Gesundheitsbündnis wirft Ernährungsindustrie Falschaussagen vor

Kritik an Initiative von Branchenverbänden der Lebensmittel- und Werbewirtschaft gegen das geplante Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz

Das Medizin- und Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) hat die aktuelle Initiative von Branchenverbänden der Lebensmittel- und Werbewirtschaft gegen das geplante Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG) scharf kritisiert. Mehr als 30 Branchenverbände hatten kürzlich in einem Brief an Bundesernährungsminister Cem Özdemir ihre Ablehnung gegen den Referentenentwurf des KLWG zum Ausdruck gebracht. Zeitgleich hatten sie eine Anzeige in Tageszeitungen platziert, laut der Werbebeschränkungen „unwirksam“ seien und eine Pressemitteilung dazu publiziert. Mit seinem Faktencheck meint DANK nun die zentralen Argumente der Verbände zu zerlegen und schlussfolgert, dass die Kampagne auf Falschaussagen basiere.

Bitzer: Beschränkung der Werbung fördert gesunde Ernährung

„In der wissenschaftlichen Literatur und unter Fachorganisationen herrscht einhelliger Konsens, dass Beschränkungen der Lebensmittelwerbung ein wichtiges Handlungsfeld zur Förderung gesunder Ernährung sind“, sagt Barbara Bitzer, Sprecherin der DANK und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Dass die Werbe- und Lebensmittelbranche so vehement gegen die Pläne mobilisieren, zeigt vor allem eines: Die geplanten Regelungen könnten eine große Wirkung entfalten.“

Huizinga: Schreckensszenarien aus der Luft gegriffen

„Die Gegenkampagne hält einer fachlichen Überprüfung nicht stand“, ergänzt Oliver Huizinga, politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). „Anders als die Branchenverbände es darstellen, gibt es umfassende Evidenz, um die Einführung von Werbebeschränkungen zu begründen. Im Gegensatz dazu sind die postulierten Schreckensszenarien über angebliche negative Auswirkungen einer Werberegulierung aus der Luft gegriffen. Mit unserem neuen Faktencheck möchten wir zur Versachlichung beitragen“, so Huizinga.

Rodeck: wirtschaftliche Interessen vor Kindeswohl

„Es ist nicht nachvollziehbar, dass aus rein wirtschaftlichen Interessen das Wohl unserer Kinder nicht nur vernachlässigt, sondern eine klare Verletzung der Kindsinteressen bewusst in Kauf genommen wird“, bringt es Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), auf den Punkt.

Bundesernährungsminister Cem Özdemir hatte Ende Februar seine Pläne für mehr Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung vorgestellt. Mehr als 60 Krankenkassen, Verbraucherschutzorganisationen, Elternverbände, Kinderrechtsorganisationen sowie medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften unterstützen das Vorhaben. Innerhalb der Ampel-Koalition ist das Thema umstritten. Die FDP verhindert derzeit die Einleitung des parlamentarischen Verfahrens. Minister Özdemir hat den Entwurf zuletzt in mehrfacher Hinsicht abgeschwächt. Dennoch ist bislang keine Einigung absehbar. Branchenverbände der Lebensmittel- und Werbewirtschaft machen weiter gegen das Vorhaben mobil.

Quelle: Pressemitteilung DANK




Kinder anzuschreien kann so schädlich wie körperlicher Missbrauch sein

Neue Studie bestätigt die schädlichen Folgen des Anschreiens und der Missachtung von Kindern

Die Art und Weise, wie Erwachsene mit Kindern sprechen, prägt diese ein Leben lang. Die besondere Herausforderung besteht darin, dass dies zu wenigen Erwachsenen bewusst ist. Dabei kann Kinder anzuschreien genauso schädlich sein wie körperlicher Missbrauch.

Vom Anschreien, Schreien, Verunglimpfen und Drohen

Das bestätigen nun auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer us-amerikanischen/britischen Studie, die im vergangenen Monat in „Child Abuse & Neglect“ veröffentlicht wurde. Demnach ist der „verbale Missbrauch von Erwachsenen gegenüber Kindern… durch Anschreien, Schreien, Verunglimpfen des Kindes und verbale Drohungen gekennzeichnet.“ „Diese Art von Erwachsenenhandeln kann für die Entwicklung eines Kindes ebenso schädlich sein wie andere derzeit anerkannte und forensisch belegte Unterarten der Misshandlung wie körperlicher und sexueller Missbrauch in der Kindheit“, schreiben die WissenschaftlerInnen in ihrem Beitrag.

Kinder nehmen die Aussagen von Erwachsenen ernst

Der britische Guardian zitiert in einem Artikel zur Studie einen der Mitverfasser. Prof. Peter Fonagy, Leiter der Abteilung für Psychologie und Sprachwissenschaften am University College London (UCL) und Geschäftsführer des Anna-Freud-Zentrums erklärt dazu: „Kinder sind genetisch darauf vorbereitet, dem zu vertrauen, was Erwachsene sagen. Sie nehmen uns Erwachsene ernst. Wenn wir dieses Vertrauen missbrauchen, indem wir Worte benutzen, um zu schimpfen statt zu lehren, können Kinder nicht nur beschämt, isoliert und ausgegrenzt werden, sondern auch unfähig sein, sich in ihrer Gemeinschaft zu engagieren und den vollen Nutzen aus dem sozialen Lernen zu ziehen. Wir wissen aus Hunderten von Studien, dass verbaler Missbrauch Kinder zutiefst beeinträchtigt und mit anhaltenden psychischen Problemen, komplexen emotionalen und Beziehungsschwierigkeiten, körperlichen und geistigen Störungen sowie einer erhöhten Wahrscheinlichkeit verbunden ist, dass sie in ihrem Leben erneut missbräuchliche Situationen erleben, etwa wenn sie einen Partner finden, der sie misshandelt, und dass sie den Missbrauch bei anderen wiederholen.“

Erlentes Verhalten ist nur schwer abzulegen

Oftmals ist den Erwachsenen nicht bewusst, was sie tun, wenn sie ihre Kinder als „dumm“ oder „faul“ bezeichnen. Prof. Shanta R. Dube, ebenfalls Mitverfasserin der Studie, sieht die Ursache dafür darin, dass diese Erwachsenen wohl ebenso erzogen wurden. Dieses Verhalten zu durchbrechen, ist für viele schwer.

Dieses „erlernte“ Verhalten zu durchbrechen, ist für viele Erwachsene kaum möglich. Dennoch versuchen viele diesem fatalen Prozess zu entfliehen. Eine Fülle von Elternkursen, Ratgebern und Selbsthilfegruppen zeugt davon. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist das von Adele Faber und Elaine Mazlish. Nachdem beide zahlreiche Elternkurse besucht hatten, haben sie auf Basis des Konzepts der Gewaltfreien Kommunikation von Marschall B. Rosenberg ein eigenes Erziehungs- und Kommunikationskonzept entwickelt. Daraus ist unter anderem der weltweit am meisten verbreitete Ratgeber für Eltern enstanden, der hierzulande unter dem Titel „So sag ich‘s meinen Kind“ entstanden. Mit wenig Theorie, einer Fülle von Bespielen und kleinen Comics ist es ihnen gelungen, einen so eingängigen Ratgeber zu verfassen, dass dieser noch bis zum heutigen Tag noch immer das erfolgreichste Sachbuch für Erziehende ist.




GEW: „Jetzt wird gestreikt!“

Nachdem die Tarifgemeinschaft deutscher Länder kein Angebot vorgelegt hat, kündigen Gewerkschaften Streik an

Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes haben nach der zweiten Verhandlungsrunde für die Länderbeschäftigten Streiks angekündigt. „Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hat kein Angebot vorgelegt. Sie blockiert alle wesentlichen Verhandlungspunkte und weist die Forderungen der Gewerkschaften brüsk zurück. Das ist eine Provokation. Die Länder-Arbeitgeber haben in vielen Fragen ihren gesellschaftlichen und sozialen Kompass komplett verloren“, sagte Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), nach Abschluss der zweiten Runde am Freitag in Potsdam. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro mehr Gehalt. Der Tarifabschluss soll eine Laufzeit von einem Jahr haben.

Finnern spricht von „Blockadehaltung“

„Kein Angebot für eine Gehaltserhöhung, kein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, keine Übernahme des Ergebnisses für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst in Bund und Kommunen in den Ländern: Das ist destruktiv, das ist Blockadehaltung. Die Beschäftigten werden in den nächsten Wochen in den Betrieben und auf der Straße mit Streiks und Aktionen die richtige Antwort auf diesen Konfrontationskurs der TdL geben“, betonte Finnern. Zudem stellte die TdL die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten in Frage.

GEW sieht Nachholbedarf

Die GEW-Vorsitzende erinnerte daran, dass die Inflation noch nicht vorbei sei. Die Beschäftigten hätten aus den vergangenen beiden Jahren einen großen Nachholbedarf beim Gehalt. „Lehrkräfte und Sozialarbeiter an den Schulen sind wegen des Fachkräftemangels am Limit. Um diese Berufe für junge Menschen, die ins Erwerbsleben starten, wieder attraktiver zu machen, müssen die Arbeitsbedingungen besser werden und die Gehälter deutlich steigen“, unterstrich Finnern. „Wir fordern die TdL auf, die Eingruppierungsregelungen für angestellte Lehrkräfte, für Quer- und Seiteneinsteigende sowie pädagogische Fachkräfte endlich weiter zu entwickeln. Seit einem halben Jahrzehnt sitzen die Arbeitgeber dieses Thema aus, obwohl in den Schulen die Hütte brennt.“

Hohe gesellschaftliche Bedeutung der pädagogischen Arbeit

Die Pädagoginnen und Pädagogen hätten in den jüngsten Krisen gezeigt, wie hoch die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit in Schulen, Kitas und Hochschulen ist. Finnern machte sich darüber hinaus für die studentischen Beschäftigten stark: „Abgesehen von Berlin gibt es für diese jungen Leute keinen Tarifvertrag. Die Arbeitgeber wollen den studentischen Beschäftigten in den anderen Ländern einen Tarifschutz verweigern. Wir werden uns weiter für einen TV Stud stark machen!“

„Der Abschluss für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen vom Frühling hat den Maßstab gesetzt, an dem sich die Länderarbeitgeber orientieren müssen. Deren Ansage, das Volumen des Bund-/Kommunen-Abschlusses zu unterlaufen, führt zur Abkopplung der Landesbeschäftigten“, hob die GEW-Vorsitzende hervor.

Info: Für die Tarifrunde im öffentlichen Dienst Länder sind drei Verhandlungsrunden geplant. Die dritte Runde findet am 7./8. Dezember 2023 in Potsdam statt.

Verhandlungen für 2,5 Millionen Beschäftigte

Die Gewerkschaften verhandeln für rund 2,5 Millionen Beschäftigte. Im Organisationsbereich der GEW wird beispielsweise für Beschäftigte an Schulen wie Lehrkräfte, im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder wie Erzieherinnen und Schulsozialarbeiter sowie für Hochschullehrende und studentische Beschäftigte verhandelt.

Ver.di hat die Verhandlungsführerschaft für die Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Quelle: Pressemitteilung GEW




Warum Eltern ihren Babys vorsingen sollten

Spiellieder prägen die Sprachfähigkeiten von Kleinkindern

Eltern singen ihren Babys oft Wiegenlieder oder fröhliche Spiellieder vor. Doch wie reagieren Babys auf diese alltäglichen Gesänge – und welche Rolle spielen sie für die kindliche Entwicklung? Diesen Fragen ist ein Forschungsteam der Universität Wien in Zusammenarbeit mit der University of East London in einer aktuellen Studie nachgegangen. Das Fazit: Welche Lieder Eltern mit ihren Kleinen singen und wie Babys auf unterschiedliche Rhythmen reagieren, hängt mit der späteren Sprachentwicklung der Kinder zusammen. Die Studie erscheint aktuell im Fachjournal Developmental Cognitive Neuroscience.

Vom Instinkt zur bewussten Aktion

Musik spielt eine tiefgreifende Rolle im menschlichen Alltag – und das schon von ganz früh. Weltweit singen Eltern instinktiv für ihre Babys in vielerlei alltäglichen Situationen, etwa beim Wickeln oder Spielen. Dabei wollen sie ihre Kleinen beruhigen, deren Aufmerksamkeit gewinnen oder einfach gemeinsam Spaß haben. Forscherinnen und Forscher aus dem Wiener Kinderstudien Labor der Universität Wien haben sich nun gefragt, wie junge Säuglinge auf unterschiedliche, von der Mutter vorgesungene Rhythmen reagieren und welche Folgen die Wahrnehmung und Verarbeitung dieser Rhythmen für die Sprachentwicklung hat. 

Musik motiviert

Die akustischen Merkmale von Kinderliedern variieren abhängig von ihrem Verwendungszweck: Spiellieder zeichnen sich durch eine höhere Rhythmik, ein schnelleres Tempo und höhere Tonhöhen aus. Sie sind zudem musikalisch vielfältiger und komplexer als Schlaflieder. Letztere sind durch ein langsames Tempo, tiefere Tonhöhen und weniger musikalische Variation gekennzeichnet, um Babys zu beruhigen und beim Einschlafen zu helfen. In einer neuen Studie haben Mütter ihren sieben Monate alten Babys zwei bekannte Kinderlieder vorgesungen – ein Schlaflied („Schlaf, Kindlein schlaf“) und ein Spiellied („Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“).

Bei den Säuglingen wurde dabei die Gehirnaktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG) gemessen. Zusätzlich wurden die rhythmischen Bewegungen (etwa wippen oder strampeln) der Babys beobachtet. Als diese Kinder 20 Monate alt waren, wurden die Eltern mittels Fragebogen über den Wortschatz ihrer Kleinkinder befragt.

Schlaflieder und Spiellieder

Durch moderne Analyseverfahren konnten die Forscherinnen und Forscher zeigen, dass es möglich ist, anhand der Gehirnaktivität der Babys die neurale Verarbeitung beider Arten von Liedern zu beobachten. Dazu Studienerstautorin Trinh Nguyen: „Unsere Ergebnisse zeigten, dass es den Babys leichter fiel, das Schlaflied mit ihrer Gehirnaktivität zu ,tracken’“. Damit ist gemeint, dass die Gehirnwellen den Klang des Gesangs widerspiegeln. Das liegt wahrscheinlich am langsamen Tempo und den einfachen Strukturen des Liedes.

Mehr rhythmische Bewegungen zeigten die Säuglinge allerdings während des Spiellieds.“ Die etwas komplexeren musikalischen Strukturen der Spiellieder könnten anregender sein und die Kinder dadurch motivieren, sich mehr zur Musik zu bewegen. Spannenderweise wirkte sich aber nur das neuronale Tracking in Kombination mit rhythmischen Bewegungen beim Spiellied positiv auf die Größe des Wortschatzes der Kinder im Alter von 20 Monaten aus.

Auf das Lied kommt es an

Die Studie legt nahe, dass die Art und Weise, wie Babys auf unterschiedliche Lieder reagieren, mit ihrer späteren sprachlichen Entwicklung zusammenhängen könnte. Dies eröffnet Möglichkeiten für weitere vertiefende Forschung, um die Mechanismen und genauen Zusammenhänge zwischen musikalischer Wahrnehmung und Sprachentwicklung besser zu verstehen. In weiterführenden Studien untersucht das Forschungsteam zum Beispiel, welche musikalischen Elemente (Tonhöhe, Tempo, Klangfarbe) für Babys besonders anregend sind.

Die Erkenntnisse könnten für die Entwicklung von Interventionsprogrammen hilfreich sein, die die musikalische Interaktion zwischen Eltern und Babys gezielt fördern. Dies könnte von der Frühförderung bis zum Kindergarten und darüber hinaus reichen, um die kognitive und sprachliche Entwicklung von Kindern zu unterstützen.

Originalpublikation:

Trinh Nguyen, Susanne Reisner, Anja Lueger, Sam V. Wass, Stefanie Höhl, & Gabriela Markova: Sing to me, baby: Infants show neural tracking and rhythmic movements to live and dynamic maternal singing. In: Developmental Cognitive Neuroscience, 2023.
DOI: 10.1016/j.dcn.2023.101313

Theresa Bittermann, Universität Wien




Wie sich der Geschmack beim Essen entwickelt

Die Ernährungswissenschaftlerin Prof. Bianca Müller erläutert, wie Geschmacksvorlieben entstehen

Spätestens im Urlaub ist einem schon einmal die Frage in den Sinn gekommen: „Und das soll schmecken?“ Doch vergorener Fisch oder tausendjährige Eier sind gar nicht nötig, um das eigene kulinarische Empfinden auf die Probe zu stellen. Auch regionale Spezialitäten oder spezielle Gemüsesorten spalten die Meinungen. Während einem Menschen beim Gedanken an Grünkohl und Blutwurst das Wasser im Mund zusammenläuft, verursacht allein der Gedanke an den Verzehr selbiger Brechreiz bei einer anderen Person.

Erlernt oder angeboren

Haben wir einfach gelernt, bestimmte Lebensmittel zu lieben oder gibt es wirklich so etwas wie das „Koriander-Gen“? Die Frage, warum wir manche Lebensmittel mögen und andere nicht, kann gar nicht so einfach beantwortet werden. Denn dabei spielen angeborene als auch erlernte Faktoren eine Rolle. Dr. Bianca Müller (Foto), Professorin für Ernährungswissenschaft und Lebensmitteltechnologie an der SRH Fernhochschule, erklärt:

Überlebenswichtige Vorliebe für Süßes

„Einige Vorlieben und Aversionen werden mit in die Wiege gelegt: Babys besitzen beispielsweise eine angeborene Vorliebe für die Geschmacksrichtung ,süß‘ und eine Abneigung gegen bittere Lebensmittel. Die Natur hat das schlau eingerichtet. Denn auf diese Weise wird sichergestellt, dass die süß schmeckende Muttermilch gemocht wird und giftige bzw. ungenießbare Produkte, die häufig bitter sind, nicht verzehrt werden.“

Supertaster vs. Normalschmecker

„Der Mensch bringt aber auch individuelle genetische Veranlagungen mit. Beispielsweise können sogenannte ,Supertaster‘ Geschmäcker deutlich intensiver wahrnehmen als ,Normalschmecker‘. Gerade bei sehr intensiv schmeckenden Lebensmitteln, wie zum Beispiel Chicorée, Rosenkohl, Feldsalat oder Rote Bete, kann diese besondere Feinschmecker-Fähigkeit aber auch ein Nachteil sein: Der Geschmack wird als zu bitter beziehungsweise zu intensiv empfunden. Und das Lebensmittel wird abgelehnt. Schade um das gute Wintergemüse, das uns reichlich mit wertvollen Mineralstoffen, Vitaminen, sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen versorgt!“

Erlernbare Geschmacksvorliebe

Doch es liegt nicht allein in der Genetik, was wir bevorzugen oder ablehnen. Auch die Erziehung, unser Umfeld und individuelle Erfahrungen haben einen sehr großen Einfluss darauf, was wir als lecker oder eben nicht schmackhaft empfinden. Mit der Zeit können wir uns an Geschmäcker gewöhnen. Müller: „Die Prägung beginnt bereits im Mutterleib und setzt sich beim Stillen, während der Kindheit und bis ins Jugendalter fort. Babys nehmen über das Fruchtwasser und die Muttermilch Geschmackseindrücke aus der mütterlichen Nahrung wahr. Da diese Speisen meist auch später in der Familie auf dem Tisch landen, kommen die Kinder auch dann wieder mit diesen Geschmäckern und Aromen in Kontakt.“

„Du musst es nur oft genug probieren“ & negative Erfahrungen

Müller weiter: „Interessant ist, dass sich Vorlieben schon allein durch wiederholten Kontakt zu einem Lebensmittel ausbilden. Das wird als Mere-Exposure-Effekt bezeichnet. Allerdings tritt der nur dann auf, wenn der Kontakt mit der jeweiligen Speise in einem positiven Kontext stattfindet. Wenn der Verzehr mit einer negativen Erfahrung in Verbindung gebracht wird, wie zum Beispiel darauffolgendem Erbrechen oder auch Streit am Familientisch, können sich auch Abneigungen gegen bestimmte Speisen ausbilden. Vereinfacht ausgedrückt kann man also schon sagen, dass man ein Lebensmittel nur häufig genug probieren muss, bis es einem dann irgendwann schmeckt. Das erklärt, warum die Kultur und das Umfeld, in dem wir aufwachsen, eine große Rolle im Hinblick auf unsere Essensvorlieben spielt.“

Und da wären wir wieder bei unseren, eingangs erwähnten, landestypischen Spezialitäten. Müller: „So wird ein Ostasiate bei einem schön würzig-reifen Weichkäse eventuell ein Ekelgefühl empfinden und das Produkt als überreif und verdorben empfinden. In Frankreich gilt das gleiche Produkt als Delikatesse. Umgekehrt verhält es sich vielleicht mit gegrillten Heuschrecken, die bei den meisten Europäern eher auf Skepsis stoßen.“

Geschmacksvorbilder für Kinder

Abschließend hat Müller noch einen wichtigen Tipp für Bezugspersonen von Kindern: „Insbesondere Kinder lernen sehr viel über Beobachtung. Im Hinblick auf die Ausbildung eines gesunden Essverhaltens ist es also enorm wichtig, dass Eltern, Großeltern, Geschwister, ErzieherInnen mit gutem Beispiel voran gehen und Rosenkohl & Co ganz selbstverständlich in die eigene Ernährung integrieren.“

„Grundsätzlich ist es aber auch kein Problem, wenn wirklich einmal etwas nicht gemocht wird. Das kann unterschiedliche Gründe haben und sollte akzeptiert werden. Es gibt bei uns so eine große Auswahl an Lebensmitteln – da ist sicherlich für jeden etwas dabei.“

Katja Narkprasert, SRH Fernhochschule




Jedes 10. Schweizer Kind erhält Ohrfeigen

Studie offenbart Realität in Schweizer Kinderzimmern – Gewaltfreiheit noch nicht im Gesetz verankert

Laut der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen hat jedes Kind das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. In Deutschland wurde dies 2001 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert, in Österreich existiert das Gewaltverbot sogar schon seit 1989. In der Schweiz dagegen gibt es kein Verbot von Körperstrafen in der Erziehung. Dabei hatten auch die Eidgenossen im Jahre 1997 die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert und sich verpflichtet, sie umzusetzen.

Studie der Universität Freiburg

Dass sollte das nun bald geschehen. Nachdem die Schweiz von internationalen Gremien bereits wegen „Untätigkeit“ gerügt wurde, hat der Schweizer Bundesrat im Sommer das Gewaltverbot angekündigt.

Eine aktuelle Studie der Universität Freiburg im gleichnamigen Schweizer Kanton unter 1.605 Schweizer Müttern und Vätern gibt nun Aufschluss über den Erziehungsalltag in den Familien. „160.000 Kinder haben Eltern, die Ohrfeigen“ titelt die Sonntagszeitung, der die Studie vorliegt. Während danach 62 Prozent der Eltern angeben, nie körperliche Gewalt einzusetzen, sind es immerhin 38 Prozent, die dies tun. Dazu gehören bei 10 Prozent der Mädchen und Jungen (160.000 Kinder) Ohrfeigen, Schläge auf den Hintern erhalten knapp 19 Prozent (etwa 300.000), kalt abgeduscht werden etwa 3 Prozent (48.000) und zwei Prozent (32.000 Kinder) erhalten Prügel mit Gegenständen. „Noch mehr Kinder und Jugendliche werden von ihren Eltern beschimpft, beleidigt, gedemütigt oder über längere Zeit ins Zimmer eingesperrt. Mehr als die Hälfte der Eltern, 60 Prozent, setzen solche Strafmaßnahmen ein.“, heißt es im Bericht der Sonntagszeitung.

Gewaltverbot: „gesetzliche Verankerung der anti-autoritären Hippie-Erziehung“

In das Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB) soll nun die Formulierung: Eltern haben das Kind „ohne Anwendung von körperlichen Bestrafungen und anderen Formen entwürdigender Gewalt zu erziehen“. Die Diskussion darüber wird seither recht emotional geführt: So hat laut einem Bericht der Schweizer Zeitung „20 Minuten“ unter anderem der Aargauer Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Andreas Glarner, das geplante Gesetz als „gesetzliche Verankerung der anti-autoritären Hippie-Erziehung“ bezeichnet.

Die SVP ist mit 28,6 Prozent der am 22. Oktober 2023 abgegebenen Stimmen in der Schweiz die stärkste Partei und legt sogar drei Prozentpunkte zu.

Gewaltverbot im Gesetz sorgt nicht für Gewaltverzicht in der Erziehung

Das Gewaltverbot im Gesetz bedeutet eine gesellschaftliche Ächtung von Gewalt in der Erziehung. Verhindern kann es sie nicht. Das belegen zahlreiche Studien weltweit. Erst 2020 zeigte eine breit angelegte Studie von UNICEF zum Tag der Kinderrechte, dass noch immer jeder sechste Deutsche Ohrfeigen in der Erziehung für angebracht hält. Jeder zweite meint, dass ein Klaps auf den Po noch keinem Kind geschadet habe. In Österreich zeigt sich zwar ein besseres Bild. Aber auch hier halten viele Gewalt noch für ein probates Erziehungsmittel: Laut einer Studie des Gallup-Instituts von 2020 hält noch immer jeder fünfte Österreicher leichte körperliche Strafen nicht für bedenklich und etwa gleich viele sehen drastischere Maßnahmen als notwendige Erziehungsmittel. Insofern scheinen die alltäglichen Verhältnisse in der Schweiz zumindest noch besser als in Deutschland zu sein.

Dabei wird in allen drei Ländern Gewalt nach wie vor primär mit körperlicher Gewalt in Verbindung gebracht. Andere Formen der Gewalt werden oftmals bagatellisiert.

Gernot Körner




Transparente Strukturen können Arbeitszufriedenheit in Kitas erhöhen

Ein Interview mit Anne Ruppert zur Arbeitsplatzsituation pädagogischer Fachkräfte

Die Diskussion um den Fachkräftemangel in Kindertagesstätten ist aktueller denn je. Im August wurden im Rahmen des Kita-Qualitätsgesetzes vier Milliarden Euro für bessere Qualität in Kitas von der Bundesregierung freigegeben. Eine Investition, die bitter nötig ist, denn in den vergangenen rund 16 Jahren wurden mehr Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen und die Ganztagesbetreuung ausgebaut. Gleichzeitig haben die qualitativen Anforderungen zugenommen durch Inklusion, Integration und die Zusammenarbeit mit den Eltern, aber auch durch den insgesamt gewachsenen Anspruch an Kitas als Bildungseinrichtung. Die gestiegenen Anforderungen sorgen bei den pädagogischen Fachkräften für ein Gefühl von Überforderung, viele sind überlastet und leiden unter den Arbeitsbedingungen, was sich beispielsweise in hoher Fluktuation oder im Burn-Out äußert. In der Folge fangen gut ausgebildete Fachkräfte häufig Personalstunden auf, was wiederum zu Frustration und Unzufriedenheit führt. Mit anderen Worten: Die Personalsituation hinkt dem Ausbau der Angebote deutlich hinterher.

Doch neue Fachkräfte gewinnt man nicht von heute auf morgen. Das vorhandene Fachpersonal halten ist somit die Devise und den Beruf attraktiver machen. Daher ist die Fragestellung, mit der sich die Pädagogin Anne Ruppert, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Bielefeld (HSBI), in ihrer kürzlich abgeschlossenen Doktorarbeit am beschäftigt hat, absolut relevant: Was trägt zur Arbeitszufriedenheit pädagogischer Fachkräfte bei?

Anne Ruppert

Frau Ruppert, wie kam es dazu, dass Sie genau dieser Frage wissenschaftlich auf den Grund gegangen sind?

Ruppert: Ich habe selbst einige Jahre in einer Kindertageseinrichtung gearbeitet und danach mehrere Jahre als selbstständiger Coach Kita-Teams beraten. Dabei nahm ich zum einen die Fluktuation innerhalb der Teams als stetige Unruhe wahr. Zum anderen wurde ich gezielt von TrägervertreterInnen gefragt, wie die hohe Fluktuation zu erklären ist und was dagegen unternommen werden kann. Diese Frage war Anstoß meiner Forschungsarbeit. Dabei habe ich mich oft gefragt, warum manche Teams funktionieren und über Jahre bestehen bleiben und in anderen Teams ein kontinuierlicher Wechsel der Fachkräfte stattfindet.

Wie sind Sie bei Ihrer Arbeit vorgegangen und was ist dabei herausgekommen?

In zwölf leitfadengestützten Interviews habe ich mit Erzieherinnen, Kindheitspädagoginnen und Kita-Leitungen gesprochen. Meine These war zunächst, dass die Mit- und Selbstbestimmung ein entscheidender Faktor sein könnte. Es zeigte sich, dass Partizipation zwar wichtig ist, aber vielmehr wünschten sich die Befragten transparente Strukturen und Zuständigkeiten sowie einen festen Rahmen, in dem Partizipation stattfindet. Ich nenne das `autonomieunterstützende Begleitung‘. Das bedeutet, ich möchte selbstständig arbeiten, wünsche mir aber Feedback und einen klaren Rahmen, in dem ich handle. Dadurch entsteht Sicherheit im beruflichen Handeln, was wiederum die Zufriedenheit erhöht.

Ein Beispiel: eine Erzieherin muss ein Elterngespräch führen und fühlt sich unsicher. Wenn sie weiß, dass sie den Fall mit ihrer Kita-Leitung besprechen kann, von ihr ein hilfreiches Feedback bekommt oder auch das Angebot, sie in dem Gespräch zu begleiten, so hilft das enorm. Fühlen sich die Fachkräfte hingegen allein gelassen, kann dies zu Unsicherheit und gegebenenfalls Überforderung führen, und das wiederum zu Unzufriedenheit.

Trifft das Ergebnis ausschließlich für das Verhältnis zwischen pädagogischem Fachpersonal und der Kita-Leitung zu oder auch für Kita-Leitung und Träger?

Das Ergebnis trifft auch auf die Zusammenarbeit zwischen Kita-Leitung und Träger zu. Die pädagogische Fachkraft im Gruppendienst nimmt die Position und Verantwortlichkeiten der Leitungskräfte als enorme Entlastung wahr. Fühlt sich die Fachkraft überfordert, kann sie die Verantwortung an die Leitungskraft übertragen. Wie im Beispiel des Elterngesprächs.

Die Leitungskräfte hingegen arbeiten eher autark und örtlich getrennt von ihren Vorgesetzten. Wenn regelmäßiger Austausch und Unterstützungsangebote zwischen Leitungskraft und Träger vorhanden sind, trägt das zur Zufriedenheit bei. Auf der anderen Seite berichteten Leitungskräfte, dass sie Aufgaben übertragen bekommen haben, die sie als überfordernd wahrnahmen und dazu kein Unterstützungsangebot oder Feedback vom Träger erhielten. Das wiederum trägt zu Unsicherheit und Unzufriedenheit bei.

Können Sie noch weitere Beispiele nennen, die aufzeigen, wo sich die Fachkräfte klare Strukturen bei gleichzeitig selbstbestimmtem Handeln wünschen?

Fachkräfte nehmen sich in ihrer Arbeit als selbstbestimmt wahr. Gleichzeitig rahmen einige Spannungsfelder die frühpädagogische Arbeit und können zu Irritationen führen, zum Beispiel über Qualitätsansprüche. In der Diskussion um Professionalisierung und Qualität wird wiederkehrend über das Ausbildungsniveau der Fachkräfte gesprochen, gleichzeitig werden personelle Engpässe vielfach durch ungelernte Kräfte ausgeglichen. Hier besteht ein Widerspruch. Durch transparente Verantwortungsbereiche für gelernte und ungelernte Kräfte könnte diesem Widerspruch entgegengewirkt werden.

Ebenso verhält es sich mit der Kontinuität des Betreuungspersonals, welches als die zentrale Grundlage für Bildungs- und Bindungsprozesse gilt. In der Praxis werden Fachkräfte hingegen oft mit befristeten Verträgen eingestellt, was zu Unsicherheiten für die Beschäftigten führt. Nicht nur für die befristet angestellte Fachkraft, sondern auch für das Team, welches in einer Ungewissheit über die zukünftige Teamzusammensetzung arbeitet.

Welche Rolle spielen da die noch unscharf definierten Berufsfelder von Erzieherinnen und Kindheitspädagoginnen?

Diese Frage schließt sich der Beantwortung der vorherigen Frage an: Eine transparente Definition der einzelnen Berufsfelder findet sich in der Praxis aktuell noch selten. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Kindheitspädagoginnen mit abgeschlossenem Studium in frühpädagogischen Einrichtungen als Erzieherinnen arbeiten. Diese Berufsbezeichnung bildet jedoch nicht das Studium und den Abschluss der Kindheitspädagoginnen ab. Hier wäre es besonders wichtig, eine klare Definition der einzelnen Berufsfelder herzustellen, um Anreize zum Studium der Kindheitspädagogik zu sichern. Es stellt sich sonst die Frage, warum Fachkräfte Kindheitspädagogik studieren sollten, wenn sie mit Abschluss des Studiums in einem Ausbildungsberuf arbeiten und auch die gleiche Tätigkeit in der Einrichtung ausüben.

Das Kita-Qualitätsgesetz steht vor der Umsetzung: vier Milliarden Euro sollen vor allem in den Personalausbau fließen. Wie sehen Sie das Gesetz mit Blick auf Ihre Forschungserkenntnisse und wie kann es gelingen, das Personal zu gewinnen bzw. junge Menschen für das Berufsbild zu begeistern?

In Hinblick auf meine Forschungsergebnisse und auf die Qualität von Kindertageseinrichtungen ist unter anderem die Stärkung der Leitungskompetenz eine unumgängliche Voraussetzung. Zum einen zeigen Untersuchungen, dass die Attraktivität einer Leitungsposition abnimmt, zum anderen verdeutlichen Forschungsergebnisse, dass die Führung einer Einrichtung sich nachweislich auf die Qualität der frühpädagogischen Arbeit auswirkt.

In diesem Zusammenhang wäre auch die Anhebung des Personalschlüssels oder auch der gezielte Einsatz von fachlich einschlägigen Fachkräften wie. Kindheitspädagoginnen, Motopädinnen ein gutes Mittel, um die Qualität der frühpädagogischen Arbeit zu sichern. Frühpädagogische Fachkräfte wollen vor allem mit Kindern arbeiten, doch im Alltag zeigt sich häufig, dass der Anteil dieser Arbeit verhältnismäßig gering ausfällt, weil der Personalmangel wenig zeitliche Ressourcen für die Beschäftigung mit den Kindern lässt. Untersuchungen zeigen, dass die Relation von Fachkräften und Kindern unterhalb der empfohlenen Relation liegt und Leitungskräfte angeben, dass sie im zurückliegenden Jahr 20 Prozent der Zeit in einer personellen Unterbesetzung gearbeitet haben. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für die individuelle Arbeit mit den Kindern.

Die Anhebung des Personalschlüssels, insbesondere auch um Kindern mit besonderen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist daher aus meiner Sicht unumgänglich. Gleichzeitig muss in eine gute Organisation der MitarbeiterInnen vor Ort investiert werden, damit die Maßnahmen im Alltag Früchte tragen. Nur, weil mehr Fachkräfte in den Einrichtungen sind, verbessert sich nicht automatisch die Qualität. Es bräuchte Strukturen, die gezielte Angebote und Zuständigkeiten sicherstellen. Am Ende sind wir dann wieder bei Maßnahmen zur Qualitätssicherung durch Leitungskräfte und Träger. Es müsste darauf hingewirkt werden, dass Fachkräfte der Arbeit nachgehen können, für die sie sich vor ihrer Ausbildung entschieden haben: Die Arbeit mit den Kindern. Darüber hinaus braucht es verlässliche Strukturen, unbefristete Verträge und Kontinuität in den Teams, um den Kopf frei zu haben für die eigentliche Arbeit.

Dr. Lars Kruse, Ressort Hochschulkommunikation, Hochschule Bielefeld




Große Mehrheit gegen Quengelware im Kassenbereich

Auch Alkohol und Tabak sollen an der Supermarktkasse verschwinden

Eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger lehnt die Platzierung von Alkohol, Tabak und Süßwaren in der Kassenzone von Supermärten ab. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts Kantar im Auftrag des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg und der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK). Jeweils drei Viertel der Befragten sind dagegen, dass Supermärkte Alkohol und Süßwaren im Kassenbereich platzieren. Im Falle der Tabakwaren lehnen zwei Drittel der Befragten diese deutschlandweit gängige Praxis ab. Unter Personen, die früher einmal geraucht haben, sind sogar 72 Prozent dagegen. Dass ausgerechnet gesundheitsschädliche Produkte und krebserzeugende Waren wie Tabakerzeugnisse als Impulsware vertrieben werden, steht seit Jahren in der Kritik.

„Die Kassenzone verführt gezielt zum Spontankauf“, erklärt Katrin Schaller, kommissarische Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am DKFZ. „Die Platzierung der Süßwaren auf Augenhöhe der Kinder im Quengelbereich provoziert bewusst Familienstreit, um den Absatz von Süßwaren anzukurbeln. Alkohol und Tabak an der Kasse machen es Menschen mit Suchterkrankungen schwer, abstinent zu bleiben. Der Gesetzgeber muss dieser Verkaufspraxis einen Riegel vorschieben“, so Schaller.

Gesundheitsminister fordert zur Diskussion auf

Die damalige große Koalition aus CDU/CSU und SPD hatte 2015 beschlossen, dass Supermärkte auf Süßes an der Kasse verzichten sollen.[i] Auch acht Jahre später ist daraus nichts geworden – Süßwaren in der Quengelzone sind nach wie vor der Normalfall in deutschen Supermärkten.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte Anfang des Jahres zum Thema Alkohol im Kassenbereich getwittert: „Über diese Art Regale an der Supermarktkasse muss gesprochen werden. Hier werden Menschen mit Alkoholkrankheit gezielt gefährdet. Das ist eine unethische Form der Werbung.“[ii] Eine Initiative aus seinem Haus ist seither nicht bekannt.

Auf Worte sollten Taten folgen

„Auf die Worte sollten nun auch Taten folgen“, fordert Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Eine gemeinsame Initiative des Bundesgesundheits- und Bundesernährungsministeriums ist überfällig. Andere Länder machen es längst vor.“, so Bitzer.

So hat in den Niederlanden die Regierung im Jahr 2020 beschlossen, dass ab 2024 in Supermärkten keine Tabakwaren mehr verkauft werden dürfen. Lidl hat daraufhin bereits im Oktober 2021 als erste Handelskette den Verkauf von Tabakprodukten eingestellt.[iii] Dänemark verbietet seit April 2021 den Verkaufsstellen, Tabakprodukte sichtbar auszustellen (Display Ban) und hat 2022 Einheitsverpackungen für Tabakprodukte und E-Zigaretten eingeführt. Nun hat Lidl Dänemark kürzlich angekündigt, bis Ende 2028 den Verkauf von Tabakprodukten vollständig einzustellen.[iv] In Großbritannien ist es seit Oktober 2022 verboten, Süßwaren oder andere unausgewogene Lebensmittel an der Kasse oder im Eingangsbereich zu platzieren.[v]

Wie der Begriff „Impulsware“ zum Ausdruck bringt, sollen die Produkte in der Kassenzone zum spontanen Kauf anregen. Das ist offenkundig effektiv, denn die Kassenzone zählt zu den umsatzstärksten Quadratmetern im deutschen Einzelhandel. Obwohl der Kassenbereich nur etwa ein Prozent der Ladenfläche ausmacht, liegt der Umsatzanteil von an der Kasse platzierten Waren in Supermärkten nach Daten des Kölner EHI Retail Instituts bei sechs bis sieben Prozent.[vi]

1.009 Bürgerinnen und Bürger befragt

Für die Umfrage hat Kantar im August 2023 insgesamt 1.009 Bürgerinnen und Bürger im Alter ab 14 Jahren befragt. Die Erhebung erfolgte über computergestützte telefonische Interviews über Festnetz und Mobilfunk (CATI) und gilt als bevölkerungsrepräsentativ.[vii]

Quelle: Pressemiteiilung DANK, DDG, DKFZ