Digitale Bildungspolitik stoppen und Smartphone-freie Schulen schaffen

Ein Appell von 75 Expertinnen und Experten warnt die neue Bundesregierung eindringlich davor, im Bildungssystem weiter auf Digitalisierung zu setzen

Mit einem Appell warnen 75 Expertinnen und Experten aus Pädagogik und Medizin die neue Bundesregierung davor, im Bildungssystem weiter auf Digitalisierung zu setzen. Sie fordern einen Kurswechsel – zum Wohl der körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

„iPads im Kindergarten sind so etwas wie vorsätzliche Körperverletzung“

„Was ich in meinem Buch Digitale Demenz prognostizierte, ist leider eingetreten. Der übermäßige Umgang mit digitalen Endgeräten schadet der Bildung der Kinder und erhöht damit ihr Risiko, später an Demenz zu erkranken.“, erklärt in diesem Zusammenhang der bekannte Gehirnforscher und Psychiater Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer. Weitere gesundheitliche Schäden reichen von Kurzsichtigkeit mit Erblindung im Alter über Bewegungsmangel und Übergewicht (mit Herzerkrankungen im Alter) bis zu Depressionen, Aufmerksamkeitsstörungen und Suchterkrankungen. iPads im Kindergarten sind aus medizinischer Sicht so etwas wie vorsätzliche Körperverletzung.“ Denn es sei nachgewiesen, so der Wissenschaftler im Pressegespräch, dass digitale Medien Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter schaden würden. Gehirnschädigungen, Entwicklungsverzögerungen und eine Deformierung des Augapfels seien nur einige der bekannten Folgen.

Dehumanisierung des Unterrichts

„Die Entwicklung des kindlichen Gehirns braucht vielfältige reale Anreize statt einfältiges Wischen,“ so der Grafiker, Philologe und promovierter Kunstpädagoge Prof. Ralf Lankau. „Daher muss sich die Bildungspolitik an den Bedürfnissen der Kinder orientieren und nicht an den Interessen der IT-Industrie.“

„Die Konzepte der sogenannten digitalen Bildung kommen nicht aus der Erziehungswissenschaft, sondern aus der Industrie, die die KiTas und Schulen als Absatzmarkt definiert.“, erklärt Prof. Dr. Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Uni Augsburg dazu. „Nicht Bildung, sondern Dehumanisierung des Unterrichts ist eine Folge. Der Tabletwahn, der nachweislich zu schlechterem Lernen führt, muss gestoppt werden. Motivation geht von den Erziehenden aus, nicht von technischen Geräten und Algorithmen. Ich fordere eine Re-Humanisierung im Bildungswesen, zurück zu den Erkenntnissen der Pädagogik für die Zukunft unserer Kinder. Unsere Forschung zeigt: ein begleitetes Smartphoneverbot wirkt sich unmittelbar positiv auf das Schulklima aus und führt zu besserem Lernen.“ Dabei betont er ausdrücklich, dass es beim Verbot ausschießlich um private digitale endgeräte gehe. Diese Verbote müssten mit pädagogischer Begleitung verbunden werden. Mit Blick auf die Gefahren im Internet für Kinder und Jugendliche fordert der Pädagoge: „Medienerziehung muss stattfinden“.

Renaissance der Pädagogik und Didaktik

Es brauche eine Renaissance der Pädagogik und Didaktik ergänzt der Schweizer Gymnasiallehrer und Buchautor Dr. Mario Gerwig im Gespräch. „Probleme unzureichender Vermittlung können nur didaktisch gelöst werden, nicht durch den Einsatz von Technik. Politisch Verantwortliche sollten also danach fragen, wo und wie Digitalisierung einen echten Mehrwert bringen kann. Unterricht bedeutet die gemeinsame Verhandlung einer Sache mit dem Ziel, diese umfänglich zu erschließen und zu verstehen. Die Bildung tritt dabei vollkommen in den Hintergrund, wenn alle am Unterricht Beteiligten hinter ihren Geräten verschwinden.“

Initiatoren des Appells sind unter anderem der Medienpädagoge Prof. Ralf Lankau (Hochschule Offenburg), der Ordinarius für Schulpädagogik Prof. Klaus Zierer (Uni Augsburg), der Psychiater Prof. Manfred Spitzer (Uni-Klinik Ulm), der bekannte Kinder- und Jugendarzt Dr. Uwe Büsching sowie der Lehrer und Schulbuchautor Dr. Mario Gerwig (Basel).

Grundlegende Neuorientierung der Bildungspolitik

In ihrem Appell fordern die Experten den Stopp der digitalen Bildungspolitik und Smartphone-freie Schulen. Grund: Die wissenschaftlich umfassend dokumentierten negativen Folgen für Kinder und Jugendliche durch Frühdigitalisierung erfordern eine grundlegende Neuorientierung der Bildungspolitik. Daher schlagen die 75 Expert*innen in ihrem Appell Alternativen zur Nutzung digitaler Geräte und Medien in Kita, Grundschule und Unterstufe vor. Denn die Erziehung zu selbstbewussten Kindern und Jugendlichen gelinge viel besser ohne Digitalisierung. Dann würden die Jugendlichen die digitalen Medien z.B. ab der Mittelstufe reflektiert einsetzen, statt von Tech-Konzernen, Geräten und Anwendungen abhängig zu werden.

Bildungskrise trotz (oder wegen?) Digitalisierung

Angesichts der jahrelangen Digitalisierungsinitiativen an Schulen ziehen die 75 Expert*innen eine ernüchternde Bilanz: „Die schulischen Leistungen in den Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen sinken weiter, ebenso das Bildungsniveau. Unter dem Einfluss sozialer Medien verändern sich – wissenschaftlich belegt – Kommunikations- und Sozialverhalten. Gleichzeitig leiden Kinder und Jugendliche zunehmend unter psychischen Belastungen wie Konzentrationsstörungen, Angstzuständen, Depressionen und Einsamkeit, die von der Wissenschaft mit übermäßiger Mediennutzung in Verbindung gebracht werden.“

„Die Digitalisierung in Schulen hat nicht zu besseren Bildungsergebnissen geführt – im Gegenteil,“ analysiert Lankau. „Kinder geraten immer früher in die Abhängigkeit von digitalen Endgeräten und sozialen Netzwerken. Das beeinträchtigt nicht nur ihre Bildung und das demokratische Bewusstsein, sondern auch ihre Gesundheit und die Sozialkompetenz. So hilfreich Digitaltechnik in vielen Lebensbereichen sein kann, so kritisch muss sie beim Einsatz in Bildungseinrichtungen reflektiert werden: Die Digitalisierung macht unsere Kinder dümmer. Daher fordern wir, dass sich die Bildungspolitik wieder an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen orientiert.“

Internationale Trendwende – Deutschland hinkt hinterher

Laut dem aktualisierten UNESCO-Bildungsbericht rudern inzwischen 79 Bildungssysteme, also Länder wie Schweden, Spanien, Finnland, Lettland, Dänemark und auch 20 US-Bundesstaaten zurück: Diese Länder schränken die Digitalisierung in Schulen stark ein oder sie verbieten Smartphones mindestens an Grundschulen. Allein im Jahr 2024 haben 24 Länder in Europa und Nordamerika Smartphone-Verbote ausgesprochen! Doch die Ampelregierung beschloss Ende 2024 einen neuen Digitalpaket Schule und dachte sogar über einen Digitalpakt für Kitas nach – trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse über die negativen Auswirkungen von digitalen Endgeräten auf das Lernverhalten von Kindern und Jugendlichen. Deutschland muss sich deshalb aus Sicht der Experten unter der neuen Bundesregierung als achtzigstes Land dieser Trendwende anschließen.

Investitionen in natürliche statt in künstliche Intelligenz!

Die 75 Expert*innen fordern ein Umdenken: Schulen sollen sich wieder auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren – die Vermittlung einer ganzheitlichen Bildung, die kritisches Denken, soziale Kompetenzen und kulturelle Bildung in den Mittelpunkt stellt – kurz: natürliche Intelligenz.

Im Anhang zu ihrem Appell schlagen die 75 Expert*innen konkrete Maßnahmen für eine pädagogische Wende vor, darunter:

  • Bildschirmfreie Grundbildung: Kitas, Kindergärten und Grundschulen bleiben in der pädagogischen Arbeit bildschirmfrei. Die negativen Erfahrungen mit Frühdigitalisierung in den skandinavischen Ländern, der fehlende Nutzen, das Ablenkungspotential und sogar negative Auswirkungen von digitalen Endgeräten im Unterricht für Lernprozesse, Aufmerksamkeit, Konzentration begründen den Einsatz analoger und manueller Medien und Techniken (Bücher, Schreiben auf Papier, Zeichnen). Der Digitalpakt Schule wird für Kita und Grundschule ausgesetzt.
  • Smartphone- und Social-Media-Regulierungen: An Kitas und Schulen wird ein bundesweites Verbot privater digitaler Endgeräte (v.a. Smartphones, Tablets, Wearables/Smartwatches) eingeführt. Die Mediennutzung im Unterricht in höheren Klassen wird altersabhängig beschränkt.
    Siehe dazu auch die Empfehlungen zu Bildschirmmedien für Kinder und Jugendliche von den ersten Lebensjahren bis zu Sekundarstufe II, 2024 veröffentlicht im Kinder- und Jugendarzt, dem Verbandsorgan des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands.
  • Mehr Lehrkräfte statt mehr Technik: Notwendig sind für Kitas, Kindergärten und Schulen mehr Erzieher:innen und qualifizierte Lehrkräfte, Psycholog:innen, Schulsozialarbeiter:innen. Das analoge Spiel und Naturerfahrung, der Ausbau von Sport, handwerkliches Lernen, Musik und Theaterspielen müssen schon in der Grundschule im Lehrplan verankert werden.
  • Unabhängigkeit von Tech-Konzernen: Werden digitale Geräte im Unterricht gebraucht, werden ausschließlich von der Schule gestellte Geräte genutzt, der Zugang zu Webdiensten ist zu unterrichtsrelevanten Seiten („White List“) möglich. Nutzung von Open-Source-Software und Datenschutz-konformer IT in Schulen. Die IT-Branche darf keine Sitze in den Beratungsgremien der Bildungspolitik haben.

Literatur und Quellen: https://die-pädagogische-wende.de/wp-content/uploads/2025/02/03-literatur-bildung-2025.pdf

Gernot Körner




Ein Buch für die Kleinsten zum Liebhaben und Kuscheln

Tiermütter und Tierkinder: Die Natur entdecken mit Pastell-Bildern, die Tiermütter und ihre Kinder lebendig werden lassen

Ein süßes Entlein mit ihren Küken, Kätzchen mit ihren Jungen, die Stute mit ihren Fohlen. Die niederländische Malerin Loes Botman kombiniert ihre einzigartigen, detailreichen Pastellzeichnungen mit lustigen Reimen, die schon kleinen Kindern ab 10 Monaten Spaß machen.

Diesmal geht es um ein sehr wichtiges und hochemotionales Thema, das besonders kleine Kinder in seinen Bann zieht: Tiermütter und Tierkinder. Schließlich spielt jede Mutter – ob sie will oder nicht – die zentrale Rolle im Leben ihrer Kinder. Sie ist mit der Geburt die erste Bezugsperson, sie bietet Geborgenheit, Trost und Schutz und fördert durch eine liebevolle Beziehung das Urvertrauen, das für spätere Beziehungen essenziell ist. Sie unterstützt das Selbstvertrauen des Kindes, gibt ihm das Gefühl, geliebt und wertvoll zu sein, und hilft ihm in die Selbstständigkeit. Kinder beobachten ihre Mütter genau, übernehmen oft deren Verhaltensweisen und Einstellungen und lernen durch sie mit Herausforderungen umzugehen.

So ist das auch bei vielen Tieren. Vieles davon findet sich auf den faszinierenden und naturalistischen Bildern der Künstlerin wieder und taucht in den lustigen Reimen von Anja Lusch wieder auf. So geht es diesmal nicht „nur“ um Naturerfahrung und Weltentdecken, sondern auch um Nähe, Schutz, Vertrauen und Beziehung. Jede Zeichnung ist ein Kunstwerk und die Reime laden zum Zuhören und mitsprechen ein.

Loes Botmans „Tiermütter und Tierkinder“ ist ein rundum gelungenes Pappbilderbuch, das Tiermütter und ihre Kinder lebendig werden lässt.

Gernot Körner

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Botman, Loes

Tiermütter und Tierkinder

Zauberhaftes Pappbilderbuch für Kinder ab 10 Monaten. Unsere liebsten Tiermütter und Tierkinder: Bilderbuch mit schönen Tierbildern und kurzen Reimen. Für Krippe und Kindergarten.

ISBN: 9783963040474
9,00 € (inkl. MwSt.)




Leipziger Buchmesse 2025 und Lesefestival „Leipzig liest“

Über 2.000 Veranstaltungen, Norwegen als Gastland und spannende Foren warten auf die Besucher

In zwei Wochen öffnet die Buchmesse in Leipzig wieder ihre Tore. In der Zeit vom 27. bis 30. März findet im Rahmen der Messe dann auch Europas größtes Lesefest „Leipzig liest“ statt. Mit über 2.000 Veranstaltungen und Beiträgen an mehr als 300 Leseorten wird Leipzig für kurze Zeit zum Literaturzentrum Deutschlands. Bekannte internationale Autoren, aber auch deutsche Prominente wie Sebastian Fitzek, Christoph Kramer, Peter Maffay und Lara Ermer sind mit dabei.

spielen und lernen mit kleinem Angebot

Da spielen und lernen mit seinen Schwesterverlagen Oberstebrink und Burckhardthaus keinen Platz im Kinderbuchbereich der Messe erhalten hat, sind wir lediglich am Gemeinschaftsstand des Bücherzauber e.V., Halle 3 A20, mit einem kleinen Angebot vor Ort. Aber natürlich sind uns auch hier alle Leserinnen und Leser herzlich willkommen. Auf der Buchmesse in Frankfurt werden wir dann in der Zeit vom 15. Bis 19. Oktober in Halle 3 wieder mit einem großen Stand, vielen Autoren, Veranstaltungen und vielen kleinen Überraschungen vor Ort sein.

Prominente Sprecher und Autoren live

Eine Neuheit auf der Buchmesse in Leipzig ist das Gesprächsforum „Mensch und KI: Schöne neue Welt?“ in Halle 5, in dem über die Auswirkungen Künstlicher Intelligenz auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche diskutiert wird. Interessant dürfte auch die Audiowelt in Halle 2 sein. Hier kann das Publikum prominente Sprecher und Autoren live erleben und sich neues Audioproduktionen anhören.

Wichtige Angelegenheiten, welche die Gesellschaft beschäftigen, spricht das Forum „Offene Gesellschaft“ in Halle 5 an, in dem Teilnehmer aus den Bereichen Politik, Kultur, Wissenschaft, Aktivismus und Medien gemeinsam diskutieren.

Gastland Norwegen

Das diesjährige Gastland Norwegen bringt nach dem Motto „Traum im Frühling“ fast 50 Vertreter seiner vielfältigen Literaturlandschaft mit nach Leipzig. Neben zeitgenössischen Werken und den beliebten Kriminalromanen präsentieren diese auch Kinder- und Jugendliteratur sowie historische Erzählungen aus Norwegen. Auf der Buchmesse anzutreffen sein werden unter anderem Karl Pve Knausgard, Maja Lunde, Tomas Espedal, Johan Hardstad und viele weitere norwegische Autoren. Ein weiterer besonderer Gast ist die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit, die das Gastland in Leipzig repräsentieren wird.

Die Manga-Comic-Con

Im Rahmen der Buchmesse findet neben dem Lesefest „Leipzig liest“ mit der Manga-Comic-Con wieder die bunteste Veranstaltung der Leipziger Messe statt, welche Manga-, Comic- und Animefans aus der ganzen Welt nach Leipzig zieht. Ein besonderes Highlight dieser Veranstaltung sind die kreativen Cosplayer, die bis zum 27. März ihre liebevoll gestalteten Outifts und Auftritte perfektionieren, um beim Leipziger Cosplay Wettbewerb (29. März) und der neuen Cosplay Performance Meisterschaft Deutschland (30. März) zu begeistern. Zudem werden auch hier besondere Gäste, wie die japanische Manga-Künstlerin Kamome Shirahama, erwartet.

Antiquariatsmesse

Für alle Buchliebhaber, die nicht immer die neuesten Bestseller brauchen, gibt es auf der 31. Leipziger Antiquariatsmesse in Halle 5 seltene Schätze und historische Exemplare. Seit ihrer Gründung 1995 hat sie sich zu einer der bedeutendsten Antiquariatsmessen in Deutschland entwickelt, organisiert von abooks.de. Eine Vielfalt von antiquarischen Büchern, Grafiken und Autographen sowie die beliebte Literaturmeile mit preiswertem Lesefutter lädt alle Interessierten zum Stöbern und Kaufen ein.

Der Preis für die Tageskarte beträgt 25 Euro (am Samstag 30 Euro), für die Dauerkarte 58 Euro. Die Eintrittskarten berechtigen am Besuchstag zur kostenlosen Hin- und Rückfahrt zum bzw. vom Messegelände mit dem MDV in der Tarifzone 110. Die Tickets können online erworben werden.

Weitere Informationen: www.buchmesse-leipzig.de

Quelle: Pressemitteilung Leipzig Tourismus und Marketing GmbH




An Ostern suchen wir jetzt die Heidehasen

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Lotte Bräuning: Das Wimmelbuch der Heidehasen

Ostern ist die Zeit des Suchens. Das gilt nun umso mehr seit „Das Wimmelbuch der Heidehasen“ erschienen ist. Denn jetzt geht es nicht mehr nur darum Eier und Nester aufzustöbern, sondern auf jeder vielgestaltigen Seite zu entdecken, was die Hasen in Obereidorf so machen. Für ihr Buch hat sich die Illustratorin Lotte Bräuning von einer Geschichte des berühmten Kinderbuchautors James Krüss inspirieren lassen.

In dieser Geschichte darf die Hasenprinzessin nicht ihren Liebsten, sondern muss den Gewinner eines Musikwettbewerbs heiraten. Damit es doch noch zu einem guten Ende kommt, müssen einige Hürden gemeistert werden.

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Dass in Obereidorf jede Menge los ist, bekommt der Betrachter auf jeder Doppelseite zu sehen. Dabei geht es im wahrsten Sinne des Wortes bunt zu. Es wimmelt eben. Überall geschieht etwas. Dabei intergieren viele Akteure miteinander und stehen so in Beziehung. Es geschieht Alltägliches, Spannendes und viel Witziges Da liefert etwa ein Hase ein Hasenklo, auf dem als Piktogramm Hasenköttel abgebildet sind. An anderer Stelle holen sich die Nachteulen schnell noch ein Buch von der „Tauschkiste“. Oder ein Eichhörnchen fliegt auf einer Wildgans. Und hie und da spitzen Fuchs und Wolf hervor.

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Lotte Bräuning hat in ihrem Buch alle Register eine ausgezeichneten Wimmelbuchs gezogen. Die Kinder haben viel Freude beim Betrachten der bunten Szenen. Es gilt viel zu entdecken, wieder zu entdecken und zu besprechen. Und schließlich geht es doch auch darum zu erfahren, wie die Geschichte der Hasenprinzessin und ihrem Liebsten zu Ende geht.

Gernot Körner

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Das Wimmelbuch der Heidehasen

James Krüss (Autor)
Illustration: Bräuning, Lotte
Hardcover, 32 Seiten
2025 | 1. Auflage
Atrium Verlag AG
ISBN: 978-3-85535-191-6
14 Euro




Was ein gutes Spielzeug auszeichnet

Drei Lehren aus den zehn Jahren der TIMPANI-Spielzeugstudie

„Weil mir das gefällt“ ist wohl die ungünstigste Begründung, die ein Erwachsener für die Auswahl eines Spielzeugs geben kann. Schließlich sollte es bei der Entscheidung eher darum gehen, welches Spielzeug Kinder am meisten anregt. Doch selbst für pädagogische Fachkräfte ist dies oft nicht einfach. Auf Fachmessen lässt sich diese Unsicherheit deutlich beobachten. Die Empfehlungen zahlreicher Hersteller und deren vollmundige Produktversprechen tragen dabei nicht zur Klarheit bei. Im Gegenteil: Die Kluft zwischen den Aussagen vieler Hersteller und den praktischen Erfahrungen in Bildungseinrichtungen hat zu einem erheblichen Maß an Misstrauen geführt. Hinzu kommen die ernüchternden Ergebnisse zahlreicher Bildungsstudien wie PISA oder IGLU, die trotz einer Fülle an Lernspielen kaum Fortschritte zeigen.

Eine hilfreiche Orientierung

Eine hilfreiche Orientierung bei der Auswahl von geeignetem Spielzeug bieten die Forschungsergebnisse des Center for Early Childhood Education der Eastern Connecticut State University seit 2019. In der TIMPANI-Studie (Toys that Inspire Mindful Play And Nurture Imagination) untersuchten Wissenschaftler*innen über einen Zeitraum von zehn Jahren mehr als 100 Spielzeuge in Kindertageseinrichtungen. Ziel der Studie war es, Spielzeuge zu identifizieren, die Kinder am besten zu intellektuellen, kreativen, sozialen und sprachlichen Interaktionen anregen. Jedes Jahr wurde eine neue Auswahl von Spielzeugen in den Gruppenräumen verteilt, während das Spielverhalten der Kinder aufgezeichnet und anschließend mit einem wissenschaftlichen Instrument analysiert wurde (Trawick-Smith, Russell, & Swaminathan, 2010).

Drei wesentliche Merkmale

Im Laufe der Studie kristallisierten sich drei wesentliche Merkmale heraus, die dafür sorgen, dass Spielzeug hochwertiges Spiel fördert:

  1. Je einfacher, desto besser:
    Viele moderne Spielzeuge sind mit zahlreichen Funktionen und Effekten ausgestattet – sie machen Geräusche, leuchten oder sprechen. Solche Spielzeuge dienen oft mehr der Unterhaltung als dem eigentlichen Spiel. Die Studie zeigte jedoch, dass einfaches Spielzeug zu abwechslungsreicherem und intensiverem Spiel anregt. So führte beispielsweise eine schlichte Registrierkasse aus Holz zu lebhaften Gesprächen über das Kaufen und Verkaufen, während eine Plastikkasse mit Geräuscheffekten die Kinder meist nur zum wiederholten Drücken der Knöpfe animierte. Ähnlich verhält es sich mit sprechenden Puppen: Während einfache Puppen die Fantasie der Kinder herausfordern, begrenzen interaktive Puppen diese eher.
  2. Vielfältige Möglichkeiten und offenes Ende:
    Spielzeuge, die genau vorgeben, wie mit ihnen zu spielen ist – wie Brettspiele oder Puzzles – haben ihren pädagogischen Wert. Sie fördern das Lösen von Problemen, das Einhalten von Regeln und das Abwechseln. Doch die TIMPANI-Studie zeigte, dass insbesondere offene und flexible Spielzeuge die Kreativität der Kinder beflügeln. So wurden einfache Hartholzklötze in der Studie zu Häusern, Zoogehegen, Burgen und vielem mehr. Einzelne Klötze wurden zu Handys, Autos oder Sandwiches. Spielzeuge mit offenem Ende hielten die Aufmerksamkeit der Kinder zudem meist deutlich länger aufrecht.
  3. Weniger Realismus fördert mehr Fantasie:
    Realistische Nachbildungen von Alltagsgegenständen können zwar ansprechende Rollenspiele fördern. Ein Plastikgeschirr etwa regt dazu an, Mahlzeiten für Gleichaltrige oder Erwachsene zu simulieren. Doch laut der Studie ist das Spiel umso wertvoller, je weniger realistisch das Spielzeug ist. Ein einfacher Bauklotz etwa fordert die Kinder dazu heraus, selbst zu entscheiden, was sie erschaffen möchten, und ihre Ideen den Spielkamerad*innen zu vermitteln. Diese Art des Spiels führt zu komplexen Problemlösungen, fördert die Kreativität und sorgt für reichhaltige Interaktionen und Gespräche unter den Kindern.

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Armin Krenz: Spiel und Selbstbildung – Kitas brauchen eine pädagogische Revolution

Wenn der Bedeutung des Spiels kaum noch eine Beachtung geschenkt wird, hat dies gravierende Folgen für die Persönlichkeits- und Lernentwicklung der Kinder und damit auch auf die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung des Landes. In dieser Veröffentlichung werden fachliche Grundlagen vorgestellt, um das SPIEL wieder verstärkt in die Elementarpädagogik zu integrieren. Das gelingt nur mit einer aktiven, lebendigen, authentisch gestalteten SPIELPÄDAGOGIK und spielfreudigen kindheitspädagogischen Fachkräften.

Softcover, 176 Seiten, 21 x 14,8 cm, ISBN 978-3-96304-616-2, 22 €


Besonders wirkungsvolle Spielzeuge laut Studie

Die Forscher*innen identifizierten zwei Spielzeugarten, die sich als besonders wertvoll erwiesen:

  • Konstruktionsspielzeug:
    Spielzeuge wie Hartholzklötze, Legos und andere Bauteile, die auf vielfältige Weise zusammengesetzt werden können, schnitten in jedem Jahr der Studie hervorragend ab. Die besten Konstruktionsspielzeuge für Kindergartenkinder sind solche ohne feste Vorgaben, die ausreichend Teile bieten, um unterschiedliche Bauideen umzusetzen.
  • Nachgebildetes Spielzeug:
    Figuren wie kleine Menschen, Tiere oder Fahrzeuge schnitten ebenfalls gut ab. Beim Spielen mit diesen Spielzeugen entwickelten die Kinder ausgefeilte Szenarien, führten intensive Gespräche und spielten kooperativ mit anderen Kindern.

Die TIMPANI-Spielzeugstudie:

TIMPANI steht für Toys that Inspire Mindful Play And Nurture Imagination (Spielzeug, das achtsames Spielen fördert und die Fantasie anregt). Die Studie wurde von 2010 bis 2019 durchgeführt und untersuchte Spielzeug für Kinder im Kindergartenalter. Dabei wurden auch Unterschiede in der Spielqualität in Bezug auf Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und sozioökonomischen Hintergrund analysiert. An der Durchführung der Studie waren über einen Zeitraum von zehn Jahren 26 Studierende der Eastern University beteiligt.

Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier: TIMPANI-Studie

Quelle: Handout TIMPANI-Studie




Neuer Studiengang „Lehramt Grundschule“ in Lübeck

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Neuer Bachelor of Arts „MusikPlus“ für das Lehramt Grundschule

Die Musikhochschule Lübeck (MHL) nimmt ab sofort Bewerbungen für den neuen Bachelor of Arts „MusikPlus“ für das Lehramt Grundschule entgegen. Dieser wird in Lübeck ab Wintersemester 2025/26 erstmals angeboten. Interessierte können sich online am 13. März sowie in der MHL am 22. März über Inhalte, Berufsperspektiven und Voraussetzungen für den Studiengang informieren. Dieser hat bundesweit einige Alleinstellungsmerkmale aufzuweisen, wie einen einzigartigen Schwerpunkt auf Elementarer Musikpädagogik und Sozialer Arbeit. Bewerbungsschluss ist der 1. April 2025.

Ein neuer Studiengang bereitet Lübecker Studierende erstmals auf das Berufsfeld der Grundschullehrkraft Musik vor

Der sechssemestrige Studiengang mit dem Abschluss „Bachelor of Arts“ ist in seiner Konzeption einmalig in Deutschland: Die Schwerpunkte „Elementare Musikpädagogik“ (EMP) und „Soziale Arbeit“ ermöglichen den Studierenden eine intensive künstlerische und pädagogische Ausbildung für die musikalische Arbeit mit Kindern mit einem besonderen Fokus. Im darauffolgenden Masterstudiengang werden die grundschulbezogenen Studieninhalte vertieft und auf den Musikunterricht bezogen. Die Studierenden werden außerdem befähigt, neben Musik auch Mathematik und Deutsch zu unterrichten und eine eigene Klasse zu leiten. Durch die frühe Verzahnung von Theorie und Praxis erhalten die Studierenden einen vertieften Einblick in die Schulrealität.

Musikalische Bildung in der Grundschule ist von besonders nachhaltiger Wirkung

„Musikalische Bildung in der Grundschule ist von besonders nachhaltiger Wirkung. Dabei haben Musiklehrkräfte eine Schlüsselrolle: Sie können einprägsame Situationen der Begegnung von Kind und Musik inszenieren, entscheidende Impulse für musikbezogene Lernprozesse geben und Kindern damit langfristig kulturelle Teilhabe ermöglichen.“ Das sagt die Grundschulmusikpädagogin Dr. Anna Unger-Rudroff. Sie hat das Konzept des neuen Studiengangs Bachelor of Arts „MusikPlus“ für die Grundschule inhaltlich ausgestaltet.

Schwerpunkt Elementare Musikpädagogik

Durch einen Schwerpunkt auf „Elementarer Musikpädagogik“ will die MHL Synergien mit der Grundschulmusik nutzen: Beide Fachbereiche fördern mit Spiel, Improvisation und der Verbindung von Musik und Bewegung Kinder in ihrer ganzen Persönlichkeit. Marno Schulze, Professor für Elementare Musikpädagogik, erläutert: „Die Elementare Musikpädagogik ermöglicht es Lübecker Studierenden, ein eigenes künstlerisches Profil zu entwickeln und sich dadurch auf neue Weise mit kindlichen Zugängen zur Musik zu beschäftigen.“ Damit können spätere Musiklehrkräfte zum Beispiel über den Kernunterricht hinaus, Projekte im schulischen AG-Bereich realisieren und ihren Unterricht dabei besser an die schulische Realität anpassen. Mit einem weiteren Fokus auf „Soziale Arbeit“ werden Studierende optimal auf die Berufsrealität und die Arbeit in multiprofessionellen Teams an Grundschulen vorbereitet. Sie lernen frühzeitig inner- und außerschulische Unterstützungssysteme kennen. Sie können dadurch Heranwachsende von Beginn an über das Fach Musik hinaus in ihrer Entwicklung begleiten und stärken.

Mangel an Musiklehrkräften entgegenwirken

Mit dem neuen Bachelor of Arts „MusikPlus“ Grundschule will die MHL dem allgemeinen Mangel an Musiklehrkräften entgegenwirken und junge Menschen für die musikalische Arbeit mit Kindern begeistern. Künstlerische, pädagogische und wissenschaftliche Kompetenzen werden praxisnah vermittelt. Nach einer umfassenden Einführung in die Musikpädagogik im Bachelor liegt im Master der Schwerpunkt auf Musikdidaktik der Grundschule und den fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Studieninhalten aus den Fächern Mathematik und Deutsch.

Wer sich für diese ungewöhnlich tiefgehende musikalische Ausbildung für das Grundschullehramt interessiert, kann sich bei einer Online-Infoveranstaltung am Donnerstag, 13. März ab 18 Uhr weiter informieren. Eine Infoveranstaltung in Präsenz findet am Samstag, 22. März ab 15 Uhr in der MHL statt. Die Anmeldung per E-Mail für beide Veranstaltungen ist erforderlich über mhl.lehramt@mh-luebeck.de. Der Bewerbungsschluss für den Studienstart im Wintersemester 2025 ist der 1. April.

Weitere Infos unter www.mh-luebeck.de (https://www.mh-luebeck.de/bewerbung/bachelor-of-arts-musikplus-grundschule/).

Susanne Pröpsting Pressestelle, Musikhochschule Lübeck

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e. V. (idw)




Mental gesund in der Schule

Mithilfe einer neuen digitalen Plattform sollen Lehrkräfte bei mentalen Problemen ihrer Schülerinnen und Schüler unterstützt werden

Lehrkräfte nehmen oft wahr, wenn ein Kind mentale Probleme hat. Mithilfe einer neuen digitalen Plattform sollen sie dabei unterstützt werden, in solchen Fällen schnell und richtig zu handeln – und damit die mentale Gesundheit junger Menschen zu verbessern. Der Verein zur Förderung des Forschungs- und Behandlungszentrums für psychische Gesundheit (FBZ) der Ruhr-Universität Bochum will eine Intervention entwickeln, die später auch in anderen Regionen Deutschlands nutzbar ist. Die Brost-Stiftung fördert das Projekt „Mental gesund in der Schule: Digitale Hilfen für Lehrkräfte“ mit 150.000 Euro.

Innerhalb von zwei Jahren wird das Projektteam das digitale Angebot konzipieren. Dort sollen Lehrkräfte methodisch zugeschnittenes Wissen über psychische Störungen erhalten und ihre Handlungskompetenzen in diesem Bereich erweitern. „Wir möchten konkrete Hinweise geben, wie Lehrkräfte Schülerinnen und Schülern mit emotionalen oder Verhaltensauffälligkeiten im Schulalltag am besten begegnen können“, erklärt Projektkoordinatorin Dr. Kathrin Schopf aus dem FBZ. Über die digitale Plattform erfahren Lehrkräfte außerdem, wie sie ihre mentale Gesundheit stärken können – ebenso wie die ihrer Schülerinnen und Schüler. „Wir sind überzeugt, dass sich dieses Vorgehen mittel- und langfristig positiv auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auswirkt“, betont Kathrin Schopf.

Deutschlandweites Angebot

An ausgewählten Schulen fragen die Psychologinnen und Psychologen zunächst ab, welche Faktoren Lehrkräfte in ihrem Alltag als besonders belastend empfinden. Diese Angaben fließen in die inhaltliche Gestaltung der digitalen Plattform ein. Das Angebot kann später deutschlandweit möglichst vielen Schulen zugutekommen – insbesondere in städtischen Ballungsräumen, die große Herausforderungen für die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit sich bringen. Schon seit knapp zwei Jahren führt das FBZ-Team im Bochumer Stadtteil Wattenscheid-Mitte das Projekt „Urban Mental Health“ durch, das dem Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) zugeordnet ist und von Dr. Lukka Popp koordiniert wird. Die hier entwickelten Interventionen und Erfahrungswerte fließen in die Entwicklung der digitalen Plattform ein.

Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist von höchster gesellschaftlicher Relevanz. 75 Prozent aller psychischen Störungen beginnen bis zum jungen Erwachsenenalter; mit 14 Jahren haben bereits 50 Prozent der Betroffenen die erste psychische Störung entwickelt. Im weiteren Verlauf entstehen daraus in vielen Fällen krankheitsbedingte Fehltage und spätere Frühverrentungen.

Verein zur Förderung des FBZ

Seit 2018 gibt es den gemeinnützigen Verein zur Förderung des Forschungs- und Behandlungszentrums für psychische Gesundheit (FBZ). Ziel ist es, die Arbeit des FBZ in Behandlung, Lehre und Wissenschaft zu unterstützen. Der Verein unterstützt Patientinnen und Patienten im Rahmen einer Behandlung ebenso wie Kontakte zu externen Organisationen und Forschenden. Darüber hinaus unterstützt er Konferenzen und Bildungsangebote im Arbeitsbereich des FBZ.

Webseite des FBZ: https://fbz-bochum.de/

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation, Ruhr-Universität Bochum




Autismus weiterdenken – vielfältiger, vielschichtiger und inklusiver

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Eine frühere Diagnose und ein besseres Verständnis des Verlaufs können zu wirksameren Interventionen führe

Autismus ist nicht heilbar, aber eine frühere Diagnose und ein besseres Verständnis des Verlaufs können zu wirksameren Interventionen führen. Bei der 16. Wissenschaftlichen Tagung Autismus-Spektrum (WTAS) stellten Expertinnen und Experten aus Klinik und Wissenschaft in der Neuen Universität in Heidelberg neueste Erkenntnisse vor. Gastgeber war die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD). Zu einem praxis- und alltagsnahen Austausch haben auch Menschen mit Autismus und deren Angehörige sowie Autismusberatende an Schulen beigetragen.

„Die Forschung zu Autismus ist heute vielfältiger, vielschichtiger und inklusiver als noch vor wenigen Jahren. Sie berücksichtigt nicht nur die biologischen und genetischen Aspekte, sondern auch die sozialen, kulturellen und individuellen Dimensionen des Lebens mit Autismus,“ sagt Prof. Dr. Luise Poustka, Ärztliche Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Universitätsklinikums Heidelberg und Tagungspräsidentin der Wissenschaftlichen Tagung Autismus-Spektrum (WTAS). „Autismus weiterdenken!“ lautet demnach das Tagungsmotto. Mit etwa 300 Teilnehmenden war die WTAS die größte Fachtagung zu Autismus im deutschsprachigen Raum. Sie fand zum 16. Mal und erstmals in Heidelberg statt, auf Einladung der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Universitätsklinikums Heidelberg und der Wissenschaftlichen Gesellschaft Autismus-Spektrum.

Forschende gehen von 1 bis 1,2 Prozent Autismus-Betroffenen weltweit aus. Die genetisch bedingte tiefgreifende Entwicklungsstörung kann sich in vielen Varianten ausprägen: Jeder zweite Mensch mit der Diagnose Autismus ist geistig beeinträchtigt. Nur jeder fünfte kommt allein zurecht. Daneben gibt es aber auch Betroffene, die überwiegend selbständig leben, im sozialen und kommunikativen Bereich aber dennoch Unterstützung benötigen. Langzeituntersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass sich die Symptomatik nicht nur individuell unterscheidet, sondern sich auch im Laufe des Lebens verändern kann: Während einige Betroffene Verbesserungen ihrer Fähigkeiten erleben, bleibt der Zustand bei anderen weitgehend stabil oder verschlechtert sich in manchen Fällen sogar.

Frühere Diagnose ermöglicht bessere Unterstützung

Je früher die Diagnose Autismus gestellt werden kann, desto mehr Chancen gibt es unterstützend zu intervenieren. Eltern können mit ihren Kindern dann bereits sehr früh an speziellen Programmen zur besseren sozialen Anpassung, Kommunikation und sozialen Integration teilnehmen. Bislang ist die Diagnose erst bei Zwei- bis Dreijährigen sicher zu stellen. Forschende arbeiten deshalb international daran, eine sichere Diagnose bereits sehr viel früher zu ermöglichen. In Heidelberg baut Luise Poustka mit ihrem Team am Zentrum für psychosoziale Medizin ein neuartiges Präventions- und Früherkennungszentrum auf, in dem sie Kinder mit familiär bedingtem genetischem Risiko im frühen Kindesalter auf autistische Merkmale untersuchen und therapeutisch unterstützen möchte. Kinder, die bereits ältere Geschwister mit Autismus haben, brauchen dabei eine besonders engmaschige Überprüfung ihrer Entwicklung.

In der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des UKHD erforscht Arbeitsgruppenleiter Prof. Dr. Dr. Peter Marschik frühe Bewegungsmuster und die Sinneswahrnehmung von Kleinkindern bereits in ihren ersten Lebensmonaten, um daraus Rückschlüsse auf mögliche Autismus-Spektrum-Störungen zu ziehen. Dies passiert nicht nur im klassischen Forschungslabor. Marschik fährt auch direkt zu den Eltern. Hierzu nutzt er das „Phenomobil“, ein mobiles Labor zur Erforschung der frühkindlichen Entwicklung. Mit sieben Kameras, Mikrofonen und weiteren Sensoren kann er darin Bewegungen, Geräusche, jedes kleine Lächeln und soziale Reaktionen der Babys erfassen und mithilfe von Künstlicher Intelligenz mit den Reaktionen gesunder Kleinkinder vergleichen.

„Den typischen Autisten gibt es nicht!“

Dr. Martin Schulte-Rüther fokussiert sich in seiner Arbeit an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des UKHD darauf, über die Körpersprache und den Blick von Kindern und Jugendlichen soziales Verhalten zu messen. Menschen im Autismus-Spektrum verstehen ihre Umwelt oft in einer anderen Art und Weise als gesunde Menschen. „Sie empfinden ihre Umgebung häufig als Chaos“, schreibt der Selbsthilfeverein Autismus Nordbaden-Pfalz. „Dies kann zu Veränderungsängsten, Panikzuständen oder dem totalen Rückzug in sich selbst, zu Sprachlosigkeit oder verschiedenen anderen Verhaltensauffälligkeiten führen.“ Häufig vermeiden Menschen mit Autismus Blick- und Körperkontakt, und ihre Emotionen sind schwer aus ihrer Miene oder ihren Gesten zu lesen.

Den „typischen Autisten“ gibt es jedoch nicht, denn die Ausprägungen sind zu variantenreich. Um Schülerinnen und Schüler sowie Eltern zu beraten, und Kinder und Jugendliche mit autistischen Störungen im Unterricht zu unterstützen, hat das Staatliche Schulamt Mannheim eine mobile Autismusberatung eingerichtet, die bei Fragen etwa zum Übergang in die weiterführende Schule, zur Leistungsbewertung oder in Krisen berät. Gerald Brandt ist hier im Bereich der beruflichen Schulen tätig. „Ich versuche zu erreichen, dass autistische Schülerinnen und Schüler nicht an persönlichen oder schulorganisatorischen Barrieren scheitern, sondern mit den richtigen Hilfen ihren eigenen Weg gehen können,“ beschreibt Brandt seine Arbeit. Dabei unterstützen die Autismusberatenden auch Mitschülerinnen und Mitschüler sowie Lehrkräfte, damit in der Schule autistische Verhaltensweisen als Teil der schulischen Vielfalt wahrgenommen und akzeptiert werden können.

SAP: Menschen mit Autismus in den Berufsalltag integrieren

Um Menschen mit Autismus auch in ihrem Berufsalltag zu unterstützen, hat das Softwareunternehmen SAP das Programm „Autism at Work“ ins Leben gerufen. Programm-Managerin Stefanie Lawitzke hilft Menschen aus dem autistischen Spektrum etwa beim Bewerbungsprozess oder prüft, ob der Job oder das Team zum Bewerbenden passen. Dabei gewinnen beide Seiten: Menschen mit Autismus haben häufig ein Spezial-Interesse, beispielsweise IT-Sicherheit, in dem sie sehr gute Leistungen bringen. Und das Team profitiert von Regelungen, die Menschen aus dem autistischen Spektrum besonders wichtig sind, wie pünktlich beginnenden Meetings oder festen Protokollen.

Jens Neus Unternehmenskommunikation, Universitätsklinikum Heidelberg

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e. V. (idw)