ADHS-Medikamente haben kaum Auswirkungen auf das Herz

Neue Studie der Universitiy of Southampton bringt Klarheit über Ritalin und andere einschlägige Medikamente

Eine umfassende internationale Studie unter der Leitung der University of Southampton hat ergeben, dass Medikamente zur Behandlung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) in der Regel nur geringe Auswirkungen auf Herzfrequenz und Blutdruck haben. Die Untersuchung liefert wichtige Erkenntnisse zur kardiovaskulären Sicherheit dieser häufig eingesetzten Präparate.

Die Ergebnisse, veröffentlicht im Fachjournal The Lancet Psychiatry, basieren auf der bislang größten und detailliertesten Analyse zu diesem Thema. Insgesamt wurden Daten aus 102 randomisierten kontrollierten Studien mit mehr als 22.000 Teilnehmenden ausgewertet. Die Forscherinnen und Forscher nutzten dabei eine sogenannte Netzwerk-Metaanalyse, mit der sich auch Medikamente vergleichen lassen, die nicht direkt gegeneinander getestet wurden.

Geringe Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System

„Bei der Einnahme von Medikamenten sollten Risiken und Nutzen immer gemeinsam bewertet werden“, betont Professor Samuele Cortese, leitender Studienautor und NIHR-Forschungsprofessor an der University of Southampton. „Wir beobachteten bei der Mehrheit der behandelten Kinder lediglich einen leichten Anstieg von Blutdruck und Puls.“

Im Einzelnen zeigte sich, dass nahezu alle untersuchten ADHS-Medikamente – darunter sowohl Stimulanzien wie Methylphenidat und Amphetamine als auch Nicht-Stimulanzien wie Atomoxetin und Viloxazin – einen geringen Einfluss auf kardiovaskuläre Parameter haben. Eine Ausnahme bildet Guanfacin, das Blutdruck und Herzfrequenz sogar leicht senken kann.

Vorsicht bei bestehenden Herzerkrankungen

Die Wissenschaftler fanden keine signifikanten Unterschiede in den Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System zwischen Stimulanzien und Nicht-Stimulanzien. Dennoch empfehlen sie eine konsequente ärztliche Überwachung von Blutdruck und Puls bei allen Patientengruppen, unabhängig vom gewählten Medikament.


Das ADS-Buch

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„Unsere Ergebnisse sollten Eingang in zukünftige Leitlinien finden und insbesondere die Vorstellung korrigieren, dass nur Stimulanzien potenziell belastend für das Herz sind“, sagt Dr. Luis Farhat von der Universität São Paulo, Brasilien, der Erstautor der Studie.

Menschen mit bestehenden Herzproblemen sollten eine mögliche Behandlung mit ADHS-Medikamenten vorab mit einem Kardiologen besprechen, so die Forscher.

Nutzen überwiegt Risiken – unter Beobachtung

Trotz der leichten kardiovaskulären Veränderungen überwiegt laut den Autoren der Nutzen der medikamentösen Behandlung bei ADHS deutlich. Frühere Studien belegen unter anderem eine Reduktion des Sterblichkeitsrisikos sowie eine Verbesserung schulischer Leistungen durch die Therapie.

Professor Alexis Revet von der Universität Toulouse, Co-Senior-Autor der Studie, ergänzt: „Unsere Analyse basiert auf klinischen Studien, die aus ethischen Gründen meist nur kurzzeitig durchgeführt werden. Deshalb sind begleitende Untersuchungen aus der Praxis mit längerer Laufzeit essenziell.“

Fokus auf Präzisionsmedizin

In einem nächsten Schritt will das Forschungsteam untersuchen, ob bestimmte Patientengruppen empfindlicher auf kardiovaskuläre Nebenwirkungen reagieren als andere. „Auch wenn unsere Ergebnisse auf Gruppenebene beruhigen, schließen wir nicht aus, dass es Subgruppen mit einem erhöhten Risiko gibt“, so Professor Cortese. „Zukünftige Fortschritte in der Präzisionsmedizin könnten helfen, diese besser zu identifizieren.“

Die Studie wurde im Rahmen des NIHR-Forschungsprofessuren-Programms finanziert und ist unter dem Titel Comparative cardiovascular safety of medications for attention-deficit/hyperactivity disorder in children, adolescents, and adults: a systematic review and network meta-analysis“ online in The Lancet Psychiatry verfügbar.

Weitere Informationen zu ADS für Betroffene, Eltern, Therapeuten, pädagogische Fachkräfte und Mediziner finden Sie auch unter https://opti-mind.de/home-2/

Quelle: Pressemitteilung University Southampton




Klimawandel und Gesundheit: Expertenteam entwickelt Bildungsprojekt

„KlimaChecker“ heißt das Bildungsprojekt, das die Stiftung Kindergesundheit mit Unterstützung von zehn Betriebskrankenkassen startet

Die Stiftung Kindergesundheit startet mit Unterstützung von zehn Betriebskrankenkassen ein innovatives Bildungsprojekt, das Kinder und Jugendliche direkt ins Zentrum globaler Herausforderungen rückt. „KlimaChecker“ heißt das Programm, das Schülerinnen und Schüler zu Entdeckerinnen und Problemlösern macht.

Wenn Schülerinnen und Schüler künftig eine Weltreise per Segelboot unternehmen, geht es ihnen nicht um Abenteuer, sondern um eine Mission: Den Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Gesundheit zu verstehen. In einer spannenden Rahmenerzählung begleiten die Kinder und Jugendlichen ein virtuelles Segelboot auf seiner Reise um die Welt.

Kombination von wissenschaftlich fundiertem Wissen mit didaktisch aufbereiteten Materialien

Das pädagogische Konzept der „KlimaChecker“ kombiniert hierbei wissenschaftlich fundiertes Wissen mit didaktisch aufbereiteten Materialien: An verschiedenen Stationen warten spannende Lerninhalte und multimediale Aufgaben auf die jungen Entdecker. So erleben diese, wie der Klimawandel beispielsweise durch zunehmende Hitze oder Luftverschmutzung die Gesundheit und Lebensräume verändert.

Prof. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit, betont: „Die Klimakrise ist eine Gesundheitskrise. Wir zeigen Jugendlichen, dass sie nicht Opfer, sondern Gestalterinnen und Gestalter sein können.“

Unterstützt wird das Projekt von einem breiten Bündnis der Betriebskrankenkassen: BKK Landesverband Bayern als Vertreter aller BKK Landesverbände, BKK ProVita, BMW BKK, mkk – meine krankenkasse, BKK VerbundPlus, Mobil Krankenkasse, Audi BKK, SKD BKK, Krones BKK, BKK ZF & Partner und Salus BKK.

Wertvolle Initiative, um eine proaktive Haltung gegenüber dem Klimawandels zu vermitteln

„Aus Sicht der Betriebskrankenkassen sind Projekte wie ,KlimaChecker‘ wertvolle Initiativen, um Kindern und Jugendlichen schon frühzeitig eine proaktive, lösungsorientierte Haltung gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels zu vermitteln. Es werden Impulse für mehr Eigeninitiative gesetzt und das Bewusstsein für die Bedeutung gesunderhaltender Maßnahmen gestärkt“, sagt Dr. Ralf Langejürgen, Vorstand des BKK Landesverbandes Bayern.

Weitere Informationen unter: https://www.kindergesundheit.de/

Giulia Roggenkamp, Stiftung Kindergesundheit




Wer Entwicklung will, muss das Spiel lieben

Das Deutsche Kinderhilfswerk ruft unter dem Motto „Lasst und spielen – mit allen Sinnen“ zum Weltspieltag auf

Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) ruft unter dem Motto „Lasst und spielen – mit allen Sinnen“ zum Weltspieltag am 11. Juni 2025 auf. In dem Aufruf heißt es: „Über ihre Sinne kommen Kinder von Beginn an in Kontakt mit der Welt und wollen diese auf spielerische Weise mitgestalten und dadurch ihrer Wahrnehmung Ausdruck verleihen. Daher haben Kinder ein Recht darauf, ihr natürliches Spielbedürfnis mit allen Sinnen auszuleben und sich dabei frei und zweckfrei zu entfalten.“

Weil sich der Mensch über das Spiel entwickelt

Natürlich ist es wichtig, dass das Kinderhilfswerk diesen Aufruf tätigt und auf das Recht der Kinder hinweist. Das eigentlich Traurige dabei ist, dass auch im Jahr 2025 noch immer auf die Bedeutung des Spiels und das Recht darauf hingewiesen werden muss. Die vielen blumigen Worte rund um das Recht und die Verknüpfung von Kultur verdecken, dass es ohne das Spiel kaum eine Entwicklung bei Kindern und damit beim Menschen geben kann, dass sich der Mensch über das Spiel entwickelt. Das ist der eigentliche Grund. Nicht nur weil Kinder auf spielerische Weise die Welt mitgestalten wollen, sondern weil sie das gar nicht anders können.

Zum nutzen des Kindes und nicht der Industrie

„Das Spiel ist die Arbeit des Kindes“ und nichts anderes. Und das Kind hat das Recht, sein Spiel selbst zu erfinden, ohne dass ihm hier irgendjemand hineinreden sollte. Keine ernsthafte Pädagogin und kein ernsthafter Pädagoge wird dem widersprechen. Es kann eben nicht oft genug betont werden, dass das nicht einfach deshalb so ist, weil das Spiel zum Menschen gehört, sondern weil der Mensch sich über das Spiel entwickelt. Wer es genauer wissen will, kann es etwa hier in einem Beitrag von Prof. Armin Krenz nachlesen

Wenn Elementarpädagog*innen in diese Entwicklung stetig mit Bildschirmaktionen und sogenannten Förderprogrammen eingreifen, tut das nur einem gut: der Kasse der Bildungsindustrie. Die Kinder dagegen zahlen dafür mit Entwicklungsdefiziten, über die dann letztlich großes Erstaunen bei sogenannten Leistungserhebungen herrscht.

Die Betonung liegt dabei auf dem kleinen Wörtchen stetig. Es ist unbestritten, dass Kinder Spielzeug brauchen, dass viele Kinder Projekte lieben und dass sie auch gerne mal an Förderprogrammen teilnehmen. Aber weder Spielzeug, Projekte noch Förderprogramme sind Legitimation dafür, das freie Spiel der Kinder zu unterbrechen.

Deshalb ist der Weltspieltag so wichtig

Das gilt jeden Tag und nicht nur am Weltspieltag. Letzterer ist aber deshalb so wichtig, um immer wieder auf die Bedeutung des Spiels hinzuweisen. Und in diesem Sinne sei auch der letzte Absatz der Pressemitteilung des DKHW zitiert: „Zum Weltspieltag sind Schulen und Kindergärten, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen aufgerufen, in ihrer Stadt oder Gemeinde eine beispielgebende oder öffentlichkeitswirksame Aktion durchzuführen – egal ob Spiel-, Beteiligungs- oder Protestaktion. Denn der Aktionstag dient ebenso der Lobbyarbeit für das Recht auf Spiel, Freizeit und Erholung gemäß UN-Kinderrechtskonvention. Die Partner sind vor Ort für die Durchführung ihrer Veranstaltung selbst verantwortlich. Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt umfangreiche Aktionsmaterialien zum Bewerben des Weltspieltages zur Verfügung. Weitere Informationen unter www.weltspieltag.de.“

Gernot Körner

Spiel- und Selbstbildung

Wenn dem Spiel kaum noch eine Beachtung geschenkt wird, hat dies gravierende Folgen für die Persönlichkeits- und Lernentwicklung der Kinder und damit auch auf die künftige gesellschaftliche Entwicklung. In dieser Veröffentlichung werden fachliche Grundlagen vorgestellt, um das SPIEL wieder verstärkt in die Elementarpädagogik zu integrieren. Es muss eine praxisorientierte Revolution stattfinden, indem einer wirtschaftlich und funktional gestalteten Elementarpädagogik die „Rote Karte“ gezeigt und erneut Kinder und ihre Entwicklungsbedürfnisse in das Zentrum der Pädagogik gerückt werden. Das gelingt nur mit einer aktiven, lebendigen, authentisch gestalteten SPIELPÄDAGOGIK und spielfreudigen kindheitspädagogischen Fachkräften. Mehr dazu…




Sommerschule: Ausdrucksformen erkennen, verstehen und deuten können

Der Schulförderverein der Petri-Sekundarschule Schwanebeck lädt zur Sommerschule 2025 ein

Erneut ist es dem Schulförderverein der Petri-Sekundarschule Schwanebeck gelungen, eine Sommerschule in Aderstedt am Huy zu organisieren. Vom 30. bis 31. Mai 2025 findet in einem Event-Zelt auf der Wiese „Naturnaher Spiel- und Bewegungsraum am Hallerspring“ der Gemeinde in Sachsen-Anhalt eine Fortbildung für pädagogische Fachkräfte statt. In der Veranstaltung mit dem Titel „Ausdrucksformen erkennen, verstehen, deuten können und entwicklungsförderlich handeln“ soll den Teilnehmer*innen grundlegendes Handwerkszeug aus dem Bereich der psychoanalytisch fundierten Elementarpädagogik vermittelt werden. Sie sollen lernen, besondere Ausdrucksweisen von Kindern zu verstehen, fachkompetent deuten und somit professionell handeln zu können.

Damit entspricht diese Fortbildung den Ansprüchen des Bildungsprogramms von Sachsen Anhalt, eine nachhaltige und inklusive Pädagogik zu gestalten, die sich durch Qualität, Wissenschaftsorientierung und Fachlichkeit sowie Aktualität auszeichnet.

Referenten an beiden Tagen sind die Inklusionspädagogin Gisela Barg und der Honorarprofessor für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik a.D. Prof. Dr. Armin Krenz.

Tagungsanschrift:

38838 Aderstedt am Huy „Naturnaher Spiel- und Bewegungsraum am Hallerspring“, Ernst-Thälmann-Platz 38.

Datum:

30. bis 31. Mai 2025:

Anmeldung:

Anmeldeschluss 1. Mai 2025. Anmeldung Online unter https://lets-meet.org/reg/06285813504cb59ff7

Für die zweitägige Veranstaltung ist eine Verpflegungspauschale in Höhe von 18 € an den Schulförderverein bis zum 1. Mai 2025 zu entrichten. Bankverbindung: Förderverein Petri-Sek., Kennwort: „Sommerschule“, IBAN DE46 8105 2000 0380 0632 98, BIC:NOLADE21HRZ




Haustiere senken Risiko für stressbedingte Störungen

Das Zusammenleben mit Tieren beeinflusst sowohl die immunregulatorische Kapazität als auch die Barrierefunktion des Darms positiv

Dass Landbewohner, die eng mit Nutztieren leben, Stresssituationen immunologisch besser bewältigen als Großstädter, die ohne Haustiere aufgewachsen sind, haben Forschende der Ulmer Universitätsmedizin bereits gezeigt. Nun haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersucht, ob es der Kontakt zu Tieren ist oder der Faktor „Stadt versus Land“, der das Risiko beeinflusst, im Erwachsenenleben stressbedingte Störungen zu entwickeln. Das Fazit: das Zusammenleben mit Tieren beeinflusst sowohl die immunregulatorische Kapazität als auch die Barrierefunktion des Darms positiv. So werden eine überschießende Immunaktivierung sowie eine chronische niedrig-gradige Entzündungsreaktion verhindert.

Kontakt zu Haustieren von Kindern verringert im Erwachsenenleben stressbedingte Störungen

Der Kontakt zu Haustieren verringert bei Großstadtkindern das Risiko, im Erwachsenenleben stressbedingte Störungen zu entwickeln. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Sektion für Molekulare Psychosomatik der Uniklinik Ulm zusammen mit weiteren Forschenden aus Deutschland und den USA. Das Zusammenleben mit Tieren soll entzündliche Stressreaktionen mildern. Erschienen ist die Arbeit unter dem Titel „Pawsitive impact“ in der Fachzeitschrift Brain, Behavior and Immunity.

Stadtleben sorgt für Stress

Viele Städte bieten lukrative Arbeitsplätze und zahlreiche Freizeitmöglichkeiten, sind aber auch geprägt von viel Verkehr, langen Fahrzeiten, wenig Grün und Erholung. Verschiedene stressbedingte körperliche und psychische Störungen treten bei Städterinnen und Städtern häufiger auf als auf dem Land. Ein überreaktives Immunsystem und chronische, niedrig-gradige Entzündungen gehen nicht nur mit vielen dieser stressbedingten Störungen einher, sondern spielen laut präklinischen Studien auch eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von entzündlichen immunreaktiven Prozessen. Eine weitere Gemeinsamkeit vieler stressassoziierter Erkrankungen ist eine gestörte Darmbarrierefunktion, was den Übertritt von Darmbakterien ins Körperinnere begünstigt. „Zusammen können diese beiden Faktoren dann eine übermäßig starke Aktivierung unserer evolutionär konservierten entzündlichen Stressreaktion bedingen“, so Dr. Dominik Langgartner, einer der Erstautoren der Studie aus der Sektion für Molekulare Psychosomatik an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Uniklinik Ulm. „Genau dieses Zusammenspiel wollten wir für Männer, die mit und ohne Haustiere in einer städtischen Umgebung aufgewachsen sind, genauer untersuchen.“

Landbewohner leben gesünder

Die Studie der Forschenden schließt an eine Arbeit aus dem Jahr 2018 an, in der gezeigt werden konnte, dass Landbewohner mit engem Kontakt zu Nutztieren Stresssituationen immunologisch viel besser bewältigen als Großstädter, die ohne Haustiere aufgewachsen sind (Böbel et al., PNAS, 2018). „Allerdings ließ unsere Untersuchung damals die Frage unbeantwortet, ob dieser deutliche Unterschied in der stressassoziierten Immunreaktivität auf den Faktor ‚Stadt versus Land‘ oder auf den Faktor ‚regelmäßiger versus fehlender Tierkontakt‘ zurückzuführen ist“, erklärt Sektionsleiter Professor Stefan Reber, der neben der aktuellen auch die Vorgängerstudie koordiniert hat.

„Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang Studien, die andeuten, dass vor allem der regelmäßige Kontakt zu Tieren und das damit verbundene erhöhte Zusammentreffen mit Umweltmikroorganismen, und nicht die ländliche Umgebung selbst, eine wichtige Rolle bei der Prävention von Allergien und Autoimmunkrankheiten zu spielen scheint.“ Ob regelmäßiger Tierkontakt auch die stressassoziierte Immunaktivierung von Städtern abmildern kann und so auf lange Sicht eine stressassoziierte chronische, niedrig-gradige Entzündung verhindern kann, sollte die Nachfolgestudie nun beantworten.

Stress-Test mit 40 Teilnehmern

Für die neue Studie wurden insgesamt 40 gesunde männliche Teilnehmer zwischen 18 und 40 Jahren rekrutiert, die in einer Stadt mit mehr als 40 000 Einwohnern aufgewachsen sind und bis zum Alter von 15 Jahren entweder keine Haustiere hatten oder mindestens fünf Jahre lang mit einem Hund oder einer Katze zusammengelebt haben. Die Teilnehmer wurden standardisiertem psychosozialen Stress nach dem „Trier Social Stress Test“ (TSST) ausgesetzt. Der mentale und physische Gesundheitsstatus, frühe Lebensbelastungen, aktuelle Tierkontakte und die subjektive Belastung wurden mithilfe eines Fragebogens erfasst. Davor und danach wurden den Probanden Blut- und Speichelproben entnommen, um unter anderem Blutzellzusammensetzungen, Entzündungsparameter, Darmbarriere-Marker, die Zusammensetzung des Speichelmikrobioms, Stresshormonspiegel und immunregulatorische Marker zu bestimmen. Außerdem wurden vor, während und nach dem TSST die Herzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität kontinuierlich aufgezeichnet. Der Stress-Test führte bei Teilnehmern, die ohne Haustiere aufgewachsen sind – im Vergleich zu Probanden mit Tierkontakt – zu einer schnelleren Mobilisierung von insbesondere neutrophilen Granulozyten, also spezialisierten weißen Blutkörperchen, die der Immunabwehr dienen. Begleitet wurde dies von einer verstärkten pro-inflammatorischen systemischen Stressreaktion.

Gesteigerte Immunzellmobilisierung bei Stress

„Wir können zeigen, dass bei gesunden männlichen Städtern, die ohne Haustiere aufgewachsen sind, deren Immunsystem weniger immunregulatorische Fähigkeiten besitzt und die intestinale Barrierefunktion gestört ist. Unter normalen Bedingungen hat dies erst einmal keine Auswirkungen, jedoch kann es durch die gesteigerte Immunzellmobilisierung bei Stress unter diesen Bedingungen zu einer überschießenden akuten Entzündungsreaktion kommen“, erklärt Katja Weimer, die zweite Erstautorin der Studie aus der Ulmer Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.

Prophylaxe für stressbedingte Störungen

Insgesamt scheint der Kontakt zu Haustieren das Risiko zu verringern, später im Leben stressbedingte Störungen zu entwickeln. Einerseits beeinflusst er sowohl die immunregulatorische Kapazität als auch die Barrierefunktion positiv und verhindert so eine überschießende Immunaktivierung als Reaktion auf akuten Stress sowie eine chronische niedrig-gradige Entzündungsreaktion als Antwort auf wiederholte Stressoren. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, neue immunregulatorische Ansätze zur Förderung der Stress-Resilienz zu entwickeln und so die in den letzten Jahrzehnten vor allem in städtischen Gegenden ständig steigende Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit abzumildern oder zu verhindern, so die Hoffnung der Forschenden der Ulmer Universitätsmedizin, der Universität von Colorado, USA, der Universität Erlangen-Nürnberg, Boehringer Ingelheim Pharma aus Biberach und der Universität Heidelberg.

Die Studie wurde anteilig vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg im Rahmen der Startphase des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG) gefördert.

Originalpublikation

D. Langgartner, K. Weimer, J. Brunner-Weisser, R. Winkler, M. Mannes, M. Huber-Lang, J. D. Sterrett, C. A. Lowry, N. Rohleder, B. Bajrami, A. H. Luippold, A. Groß, H. A. Kestler, H. Tost, A. Meyer-Lindenberg, H. Gündel, M. N. Jarczok, S. O. Reber, Pawsitive impact: How pet contact ameliorates adult inflammatory stress responses in individuals raised in an urban environment, Brain, Behavior, and Immunity, Volume 127, 2025, https://doi.org/10.1016/j.bbi.2025.03.013

Daniela Stang, Universität Ulm




Diabetes bei Müttern kann zu neurologischen Störungen bei Kindern führen

Eine systematische Überprüfung und Metaanalyse von 202 Beobachtungsstudien, die 56,1 Millionen Schwangerschaften umfassen, legt Zusammenhang nahe

Diabetes bei Müttern kann laut einer aktuellen Studie der Central South University die Entwicklung des Gehirns von Embryonen verändern. Es sind jedoch gut konzipierte systematische Analysen erforderlich, um den Zusammenhang zwischen Diabetes bei Müttern und neurologischen Entwicklungsstörungen bei Kindern umfassend zu bewerten und zu quantifizieren. Ziel der chinesischen Studie war es, die verfügbaren Erkenntnisse über die Auswirkungen von Diabetes bei Müttern auf die neurologische Entwicklung von Kindern zusammenzufassen und zu bewerten.

Laut den bisherigen Ergebnissen ist mütterlicher Diabetes ist mit einem erhöhten Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen und einer beeinträchtigten neurologischen Entwicklungsleistung bei Kindern verbunden, was unter anderem zu ADS oder Autismus führen könnte. Es sind jedoch weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die Kausalität zu ermitteln und die Zusammenhänge zwischen bestimmten Diabetesarten und dem gesamten Spektrum neurologischer Entwicklungsstörungen zu klären.

56,1 Millionen Schwangerschaften untersucht

202 Studien mit 56.082.462 Mutter-Kind-Paaren wurden in die Metaanalyse einbezogen. Davon untersuchten 110 (54 %) Schwangerschaftsdiabetes und 80 (40 %) prägestativen Diabetes. Von den insgesamt untersuchten Studien konzentrierten sich 169 (84 %) ausschließlich auf Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. In Studien, die mindestens einen wichtigen Störfaktor berücksichtigten, wurde mütterlicher Diabetes mit einem erhöhten Risiko für alle Arten von neurologischen Entwicklungsstörungen sowie mit niedrigeren Intelligenz- und psychomotorischen Werten in Verbindung gebracht. In Studien, die mehrere Störfaktoren berücksichtigten (n=98, 49 %), hatten Kinder, die mütterlichem Diabetes ausgesetzt waren, ein erhöhtes Risiko für jegliche neurologische Entwicklungsstörung (Risikoquote 1,28; 95 % KI 1,24–1,31), Autismus-Spektrum-Störung (1,25; 1,20–1,31), Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (1,30; 1,24–1,37), Intelligenzminderung (1,32; 1,18–1,47), spezifischen Entwicklungsstörungen (1,27; 1,17–1,37), Kommunikationsstörung (1·20; 1·11–1·28), motorische Störung (1·17; 1·10–1·26) und Lernstörung (1·16; 1·06–1·26) im Vergleich zu nicht exponierten Kindern. Mütterlicher Diabetes vor der Schwangerschaft war stärker mit dem Risiko der meisten neurologischen Entwicklungsstörungen bei Kindern verbunden als Schwangerschaftsdiabetes (Risikoquote 1,39; [95 % KI 1,34–1,44] vs. 1,18 [1,14–1,23]; Subgruppenunterschied p<0,0001).

Die Studie ist im Journal The Lancet erschienen.




Beziehungsorientiert und einfühlsam Gespräche führen

Schirmer, Uwe Bernd: Einfühlsam Gespräche führen. Wertschätzende und empathische Gesprächsführung in der Praxis der Gesundheits-, Erziehungs-, Pflege- und Sozialberufe

Sicher wird jede Fachkraft in einem (sozial)pädagogischen oder pflegerischen Berufsfeld sofort der Aussage zustimmen, dass >Kommunikation< das A&O einer erfolgreichen, für beide Seiten entwicklungsförderliche Arbeit ist, zumal nur eine wertschätzende, respektvolle Kommunikation Beziehungsangebote schafft und nur mithilfe dieser Merkmale Konflikte lösbar sind. Gleichzeitig offenbaren aber Gesprächsanalysen, dass Behauptungen und Realitäten häufig nicht deckungsgleich sind. Um diesem Umstand Abhilfe zu schaffen, hat Dr. Uwe Bernd Schirmer ein wichtiges Buch herausgebracht, in dem Grundlagen für eine empathisch geprägte Kommunikation aufgeführt sind. Empathisch deswegen, weil die Entwicklung des Menschen von Beginn an auf Beziehungsangebote und Bindungswünsche ausgerichtet ist. Der Wunsch jedes Menschen, verstanden zu werden und sich vom Gegenüber angenommen zu fühlen, ist evolutionär angelegt und bedarf daher stets einer gewichtigen Beachtung.

Die Publikation besitzt folgende Schwerpunkte. Zunächst wird auf die Bedeutung von Beziehungen eingegangen und dann werden die zwei Formen der Empathie, deren Grenzen und Risiken näher beleuchtet. Im Folgekapitel geht der Autor auf Grundlagen sowie Perspektiven einer einfühlsamen Gesprächsführung ein und beschreibt, was in einem empathischen Prozess vor sich geht. Das nächste Kapitel wendet sich der Anwendung einer einfühlsamen Gesprächsführung mit en drei Komponenten >Beobachtung, Gefühle und Bedürfnisse< zu, um dann auf die Perspektive der Bewältigung unter Berücksichtigung der Aspekte >Vom Bedürfnis zur Strategie< und >Strategien zur Bedürfnisbefriedigung< überzuleiten. Ein Fazit, Ausblick und ein Anhang mit zwei Praxisbeispielen sowie Übungsblättern schließen das Buch ab.

Was gefällt an dieser Veröffentlichung ganz besonders?

  • 1.) In jedem Kapitel finden Leserinnen sehr viele Beispiele, um sich selbst als Akteur mit der vorgestellten Situation identifizieren zu können.
  • 2.) Zudem gibt es immer wieder Übungsvorschläge, um einerseits sich selbst und das mögliche Vorgehen zu reflektieren und andererseits ein Gefühl zu spüren/ entwickeln zu können, wie eine wertschätzende und einfühlsame Gesprächsführung gelingen kann.
  • 3.) In grau unterlegten Kästen finden Leserinnen kurze Zusammenfassungen und bedeutsame Merksätze.
  • 4.) Übersichtliche Tabellen und halb-/ bzw. ganzseitige Abbildungen sorgen für einen fokussierten Blick auf wesentliche Kommunikationsaspekte, ein umfangreiches Literaturverzeichnis bietet zudem die Möglichkeit, bestimmte Schwerpunkte zu vertiefen und ein Sachwortverzeichnis hilft, bei einer gezielten Begriffssuche schnell fündig zu werden.

Da das Buch sehr strukturiert und mit einem klaren Aufbau konzipiert ist und die Inhalte miteinander vernetzt sind, ergibt sich die Notwendigkeit, diese Veröffentlichung von Anfang an zu lesen und nicht einzelne Kapitel auszuwählen. Der Autor vergleicht dieses notwendige Vorgehen mit dem Schwimmen oder Tanzen lernen, bei dem es auch darauf ankommt, von Anfang an dabei zu sein, ohne eigene Erlebnis- und Erfahrungsschritte auszulassen.

Auch wenn es auf dem Literaturmarkt viele Publikationen zum Schwerpunkt einer beziehungsorientierten, einfühlsamen Gesprächsführung gibt, gehört diese Veröffentlichung zu den Glanzlichtern und sollte daher unbedingt zur Standardliteratur für Personen in helfenden Berufen gehören.

Armin Krenz

Schirmer, Uwe Bernd: Einfühlsam Gespräche führen. Wertschätzende und empathische Gesprächsführung in der Praxis der Gesundheits-, Erziehungs-, Pflege- und Sozialberufe.

Hogrefe Verlag, Göttingen 2. vollst. überarb. u. erw. Auflage 2025. ISBN: 978-3-456-86331-3. 234 Seiten, 38,00 €




Wie verhalten sich Geflüchtete im Zielland und wieso?

schulkinder

Jenseits der Sprachbarriere: Neue Studie wirft Blick auf die schulische Ausbildung von Kindern

In Deutschland zur Schule gehen – das gilt als Goldstandard für die Integration geflüchteter Kinder. Hier lernen sie die Sprache. Hier lernen sie die sozialen Normen. Die Schulpflicht sichert diesen Anspruch des Staates ab. Doch wie verhalten sich die Eltern dazu? Erschwert der fachübergreifende Unterricht in einer Fremdsprache aus ihrer Sicht das Lernen? Und böte die Digitalisierung nicht auch Alternativen zum deutschen Klassenzimmer? Diesen Fragen sind die Makrosoziologin der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Céline Teney, und ihr Team nachgegangen.

Die Forschenden haben ukrainische Mütter und Väter befragt, die als Geflüchtete in Berlin beziehungsweise Warschau leben. Die ersten Interviews fanden wenige Monate nach der russischen Invasion 2022 statt. Zwei weitere Runden folgten 2023 und 2024. Die Ergebnisse ihrer Studie „Educational stategies of displaced Ukrainians in Berlin und Warsaw. The role of transnational opportunity structure“ ist gerade im Fachmagazin “Population, Place & Space“ erschienen und online abrufbar unter (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/psp.70032 )

Optionen über Grenzen hinweg

„Wir sind auf ein Phänomen gestoßen, das sich als transnationale Chancenstruktur beschreiben lässt“, sagt die Céline Teney. Die Makrosoziologin forscht unter anderen zum sozialen Konfliktpotenzial der Globalisierung. Sie betont: „Dank Digitalisierung haben sich digitale Beziehungsräume geöffnet. Das heißt, Geflüchtete können ihr Leben weitgehend jenseits von nationalstaatlichen Grenzen führen.“ Theoretisch gelte diese Tatsache auch für Schulkinder. Denn viele Länder – einschließlich der Ukraine – haben während der Covid-Pandemie eine Infrastruktur für Fernunterricht aufgebaut. Praktisch stehen geflüchtete Eltern in Deutschland lediglich vor die Wahl, ob sie ihren schulpflichtigen Kindern zusätzlich zum Präsenzunterricht muttersprachlichen Onlineunterricht aufbürden, trotz aller Risiken in die Heimat zurückkehren, damit die schulische Ausbildung in der Muttersprache und nach heimischem Lehrplan weitergehen kann oder vollständig auf Bildung an einer deutschen Schule setzen.

Auf Rückkehr hoffen und sich eingliedern

Für eine doppelte Beschulung entschieden sich 2022 deutlich mehr Befragte als 2023: Viele Eltern glaubten zu Beginn der Invasion noch an deren baldiges Ende. 2023 und 2024 muteten jeweils immer weniger Eltern ihren Kindern die Doppelbelastung zu. Das heißt, sie kehrten entweder in die Ukraine zurück oder verzichteten auf den Unterricht in der Muttersprache. „Die Mehrheit setzt auf eine ausschließliche Beschulung im Zielland“, fasst Céline Teney zusammen. „Das bestätigt den in anderen Studien nachgewiesenen Wunsch der meisten Migrant*innen, sich einzugliedern.“

Sorgen um den Lernerfolg

Allerdings äußern viele Mütter und Väter, die sich für einen Verbleib in Deutschland entschieden, auch Unbehagen. Sie fürchten beispielsweise, ihre Kinder könnten aufgrund der Sprachbarriere schlechtere Noten bekommen als es ihren Potenzialen entspricht. Eine 17-jährige Schülerin aus Mariupol bringt es so auf den Punkt: „Meinen Traumberuf bekomme ich nur mit Bestnoten. Das wird auf Deutsch sehr schwer.“ Sie halte es für realistischer, sich mit einem guten ukrainischen Abschluss in Deutschland zu bewerben als mit einem mittelmäßigen deutschen Abitur, so die Teenagerin.

Auch die Willkommensklassen, die unter anderem das Land Berlin eingerichtet hat, stoßen auf Skepsis. Ziel dieses Angebots ist es, Kinder mit viel Deutschunterricht auf eine Regelklasse vorzubereiten. Zahlreiche Eltern halten das für vergeudete Zeit, weil sie perspektivisch zurück nach Hause möchten. „Das Zertifikat ist in der Ukraine wertlos. In einer Willkommensklasse wird nichts gelehrt, was ein Zehnjähriger nachweisen muss“, gab beispielsweise eine 32-jährige Kiewerin zu Protokoll. Manche Befragten befürchten sogar langfristige Nachteile, sobald sich die Kinder wieder an das Leben in der Ukraine gewöhnen müssten. „Tatsächlich lässt sich kaum von der Hand zu weisen, dass Menschen, die ihre eigene Muttersprache nicht idiomatisch einwandfrei sprechen und schreiben können, mit einem Makel behaftet sind“, gibt Céline Teney zu bedenken.

Debatten über Alternativen

Auf Basis dieses Befunds erwartet das Forschungsteam, dass künftige Fluchtwellen Diskussionen über die Beschulung der Kinder auslösen. „Die Schulpflicht an sich ist ein unverzichtbares Mittel der Integration“, sagt Professor Teney. „Eine Politik, die auf Deutsch als alleiniger Unterrichtssprache besteht, wird sich allerdings erklären müssen.“ In alternativen Szenarien werde die Muttersprache der Geflüchteten eine größere Rolle spielen. Das schließe auch eine Mischung aus Präsenz- und Online-Unterricht ein.

Nationaler Anspruch auch in Polen

Ansatzweise hat Polen diesen Weg eine Zeit lang beschritten – und dann eine Kehrtwende vollzogen. Bei Deutschlands Nachbarn durften Eltern ihre Kinder zunächst online auf Ukrainisch unterrichten lassen. Der Besuch einer polnischen Schule erübrigte sich dadurch, und viele Geflüchtete machten gerne von dieser Option Gebrauch. Im September 2024 ordnete Warschau dann Vor-Ort-Unterricht an. Die Regierung begründete diesen Schritt mit dem Wunsch nach mehr Assimilation. Auch von Anreizen zur Rückkehr in die Ukraine war die Rede.

Fazit

„Die Verpflichtung auf Bildung nach den eigenen Regeln gehört zum legitimen Arsenal von Staaten, um Kinder von Geflüchteten zu integrieren“, lautet das Fazit von Professor Teney. Auf der anderen Seite könne eine transnationale Chancenstruktur dafür sorgen, Brüche in den Biografien von Geflüchteten abzumildern und Kindern den erhofftem Neustart in der Heimat zu erleichtern. „In diesem Spannungsfeld wird sich in Zukunft so manche bildungs- und integrationspolitische Debatte bewegen.“

Über die Studie

Im Auftrag von Professor Dr. Céline Teney führten ukrainische Assistentinnen im Sommer 2022 halbstrukturierte Interviews mit 82 vertriebenen Eltern schulpflichtiger Kinder. Die befragten Ukrainerinnen leben in Berlin beziehungsweise Warschau. An den Folgeinterviews im Frühjahr 2023 nahmen 60 und im Frühjahr 2024 noch 44 dieser Personen teil. Etwa ein Drittel der Befragten kehrte zwischen den Interviewrunden eins und drei in die Ukraine zurück.

Originalpublikation: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/psp.70032

Christine Xuan Müller Stabsstelle Kommunikation und Marketing, Freie Universität Berlin

Quelle: Pressemitteilung idw – Informationsdienst Wissenschaft