Wie Kinder aus verschiedenen Ländern den Krieg sehen

Studie zeigt auch, wie soziale Netzwerke und klassische Nachrichtensendungen über den Krieg berichten

Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk hat soeben den ersten zusammenfassenden Überblick von Studien zur Frage, wie Kinder und Jugendliche aus der Ukraine, in Russland und Deutschland die Ereignisse in der Ukraine verstehen, und wie soziale Netzwerke wie TikTok, Twitter und klassische Nachrichtensendungen über den Krieg berichten, veröffentlicht. Auf der Homepage des IZI www.izi.de steht jetzt die aktuelle TelevIZIon „Der Krieg in der Ukraine“ zum Download zur Verfügung.

Wie erleben Kinder und Jugendliche aus der Ukraine den Krieg und was stellen sich Kinder, die in Russland oder Deutschland aufwachsen vor, was dort passiert? In der aktuellen TelevIZIon, dem Fachmagazin des IZI für Qualität im Kinder-, Jugend- und Bildungsfernsehen, werden Studien zu diesen und anderen Fragen vorgestellt. Die Befragung von jeweils 21 Kindern aus der Ukraine, Russland und Deutschland zeigt, wie unterschiedlich der Krieg eingeschätzt werden kann. Eine Studie mit 101 Kindern aus Deutschland verdeutlicht, was Kinder von Qualitätsmedien erwarten. Ukrainische Jugendliche zeigen in Filmen, wie sie die Kriegssituation seit 2014 erleben. Diese und weitere Studien verdeutlichen: Kinder und Jugendliche haben eine eigene Perspektive auf die Ereignisse, die bisher zu wenig wahrgenommen wurde.

Berichten ukrainische Kinder, die nach Deutschland geflohen sind über ihre Erlebnisse während des Kriegs, beschreiben sie unter anderem das Gefühl einer allumfassenden Bedrohung ohne Sicherheit, die Zerstörung von allem was ihnen wichtig war und die Hilf- und Hoffnungslosigkeit. Verfilmen ukrainische Kinder und Jugendliche, die schon seit Beginn des russischen Expansionskriegs 2014 als Binnengeflüchtete leben, ihre Gefühlswelt, werden die Zerrissenheit und die psychischen Folgen eines Lebens unter ständigem Beschuss deutlich. Es sind Erfahrungen, die sie, so der Forschungsstand, ein Leben lang prägen und zumeist auch in ihrer Entwicklung einschränken werden.

Gleichzeitig erweisen sich ukrainische Jugendliche als durchaus kompetent in der Nutzung von Medien zur Kommunikation, zur Informationsbeschaffung oder Regulierung der eigenen Gefühle. Bei Kindern aus der Ukraine werden – bei allem Leid – auch die Hoffnung und das unerschütterliche Vertrauen in die ukrainische Armee deutlich, die russische Soldat*innen zurückdrängt, besiegt und damit eine Rückkehr und Vereinigung der Familien ermöglicht.

Wie zu erwarten, sehen die Vorstellungen von der aktuellen Situation in der Ukraine bei Kindern, die in Russland aufwachsen ganz anders aus. Sie haben ihre Informationen fast ausschließlich aus den russischen Staatsmedien und gehen davon aus, dass die ukrainische Bevölkerung froh über die „Befreiung“ von den Nazis ist. Das Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung wird von den russischen Kindern und ihre Eltern erahnt, erscheint aus Perspektive der Kinder aber sozusagen als ein notwendiges Übel, damit die „schöne Ukraine“ und der „wehrhafte Russe“ wieder als „ein Volk“ zusammenleben können. Diese typischen russischen Propagandanarrative finden sich bei allen befragten Kindern, selbst bei jenen, die in Familien aufwachsen, die gegen den Invasionskrieg sind.

Der Angriffskrieg auf die Ukraine gilt schon jetzt als eine Zeitenwende, die in diversen Bereichen als historisch bezeichnet werden kann. Der Ukrainekonflikt ist dabei auch eine der ersten großen Krisen, bei denen soziale Netzwerke wie TikTok und Twitter eine Vorreiterrolle bei der Information und Desinformation übernahmen. Entsprechend wichtig sind Medienangebote wie die Kindernachrichtensendung logo!, die nicht nur altersangemessen in Wort und Bild berichtet, sondern auch Hintergrundinformationen zu den Ereignissen liefert. Wie sich Kindermedien in Deutschland und weltweit des Themas mit großer Sorgfalt annehmen und wie eine medienpädagogische Aufbereitung stattfinden kann, wird in der aktuellen Ausgabe der TelevIZIon zusammengefasst. Sie ist online abrufbar unter:

https://www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/publikation/televizion/35_2022_2.htm

Dr. Maya Götz Pressestelle
Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI)




Worauf Eltern bei Smartem Spielzeug achten sollten

TÜV SÜD gibt Tipps zu Kauf und zur sicheren Nutzung von Smart Toys

Weihnachten steht vor der Tür und auf den Wunschzetteln vieler Kinder stehen nicht nur Bausteine und Brettspiele, sondern vermehrt auch smartes Spielzeug wie lernfähige Teddybären, ein mit dem Smartphone steuerbares Rennauto oder sprechende Puppen, die Fragen des Kindes beantworten können. Diese sogenannten Smart Toys sind mit dem Internet verbunden, können auf ihre Umgebung reagieren und lassen sich per App oder Sprachbefehl steuern. TÜV SÜD erklärt, worauf Eltern beim Kauf von intelligentem Spielzeug achten sollten.

Die Qualität muss stimmen

Ob neue Trends wie Smart Toys oder Klassiker wie Holzspielzeug – Artikel für Kinder müssen qualitativ hochwertig sein und dürfen keinerlei Gesundheitsrisiken bergen. TÜV SÜD prüft bei Produkten für die Kleinsten, ob alle relevanten Sicherheitsstandards eingehalten werden:

• Elektrische Sicherheit
• Mechanische Sicherheit
• Gebrauchstauglichkeits- und Dauertests
• Verpackungstests
• Chemische Prüfungen (Schadstoffprüfungen)
• Entflammbarkeitsprüfungen
• Spot-Tests
• Zertifizierung
• Spezielle Prüfungs-Setups für den chinesischen und amerikanischen Markt
• Cybersicherheit / IT- und Datensicherheit

Spielsachen, die über das Siegel „Sicherheit geprüft“ verfügen, sind auf Farbechtheit, Entflammbarkeit und Belastbarkeit geprüft. Als Grundlage werden produktspezifische Normen und Prüfprogramme herangezogen. Das Siegel „Schadstoffgeprüft“ gibt darüber Auskunft, ob die entsprechenden gesetzlichen Grenzwerte eingehalten beziehungsweise unterschritten werden. Das blaue TÜV SÜD-Oktagon steht für geprüfte Qualität.

Datenschutzrisiko im Kinderzimmer

Bei smartem Spielzeug müssen weitere Faktoren beachtet werden, die über die Produktsicherheit, die bei TÜV SÜD geprüft wird, hinausgehen. Eltern sollten vor allem auf den Datenschutz achten. Häufig dienen intelligente Spielzeuge nicht nur dem Spielspaß, sondern sollen Lernprozesse des Kindes gezielt fördern und es auf die digitale Welt vorbereiten. Darüber hinaus gibt es bereits Geräte, die diagnostisch tätig werden und Lernschwierigkeiten bei Kindern erkennen sollen. Einige Smart Toys können auf das Verhalten des Kindes reagieren, dank Spracherkennung und eingebauten Lautsprechern mit ihm kommunizieren und sogar dazulernen. Auf diese Weise kann smartes Spielzeug aber nicht nur positive Lerneffekte fördern, sondern auch wortwörtlich zum Spion im Kinderzimmer werden. Denn durch Sensoren, Kameras oder Mikrofone, die Gespräche aufzeichnen, lassen sich Rückschlüsse auf regelmäßige Aufenthaltsorte, Gewohnheiten und Interessen des Kindes und anderer Familienmitglieder ziehen. Über die Verbindung zum Internet oder anderen Geräten können so Sicherheitslücken entstehen.

Wie das Spielzeug Daten verarbeitet, hängt vor allem davon ab, ob es „offline“ betrieben wird oder für die Funktionalität mit dem Internet oder anderen Geräten verbunden sein muss: Bei nicht-vernetzten Smart Toys finden alle Prozesse innerhalb des Geräts statt und Daten werden nur lokal verarbeitet. Diese Spielzeuge führen in der Regel eine Reihe an vorprogrammierten Reaktionen aus, die beispielsweise durch einen Sprachbefehl des Kindes ausgelöst werden. Zwar ist es möglich, dass für Software-Updates eine Internetverbindung aufgebaut werden muss, diese Smart Toys sind jedoch auch ohne Internet voll funktionsfähig. Vernetztes Spielzeug hingegen baut bei der Nutzung eine Internet- oder Bluetooth-Verbindung auf. Viele Hersteller bieten zusätzlich eine App zur Steuerung an. Aus Datenschutzgründen sollten Eltern nicht-vernetzte Smart Toys bevorzugen, die Daten lokal verarbeiten und nicht mit einem externen Server verbunden sind.

Spielzeug vor dem Kauf kritisch prüfen

Vor dem Hintergrund von Datenspeicherung oder -missbrauch und dem Eingriff in die Privatsphäre des Kindes liegt die Verantwortung des sicheren Einsatzes von vernetztem Spielzeug vor allem bei den Eltern. Es ist möglich, sein Kind an Weihnachten mit einem Smart Toy zu beschenken, ohne Sicherheitsrisiken einzugehen. Doch grundsätzlich sollte sich jeder, der vernetztes Spielzeug kauft, darüber im Klaren sein, dass damit Gefahren verbunden sein können und man die Kontrolle über die Daten in vielen Fällen abgibt. Folgende Faktoren sollten Eltern vor dem Kauf deshalb prüfen:

• Welche Funktionen hat das Spielzeug, welche Daten werden darüber erhoben und wie werden diese weiterverarbeitet?
• Bietet das Spielzeug selbst sowie zugehörige Dienste angemessene Mechanismen wie Verschlüsselung zum Schutz anfallender Daten?
• Wie sehen die Datenschutzbestimmungen der dazugehörigen Apps aus?
• Welche Rechte werden dem Spielzeug und der dazugehörigen Applikation eingeräumt (z.B. der Zugriff auf Kontaktdaten)?
• Besteht eine ständige Verbindung ins Internet?
• Zeichnen Kameras und Mikrofone immer auf oder können sie ausgeschaltet werden?
• Wird über GPS-Daten der Standort aufgezeichnet?
• Haben internetfähige Spielzeuge eine passwortgeschützte Bluetooth-Schnittstelle?
• Garantiert der Hersteller das Bereitstellen von Updates über die zu erwartende Nutzungsdauer?

Es lohnt sich also, Smart Toys auf dem Wunschzettel kritisch unter die Lupe zu nehmen. Grundsätzlich sollten Verbraucher darauf achten, nie leichtfertig persönliche Daten ihres Kindes weiterzugeben und die Datenweitergabe auf das zur Nutzung erforderliche Minimum zu beschränken.

Sicherer Umgang mit Smart Toys

Um eine sichere und verantwortungsvolle Nutzung zu gewährleisten, sollten Eltern außerdem einige Tipps zum Umgang mit Smart Toys beherzigen: So sollte das Spielzeug nur in einer vertrauensvollen Umgebung, zum Beispiel zu Hause, in Betrieb genommen werden, um zu vermeiden, dass geheime Informationen wie Passwörter von unberechtigten Personen abgefangen werden. Ebenso sollte das Spielzeug nur mit einem passwortgeschützten WLAN verbunden werden. Schnittstellen, beispielsweise zu einem Smartphone, oder die Netzwerkverbindung sollten nur aktiviert werden, wenn sie zwingend zur Nutzung benötigt werden. Außerdem muss das Koppeln des Spielzeugs mit anderen Geräten zum Beispiel durch die Anzeige eines PIN-Codes gesichert sein. Falls das Spielzeug in fremde Hände fällt, ist es wichtig, dass zum Schutz der Daten immer ein Zugriffsschutz aktiviert ist. Und nicht zuletzt sollten Eltern regelmäßig prüfen, ob Updates für das Spielzeug vorhanden sind und diese installieren.

Weitere Informationen gibt es hier.

Quelle: TÜV SÜD




Verbände fordern Schutz vor Energiesperren und Wohnungsverlust

Offener Brief an den Kanzleramtsminister und die Ministerpräsidenten

Im Brief an den Bundesminister und die Ministerpräsidenten begrüßen die Unterzeichner die Maßnahmen der Bundesregierung zur Abfederung sozialer Härten. Gleichzeitig schreiben sie: „Allerdings haben wir Sorge, dass die verschiedenen auf den Weg gebrachten Maßnahmen nicht ausreichen oder administrativ zu spät kommen können, um Mieter*innen vielerorts vor einer Überlastung durch die Energiekosten zu schützen und ihnen Sicherheit zu geben.“

„Gerade in der kalten Jahreszeit, in der viele Menschen daheim bleiben, sind Energiesperren grausam“, gibt Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes zu bedenken. „Man stelle sich nur eine kalte Wohnung ohne Elektrizität vor, in der man sich nicht einmal einen Tee kochen kann. Das droht gerade mehr Bürgerinnen und Bürgern als jemals zuvor”, so Rosenbrock weiter. Man müsse der Expertenkommission Gas und Wärme folgen und ein Kündigungsmoratorium für die Wintermonate erlassen, meint der Vorsitzende.

Noch schlimmer ist nur der Wohnungsverlust, meint Rosenbrock: „Seit Jahren steigen die Mieten und die Zahl der Wohnungslosen. Die sowieso schon angespannte Situation wird sich weiter verschlechtern. Der Verlust der Wohnung muss auf jeden Fall verhindert werden!” Noch ist unklar, wann das im kommenden Jahr in Kraft tretende Wohngeld-Plus bei den Haushalten ankommt. Daher sei nach Ansicht der Verbände ein Kündigungsmoratorium für Wohnungen dringend nötig.

Neben dem Paritätischen Gesamtverband sind noch der Kinderschutzbund, die BAG Wohnungslosenhilfe, der Deutsche Mieterbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund die Volkssolidarität, die Verbraucherzentrale Bundesverband, Das Deutsche Kinderhilfswerk, Tafel Deutschland, Sanktionsfrei, der SoVD und der VdK Unterzeichner*innen des offenen Briefes.

Weitere Zitate von Unterzeichnern

„Viele Familien und ihre Kinder haben Angst vor der nächsten Heizkosten- und Stromrechnung. Die Ampelkoalition hat hier einiges auf den Weg gebracht hat, aber das reicht einfach nicht. Es muss klar sein, dass kein Kind wegen der Inflation obdachlos werden darf oder im Dunkeln sitzen muss.“
Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes

„Wir erwarten, dass die Bundesregierung den Empfehlungen der Gaskommission folgt und zeitnah Moratorien zur Aussetzung von Kündigungen und Energiesperren mit entsprechenden Gesetzesentwürfen auf den Weg bringt. Bleibt die Ampel-Koalition hier untätig, treffen die Folgen der Energiepreiskrise viele Mieterinnen und Mieter im neuen Jahr mit voller Härte, denn sie müssen in kurzer Zeit hohe Nachzahlungen leisten, um nicht den Verlust ihrer Wohnung zu riskieren.“
Dr. Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes

„Viele verzweifelte Mitglieder, gerade Ältere mit kleinen Renten und pflegende Angehörige, wenden sich derzeit an uns. Sie wissen nicht mehr, wovon sie die hohen Heizkosten bezahlen sollen. Sie dürfen nicht allein gelassen werden und brauchen die Sicherheit, dass sie durch die Krise ihre Wohnung nicht verlieren.“
Verena Bentele, Präsidentin des VdK

„Wie groß die Angst vor gestiegenen Energiekosten ist, zeigen die jüngsten Umfrageergebnisse: Wenn sich jeder zehnte Deutsche bis Ende November nicht getraut hat, die Heizung anzumachen, dann müssen wir aktiv werden. Wir müssen allen Menschen die Sicherheit geben, ihre Wohnung beheizen zu können und wegen Mietschulden nicht aus ihrem Zuhause zu fliegen.”
Michaela Engelmeier, SoVD-Vorstandsvorsitzende

„Neben einem Moratorium für Energiesperren ist es wichtig, dass die Bundesregierung Menschen mit geringen Einkommen in die Lage versetzt, ihre Schulden gegenüber den Energieversorgern begleichen zu können. Dies sollte schnell und ohne kompliziertes Antragsverfahren für die betroffenen Verbraucher umgesetzt werden.“
Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv)

„Niemand darf in der Krise seine Wohnung verlieren. Deshalb sollte die Bundesregierung endlich auf den Weg bringen, worauf sie sich in ihrem dritten Entlastungspaket verabredet hat – nämlich das Mietrecht dementsprechend zu verschärfen. Doch Bundesjustizminister Marco Buschmann weigert sich offensichtlich bislang ein Kündigungsmoratorium für Mietverträge auf den Weg zu bringen. Er lässt die Mieterinnen und Mieter im Regen stehen.“
Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied

„Vielen einkommensarmen Haushalten und Haushalten, die Transferleistungen beziehen, droht ein Verlust der Wohnung. Deshalb müssen kurzfristig alle Präventionsmaßnahmen hochgefahren werden, inkl. Mietschuldenübernahmen und eines Kündigungsmoratoriums. Jeder Wohnungsverlust ist einer zu viel.“
Werena Rosenke, Geschäftsführerin Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W)

„Zu den Tafeln kommen immer mehr Menschen, die existenzielle Ängste haben. Die Sorge davor, die Wohnung zu verlieren, im Kalten zu sitzen oder kein Geld mehr für Essen zu haben, geht an die Substanz. Der Staat muss seine Bürger:innen davor schützen.“
Jochen Brühl, Vorsitzender Tafel Deutschland e.V.

Der offene Brief zum Download 

Quelle: Pressemitteilung Paritätischer Wohlfahrtsverband




„Das Spiel ist der Nährboden für alle bedeutsamen Entwicklungsvorgänge“

Ein Interview mit Prof. Dr. Armin Krenz über das Spiel(en) und seine Bedeutung für die Entwicklung des Menschen

Keinem Menschen ist die Spielfähigkeit in die Wiege gelegt. Auch diese muss er erst entwickeln. Ist das geschehen, beginnt er, sich die Welt spielend zu erschließen – und das Spiel begleitet ihn ein Leben lang. Wer seine Spielfähigkeit nicht aufbauen kann, der weist in allen Kompetenzfeldern Defizite auf. Was das Spiel für den Menschen bedeutet, wie wir Spielfähigkeit entwickeln, wie wir Kinder dabei begleiten und welche Chancen uns das Spiel bietet, erklärt Prof. Dr. Armin Krenz im Interview.

Du bist vor ein paar Monaten 70 Jahre alt geworden. Das Spielen hast du in all der Zeit nicht verlernt. Wann hast Du das letzte Mal gespielt und was war das?

Auch wenn ich mich inzwischen im 71. Lebensjahr befinde, gehört das Spiel(en) immer noch zum festen Bestandteil meines privaten Lebens und meiner beruflichen Tätigkeit. So ist es beispielsweise üblich, dass bei Familienbesuchen nahezu immer ein Teil der Zusammenkünfte mit Spielaktivitäten ausgefüllt sind.

Bei Qualitätsuntersuchungen oder Supervisionscoachings in Kindertageseinrichtungen trete ich dann mit Kindern in Spielhandlungen ein, wenn ich mitbekomme, dass elementarpädagogische Fachkräfte dem Spiel(en) der Kinder eine untergeordnete Rolle zusprechen und lieber „nur“ dem Spiel der Kinder zuschauen, ohne selbst diesen aktiven Mitspielimpuls zu spüren. Leider muss ich das in den vergangenen Jahren zunehmend zur Kenntnis nehmen.

Wie heißt es doch in einer Aussage von Augustinus Aurelius, dem einstigen Bischof von Hippo, der auch als Philosoph ganz wundervolle Gedanken zu Papier gebracht hat, so treffend: „In Dir muss brennen, was Du entzünden willst“. Dieses Feuer habe ich schon als Kind spüren und in meiner Freizeit sowie im Elternhaus ausleben dürfen, wodurch sich wundervolle, spannende und aufregende Bilder in meinem Gedächtnis eingebrannt haben – und das mit einer nachhaltigen Wirkung.

Bei der unüberschaubaren Menge an Gesellschaftsspielen fällt es mir hingegen schwer, immer eine Entscheidung für ein bestimmtes Spiel zu fällen, zumal es gleichzeitig so viele, wunderbare Spiele gibt. Zuletzt habe ich mich vor ganz kurzer Zeit im Rahmen eines Supervisionscoachings in neun Kindertageseinrichtungen in viele verschiedene Tanz-, Bewegungs- und Regelspielaktionen hineinbegeben, verbunden mit den Fragen der Kinder, als ich mich aus den Spielen herauslösen musste: „Wann kommst Du wieder?“ „Spielen wir nachher weiter?“

In Dir muss brennen, was Du entzünden willst!

Augustinus Aurelius (354 – 430)

Kinder suchen immer wieder Spielerlebnisse – so wie ich auch. Und ganz aktuell habe ich auch ein „Kinder- Reim- Geschichten- Ausmalbuch“ mit dem Titel „Vom Warzenschwein und anderen Tieren“ publiziert und dabei mit Worten, ausgedachten und imaginären Tiergeschichten gespielt.

Der deutsche Aktionskünstler Joseph Heinrich Beuys (1921 – 1986) und Professor an der Kunstakademie Düsseldorf hat einmal gesagt: „Lass dich fallen – Lerne Schlangen zu beobachten – Pflanze unmögliche Gärten – Lade jemanden Gefährlichen zum Tee ein – Mache kleine Gesten – Werde ein Freund von Freiheit und Unsicherheit – Freue dich auf Träume – Weine bei Kinofilmen – Schaukel so hoch du kannst – Tu Dinge aus Liebe – Mach eine Menge Nickerchen – Gib Geld weiter – Mach es jetzt – Glaube an Zauberei – Lache eine Menge – Nimm Kinder ernst – Bade im Mondlicht – Lies jeden Tag – Stelle dir vor, du bist verzaubert – Höre alten Leuten zu – Freue dich – Lass die Angst fallen – Unterhalte das Kind in dir – Umarme Bäume – Schreibe Briefe – Lebe“. So gibt es auch ungezählte Möglichkeiten, den Alltag mit Spielfantasien auszufüllen und auszuleben!


Armin Krenz/Christian Kämpf
Vom Warzenschwein und anderen Tieren
Vorlesen, Malen, Philosophieren: ein Bilder- und Geschichtenbuch. Reime und Tierbilder zum Ausmalen
für Kinder ab 4 Jahren
Hardcover, 36 Seiten, DIN A 4
ISBN 978-3-910295-00-1
15 €


Was hältst Du von dem Zitat „We don’t stop playing because we grow old; we grow old because we stop playing.”?

Diesem Zitat von George Bernard Shaw, dem irischen Dramatiker, Satiriker und Politiker, kann ich sowohl aus fachwissenschaftlicher Sicht als auch aus meiner eigenen biographischen Rückschau in vollem Maße zustimmen, denn einerseits sind es die in unserem Gehirn abgespeicherten „Bilder“ aus der sehr frühen und frühen Kindheit, die unsere Gehirn- und damit unsere Persönlichkeitsstruktur in einer ganz entscheidenden Weise prägen. Andererseits ist es die weitere Lebensgestaltung, die uns zu dem Menschen werden lässt, der wir dann werden. Unsere gesamte Wahrnehmung, die daraus folgende Situationseinschätzung und der daraus abgeleitete Handlungsimpuls werden durch unsere Gefühlswelt beeinflusst. Zudem haben „Spielaktive Menschen“ eine entspanntere Sichtweise auf die Welt, ohne dabei eine weniger ernsthafte Situationseinschätzung zu besitzen.

We don’t stop playing because we grow old;
we grow old because we stop playing.

George Bernard Shaw

Als meine Frau und ich noch vor unserem Eintritt in den offiziellen Ruhestand beruflich sehr eingespannt waren, haben wir uns beispielsweise immer wieder mit guten Freunden übers Wochenende ein Ferienhaus in Dänemark angemietet, um gut zwei Tage lang ein gemeinsames Spielewochenende zu verbringen. Jedes Paar brachte ein neues Spiel mit – und so erweiterte sich für alle das Spielespektrum um ein Vielfaches.

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit wir von einem Spiel sprechen können?

Es gibt – je nach der spezifischen Ausrichtung der Pädagogik bzw. der Psychologie – nicht nur eine einzige Definition zum „Spiel“ zumal dieses Wort zunächst kein wissenschaftlicher Begriff ist. Gleichwohl gibt es einige übereinstimmende, sich als deckungsgleich erweisende Beschreibungskriterien, die vorhanden sein müss(t)en, um von einer Spielhandlung sprechen zu können:

  1. Ein „Spiel“ ist eine aktive Geschehnis-Einheit, in der es für die (mit)spielenden Personen einen „Handlungsfreiraum“ gibt, in dem sie sich ohne Not, Sorge oder Angst sprachlich und/ oder motorisch ausdrücken können.
  2. Jedes Spiel beruht auf einer „freiwilligen Teilnahme“, in dem die mitspielenden Personen eigene Ideen und Vorhaben umsetzen können.
  3. Ein Spiel ist nur dann ein Spiel, wenn es weitestgehend „zweckfrei“ ist, so dass in erster Linie der „Spielgedanke“ im Vordergrund steht und nicht ein starr vorgegebenes Ziel, das in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort zu erreichen ist.
  4. Die Mitspielerinnen müssen dem Spielgedanken/dem Spielimpuls/dem Spielverlauf einen Sinn zuordnen können, von dem sie den Eindruck haben, dass sie einerseits das betreffende Spiel mit Spannung gestalten und ausfüllen, gleichzeitig in dem Spiel aber auch Entspannungsmomente erleben, so dass das so genannte „rhythmische Prinzip’ zum Tragen kommt: ein wellenförmiger Wechsel von Spannung und Entspannung.
  5. Spiele müssen verschiedene Möglichkeiten zulassen, Veränderungen vornehmen zu können, die dann beispielsweise in einer gemeinsamen Absprache übernommen werden.
  6. Spielerische, experimentelle Handlungen können sich nur dann zu einem Spiel entwickeln, wenn eine intrinsische Motivation, die ausschlaggebend für eine Spielfaszination sowie eine vertiefende Spielvertiefung ausschlaggebend ist, vorhanden ist.
  7. Wenn die Beschäftigungszeit als eine erfüllte, zufriedenstellende, intensiv berührende Zeit erlebt wird, hat das Spiel seinen Wert zum Ausdruck gebracht.

Welche Bedeutung hat das Spiel mit Blick auf die Evolution? Warum ist es so wichtig, dass wir spielen?

Spielen, das wissen wir aus vielen Forschungsuntersuchungen, ist keine angeborene Tätigkeit, die dem Menschen in die Wiege gelegt und damit für den Lebensweg mitgegeben wird. Diese Tatsache ist von einer außergewöhnlich großen Bedeutung, zum Beispiel wenn es darum geht, einerseits den hohen Wert des Spielens für die förderliche Entwicklung eines Menschen im Auge zu haben und andererseits nicht annehmen zu dürfen, dass das Spiel „von ganz alleine“ entsteht.
Was dem Menschen angeboren ist, ist seine „Neugierde“, die Welt um sich herum zu entdecken und zu erkunden und gleichzeitig den eigenen Bedeutungswert in der Welt bzw. für die Welt in Erfahrung zu bringen. Und hierbei ist es notwendig, dass es im unmittelbaren Umfeld des Menschen Personen gibt, die sich auf die Neugierde des Kindes einlassen und seine seelischen Grundbedürfnisse sättigen, so dass aus diesem dialogen Zusammenspiel eine Einheit entsteht, die sich durch ein lebendiges Kommunikations- und Interaktionsgeschehen in unterschiedlichen Formen als Spiel ausdrücken.

Spielen, das wissen wir aus vielen Forschungsuntersuchungen, ist keine angeborene Tätigkeit, die dem Menschen in die Wiege gelegt und damit für den Lebensweg mitgegeben wird.

Erfolgt also im Rahmen der vorhandenen Neugierde kein aktives, zugewandtes und durch Wertschätzung geprägtes Kommunikations- und Interaktionsverhalten, verringert sich einerseits die Neugierde im Hinblick auf das Umfeld und eigene Entwicklungsmöglichkeiten und andererseits können sich dadurch auch keine Spielfreude, kein Spielinteresse und keine Spielmotivation entwickeln, was wiederum gleichzeitig die Lernmotivation, die Lernfreude sowie das Lerninteresse deckelt.

Diese Tatsache ist leider vielen Erwachsenen unbekannt: Würden sie diese Vernetzung kennen, würden sie mit großer Wahrscheinlichkeit dem Spiel(en) eine größere Wertigkeit beimessen. Dr. Jan van Gils, (seinerzeit ‚President of the International Council for Children’s Play’), hat es 2005 in seinem Vortrag auf dem Weltkongress der International Play Association wie folgt auf den Punkt gebracht: „Allzu oft wird das Spiel als ein Zeitvertreib betrachtet, um Kinder ruhig zu halten, bis sie erwachsen sind. Allzu oft wird das Spiel auch als Bildungswerkzeug angesehen. Aber nur selten ist man sich der Tatsache bewusst, dass Kinder bei dem Spielen für das Leben lernen.“

Zusammenfassend lässt sich sagen: der evolutionäre Bedeutungswert liegt demnach darin zu begreifen, dass das Spiel als Nährboden für alle bedeutsamen Entwicklungsvorgänge, für den Erwerb ganz bestimmter kognitiver, motorischer, sozialer und emotionaler Fertigkeiten dienlich ist und damit gleichzeitig einen sehr hohen Bedeutungswert für die eigene Persönlichkeitsentwicklung besitzt.

Allzu oft wird das Spiel als ein Zeitvertreib betrachtet, um Kinder ruhig zu halten, bis sie erwachsen sind. Allzu oft wird das Spiel auch als Bildungswerkzeug angesehen. Aber nur selten ist man sich der Tatsache bewusst, dass Kinder bei dem Spielen für das Leben lernen

Dr. Jan van Gils

Hat es denn negative Folgen, wenn wir nicht spielen, sprich, würdest Du dem Spielen eine ähnliche Bedeutung zuschreiben wie gesunder, ausgewogener Ernährung oder Bewegung?

Ungezählte, wissenschaftlich fundierte Untersuchungsergebnisse haben immer wieder bestätigt, dass Kinder, denen es verwehrt war, eine Spielfähigkeit aufzubauen, in allen vier Kompetenzfeldern (im emotionalen, sozialen, kognitiven und motorischen Bereich) deutliche Einschränkungen aufwiesen.

Beispielsweise zeigen spielkompetenzeingeschränkte Kinder – auch in ihrem späteren Leben – im emotionalen Bereich größere Schwierigkeiten im Verarbeiten von Enttäuschungen, eine geringere Toleranz bei Frustrationen, einen stärker ausgeprägten Pessimismus sowie weniger tiefgehende Freudeerlebnisse.

Im sozialen Bereich haben spielkompetenzeingeschränkte Personen eine höhere Vorurteilsbildung, eine geringere Kooperationsbereitschaft, eine höhere Gewaltbereitschaft bzw. ein stark eingeschränktes Selbstbewusstsein sowie eine geringer ausgeprägte Hilfsbereitschaft.


Armin Krenz
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Im kognitiven Bereich ist ein vernetztes Denken eingeschränkt. Diesen Kindern fällt die Kontrolle eigener Handlungen deutlich schwerer (gemeint sind hier vor allem die Handlungsfelder Selbstkontrolle und Selbstdisziplin) und die Konzentrationsfertigkeit ist deutlich gesenkt im Vergleich mit spielkompetenten Personen.

Im motorischen Bereich sind vor allem die Selbstwirksamkeitsüberzeugung, die Vielfaltnutzung von Selbstaktivitäten, eine differenzierte Feinmotorik und die motorische Reaktionsfertigkeit gering ausgeprägt.

Was eine ausgewogene Ernährung für den Körper an Wohlbefinden mit sich bringt, bewirkt eine vorhandene Spielfähigkeit für den gesamten psycho-sozialen, motorischen und kognitiven Bereich.

Was bewirkt spielen, was macht das Spielen mit uns als Mensch?

Spielen setzt frei flottierende Gedanken und damit spontan entstehende Handlungsideen in Gang. Es ermöglicht in erlebten Außenspannungen ein Gefühl von Freiheit, wodurch der Mensch aus Stresssituationen herausfinden kann und in der Lage ist, abzuschalten, die unmittelbare Vergangenheit oder vorherrschend besitzergreifende Gegenwartserlebnisse beiseite zu stellen, was wiederum zu einer emotional-kognitiven BALANCE führt.

Dabei entdeckt der Mensch die Vielschichtigkeiten und Mehrdeutigkeiten von Situationen, die dabei helfen, aus eindimensionalen Einschätzungen herauszufinden und aus einem erlebten Entspannungsfreiraum Dinge neu betrachten zu können. Vor allem eröffnet sich der Mensch dabei den Weg für eine Selbstexploration: die Auseinandersetzung mit sich selbst, seine eigenen Gedankenwegenund Gedankenstrukturmuster, ohne die Sichtweise fokussiert auf die Außenwelt zu richten sondern zu erkunden, was dazu beigetragen hat, dass sich Situationen so entwickelt haben wie sie sind und wie sie auch anders gestaltet werden können.

Gerade der „spielende Mensch“ eröffnet sich durch die eigene Spielfreude sowie ein weitumfassendes Spielinteresse einen lebenslangen Bildungsweg, auf dem immer wieder neue Bildungsprozesse entstehen können und uns Menschen daran hindern, Lebenswege stets gleichartig, gleichförmig‚ normal und variationsfrei zu gestalten.

Gerade der „spielende Mensch“ eröffnet sich durch die eigene Spielfreude sowie ein weitumfassendes Spielinteresse einen lebenslangen Bildungsweg, auf dem immer wieder neue Bildungsprozesse entstehen können und uns Menschen daran hindern, Lebenswege stets gleichartig, gleichförmig‚ normal und variationsfrei zu gestalten.

Der Maler Vincent Willem van Gogh hat sich einmal so geäußert: „Die Normalität ist eine gepflasterte Straße. Man kann gut darauf gehen – doch es wachsen keine Bäume auf ihr.“ Und wenn wir nun aus psychoanalytischer Sicht den Baum als ein ‚lebendiges Wachstumsfeld der eigenen Person’ verstehen, dann wird deutlich: ohne das Spielen steckt der Mensch in seiner Entwicklung fest, lebt aus Wiederholungen, die nicht selten entwicklungshinderlich sind, weil keine neuen und damit innovativen Handlungsimpulse entstehen können.  

Die Normalität ist eine gepflasterte Straße. Man kann gut darauf gehen – doch es wachsen keine Bäume auf ihr.

Vincent Willem van Gogh

Wann wird aus einem Spiel Ernst?

Ein Spiel ist immer eine ernste Angelegenheit, zumal Einzelspielerinnen und -spieler als auch jede mitspielende Person ihre angedachten Überlegungen in die jeweils aktuelle Spielhandlung einbringen wollen. So hat Prof. Hans Scheuerl, ein Pionier im Feld der Spieleforschung, schon vor einigen Jahrzehnten den Satz geprägt: „Das Spiel ist der Beruf des Kindes.“ Und damit umfasst das Spiel grundsätzlich alle Facetten, die auch in fast jedem Beruf zum Tragen kommen: Anstrengung an den Tag legen, Versuch und Irrtum auszuhalten, Belastbarkeit aushalten, Innovationsgedanken umsetzen, Zufriedenheit erleben, Konflikte mit sich und anderen austragen, Selbstdisziplin auf sich nehmen, Enttäuschungen ertragen, uneindeutige Situationen für sich oder mit anderen klären, Aggressionen in lösungsorientierte Schritte umwandeln usw.

Das Spiel ist der Beruf des Kindes.

Prof. Hans Scheuerl

Ist Humor eine Sonderform des Spiels?

Humor ist keine Sonderform des Spiels sondern eine lebensbedeutsame Verhaltensweise des Menschen, um bei Missgeschicken oder in schwierigen Lebenssituationen eine Gelassenheit an den Tag zu legen, die die Situation – zumindest für einen Augenblick – entschärft und die es dem Menschen möglich macht, sich selbst und andere nicht immer allzu ernst zu nehmen.

Humorlose Menschen sind häufig nur sehr schwer zu ertragen, zumal wenn alleine der reinen Kognition eine permanente A-Priorität beigemessen wird. Hier scheint ganz besonders eine „Herzensbildung“ von Nöten zu sein, in der auch der Humor einen festen Platz besitzt. Joachim Ringelnatz, Schriftsteller, Maler und Kabarettist, sagte einmal: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.“

So genannte Helikopter-Eltern oder auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bzw. Lehrkräfte, die sich zu Unrecht als Pädagogen bezeichnen, Vorstandspersonen oder (sozial)politische Funktionsträger:innen ohne Humor versuchen ihr privates und berufliches Selbstverständnis häufig nur aus kognitiv gefällten Entscheidungen abzuleiten, wobei emotional-soziale Aspekte unberücksichtigt bleiben. Damit sind nicht selten inhumane und rein funktional gesteuerte Vorgaben die Folge – und das mit häufig dramatischen Folgen für das Umfeld. 

Die Bedeutung des Spiels für Kinder, für die Entwicklung der Kinder. Worauf sollten die Eltern achten? Wie regt man Kinder zum Spielen ideal an?

Johann Heinrich Pestalozzi, ein Schweizer Pädagoge und zugleich ein Schul- und Sozialreformer hat folgenden Satz geprägt: „Erziehung ist Liebe und Vorbild. Sonst Nichts!“ und einer der bedeutendsten Reformpädagogen des vergangenen Jahrhunderts, Dr. Janusz Korczak, dessen Todestag sich 2022 zum 80. Mal jährt, vertrat sein pädagogisches Grundverständnis mit der Aussage: „Du kannst den anderen nur soweit bringen, wie Du selbst gekommen bist.“ In diesen beiden Zitaten liegt meine Antwort auf Ihre Frage: es gilt,

  • (a) immer wieder selbst in ein aktives, lebendiges und innerlich motiviertes Spielverhalten einzutauchen und damit ein Spielvorbild zu sein;
  • (b) für sich selbst regelmäßige Zeiträume zum Spiel einzuplanen, um mit den eigenen Kindern und auch mit befreundeten Personen zu spielen;
  • (c) einen möglichst ausreichenden Spielplatz für Kinder zu schaffen und dabei weder die Spielform vorzugeben noch Spielzeiten unnötig zu unterbrechen;
  • (d) dem Spiel seinen hohen Bedeutungswert im Hinblick auf seine „Lernauswirkungen“ zuzugestehen, denn das ‚Spiel ist keine Spielerei’;
  • (e) dafür zu sorgen, dass das Kinderzimmer keinem Spielwarengeschäft ähnelt – auch beim Spielzeug muss es Begrenzungen geben, zumal Spielmittelüberflutungen entwicklungshinderliche Auswirkungen auf Kinder haben und eine so genannte ‚Konsumverwahrlosung’ die Folge ist;
  • (f) dem Spiel der Kinder Aufmerksamkeit und Interesse zu widmen;
  • (g) sich von der Spielfreude der Kinder anstecken zu lassen, ihre Spielmotivation aufzunehmen und in sich wirken zu lassen. Die beste Anregung zum Spielen liegt immer noch in der spielerischen Vorbildfunktion, und wenn die Bindung zwischen Kindern und dem/ den Erwachsenen stimmig sind, dauert es nicht lang, bis Kinder sich als Mitspieler/ zur Mitspielerin ins Spielgeschehen einbringen.

Wichtig: es muss echt und authentisch sein!

Wie unterscheidet sich das Kinderspiel von dem des Erwachsenen?

Kinder bevorzugen – je nach Alter – ganz unterschiedliche Spielformen. Bei Kleinkindern sind es zunächst die Fingerspiele, das Bauspiel, Entdeckungs- und Wahrnehmungsspiele sowie das Konstruktionsspiel. Es folgen die vielfältigen Produktionsspiele zum Gestalten, Bewegungs- und Musik-/Tanzspiele bis hin zu Sozialregelspielen, Aggressionsspiele zum Austoben, Rollenspiele und das freie Spiel, Theater- und Märchenspiele. Die Fülle innerhalb dieser Spielformen ist unerschöpflich und so gehört auch die Literaturgattung mit dem Schwerpunkt „Spiel“ mit zu den umfangreichsten Themenfeldern.

Erwachsene bevorzugen in den meisten Fällen entweder Spiele in digitaler Form, wo auch das Spieleangebot unfassbar umfangreich ist oder sie lassen sich auf Tisch-, Karten- und Brettspiele, Outdoorspiele, Strategiespiele oder gruppendynamische Interaktionsspiele ein, deren Angebote jedes Jahr in die Höhe schießen. Hier lohnt es sich, einmal Gast auf der jährlichen Spielwarenmesse zu sein! Manche Spielformen entsprechen aber auch denen der Kinder: Hier denke ich beispielsweise an das Theaterspiel, an so genannte Entdeckungsspiele (dazu zählt auch das Geocaching) oder an Konstruktionsspiele.

Was sollten denn Erwachsene spielen?

Zunächst: Erwachsene sollten (!) gar nicht spielen – vielmehr entspringt der Spielgedanke einem eigenen Spielwunsch, sich auf ein Spielgeschehen einlassen zu wollen: als Einzelspieler, als Mitspieler in einer Gruppe, als Spielpartner des Kindes und das in einer jeweils bevorzugten Spielform. So gilt es zunächst, vielfältige Spielformen kennenzulernen und dabei das Gespür für die Spielform zu entdecken, zu der man sich in besonderem Maße hingezogen fühlt. Empfehlenswert ist auch der Besuch von Spielwarengeschäften, um sich durch fachkundiges Personal ausgiebig beraten zu lassen. Egal, für welches Spiel sich die erwachsene Person entscheidet: Entscheidend ist,  d a s s  spielunerfahrene Personen die Faszination des Spiels für sich entdecken und sich in den Sog einer erlebten Spielfreude hineinziehen lassen.

Egal, für welches Spiel sich die erwachsene Person entscheidet: Entscheidend ist, dass spielunerfahrene Personen die Faszination des Spiels für sich entdecken und sich in den Sog einer erlebten Spielfreude hineinziehen lassen.

Innovation und Zukunft: wie wichtig ist hier das Spiel? Wie wichtig ist die Fähigkeit, sich spielerisch an etwas annähern zu können?

Wenn durch eine auf- und ausgebaute Spielfähigkeit, verbunden mit basalen und lebensbestimmenden Kompetenzen, angeeignet durch die frühen Kindheitsjahre und die Pflege dieser vielschichtigen Merkmale außergewöhnliche Fertigkeiten entstehen, so kann und muss das Spiel als ein hochbedeutsamer Innovationsfaktor eingestuft werden, der durch nichts zu ersetzen ist. Gerade in einer Zeit, in der wir alle vor sehr schwierigen, vielleicht sogar auf den ersten Blick kaum lösbaren Aufgaben stehen, ist es von großer Bedeutung, mit den im Spiel erworbenen Basiskompetenzen kreative Problemlösungsmöglichkeiten zu entdecken. Ob im Kleinen oder in großen, übergeordneten Aufgabenfeldern.

Es sind gerade die Fantasie, die Kreativität und innovative Visionen, die viele Spiele provozieren und deren Einsatz uns Menschen zwingt, Neues zu entdecken, auszuprobieren und auszuwerten, um sich selbst und für andere sowie die nachfolgende Generation ein zukünftiges Leben zu ermöglichen

Einseitige Problembetrachtungen, die Fortsetzung gewohnter/gewöhnlicher und gleichzeitig nicht nachhaltiger Lösungswege führen in der Regel nur zu einer Problemverschiebung. Es sind gerade die Fantasie, die Kreativität und innovative Visionen, die viele Spiele provozieren und deren Einsatz uns Menschen zwingt, Neues zu entdecken, auszuprobieren und auszuwerten, um sich selbst und für andere sowie die nachfolgende Generation ein zukünftiges Leben zu ermöglichen. Hier passt ein Zitat, das vielen Autorinnen und Autoren zugeordnet wird: Marie von Ebner-Eschenbach bzw. Oliver Cromwell bzw. Philip Rosenthal: „Wer aufhört, besser sein zu wollen als er ist, hört auf, gut zu sein.“ Und da bieten die vielfältige Spielformen und Spielarten unüberschaubare Möglichkeiten, ins „Spiel des Lebens“ einzutauchen, um durch Selbsterfahrung und Selbstentwicklung Potenziale zu entdecken, die bisher als eine ‚unbekannte Variante’ leblos in uns schlummerten.  

Was lässt sich beim Blick auf das Spiel über den Charakter oder die Eigenschaften eines Spielers ableiten? Spieltypen?

Laut Richard Bartle, der sich Ende des letzten Jahrhunderts mit der Klassifizierung möglicher ‚Spielertypen’ beschäftigt hat und dazu das Verhalten von Spielerinnen und Spielern untersuchte, kam zu dem Schluss, dass es vier klassische Spielertypen gibt:

A) Killers (Mörder/ Kämpfer) – ihr Bedürfnis ist es, immer zu gewinnen und gleichzeitig sind sie auch motiviert, Mitspielerinnen und Mitspieler am Gewinnen zu hindern. Sie versprechen sich dadurch Macht und Anerkennung, durch die sie sich stark fühlen (fühlen möchten!).
B) Der Archiever (Macher/ Erfolgssammler) möchte möglichst viele Ziele erreichen, möglichst viele Punkte sammeln, um ein aktuelles Ziel erfolgreich abschließen und um sich dann auf die nächste Aufgabe kümmern zu können. Er freut sich über seine erreichten Leistungen, die ihn wiederum anspornen, weiterzumachen und neue Herausforderungen anzunehmen.
C) Dem Socializer (Geselliger) ist die Gesellschaft der Mitspielerinnen und -spielern besonders wichtig und so genießt er eine gute Umgangskultur, den Austausch mit den anderen und hilft auch anderen, wenn diese einer Hilfe bedürfen. Ihm kommt es im primären Sinne nicht aufs Gewinnen an. Ihm bedeutet die Gemeinschaft und das Gemeinschaftserlebnis mehr als ein Gewinner aus dem Spiel aufzutreten.
D) Und schließlich gibt es den Explorer (Erkunder), der mit einer ausgeprägten Neugierde viel Neues im Spiel entdecken will, die ganze Palette der Spielmöglichkeiten erfassen möchte, der auch versucht, unattraktive Spielideen in attraktive Spielhandlungen zu wandeln und dem es nicht im Spiel um einen Zuwachs an Macht und Anerkennung geht, sondern für ihn vor allem der Forschergedanke (was ist wie möglich?) im Vordergrund steht.

So ist das Verhalten aller Spielerinnen und Spieler ein Spiegelbild ihrer Persönlichkeit. Dabei ist es spannend, sich selbst einem Spielertypen zuzuordnen und sich gleichzeitig durch andere zuordnen zu lassen.

Spielen Frauen anders als Männer? Wenn ja, wie äußert sich das?

Diese Frage kann nicht mit einem klaren ‚ja oder nein’ beantwortet werden. So gibt es auf der einen Seite Evolutionsforscher, die die These vertreten, dass es aufgrund der Evolution in der Form deutliche Unterschiede gibt, dass Frauen ein Spiel eher als ein „soziales Ereignis“ betrachten/wertschätzen und Männer lieber als „winner“ denn als „looser“ erleben wollen und das Interesse der Männer auch entsprechend darauf ausgerichtet ist, beim Spiel als „Gewinner“ herauszugehen.

Sozialpsychologen vertreten die Ansicht, dass mögliche Unterschiede im Spielverhalten einen biographischen Hintergrund haben und durch frühkindliche Rollenklischees geprägt werden. Bislang vorliegende Studien zeigen, dass Frauen eher (gleichwohl nicht ausschließlich!) dem Sozialgeschehen im Spiel einen höheren Bedeutungswert beimessen als Männer und diese wiederum in einem signifikant stärkeren Maße eine Spielhandlung als Gewinner beenden wollen.

Doch vielfältige, jahrelange, persönliche Erfahrungen haben auch das Gegenteil hervorgebracht. So ist es an der Zeit, durch Selbststeuerungsvorhaben dafür zu sorgen, dass das Spiel für alle – Jungen und Mädchen, Frauen und Männer – immer wieder zu einem wunderbaren Sozialereignis werden kann, in dem Gewinnerinnen und Verliererinnen jederzeit fair miteinander umgehen, Gewinnertypen auch das Verlieren ertragen können und Verliererinnen alle Kräfte mobilisieren können, durch neu entwickelte Strategien gleichhäufig ins Gewinnerinnenfeld zu gelangen. Und das selbstverständlich unabhängig vom Geschlecht! 

So ist es an der Zeit, durch Selbststeuerungsvorhaben dafür zu sorgen, dass das Spiel für alle – Jungen und Mädchen, Frauen und Männer – immer wieder zu einem wunderbaren Sozialereignis werden kann, in dem Gewinnerinnen und Verliererinnen jederzeit fair miteinander umgehen, Gewinnertypen auch das Verlieren ertragen können und Verliererinnen alle Kräfte mobilisieren können, durch neu entwickelte Strategien gleichhäufig ins Gewinnerinnenfeld zu gelangen. Und das selbstverständlich unabhängig vom Geschlecht!            

Gilt Leistungssport, etwa ‚Profi-Fußball’, noch als Spiel?

Der Leistungssport kann aus wissenschaftlicher Sicht und den zugrundeliegenden Kriterien für ein „Spiel“ sicherlich nicht als Spiel bezeichnet werden – ob im Profi-Fußball noch bei anderen, sportlichen Events, Meisterschaften oder Wettkämpfen, zumal einerseits das Gewinnen, ein Bessersein als alle anderen im Vordergrund steht und andererseits Prämien unterschiedlicher Art einen zusätzlichen Gewinnanreiz bieten sowie Erwartungen von außen einen Druck auf Spielerinnen und Spieler ausüben. Hier wurde und wird das Spiel „funktionalisiert“ – mit vielerlei Zwecken angereichert und dabei bleibt selbst bei einer gewissen, großzügigen Betrachtung oftmals noch nicht einmal ein ‚spielerischer Restansatz’ übrig.

Das beginnt nicht selten schon beim Kinder-/Jugendfußball, wo viele Eltern ihre eigenen Kinder anfeuern, eine gute oder noch bessere Leistung als gerade gezeigt zu erbringen oder gegnerische Spielerinnen durch Beschimpfungen diskreditieren. Schon die „Spiele in Rom“ waren öffentliche Veranstaltungen in Form von Wagenrennen, Theater- und Schauwettkämpfen, Gladiatorenkämpfen, Tierhetzen bis zu Hinrichtungen, die „das Volk amüsieren sollten“ und als „Spiele“ bezeichnet wurden. Auch wenn sich Inhalte bzw. Schwerpunkte mit der Zeit verändert haben, bleiben Ausgangsstrukturen gleich. Mit einem „Spiel“ im originären Sinne gibt es hierbei keine Deckungsgleichheiten.

Wir finden unsere größten Chancen und Gelegenheiten zu wachsen jenseits unserer Bequemlichkeitsbremse.

Neale Donald Walsch

Der Kulturhistoriker Johan Huizinga hat einmal gesagt: „Um wirklich zu spielen, muss der Mensch, solange er spielt, wieder Kind sein.“ Dieser Rollentausch fällt vielen Erwachsenen, leider auch zunehmend pädagogischen Fachkräften, immer schwerer. Doch gleichzeitig ist dies der einzige zielführende Weg, der zu Innovationen und kreativen Problemlösungen führt. Greifen wir daher am besten auf ein Zitat von Neale Donald Walsch zurück. Er vertritt folgende Ansicht, die im Übrigen auch durch persönlichkeitspsychologische Erkenntnisse unterstützt wird: „Wir finden unsere größten Chancen und Gelegenheiten zu wachsen jenseits unserer Bequemlichkeitsbremse.“ Und an anderer Stelle sagt Walsch: „Hingehen in das, was Unbehagen bereitet, veranlasst letztlich Wachstum und die Erfahrung, wer und was ich bin.“ Dabei gibt es nichts Einfacheres, als in unterschiedliche Spielgeschehnisse einzutauchen, um sich zu entdecken und zu reflektieren, aus den Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen und sich dann auf Entwicklungsprozesse einzulassen, die jeden Menschen immer wieder in ein Staunen versetzen.   

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor/Wissenschaftsdozent
für Entwicklungspsychologie & Elementarpädagogik mit (inter)nationalen
Lehr-, Forschungs- und Vortragsaufträgen – im (Un)Ruhestand – Fachbuchautor




680.000 weniger geimpfte Kinder als vor der Pandemie

DAK hat Daten von rund 782.000 Kindern und Jugendlichen untersuchen lassen

Die Quote der Erstimpfungen bei Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus und Kinderlähmung sank mit 31 Prozent besonders stark. Das ist das Ergebnis einer Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit. Für die repräsentative Analyse wurden ambulante Behandlungsdaten von allen DAK-versicherten Kindern und Jugendlichen wissenschaftlich untersucht und mit der Situation vor der Pandemie verglichen. DAK-Chef Andreas Storm und der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte warnen vor den Folgen der Impflücke und sehen akuten Handlungsbedarf.

„Wir beobachten schon länger einen Rückgang der Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen. In der Corona-Pandemie hat sich dieser negative Trend verstärkt“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Vorsorge ist wichtig und Impfen eine Investition in die Zukunft. Es gibt jetzt akuten Handlungsbedarf. Sonst wird die Gesundheit von vielen jungen Menschen plötzlich wieder durch Krankheiten bedroht, die als fast ausgerottet galten. Wir brauchen eine breite Aufklärungskampagne, um Eltern verstärkt über den Nutzen von Impfungen und das Risiko einzelner Krankheiten aufzuklären.“

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte bestätigt Ergebnisse

Für den Kinder- und Jugendreport untersuchte das Wissenschaftsteam von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 782.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2019 bis 2021. Beispielsweise flossen aktuell Daten aus 3,3 Millionen Arztbesuchen und 750.000 Impfungen in die Analyse ein. „Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte kann die Analyse-Ergebnisse bestätigen“, sagt Präsident Dr. Thomas Fischbach. „Die anhaltend hohen Infektionszahlen haben sicherlich auch negative Auswirkungen auf die Impfraten, die teilweise zweistellig gesunken sind. Wir müssen die Impflücken jetzt schließen.“

Weniger Impfungen und Arztbesuche als Vor-Corona

Nach den Daten der DAK-Gesundheit ging der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die eine Impfung erhielten, insgesamt um elf Prozent zurück. Damit wurden 2021 hochgerechnet bundesweit rund 680.000 weniger Kinder und Jugendliche geimpft als 2019. Auch die Arztbesuche nahmen ab: So gingen bundesweit hochgerechnet rund 1,3 Millionen weniger Mädchen und Jungen in die Praxen als vor der Pandemie (minus vier Prozent). Die Daten der Sonderanalyse zeigen, dass Arztbesuche und Impfungen vor allem in Lockdown-Zeiten stark zurückgegangen sind. Besonders deutlich ist die Abnahme bei der Gesamtimpfung gegen Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus und Kinderlähmung mit einem Minus von 23 Prozent (die sogenannte Tdap-IPV-Impfung). Hier wurden 2021 rund 166.000 weniger Kinder und Jugendliche geimpft. Im Bereich Meningokokken C erhielten sogar 200.000 weniger Kinder und Jugendliche eine Impfung (minus 19 Prozent). Unter Gesamtimpfungen werden sowohl die erste und letzte Dosis eines Impfzyklus sowie Auffrischimpfungen zusammengefasst. Bei den Erstimpfungen sind teilweise stärkere Rückgänge zu erkennen: So sank die Erstimpfungsquote gegen Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus und Kinderlähmung beispielsweise um 31 Prozent.

Ein Viertel weniger HPV-Erstimpfungen

Auch bei HPV-Impfungen zur Krebsvorsorge gingen die Zahlen 2021 zurück: So sanken Gesamtimpfungen um 13 Prozent und Erstimpfungen um gut ein Viertel (24 Prozent). Dabei fiel der Rückgang bei Jungen (minus 26 Prozent) deutlicher aus als bei Mädchen (minus 22 Prozent). Darüber hinaus gibt es Unterschiede bezüglich des sozialen Status: So sind die HPV-Erstimpfungsquoten für Jungen aus Familien mit hohem sozio-ökonomischen Status vor und während der Pandemie signifikant geringer als bei Jungen aus Familien mit mittlerem sozio-ökonomischen Status. Für Mädchen zeigen sich vom sozio-ökonomischen Familienstatus weitestgehend unabhängige Erstimpfungsquoten.

Seit 2007 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine HPV-Impfung für Mädchen und seit 2018 auch für Jungen. Humane Papillomviren (HPV) werden sexuell übertragen und können Gebärmutterhalskrebs, Anal- und Peniskrebs sowie Krebs im Mund-Rachen-Raum verursachen. Eine Impfung sollte vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen. Die DAK-Gesundheit übernimmt die HPV-Impfung für alle Kinder im Alter bis 17 Jahren und zusätzlich im Rahmen einer Satzungsleistung für alle 18- bis 26-Jährigen. Damit geht die Kasse über den gesetzlichen Leistungsanspruch hinaus.

Ein Sonderfall in den DAK-Sonderanalysen ist die Masern-Mumps-Röteln-Impfung: Während die Dreifach-Impfung im Jahr 2021 um 18 Prozent zurückging, stieg die Vierfach-Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken um 18 Prozent an, sodass der Rückgang ausgeglichen wurde. „Die ausgeglichene Quote bei den Mehrfachimpfungen mit Masern ist sicherlich die Folge der Masernimpfpflicht“, so Dr. Fischbach. Eine Ausnahme ist die Pneumokokken-Erstimpfung, für die ein fester altersbezogener Impfzeitpunkt besteht. Hier sind während der Pandemie weitestgehend konstante Impfquoten zu beobachten.

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Schadstoffbelastungen bei Kindern in NRW festgestellt

Aktuelle Untersuchungsergebnisse zu Belastungen von Kindern in nordrhein-westfälischen Kitas mit Weichmachern vorgelegt

Bei der Langzeituntersuchung von Kindergarten-Kindern sind erneut umstrittene Weichmacher oberhalb der Schwelle gefunden worden, bei der gesundheitliche Wirkungen nicht mehr ausgeschlossen werden können. Dies betraf acht von 250 untersuchten Kindern. Insgesamt ist die Belastung über die letzten zehn Jahre in Nordrhein-Westfalen aber sichtbar weiter gesunken und verdeutlicht den Erfolg der verschärften regulatorischen Maßnahmen in der Vergangenheit. Bei der weit überwiegenden Anzahl der Kinder wurden gesundheitlich unbedenkliche Weichmacher-Belastungen gemessen. Dies belegen die aktuellen Untersuchungsergebnisse des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) im Rahmen der „Kita-Studie NRW“. Die insgesamt beobachtete Abnahme der Belastungen gilt insbesondere für die als gesundheitlich besonders bedenklich bewerteten Phthalat-Weichmacher.

Schadstoffbelastung weiter reduzieren

„Unsere Kinder sind täglich über Alltagsprodukte und Spielsachen unterschiedlichsten chemischen Stoffen ausgesetzt“, sagt Umweltminister Oliver Krischer. Gerade bei Kindern sei es deshalb wichtig, diese Schadstoff-Belastung zu reduzieren. Denn bestimmte Weichmacher wirken sich negativ auf das Hormonsystem des Körpers aus und es gibt Hinweise, dass sie die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen können. „Die Kita-Studie NRW ist ein wichtiges Frühwarnsystem für mögliche Belastungen von Kindern mit Stoffen aus Verbraucherprodukten.“ Das Umweltministerium unterstützt daher auch die EU-Initiative für nachhaltige Produktpolitik im Rahmen des EU-Aktionsplans „Schadstofffreiheit von Luft, Wasser und Boden“.

Von Ende August 2020 bis Anfang Juli 2021 hat das LANUV zum vierten Mal seit Beginn der Kita-Studie im Jahr 2010 den Urin von 250 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren auf Weichmacher untersucht. Es war nach 2011/12, 2014/15 und 2017/18 der vierte Untersuchungszeitraum. Analysiert wurden unter anderem verschiedene Weichmacher, neben den Phthalaten auch die sogenannten „alternativen“ Weichmacher DINCH und Terephthalate.

Weichmacher in vielen Alltagsprodukten

„Die Belastung mit Schadstoffen vor allem bei Kindern muss jederzeit so gering wie möglich gehalten werden“, betonte Dr. Sibylle Pawlowski, Präsidentin des LANUV. „Unsere Daten und Zeitreihen aus der Kita-Studie belegen, dass klare gesetzliche Regelungen wirken und Belastungen dadurch wirksam gesenkt werden können. Seit über zehn Jahren führen wir diese Untersuchungen bereits durch. Die Ergebnisse zeigen, dass unser Ansatz der richtige war, die Belastungen an Kindern konkret nachvollziehbar zu machen.“

Weichmacher finden sich in vielen Alltagsprodukten, mit denen Kinder in Kontakt kommen. Sie werden Kunststoffen zugesetzt, um sie dehnbar und formbar zu machen. Mit der Zeit jedoch entweichen die Weichmacher aus den Produkten und können so von Kindern aufgenommen werden. Aufgrund ihrer breiten Verwendung werden die gesundheitlichen Auswirkungen von Phthalaten auf den Menschen intensiv untersucht. So gibt es Hinweise, dass bestimmte Phthalate störend auf das Hormonsystem des Körpers wirken und zum Beispiel die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen können. Daher wurde der Einsatz verschiedener Phthalate durch gesetzliche Regelungen stark eingeschränkt. Die EU hat die Verwendung von Phthalaten in allen Spielzeugen und Babyartikeln stark eingeschränkt oder sogar verboten.

Umweltmedizinische Beratung

Die Belastung mit dem alternativen Weichmacher DINCH reduzierte sich im vierten Untersuchungszeitraum ebenfalls im Vergleich zu den vorherigen Untersuchungsquerschnitten, während die Belastung mit dem Terephthalat DEHTP unverändert ist. Die Überschreitungen der in der Kita-Studie angesetzten gesundheitlichen Kriterien betreffen vor allem die beiden Phthalate DiBP und DnBP. Seit 2020 gelten nunmehr für diese Phthalate erweiterte Beschränkungen: sie dürfen in Verbraucherprodukten nicht mehr eingesetzt werden. In den nächsten Untersuchungszeiträumen der „Kita Studie NRW“ soll daher verfolgt werden, ob dies zu einem Rückgang der Überschreitungen führen wird.

Das LANUV bietet den Eltern dieser Kinder umweltmedizinische Beratung an, auch dazu, wie eine Belastung mit Phthalaten minimiert werden kann.

DnBP, DiBP, DINCH und DEHTP sind Abkürzungen für Phthalate, die alle das gleiche Molekül-Grundgerüst besitzen, sich aber chemisch leicht unterscheiden. Ihre variablen chemischen Eigenschaften finden in unterschiedlichen Materialien Anwendung.

Masterplan Umwelt und Gesundheit

Mit dem 2016 verabschiedeten Masterplan Umwelt und Gesundheit verfolgt die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen das Ziel, die umweltbedingten Gesundheitsrisiken für die Menschen mit einem breit angelegten und integrierten Handlungskonzept zu reduzieren. Ein Schwerpunkt des Masterplans ist das frühzeitige Erkennen der Belastung von Kindern mit Schadstoffen. Das Umweltministerium hat das Landesumweltamt (LANUV) mit Untersuchungen beauftragt, in denen in regelmäßigen zeitlichen Abständen von drei bis vier Jahren die Belastung von Kindern im Alter zwischen zwei und sechs Jahren auf ausgewählte Schadstoffe und deren Abbauprodukte im Urin ermittelt wird. Durch diese regelmäßigen Untersuchungen ist es möglich, die Belastung von Kindern dieser Altersgruppe mit alten und neuen Schadstoffen zu verfolgen (Human-Biomonitoring).

Weiterführende Informationen:

Der erste neue Bericht mit den aktuellen Ergebnissen des letzten Untersuchungsdurchgangs: https://url.nrw/KitaStudieNRW. Weitere Berichte zu anderen untersuchten Schadstoffen folgen.

Quelle: Pressemitteilung Umweltministerium NRW




Kuscheln mit den Pinguinen

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Das Brettspiel „Kuschel-Kolonien“ für Kinder ab sechs Jahren

Pinguine sehen knuffig und goldig aus, bewegen sich patschig durch die Gegend und wirken völlig harmlos. Dafür haben wir sie in unser Herz geschlossen. Als witzige und kuschelige Protagonisten tanzen sie durch so manchen Familienfilm und begeistern ihre kleinen Zuschauer. In der Realität leben sie auf der Südhalbkugel unserer Erde in oftmals sehr unwirtlichen Gegenden. Um sich vor der mörderischen Kälte zu schützen, drängeln sie sich gerne auch mal zusammen und wärmen sich dabei gegenseitig.

Das Familienspiel „Kuschel-Kolonien“ nimmt diesen Aspekt auf. Das Spielfeld stellt Eisfelder in der Antarktis dar. Darauf liegen zusätzlich Eisschollen. Jeder Spieler erhält drei kleine und drei große Pinguine. Nachdem diese auf dem Spielfeld verteilt sind, muss jeder versuchen, seine Familie zusammenzubringen. Und damit das nicht zu leicht fällt, darf zu Beginn des Spiels der Mitspieler die Figuren des anderen auf der Spielfläche verteilen.

Dann darf reihum gezogen, gesprungen und getaucht werden. Das verlangt den Spielern schon einiges ab. Und wer es als erster schafft, seine Familie zu einer kuscheligen Gruppe zusammenzubringen, hat natürlich gewonnen.

Für all diejenigen, denen diese Variante zu einfach ist, gibt es noch eine Expert-Variante. Diese ist deutlich kniffliger.

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„Kuschel-Kolonien“ ist ein Familienspiel, das der Spielehersteller Smart Games für Kinder ab sechs Jahren empfiehlt. Die Altersempfehlung passt soweit, wobei durchaus auch schon viele jüngere Kinder mit dem Spiel gut umgehen können. Wichtig ist nur, dass die Altersunterscheide zwischen den Spielenden nicht allzu groß sind. Denn beim Spiel ist strategisches Denken gefragt, und das entwickelt sich nun mal erst mit der Zeit. Zwei bis vier Spieler können hier miteinander spielen. Die Spielzeit ist mit rund 20 Minuten passend.

Das Pinguin-Spiel begeistert seine Spieler zunächst einmal über den emotionalen Aspekt, den die Pinguinfiguren mit sich bringen. Diese sind zwar einfach, wirken aber robust und sind hübsch gestaltet. Schon allein das lädt dazu sein, mehr über Pinguine zu erfahren und schafft Gesprächsanlässe. Zudem vermittelt es den Wert der Familie. Im Kern ist es ein Regelspiel mit all seinen Facetten, beim dem nicht das Glück, sondern die Strategie zum Erfolg verhilft. Und genau das ist es, wodurch sich die Spieler mit dem Spiel weiterentwickeln können und Erfolgsgefühle vermitteln.

Kuschel-Kolonien

Kategorie: Familienspiele
Alter: 6+
Spieler: 2-4
Inhalt: 1 Spielfeld, 4 Pinguinfamilien (Jede Pinguinfamilie besteht aus 3 großen und 3 kleinen Pinguinen), 6 Eisschollen: 4 gerade und 2 gebogene Eisschollen.

Laut Experten: Das Spielen von Kuschel-Kolonien stimuliert die folgenden kognitiven Fähigkeiten: Konzentration, Laterales Denken, Planen, Problemlösen, Räumliches Denken

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Eine Vorlesegeschichte zum Nikolaustag

Wie Luise versucht, dem Nikolaus auf die Spur zu kommen

Spannend ist die Nacht vom 5. zum 6. Dezember: Der Nikolaus kommt und füllt die geputzten Schuhe, die vor der Tür stehen, mit Nüssen, Obst und Süßigkeiten. Noch nie hat ein Kind den Nikolaus gesehen, höchstens mal gehört.
Luise wollte in diesem Jahr ganz genau wissen, wie der Nikolaus aussieht. Deshalb legte sie sich freiwillig mittags ins Bett, um abends ausgeschlafen zu sein.
Nachmittags saß sie mit ihrem Bruder und Papa in der Küche und putzte Stiefel. (Mama wollte auch was Süßes vom Nikolaus, deshalb polierte Papa ihre Schuhe mit. Hoffentlich würde der Nikolaus den Schwindel nicht merken…). Kurz vorm Schlafengehen stellten sie ihre blitzblanken Stiefel vor die Wohnungstür – genauso, dass man sie mit einem Blick durch den Briefschlitz sehen konnte. „Gute Nacht!“, sagte Papa. „Schlaft fix ein! Denn der Nikolaus kommt erst, wenn er euch schnarchen hört.“
Luise schloss die Augen, blieb aber hellwach. Marcus versuchte, sie noch ein bisschen zu foppen – aber ohne Erfolg.
,Seltsam‘, dachte er ,heute Mittag schläft sie – und jetzt schon wieder.‘ Er las noch ein wenig in seinem Witze-Buch, löschte dann das Licht und war schon bald im Land der Träume.

Luise lag mucksmäuschenstill und lauschte. Die Kirchturmuhr schlug viermal hell, dann zehnmal dumpf: zehn Uhr. Plötzlich raschelte es draußen im Hausflur. Luise sprang aus dem Bett und schlich aus dem Kinderzimmer. Die Tür quietschte ganz leise und Luise sah Papa im erleuchteten Flur. „Was machst du denn hier???“ fragte der überrascht. Irgendwas hielt er hinter seinem Rücken versteckt.
„Ich dachte, der Nikolaus ist da“, murmelte Luise enttäuscht.
Papa wollte den Nikolaus bestimmt auch mal sehen. Beide schauten durch den Briefschlitz in der Tür: Die Stiefel waren leer. Hoffentlich hatten sie den Nikolaus nicht verscheucht. Luise trottete zurück ins Bett.
Als die tiefe Glocke elfmal schlug, waren wieder Geräusche im Flur zu hören. Luise huschte erneut hinaus und sah gerade noch, wie Papa die Wohnungstür aufschloss. In der Hand hielt er einen bunten Beutel.
„Ist er da?“, flüsterte sie.
Papa fuhr blitzschnell herum. „N-n-nein“, stotterte er. „Du sollst doch schlafen!“
„Was ist denn in dem Beutel?“
„Äh – ein Geschenk für den Nikolaus…“


Baumel-Nikolaus

Material: 1 Gardinenring, rote und weiße Wolle, Buntpapier, Papierklebstoff
Anfertigung: Von der Wolle schneidet man ca. 30 cm lange Fäden ab, die – eine Hälfte weiß, die andere rot – eng um den Gardinenring geschlungen werden (Faden doppelt legen und die beiden Enden durch die Schlaufe führen). Nun die Fäden auf gleiche Länge schneiden. Die roten Fäden werden zur Mütze zusammengebunden, die weißen Fäden bilden den Bart. Jetzt wird ein Faden zwischen das weiße und das rote Feld gespannt. Mit kleinen Buntpapierkreisen können darauf Augen und Nase angeklebt werden. Zum Abschluss einen Faden zum Aufhängen anbringen – fertig!


Gute Idee von Papa, dem Nikolaus auch mal was zu schenken. Bloß – mit seinem ewigen Umhergesause würde Papa den Nikolaus am Ende noch vertreiben. Luise schlich wieder ins Bett. Kurz, nachdem die Kirchturmuhr zwölfmal geschlagen hatte, war wieder was zu hören. Luise flitzte sogleich hinaus. Im Wohnungsflur saß Kater Maxe und gähnte. „Ach, du…“ Aber was war das? Draußen im Hausflur raschelte es. Das musste der Nikolaus sein! Luise hob ganz sacht den Deckel vom Briefschlitz an und linste hinaus: Tatsächlich! Alle Stiefel waren bis zum Rand gefüllt – und eine Hand legte noch Süßigkeiten obenauf. Das war die Hand vom Nikolaus! Luise verrenkte sich fast den Kopf, aber der Briefschlitz war so schmal, dass sie nur diese Hand sah.
Plötzlich schob sich ein breiter Hintern ins Bild.,Nanu ‚, dachte Luise,,trägt denn der Nikolaus Jeans?‘ Da drückte der Nikolaus die Türklinke herab. Luise erstarrte: Der Nikolaus hatte bestimmt bemerkt, dass sie ihm zuguckte. Jetzt würde er ihren Stiefel sicher wieder ausleeren.
Luise schaute mit klopfendem Herzen zur Tür. Herein kam – Papa. Gut gelaunt, wieder mit dem Beutel in der Hand. Als er Luise sah, erstarrte er so wie sie. Luise war den Tränen nahe. Ohne ein Wort sauste sie zurück ins Bett.

Am nächsten Morgen saß sie traurig am Frühstückstisch. Marcus lutschte bereits das fünfte Stück Schokolade, aber Luise konnte sich gar nicht recht über den Inhalt ihrer Nikolausstiefel freuen.
Papa schaute verlegen. Mama fragte: „Was ist denn mit dir?“ und nahm sie in den Arm. Luise schluckte zweimal: „Papa hat… heute Nacht… aus meinem Stiefel… genascht…“ Plötzlich lachten Mama und Papa schallend los. Luise war entsetzt.
Papa strich ihr übers Haar. „Ich nasche doch nichts von deinen Süßigkeiten! Ich hab mich bloß leise mit dem Nikolaus unterhalten.“
Luise staunte: „Was hat denn der Nikolaus gesagt?“
„Viele Grüße an die gesamte Familie. Und er hat mir einen Zettel für dich gegeben.“
„Einen Zettel?“ Luise griff aufgeregt nach dem Stück Papier, das Papa ihr hinhielt. „Liest du es mir bitte vor?“
„Also, da steht:
Liebe Luise! Jedes Kind will mich sehen… Aber ich kenne alle Tricks, auch das Gucken durch den Briefschlitz. Bis nächstes Jahr! Dein Nikolaus.
Übrigens: Ich habe dir noch etwas vor die Tür gelegt…“
Marcus feixte, Luise war beeindruckt. Sofort sauste sie zur Wohnungstür und öffnete sie. Gleich neben dem Schuh-Abtreter hatte der Nikolaus aus Russisch-Brot-Buchstaben ein Wort zusammengestellt. Luise kauerte sich hin und begann zu buchstabieren. Hui – ein schwieriges Wort. Marcus, der Neugierige, stand schon hinter ihr.
„Was heißt denn das Wort, Marcus?“
„Ätsch“, las der grinsend vor. „Darf ich das Ä gleich aufessen?“

Reuter Kichenjahr

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Das Kirchenjahr mit Kindern feiern
Ein Vorlesebuch mit lustigen Geschichten, Backrezepten und Spielen.

Reuter, Thomas
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548906
96 Seiten, 9,90 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de