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht




„Sendung mit der Maus“ – 50 Jahre Lach- und Sachgeschichten

Mitmach-Aktion „Deine Sendung #mitdermaus“ und Sonderprogrammierung bei KiKA:

Die Maus wird 50 – das feiert auch der Kinderkanal KiKA. Das Herzstück des KiKA-Programmschwerpunktes bildet eine Mitmach-Aktion, bei der Kinder Teil das Jubiläum aktiv mitgestalten. Noch bis zum 1. Februar sind „Maus“-Fans aufgerufen, auf kika.de für ihre liebsten Lach- und Sachgeschichten abzustimmen. Die populärsten Geschichten werden in der Geburtstagssendung „Deine Sendung #mitdermaus“ am 7. März gezeigt. Danach ist das Maus-Angebot im KiKA-Player abrufbar.

„Seit 50 Jahren lachen und erfahren Kinder Sachen bei ‚Die Sendung mit der Maus‘. Inzwischen vermittelt das Format auf allen Plattformen unterhaltsam Wissen, ist von Kindern geliebt, von Eltern und Pädagog*innen hochgeschätzt und seit Sendestart ein wichtiges Element bei KiKA“, so KiKA-Programmgeschäftsführerin Dr. Astrid Plenk. „Gemeinsam mit der Maus und dem Elefanten blicken wir in die Zukunft und gratulieren von Herzen.“

„Maus“-Sonderprogrammierung ab 1. März bei KiKA

Ab dem 1. März stimmt ein besonderes Angebot auf das Jubiläum ein. Mit dem Wochenstart ist täglich zur Mittagszeit um 12:25 Uhr eine Folge „Die Sendung mit der Maus“ (WDR) im KiKA-Programm zu finden. Der Vorabend ab 17:40 Uhr stimmt mit einem „Maus-Spezial:Auslandsmaus“ und „Elefantastisch“ (beide WDR) auf den Geburtstag ein.

Geburtstagssendung am 7. März um 11:30 Uhr bei KiKA 

Die „Geburtstagsendung mit der Maus – Hallo Zukunft“ (WDR?) am 7. März um 11:30 Uhr bei KiKA (Das Erste um 9:00 Uhr) blickt nach vorne. Das Maus-Team möchte herausfinden, was es in den kommenden 50 Jahren mit der Maus zu erleben gibt. Gute Ideen für zukünftige Sachgeschichten-Themen haben die Kinder im Vorfeld an das Maus-Team geschickt. Einige davon werden in der Sendung zu sehen sein. Verantwortlicher Redakteur beim WDR ist Joachim Lachmuth.

„Deine Sendung #mitdermaus“ am 7. März um 14:00 Uhr bei KiKA

Für „Deine Sendung #mitdermaus“ (WDR) am 7. März um 14:00 Uhr bei KiKA kann das Publikum aktuell auf kika.de aus 50 Maus-Filmen abstimmen. Aus den zur Wahl stehenden Wunschfilmen werden dann 15 Lach- und Sachgeschichten in einer einstündigen Show angespielt und besprochen. Neben den jungen „Maus“-Fans kommentieren auch Prominente, bekannt aus dem KiKA-Programm, die Filme. Clarissa Corrêa da Silva und Ralph Caspers führen durch die Sendung. Verantwortlicher Redakteur beim WDR ist Nils Wohlfahrt.

„Gestalte deine Geburtstagstorte für die Maus“

Ab 2. Februar sind Kinder aufgerufen, eine Geburtstagstorte für die Maus zu zeichnen, zu malen oder zu basteln. Einige originelle Kunstwerke werden in „Deine Sendung #mitdermaus“ zu sehen sein. Auf kika.de werden ausgewählte Bilder der jungen Künstler*innen in einer Bildergalerie präsentiert.

Quelle: Pressemitteilung des KiKA – Der Kinderkanal ARD/ZDF




Wie Eltern zusätzliche Kinderkrankentage beanspruchen können?

Homeoffice spielen und lernen Krankentage

Bundesfamilienministerium stellt Formblatt für Kitas und Schulen zur Verfügung:

Viele Eltern müssen trotz Berufstätigkeit ihre Kinder wieder zuhause betreuen. Damit dies leichter gelingt, hat die Bundesregierung die Zahl der möglichen Kinderkrankentage für gesetzlich Versicherte verdoppelt. Eine Attest ist nicht mehr nötig, aber eine Bescheinigung der Einrichtung. Hier finden Sie alle nötigen Infomationen und das Formblatt.

Beantragung auch rückwirkend möglich

Ab sofort müssen viele Eltern in Deutschland ihre Kinder wieder zuhause betreuen. Während in einigen Bundesländern Kitas und Schulen schon seit Wochen geschlossen sind, ziehen andere Bundesländer wie Hamburg nun nach und verschärfen die Regeln, wer die Notbetreuung nutzen darf.

Für viele Familien ist es kaum zu vereinbaren, Kinder zu betreuen und gleichzeitig der Erwerbsarbeit nachzugehen. Um in der Corona-Pandemie etwas Entlastung zu finden, dürfen (gesetzlich krankenversicherte) Eltern rückwirkend ab dem 05. Januar 2021 zusätzliche Kinderkrankentage nehmen – auch wenn das Kind eigentlich gesund ist.

Franziska Giffey

Wie die Statista-Grafik zeigt, standen Familien in Deutschland bisher zehn Arbeitstage im Jahr pro Elternteil zu, an denen sie für die Betreuung ihres kranken Kindes zuhause bleiben durften. Bei Alleinerziehenden waren es 20 Tage. In der Corona-Pandemie wird die Zahl der Kinderkrankentage nun verdoppelt, auf 20 Tage pro Elternteil bei Paaren und auf 40 Tage für Alleinerziehende im Jahr.

Kinderkrankentage

Kein Attest notwendig

Musste das Kind vorher krank sein und ein ärztliches Attest vom Kinderarzt vorliegen, so reicht es nun, wenn die Eltern eine Bescheinigung ihrer Kita oder Schule vorlegen können, dass die Kinderbetreuung pandemiebedingt nicht möglich ist. Sogar wenn die Eltern prinzipiell im Home Office arbeiten können, aber die Betreuung zuhause parallel für sie nicht möglich ist, haben sie Anspruch auf die Kinderkrankentage.

Nur für gesetzlich Versicherte

Einen Haken hat das Angebot jedoch: An den Kinderkrankentagen erhalten Eltern nur einen Teil ihres Nettolohns von der Krankenkasse ausgezahlt. Gerade für Alleinerziehende kann dies prekär werden und dazu führen, dass es ihnen finanziell nicht möglich ist, die Tage für die Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen. Auch privat Versicherte haben keinen Anspruch auf die Kinderkrankentage. Und den Selbstständigen dürfte ohnehin kaum etwas anderes übrig bleiben, als einfach weiter zu arbeiten. Auf viele Eltern kommen also weiterhin anstrengende Zeiten zu.

Formblatt zur Bescheinigung

Eine Formblatt zur Bescheinigung für Kinderkrankentage durch die Kindertageseinrichtungen oder Schulen stellt das Bundesfamilienministerium zur Verfügung. Hier der Link.

Quelle: Statista, Frauke Suhr und Bundesfamilienministerium




Ein Stück Erinnerungskultur für die Zukunft

Schulbank spielen und lernen

GEW stellt Studie „Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und das NS-Erbe“ vor:

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stellt sich ihrer Vergangenheit. Während einer Video-Pressekonferenz präsentierte sie die Studie „Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und das NS-Erbe“. Anders als viele andere Studien zum NS-Erbe beleuchtet sie dabei das Mitläufertum der Masse der Mitglieder und die Täterschaft einzelner, und setzt sich auch kritisch mit der Rolle in der Nachkriegszeit auseinander.

Finger in der Wunde

„Mit dieser wissenschaftlichen Studie ist die Grundlage gelegt, die Geschichte der Vorläuferorganisationen der GEW in der Weimarer Republik und ihre Rolle während der NS-Zeit sowie die Reorganisation der Interessensvertretung der Lehrkräfte nach dem Zweiten Weltkrieg, die Gründung der GEW 1948 und deren Aufbau in den folgenden Jahren zu verstehen und den Diskurs in der Öffentlichkeit und der Bildungsgewerkschaft zu führen. Diesem Prozess stellen wir uns offen“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe in Frankfurt a.M. „Die Studie legt den Finger in die Wunden, ohne damals handelnde Personen von oben herab zu beurteilen. Sie erfasst die strukturellen Entwicklungen und bettet diese in den historischen Kontext ein. So wird die (Vor)Geschichte der GEW sichtbar als Teil der deutschen Geschichte, als Teil der Geschichte der Bundesrepublik und als Teil der Bildungspolitik.“

Komplexer, vielschichtiger und widersprüchlicher

„Die Studie vermittelt die Erkenntnis, dass das NS-Erbe der GEW komplexer, vielschichtiger und widersprüchlicher ist als bisher in der Alltagswahrnehmung angenommen“, betonte Jörn-Michael Goll, Autor der Untersuchung und Historiker am Historischen Seminar der Universität Leipzig. „Zentrales Anliegen nach 1945 ist der Aufbau der GEW, die 1949 Gründungsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) war, wobei ein stark ausgeprägter ‚Pragmatismus‘ zur Richtschnur des Handelns wurde. So stellte sich die GEW fast vorbehaltlos hinter ihre Mitglieder. Ohne diesen Ansatz, waren die GEW-Gründer überzeugt, wäre eine Reorganisation der Lehrkräfte in einer großen, einflussreichen Gewerkschaft nicht möglich gewesen. Diese Linie führte jedoch auch dazu, dass sich die Organisation in mehreren Fällen dafür einsetzte, teils schwer belastete Lehrkräfte wieder in den Schuldienst zu bekommen oder deren Pensionsansprüche zu sichern.

Pragmatismus statt kritischer Haltung in der Nachkriegszeit

Damit korrespondierte, dass weitgehend die Bereitschaft fehlte, sich mit dem NS-Erbe kritisch auseinander zu setzen. Andererseits gibt es jedoch auch Bespiele dafür, dass stramme Nationalsozialisten in der GEW keine Chance hatten – und die GEW auch damit zeigte, dass sie sich von Beginn an ausdrücklich als eine demokratische Organisation verstand. Erst Ende der 1970er-Jahre, Anfang der 1980er-Jahre begann mit einer neuen Mitgliedergeneration die Auseinandersetzung der GEW mit ihrer Vergangenheit.“

Goll machte aber auch deutlich, dass die GEW mit dieser Entwicklung in der Nachkriegsgesellschaft Deutschlands keine Sonderrolle gespielt habe. „Spannend ist, dass es der GEW nach ihrer Gründung sehr schnell gelungen ist, auf internationaler Ebene anerkannt und als demokratische Organisation wahrgenommen zu werden“, unterstrich der Historiker. Insbesondere mit der israelischen Lehrergewerkschaft Histadrut habe sie früh eine enge und kontinuierliche Zusammenarbeit gesucht.

Mutiger Schritt

„Die GEW hat sich weit vorgewagt und ist mit dieser Studie einen mutigen Schritt gegangen“, sagte Projektleiter Detlev Brunner, Historiker am Historischen Seminar der Universität Leipzig. „Sie hat es sich nicht einfach gemacht und versucht, historische Entwicklungen und das Handeln von Organisation und Menschen nachzuvollziehen und nicht nach heutigen Wertmaßstäben und Moralvorstellungen zu be- und verurteilen. Das ist ein richtiger Ansatz, denn einfache Antworten, die den zeitlichen Kontext zu wenig berücksichtigen, helfen nicht, Prozesse und Entwicklungen zu verstehen. Aber genau das ist notwendig, insbesondere bei einem so wichtigen, aber schwierigen, oft hoch emotional diskutiertem Thema wie dem ‚NS-Erbe‘ der GEW. Die Studie gibt viele Erklärungen, kann aber natürlich nicht alle Fragen beantworten und: Sie fällt kein finales Urteil.“

Auftakt für weitere Auseinandersetzung

Parallel zur Studie hat die GEW Veranstaltungen zur Auseinandersetzung geplant. Aufgrund der Situation in der Pandemie mussten die nun verschoben werden. Je nach Situation sollen diese nun Ende des Jahres stattfinden, so Jürgen Schmidt, Geschäftsführer der GEW. Foren, Workshops und weitere Veranstaltungen sind im Plan. Zudem sollen noch weitere Studien in Auftrag gegeben werden – etwa zur GEW im Einheits- und Transformationsprozess oder zur Berufsverbotspraxis.

Die Studie von Jörn Michael Goll ist unter dem Titel „Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und das NS-Erbe“ im Beltz-Verlag erschienen. Sie hat 420 Seiten und kostet 39,95 Euro, ISBN 978-3-7799-6485-8. Das Vorwort stammt von der GEW-Vorsitzenden Marlis Tepe. Alle, die der Umfang schreckt, beruhigt sie mit der Aussage: „Es liest sich flott“. Wir werden es prüfen und das Buch in den kommenden Tagen vorstellen.

Für alle, die sich jetzt schon mal ein Bild davon machen wollen ist dieser Tipp sicher nützlich: Der Leipziger Historiker Jörn-Michael Goll hat die wichtigsten Ergebnisse seiner Studie in dem Beitrag Keine Geschichte von Helden und Schurken zusammengefasst, der auf der GEW-Website veröffentlicht worden ist. Auch der Verlag hält einen Leseprobe auf der Website bereit.




Lernen aus der Krise: Die zentrale Fähigkeit für selbstständiges Lernen ist Lesekompetenz

Junge liest ein Buch

Corona-Zusatzbefragung unter Eltern bringt zum Teil erstaunliche Ergebnisse:

Die Bereitschaft sich anzustrengen und Lesefähigkeit sind die beiden zentralen Kompetenzen für gut gelingendes Homeschooling. Dabei sind Kinder mit hoher Lesekompetenz auch leichter zum Lernen zu motivieren. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Nationalen Bildungspanels.

Lernen in der Krise

„Lernen in der Krise und aus der Krise“ könnte die Überschrift für die aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe lauten. Im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS) untersuchten die Wissenschaftlerinnen, welche Fähigkeiten entscheidend sind, damit Kinder die Homeschooling Situation meisten können. Letztlich lässt sich die Frage auch darauf konzentrieren, welches die Schlüsselkompetenzen für selbstständiges Lernen sind.

Lesekompetenz und Anstrengungsbereitschaft

Das Ergebnis: Neben der Bereitschaft sich anzustrengen ist es die Lesekompetenz, die für den Lernerfolg entscheidend ist. Gleichzeitig konnten die Autorinnen der Studie auch feststellen, dass Kinder mit hoher Lesekompetenz auch leichter zum Lernen zu motivieren waren. „Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass das Lesen von Anleitungen und Arbeitsanweisungen in der Situation zuhause besonders wichtig ist“, schreiben die Kathrin Lockl, Manja Attig, Lena Nusser und Ilka Wolter. Überraschend dagegen war, dass das jeweilige Interesse an den behandelten Themen weder für die Motivation noch für den Lernerfolg bedeutsam ist. Die Lesekompetenz werde somit fächerübergreifend zur Kernkompetenz.

Ergebnisse sind verallgemeinerbar

An der Corona-Zusatzbefragung nahmen 1.452 Eltern teil. Nachdem die Daten gewichtet und somit Verzerrung ausgeglichen wurden, sind die Ergebnisse verallgemeinerbar. Wesentliche Unterschiede in den Ergebnissens aufgrund von Schulform oder sozialer Herkunft gab es nicht. Lediglich die Jungen waren etwas schwerer zum Lernen zu motivieren als die Mädchen.

Weitere Ergebnisse

Die Umfrage ergab auch, dass die Mehrheit der Eltern der Meinung ist, dass die Schülerinnen und Schüler mit den Anforderungen des Lernens zuhause gut bis sehr gut zurecht kommt (59 Prozent). Bei der Motivation sieht es dagegen anders aus. Lediglich 34 Prozent der Eltern gaben an, dass es wenige bis keine Schwierigkeiten gab, 32 Prozent erklärten, dass es für sie teilweise schwierig war, die Kinder zu motivieren, und 35 Prozent fanden es eher oder ganz schwierig.

Lesen, lesen, lesen

Das Ergebnis der Studie zeigt deutlich, welch enorme Bedeutung Lesekompetenz und die Bereitschaft sich anzustrengen auf das lebenslange Lernen haben. Lesekompetenz lässt sich unter anderem durch das Vorlesen und Vorbildverhalten gut unterstützen. Für die Bereitschaft sich anzustrengen sind wohl vor allem Forscherdrang und Motivation zentral, die durch das freie Spiel unterstützt werden. Mehr zur Studie: https://www.lifbi.de/Portals/13/Corona/NEPS_Corona-und-Bildung_Bericht_5-Motivation.pdf




44.782 Kindertagespflegepersonen betreuen 174.000 Kinder

Holzeisenbahn spielen und lernen

Zahl der Kinder in Tagespflege ist um 55 Prozent gestiegen:

Im Jahr 2020 haben 44.782 Kindertagespflegepersonen ein oder mehrere Kinder betreut. Somit bewegt sich ihre Anzahl seit mehreren Jahren auf einem konstanten Niveau. Im Gegensatz dazu wächst die Zahl der betreuten Kinder beständig. Das berichtet die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF)

Rund 174.000 Kinder wurden 2020 in den Räumen der Tagesmutter oder des Tagesvaters, in angemieteten Räumen oder in den Wohnräumen des Kindes betreut. In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Kinder in Tagespflege demnach um 55 Prozent gesteigert. Im Gegensatz dazu hat sich in dem gleichen Zeitraum die Anzahl der Kindertagespflegepersonen lediglich um ungefähr zehn Prozent erhöht. Während eine in der Kindertagespflege tätige Person im Jahr 2010 noch durchschnittlich für 2,7 Kinder zuständig war, sind es im Jahr 2020 bereits durchschnittlich 3,9 Kinder pro Tagesmutter oder -vater.




Angebot an kindheitspädagogischen Bachelor-Studiengängen wächst

Bachelor_spielen_und_lernen

76 frühpädagogische Bachelor-Studiengänge in Deutschland:

Im Jahr 2019 gab es 76 früh- bzw. kindheitspädagogische Bachelor-Studiengänge in Deutschland. Sie wurden an insgesamt 55 Hochschulstandorten, flächendeckend über alle Bundesländer verteilt, angeboten. Das zeigen Auswertungen des Fachkräftebarometers Frühe Bildung der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF).

Damit ist das früh- bzw. kindheitspädagogische Studienangebot zwischen 2009 und 2019 um 30 Studiengänge gewachsen: Im Jahr 2009 waren es noch 46 einschlägige Bachelor-Studiengänge an 41 Hochschulstandorten. Erst fünf Jahre zuvor wurden in Deutschland die ersten drei früh- bzw. kindheitspädagogischen Bachelor-Studiengänge eingerichtet. Die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger ist zwischen 2009 und 2019 von 1.958 auf 3.518 gestiegen (+80%)*.

Die Studiengänge wurden eingeführt, um die Frühe Bildung zunehmend zu professionalisieren. Allerdings hat das früh- bzw. kindheitspädagogische Studienangebot bisher keinen großen Wandel in der Zusammensetzung des Kita-Personals bewirkt: Früh- bzw. Kindheitspädagoginnen und -pädagogen machten 2019 gemäß amtlicher Statistik gerade einmal 1,1 % des Personals aus.

Einen Überblick über die 76 früh- bzw. kindheitspädagogischen Studiengängen so-wie die zahlreichen Studiengänge, die zumindest einen inhaltlichen Schwerpunkt oder einen Bezug zur Früh- bzw. Kindheitspädagogik aufweisen, bietet die WiFF-Studiengangsdatenbank.

WiFF-Studiengangsmonitoring

WiFF befragt jährlich die Leitungen aller kindheitspädagogischen Studiengänge in Deutschland. Erhoben werden u.a. die Zahlen der Anfängerinnen und Anfänger, der Absolventinnen und Absolventen sowie Informationen zu Organisation, Inhalten und Zugangsvoraussetzungen der Studiengänge. Die Daten fließen sowohl in die WiFF-Studiengangsdatenbank als auch in das Fachkräftebarometer Frühe Bildung ein.

Fachkräftebarometer Frühe Bildung

Das Fachkräftebarometer Frühe Bildung liefert auf Basis amtlicher Daten ausführliche Informationen über Personal, Arbeitsmarkt, Erwerbssituation sowie Ausbildung und Qualifizierung in der Frühpädagogik. Das Beobachtungs- und Analyseinstrument erscheint alle zwei Jahre – zuletzt im Juli 2019. www.fachkraeftebarometer.de präsentiert fortlaufend einen Überblick über Bundestrends und Entwicklungen in den Ländern. Darüber hinaus wird jeden Monat eine aktuelle Zahl vorgestellt, die die Analysen des Fachkräftebarometers Frühe Bildung fortschreibt.

Quelle: WiFF / 20. Januar 2021