Wie viel Bildschirmzeit ist für Kinder angemessen?

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Neue Leitlinie, unter Beteiligung der Uni Witten/Herdecke

Mit konkreten Tipps wollen Fachleute helfen, die Bildschirmzeit von Kindern zu begrenzen. Für Kinder und Jugendliche sei es umso besser, je weniger Zeit sie vor Bildschirmen verbringen, heißt es in einer Leitlinie die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und mit Beteiligung der Uni Witten/Herdecke entstanden ist. Darin geht es darum, einer Suchtentwicklung vorzubeugen.

Die empfohlene gesamte Bildschirmzeit vom Fernsehen über das Spielen am Computer bis zur Internetnutzung per Smartphone:

  • Unter 3 Jahren: Die Allerkleinsten sollten von jeglicher passiven und aktiven Nutzung von Bildschirmmedien ferngehalten werden, wie die Autoren schreiben. Das bedeutet, dass vor ihren Augen zum Beispiel möglichst auch die Eltern nicht ständig aufs Handy schauen sollten.
  • 3 bis 6 Jahre: Geraten wird zu höchstens 30 Minuten an einzelnen Tagen zum Heranführen an solche Medien. Lassen Sie das Kind dabei nicht allein. Die Nutzung einer Sand- oder Stoppuhr könne helfen zu begreifen, wie schnell die Zeit vor dem Bildschirm verfliegt.
  • 6 bis 9 Jahre: höchstens 30 bis 45 Minuten an einzelnen Tagen, außerhalb der Hausaufgaben am Bildschirm.
  • 9 bis 12 Jahre: höchstens 45 bis 60 Minuten in der Freizeit vor einem Bildschirm und nur beaufsichtigter Internetzugang.
  • 12 bis 16 Jahre: maximal ein bis zwei Stunden täglich in der Freizeit und spätestens bis 21.00 Uhr. Weiterhin mit inhaltlicher Begleitung und beschränktem Internetzugang.
  • 16 bis 18 Jahre: Die Zeit durch Regeln festlegen, als ein Orientierungswert werden zwei Stunden Nutzung in der Freizeit pro Tag angegeben.

Insgesamt umfasst die Leitlinie 55 verhaltenspräventive Empfehlungen zur Nutzung von Bildschirmmedien. Darüber hinaus beschreibt sie Möglichkeiten, wie Eltern und Ärzt:innen mit übermäßiger Nutzung umgehen können, und geht auf präventive Maßnahmen in Zeiten von digitalem Fernunterricht ein.

Prävention leistet einen wichtigen Beitrag für eine gesunde Entwicklung des Kindes

„Obwohl inzwischen viele gesundheitliche Risiken des übermäßigen Medienkonsums bei Kindern bekannt sind, wird noch viel zu wenig über Präventionsmaßnahmen gesprochen – sowohl in der Gesellschaft als auch in der Medizin“, sagt Prof. Dr. David Martin, Inhaber des Lehrstuhls für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin an der UW/H. „Wenn wir einem übermäßigen Medienkonsum in Kindheit und Jugend vorbeugen, können wir einen wichtigen Beitrag für eine gesunde seelische, geistige und körperliche Entwicklung leisten.“

Erarbeitet wurde die Handreichung unter der Leitung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. Die Universität Witten/Herdecke hat dazu eine Expert:innenkommission gebildet und koordiniert.

Die Leitlinie AWMF S2k richtet sich an Familien sowie an Mediziner:innen, Ärzt:innen und Psychiater:innen, die Kinder und Jugendliche behandeln. Zudem soll sie übergeordneten Organisationen wie Krankenkassen, Schulen, Kindergärten, Jugend-, Schul- und Versorgungsämtern, Erziehungsberatungsstellen oder anderen Personen und Einrichtungen, die sich mit Fragen zu Kindergesundheit und Kindeswohl auseinandersetzen, Orientierung geben. Neben der Langversion für das Fachpublikum fasst eine Kurzversion die wichtigsten Punkte für Erziehungsberechtigte zusammen. Beide Versionen stehen auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Verfügung:

https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/027-075

Bis drei: Bildschirmfrei!

Hier können Sie die Kurzversion direkt downloaden

Keine kausalen Zusammenhänge

Die Rechtfertigung jener, die die Warnun der Mediziner:innen in den Wind schlagen und selbst Kleinkinder vor den Bildschirm bringen wollen, besteht zumeist darin, dass der Wirkungszusammenhang zwischen Bildschirmnutzung und psychischer wie physischer Schädigungen nicht eindeutig nachgewiesen wurde.

Das ist zwar einerseits richtig, andererseits ist ein solcher ist ein Versuchsaufbau, der einen kausalen Zusammenhang nachweist auch nicht möglich. Dies würde letztlich bedeuten eine repräsentative Gruppe von Säuglingen aus ihrer normalen Umgebung zu reißen, in zwei Gruppen aufzuteilen und die einen über Jahre hinweg von Bildschirmen auszusetzen, während die anderen dem vermeintlich schädigenden Einfluss ausgesetzt werden.

Insofern trägt die Forderung nach der Herstellung von kausalen Zusammenhängen auch etwas zutiefst Menschenverachtendes in sich. Wem die zahlreichen Studien, die auf die schwere Gesundheitsschädigung von Kindern hinweisen, nicht ausreicht, der sei in seinem Bestreben, Kinder und vor allem Kleinkinder vor den Bildschirm zu setzen mit dem Argument gebremst, dass doch alles zu seiner Zeit stattfinden sollte.

Etwas mehr Entspannung bitte!

Die Vehemenz und Verbissenheit, mit der so manche und so mancher darauf pocht, dass schon Kleinkinder im Krippenalter mit Bildschirmen konfrontiert werden sollten, ist völlig unangebracht. Einerseits ist das Risiko für eine gesundheitliche Schädigung der Kinder hoch, andererseits verpassen sie nichts. Denn schließlich bieten die Empfehlungen der Ärzteschaft genügend Raum dafür, wenn die Kinder etwas älter sind. Wer dagegen eine latente Körperverletzung von Schutzbefohlenen in Kauf nehmen will, dem seien die Worte von Prof. Norbert Neuß in Erinnerung gerufen, der vor einiger Zeit im Interview mit dem Kindergartenträger Fröbel erklärt hat, dass er von Schwarzmalerei und Dämonisierung der Medien zwar nichts halte. Die berechtigte Skepsis und pädagogische Sorge der Kritiker jedoch ernst zu nehmen ist. Schließlich war es der Namensgeber des Unternehmens, Friedrich Wilhelm Fröbel der bei der Gründung des ersten Kindergartens vor rund 180 Jahren auch den Zusammenhang von spielen und lernen erkannte. Der tatsächliche Nachweis konnte allerdings erst vor 25 Jahren mit den bildgebenden Verfahren der Hirnforschung geliefert werden.

Wer also lieber 150 Jahre auf neue Möglichkeiten der Wissenschaft warten möchte, kausale Zusammenhänge herzustellen, um dann festzustellen, dass sein Verhalten den Kindern wohl eher geschadet als genutzt hat, sollte vielleicht schon heute seine Verhaltens- und Denkweise dringend hinterfragen. Niemand verpasst etwas, wenn die Kinder erst ab einem Alter von drei Jahren die ersten vorsichtigen Schritte in die Welt der digitalen Medien machen.

Quelle: Pressemitteilung Universität Witten/Herdecke (UW/H), Mitteilung: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.

Unsere Artikel von 2021 zum Thema




Unterrichts-Module zur Prävention von exzessivem Medienkonsum

Module

Leitidee: Kinder früh für ihre digitale Mediennutzung sensibilisieren

Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg bietet auf seiner Website Unterrichts-Module zum kostenlosen Download an. Zielgruppe: Jahrgänge 4 bis 6

Kinder sollen früh für ihre digitale Mediennutzung sensibilisiert werden durch:

  • Austausch über digitale Nutzung,
  • Nachdenken über Gefühle und Wünsche,
  • Handeln in Gruppendruck-Situationen (die Gruppe und ich),
  • spielerisches Nachdenken über Alternativen,
  • Reflexion der eigenen Bildschirmzeiten.

In den drei Modulen werden diese Themen behandelt.

Die vorliegenden Aufgaben sind als einzelne Bausteine einsetzbar, die unabhängig voneinander im fortgeschrittenen Grundschulalter und in der Orientierungsstufe der Jahrgänge 5 und 6 unterrichtet werden können. Eine Leitidee ist dabei, Kinder früh für ihre digitale Mediennutzung zu sensibilisieren, ihnen Refexionsangebote bereitzustellen und sie Alternativen zu Bildschirmmedien erarbeiten zu lassen. Insofern dienen die Aufgaben der Prävention einer möglichen exzessiven Mediennutzung und setzen am konkreten Verhalten der Schülerinnen und Schüler an.

Smart Kit

Module zur Prävention von exzessivem Medienkonsum

kostenfrei als Download

Weitere Informationen finden Sie hier auf li.hamburg.de

Quelle: LI Hamburg




Schadstoffe in Gummistiefeln für Kinder

ÖKO-TEST hat 20 Paar Kindergummistiefel untersucht – sieben fallen durch

20 Kindergummistiefel hat sich ÖKO-TEST näher angesehen. Sieben sind sehr gut. Sieben fallen durch.

Testverlierer sind Aigle, Bisgaard und Ernsting’s Family (Topolino) mit dem Gesamturteil „ungenügend“. Laut ÖKO-TEST enthält der Aigle Lolly Pop 2 unter anderem Naphthalin. Der krebsverdächtige Stoff kann über die Haut in den menschlichen Körper gelangen. Im Kindergummistiefel Bisgaard Fashion II – dem teuersten Produkt im Test – steckt wiederum unter anderem Pyren, das sowohl die Atemwege, die Augen als auch die Haut reizen kann. Auch im Topolino-Stiefel von Ernsting‘s family macht ÖKO-TEST einen kritischen Fund: Er enthält unter anderem DecaBDE in einer Konzentration, die über dem in der EU-Verordnung für persistente organische Stoffe festgelegten Grenzwert liegt. Das bromierte Flammschutzmittel ist schwer biologisch abbaubar und reichert sich in Lebewesen an. „Für uns ist ganz klar: Möglicherweise krebserregende oder organschädigende Stoffe haben in Stiefeln für Kinder rein gar nichts zu suchen“, sagt Kerstin Scheidecker, ÖKO-TEST Chefredakteurin.

Vier Produkte mit der Bestnote „sehr gut“ bewertert, drei mit „gut“

Aber es gibt auch gute Nachrichten aus dem Test. Erstmals in einem Gummistiefel-Test bewerten die Verbraucherschützer vier Produkte mit der Bestnote „sehr gut“: die Gummistiefel der Marken Celavi, Crocs, En Fant und TCM (Tchibo). Drei weitere schneiden mit „gut“ ab. „Das zeigt uns ganz klar: Es geht. Man kann Gummistiefel für Kinder ohne Schadstoffe herstellen – jetzt müssen die Hersteller der durchgefallenen Produkte dringend nachbessern“, fordert Scheidecker. ÖKO-TEST rät grundsätzlich dazu, dass Kinder in Gummistiefeln immer Socken und lange Hosen tragen, um Hautkontakt zu den Materialien zu vermeiden.

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Oktoberausgabe des ÖKO-TEST-Magazins und unter: oekotest.de/14108




Grundschulen so ausstatten, dass sie ihren Auftrag erfüllen können!

Grundschulverband weist auf schwaches Startchancenprogramms hin und fordert Richtungswechsel

Seit vielen Jahren schon weist der Grundschulverband darauf hin, dass die Grundschulen unterfinanziert und mit Aufgaben überfrachtet sind. Er fordert eine Änderung dieser Praxis. Das im Koalitionspapier groß angekündigte Startchancen-Programm der Bundesregierung kommt, so der Plan, erst zum Schuljahr 2024/2025 an den Start und zwar statt für die angekündigten 4.000 Schulen nur für 1.000. Ganz aktuell streicht das Land Nordrhein-Westfalen Mittel für den gemeinsamen Unterricht. Auch in anderen Bundesländern steht zu fürchten, dass am Bildungshaushalt gespart wird. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass von diesen Sparmaßnahmen einmal mehr die Grundschulen besonders betroffen sein werden.

„Kein gutes Zeugnis für das deutsche Bildungssystem“

Im Abschnitt „Bildung: Kein gutes Zeugnis für das deutsche Bildungssystem“ benennt der UNICEF- Bericht aktuelle Mängel im Bildungsbereich unmissverständlich:

  • Knapp 47.000 junge Menschen verlassen jährlich ohne Abschluss die Schule.
  • Betroffen sind hierbei in besonderem Maße Kinder und Jugendliche, die im Ausland geboren sind und in Deutschland zur Schule gehen.
  • Der Anteil von Kindern und Jugendlichen, die die unterste Kompetenzstufe des Lesens nicht erreicht haben, liegt bei rund 21 Prozent.

Vor dem Hintergrund dieser wenig befriedigenden Ergebnisse zur aktuellen Lage beleuchtet der Bericht die Ausgaben für den Bildungsbereich und damit die öffentlichen Investitionen in Bildung und stellt fest: Die Ausgaben für Bildung sind im internationalen Vergleich für den Grundschulbereich sehr niedrig: „Deutschland investierte hier 2019 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit 1,2 Prozentpunkte weniger als Spitzenreiter Schweden. Von den betrachteten Ländern investiert nur Rumänien noch weniger in die Grundschulbildung (0,5 Prozent). Dabei sind gerade die Grundschulen für Kinder wichtig. Hier entscheidet sich, ob Kinder unabhängig von der sozio-ökonomischen Herkunft ihre Talente entfalten können.“

Die Situation von in Armut lebenden Kindern und Jugendlichen hat sich verschärft

Prekär sind sowohl die Aussagen des UNICEF-Berichts, als auch die des aktuellen Deutschen Schulbarometers zur Kinderarmut: Die Situation von in Armut lebenden Kindern und Jugendlichen hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren verschärft. Deutlich sichtbarer wird, dass immer häufiger das Geld für zentrale Dinge des Schulalltags fehlt und Schulmaterialien, Ausflüge oder das Mittagessen nicht finanziert werden können.

Der Grundschulverband stellt fest: Es ist höchste Zeit für Investitionen in Bildungschancen und fordert:

  • Die Grundschulbildung ist besonders in den Fokus zu nehmen. Es ist sicherzustellen, dass Grundschulen personell und sächlich so ausgestattet sind, dass sie ihrem Auftrag, allen Kindern eine grundlegende Bildung zu vermitteln, auch gerecht werden können! Dazu gehört auch, dass den Grundschulen künftig endlich angemessen digitale Medienausstattungen zur Verfügung stehen.
  • Anstehende Haushaltskürzungen dürfen nicht zu Lasten von Kindern in Armutslagen gehen!
  • Es ist Aufgabe der Politik, Familien und Schulen in sozial herausfordernder Lage schnell, unbürokratisch und wirksam zu unterstützen!
  • Wir fordern auf Bundes- und Landesebene politisch längst fällige Entscheidungen zur Verbesserung der Startchancen von allen Kindern!

Weitere Informationen und Rückfragen:
Dipl.-Päd. Edgar Bohn, Vorsitzender Grundschulverband e.V.
Mobil: 0151 67 20 28 35
Mail: edgar.bohn@grundschulverband.de
Internet: www.grundschulverband.de




Ursprung kulturellen Lernens: Babys imitieren, weil sie imitiert werden

Der Ursprung sozialen Lernens beim Menschen liegt in der Interaktion von Säugling und seinen Bezugspersonen

Ohne darüber nachzudenken, lernt der Mensch laufend von anderen. Soziales Lernen vermeidet mühsames Ausprobieren, das Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden werden. Doch woher kommt diese Fähigkeit, die Grundlage für kulturelles Lernen und damit den evolutionären Erfolg der menschlichen Spezies ist? Eine Studie unter der Leitung von Professor Markus Paulus, Inhaber des Lehrstuhls für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), belegt, dass sie in der frühesten Kindheit wurzelt. „Kinder erwerben die Fähigkeit zur Imitation, weil sie selbst von ihren Bezugspersonen imitiert werden“, sagt Markus Paulus.

Kinder sind Imitationswunder – ihre Eltern sorgen dafür, dass sie es werden

Für die Studie wurde die Interaktion zwischen Mutter und Kind über mehrere Monate untersucht. Zum ersten Mal kamen die Babys im Alter von sechs Monaten ins Labor, die letzte Untersuchung fand im Alter von 18 Monaten statt. Im Rahmen spielerischer Situationen wurden Interaktionen und Imitationen von Mutter und Kind analysiert.

Die Längsschnittstudie zeigt: Je feinfühliger die Mutter mit ihrem sechs Monate alten Kind umging und je öfter sie es nachahmte, desto stärker war bei diesem im Alter von 18 Monaten die eigene Fähigkeit ausgeprägt, andere zu imitieren.

In der Interaktion von Eltern und Kind ist das gegenseitige Nachahmen ein Zeichen von Kommunikation. Eltern gehen auf die Signale des Kindes ein, spiegeln und verstärken sie. Es kommt zu einer gegenseitigen Imitation von Handlungen und Gesten. „Über diese Erfahrungen verbindet sich das, was das Kind fühlt und tut, mit dem, was es sieht. Es bilden sich Assoziationen heraus. Das visuelle Erleben wird mit der eigenen motorischen Handlung verknüpft“, erläutert Markus Paulus den neurokognitiven Prozess.

Durch Nachahmung lernen Kinder zum Beispiel, Objekte zu nutzen, kulturtypische Gesten wie zum Beispiel das Winken ebenso wie den Erwerb von Sprache. „Kinder sind Imitationswunder. Das Nachahmen ebnet ihnen den Weg zu ihrer weiteren Entwicklung. Mit Imitation beginnt der kulturelle Prozess der Menschwerdung“, so Markus Paulus. Lange galt in der Psychologie die Theorie, dass die Fähigkeit zur Nachahmung angeboren sei. Die LMU-Studie ist nun ein weiterer Beleg dafür, dass sie erst erworben werden muss.

Auf der Nachahmung basiert die kulturelle Weitergabe von Wissen

Entscheidend dafür, wie gut Kinder lernen, andere zu imitieren, ist, dass Eltern feinfühlig auf ihr Kind reagieren. Als Feinfühligkeit wird die Fähigkeit einer Bezugsperson bezeichnet, Signale des Kindes wahrzunehmen und rasch und adäquat darauf zu reagieren. „Die Feinfühligkeit der Mutter ist ein Prädiktor dafür, wie stark sie ihr Kind nachahmt“, sagt Dr. Samuel Essler, Erstautor der Studie.

Die Studie zeigt zudem, was den Menschen als soziales Wesen ausmacht: Seine individuellen Fähigkeiten entwickeln sich erst durch die Interaktion mit anderen. Sie sind der besonderen Art zu verdanken, wie der Mensch seinen Nachwuchs aufzieht.

„Indem Kinder Teil einer sozialen Interaktionskultur sind, in der sie imitiert werden, lernen sie von anderen zu lernen. Dieses Wechselspiel hat über Generationen und Jahrtausende zur kulturellen Evolution des Menschen geführt“, sagt Markus Paulus. „Durch soziales Lernen müssen Handlungen oder bestimmte Techniken nicht immer wieder neu erfunden werden, sondern es gibt eine kulturelle Weitergabe von Wissen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Fähigkeit zur Imitation und damit zum kulturellen Lernen selbst ein Produkt kulturellen Lernens ist, insbesondere der Eltern-Kind-Interaktion”, sagt Markus Paulus.

Originalpublikation: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0960982223011648?dgcid=coauthor

Quelle: LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse/Ludwig-Maximilians-Universität München




Kartoffelchips voller Schadstoffe – vor allem die Bios

ÖKO-TEST hat 20 Kartoffelchips mit der Geschmacksrichtung Paprika getestet

ÖKO-TEST hat 20 Kartoffelchips mit der Geschmacksrichtung Paprika getestet – darunter sieben Bio-Produkte. Die Bio-Chips von Dennree sind laut ÖKO-TEST „sehr gut“, während die restlichen Bio-Chips wegen jeder Menge Schadstoffe mit „ungenügend“ durchfallen. Auch bei drei konventionellen Anbietern sieht ÖKO-TEST rot. Acrylamid, Mineralölverunreinigungen und Glycidol sind die großen Probleme im Test. Allerdings: Alle drei Schadstoffe kommen vor allem in den Bio-Produkten in Mengen vor, die ÖKO-TEST abwertet. 

Acrylamid und Mineralölkohlenwasserstoffe

Acrylamid ist als krebserzeugend eingestuft. Der Stoff, der beim Erhitzen stärkehaltiger Lebensmittel entstehen kann, ist zwar in allen Testprodukten nachweisbar, die gemessenen Gehalte sind jedoch in den Bio-Produkten im Schnitt höher als in den Chips konventioneller Anbieter. Auch Mineralbestandteile hat das Labor in allen Chips nachgewiesen. Dabei stecken ausgerechnet in drei Bio-Chips-Sorten aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH), unter denen krebserregende Verbindungen sein können.

Das Bio-Produkt Flor De Sal d’Es Trenc Kartoffel-Chips Paprika überschreitet sogar den MOAH-Richtwert, den die Europäische Kommission beschlossen hat, um die Verunreinigung von Lebensmitteln mit MOAH einzudämmen. In vier Bio-Produkten haben die Labore Glycidyl-Fettsäureester nachgewiesen, in den Trafo Paprika Potato Chipssogar in Gehalten, die ÖKO-TEST als „stark erhöht“ einordnet. Das Problem: Im Körper können sie in Glycidol umgewandelt werden. Dieses wiederum gilt als krebsverdächtig und erbgutschädigend.

Am besten die Finger davon lassen

„Wir wussten, dass Chips nicht gerade gesund sind, aber dass sie teilweise so voller Schadstoffe stecken, erschreckt auch uns – gerade bei den Bio-Produkten. Bis die Hersteller hier nicht nachbessern, sollten aus unserer Sicht Verbraucherinnen und Verbraucher von einigen Produkten die Finger lassen“, sagt Kerstin Scheidecker, ÖKO-TEST Chefredakteurin. 

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Oktoberausgabe des ÖKO-TEST-Magazins und unter: oekotest.de/14106

Quelle: Pressemitteilung Öko-Test




GEW: Schulleitungen stehen unter Druck und sind motiviert

Bildungsgewerkschaft stellt Online-Befragung der Leitungskräfte an Schulen in Hamburg und Rheinland-Pfalz vor

Laut einer Online-Befragung die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unter Schulleitungen in Hamburg und Rheinland-Pfalz stehen die Leitungskräfte „hochgradig unter Druck, sind aber sehr motiviert“. Dies sei eine „explosive Mischung“, so die GEW in einer mitteilung, die die Gesundheit gefährde. Dazu hat die GEW knapp 800 Schulleitungsmitglieder befragen lassen. „Deshalb schlagen wir ein Maßnahmenbündel gegen die starke Gesundheitsgefährdung und das hohe Burnout-Risiko vor, denen Schulleitungen ausgesetzt sind. In allererster Linie müssen sich die Arbeitgeber verpflichten, Schulleitungskräften regelmäßige Belastungsstudien und Präventionsmaßnahmen anzubieten. Denn was angesichts der Arbeitszufriedenheit nach Traumjob klingt, entpuppt sich wegen der hohen Arbeitsbelastung und der Entgrenzungswerte als gesundheitsgefährdend“, sagen die GEW-Vorstandsmitglieder Anja Bensinger-Stolze und Ralf Becker.

Erhöhte Anforderungen an Leitungskräfte im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in der GEW-Datenbank

„Die Daten belegen, dass die Leitungskräfte an Schulen hochgradig belastet sind. Sie weisen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in unserer Datenbank deutlich erhöhte Anforderungen auf, aber nur wenige kompensierende günstige Faktoren“, sagte Matthias Nübling, Geschäftsführer der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften GmbH (FFAW) und Studienleiter.

Laut Nübling erklärten 83,6 Prozent der Leitungskräfte, dass sie „oft“ oder „immer“ mit hohem Tempo arbeiteten. 71,8 Prozent gäben an, „selten“ oder „nie“ Pausenzeiten einhalten zu können. Die Gesamtskala „Quantitative Anforderungen“ liege mit 74 Punkten rund 20 Punkte über dem deutschen Durchschnitt aus allen Berufen (55) bzw. über den Berufen in der öffentlichen Verwaltung (54) und zehn Punkte über dem Durchschnitt an Schulen (64). Für 86,5 Prozent sei die Arbeit „in hohem Maß“ oder „in sehr hohem Maß“ emotional fordernd. Bei den leitungsspezifischen Fragen gäben 80,8 Prozent an, dass „ziemlich oder sehr“ zutreffe, dass die Leitungsaufgaben keinen Freiraum für eine gründliche Vor- und Nachbereitung des Unterrichts ließen. 54,1 Prozent hätten demnach gemeldet, dass sie „oft“ oder „immer“ körperlich erschöpft seien. 44,6 Prozent kämen „oft“ oder „immer“ in die Schule, obwohl sie krank seien, weitere 30,6 Prozent würden sagen, dass sie dies „manchmal“ täten. Trotzdem würden 55,8 Prozent erklären, dass sie „oft“ oder „immer“ von ihrer Arbeit begeistert seien.

Mehr finanzielle und personelle Ressourcen gefordert

„Viele Schulleitungsmitglieder können nicht abschalten. Deutlich über 40 Prozent überschreiten zudem oft bzw. immer die vorgegebene Arbeitszeit. Wir sind sehr besorgt darüber, dass so viele Leitungskräfte kurz vor dem Burnout stehen oder wegen der Belastungen an einen Stellenwechsel denken. Es müssen sofort Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Die angespannte Situation an den Schulen darf nicht länger ignoriert werden. Wir brauchen mehr finanzielle und personelle Ressourcen für Schulen – und zwar umgehend“, betont Bensinger-Stolze.

„Wir beobachten an vielen Schulen eine hohe Belastung der Leitungskräfte. Dies ist jetzt empirisch und anonymisiert durch die Befragung bestätigt worden. Die Ergebnisse sind alarmierend. Viele Leitungskräfte gehen ihrem Traumjob nach, müssen dafür tagtäglich jedoch so viele Hürden nehmen, dass nicht wenige resignieren. Viele Kolleginnen und Kollegen gefährden ihre Gesundheit durch die hohe Arbeitsbelastung. So kann es nicht weitergehen“, sagt Becker.

Das sind die Lösungsvorschläge der GEW:

–        Regelmäßige Belastungsstudien durch die Arbeitgeber.
–        Verpflichtende Präventionsmaßnahmen durch den Arbeitgeber.

Politische Maßnahmen:
–        Ressourcen für Bildung stärken.
–        Die schlechte Ausstattung der Schulen sorgt für eine wachsende Arbeitsbelastung der
         Schulleitungen. Deshalb ist eine gesicherte, nachhaltige Ausstattung der Schulen ein wichtiger Faktor, um Belastungsfaktoren zu verringern.
–        Entlastung durch zusätzliches Personal (auch IT-Administratoren und Verwaltungsfachkräfte).
–        Entlastungsstunden für Leitungskräfte und zusätzliche Funktionsstellen.
–        Bessere Bezahlung.
–        Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel (s. 15-Punkte-Programm der GEW).
–        Die mangelhafte Ausstattung der Schulen ist für die Leitungskräfte eine große Belastung. Deshalb müssen das Startchancenprogramm, der Digitalpakt 2.0 und der Pakt für die Berufsbildenden Schulen, aber auch die bauliche, energetische und pädagogische Sanierung der Schulen umgehend angegangen werden.

Hier finden Sie die Ergebnisse der Online-Befragung.

Hier finden Sie die den Gesamtbericht zur Online-Befragung.




Babys brauchen soziale Interaktion, um verstehen zu können

Warum es einen Unterschied macht, wie wir mit unseren Babys sprechen

Eigentlich sollte es selbstverständlich sein: Wer mit einem Kind unter einem Jahr spricht. sollte Blickkontakt aufbauen, in einer kindgerechten Sprache sprechen und das Kind mit Namen ansprechen. Dass dies oft anders aussieht, erleben wir dennoch tagtäglich im Straßenbild. Prof. Dr. Christine Michel von der SRH Hochschule für Gesundheit hat dazu mit ihren Kolleginnen der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig und der Universität Wien eine neue Studie veröffentlicht:

Der Intuition folgen

„Im Miteinander mit Babys verändern wir ganz intuitiv unser Verhalten: Wir sprechen in einer höheren Stimmlage, mit mehr Wiederholungen und betonen oder übertreiben manchmal sogar unsere Mimik und Gestik. Bisherige Forschung hat gezeigt, dass Babys diese besondere Art der kindgerichteten Kommunikation bevorzugen. Allerdings ist bisher nur wenig darüber bekannt, wie die Signale vom Baby-Gehirn verarbeitet werden, welchen Einfluss diese sozialen Signale auf die Kinder haben und ob sie ggfs. das frühkindliche Lernen unterstützen“, erläutert Prof. Dr. Christine Michel, Professorin für frühkindliche Entwicklung an der SRH Hochschule für Gesundheit.

Methode

Zur Beantwortung dieser Fragen führte Prof. Dr. Christine Michel gemeinsam mit Daniel Matthes (Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig) und Stefanie Höhl (Universität Wien) am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig eine Studie durch, die nun in der Zeitschrift Child Development publiziert wurde. Dabei wurden 35 Mütter gebeten, ihren neun bis zehn Monate alten Babys ihnen unbekannte Gegenstände auf zwei verschiedene Arten zu zeigen: zum einen mit sozialen Signalen wie Blickkontakt, kindgerichteter Sprache und Ansprechen des Babys mit Namen, zum anderen ohne Blickkontakt, in Erwachsenensprache und ohne den Namen des Babys zu nennen. Währenddessen wurde die Gehirnaktivität der Babys mittels Elektroenzephalographie (EEG) gemessen, wobei der Fokus darauf lag, wie stark das Gehirn des Babys in den Frequenzbereichen Alpha und Theta aktiv war, zwei Gehirnrhythmen, die Prozesse der Aufmerksamkeit und sozialen Kommunikation widerspiegeln. Zudem wurde analysiert, wohin die Babys schauten, und anschließend getestet, ob die Babys die Gegenstände wiedererkannten.

Aufmerksamkeit wächst bei sozialer Interaktion

Wenn Mütter Babys mit sozialen Signalen ansprachen, richtete sich die Aufmerksamkeit der Babys stärker auf ihre Mütter und den Gegenstand. Überraschend war jedoch, dass die Gehirnaktivität der Babys im Alpha- und Theta-Bereich sich nicht zwischen beiden Interaktionsarten unterschied, aber im Vergleich zu einer Ruhephase ohne soziale Interaktion verändert war. Das frühkindliche Lernen war hingegen nicht beeinflusst von den sozialen Signalen, mit denen den Kindern der Gegenstand vorgestellt wurde, d. h. die Gegenstände wurden nicht besser wiedererkannt. Die Stärke der kindlichen Theta-Aktivität während der Interaktion war jedoch mit ihrer Lernleistung verbunden, was die wichtige Rolle des Theta-Rhythmus im Baby-Gehirn für frühkindliche Lernprozesse verdeutlicht. Doch auch wenn noch unklar ist, welche Faktoren einer sozialen Interaktion die Theta-Aktivität erhöhen, ist es wichtig, wie wir mit unseren Babys sprechen. Das Bereitstellen sozialer Signale wie Blickkontakt oder das Sprechen in einer kindgerichteten Weise kann Babys helfen, sich auf sozial relevante Dinge in ihrer Umgebung zu konzentrieren.

https://srcd.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/cdev.14011

Marie-Luise Unteutsch/SRH Hochschule für Gesundheit