Es gilt die psychische Gesundheit der Fachkräfte zu fördern

Die großen Lösungen im frühpädagogischen Bereich dauern noch Jahre, umso wichtiger ist eine breite Unterstützung der Erzieherinnen und Erzieher

Kita-Mitarbeitende sind deutlich häufiger krank als der Durchschnitt aller Berufsgruppen. Insbesonders die Ausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen liegen über dem Schnitt aller Berufsgruppen. Das berichtete jüngst die Bertelsmann Stiftung und das Fachkräfte-Forum. Beide appellierten, die pädagogischen Fachkräfte zu entlasten und die Ausfallzeiten durch Vertretungen aufzufangen. Dafür brauche es Geld und pädagogisch qualifizierte Vertretungskräfte.

50 Prozent mehr Krankheitstage

Knapp 30 Tage waren Beschäftigte in der Kinderbetreuung und -erziehung im Jahr 2023 arbeitsunfähig, gegenüber rund 20 Tagen bei allen Berufsgruppen. Wenig überraschend ist, dass die weitaus meisten Krankheitsgründe aufgrund von Atemwegserkrankungen erfolgten. Bedrückend dagegen, dass an zweiter Stelle bereits die psychischen Erkrankungen folgen. Darin erkennt Anette Stein, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung, einen echten Teufelskreis: „Aufgrund der steigenden Krankenstände fallen immer mehr Fachkräfte aus, wodurch die Überlastung für die verbleibenden Beschäftigten weiter zunimmt. An gute frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung ist vielerorts gar nicht mehr zu denken.“

Forderungen sind gut, Lösungen wären besser

Woher die benötigten pädagogisch qualifizierten Fachkräfte kommen sollen, können Stiftung und Fachkräfte-Forum auch nicht so recht sagen. Zwar verweist Bertelsmann auf sein Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule, nach welchem aufgrund zurückgehender Kinderzahlen im Osten die Chance bestehe, freiwerdende Fachkräfte für Vertretungen zu nutzen. Bei der Veröffentlichung des Fachkräfteradars äußerte Stein jedoch: „Bis 2030 besteht für die ostdeutschen Bundesländer aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen die Chance, die Personalschlüssel an das Westniveau anzugleichen und die Elternbedarfe zu erfüllen. Brandenburg und Sachsen sowie – mit etwas mehr Anstrengung – Sachsen-Anhalt und Thüringen können bis 2030 sogar kindgerechte Personalschlüssel erreichen.“

Bessere Personalschlüssel und gleichzeitig mehr pädagogisch qualifizierte Vertretungskräfte? Zwei Dinge in einem? Und das bis 2030? Die pädagogischen Fachkräfte werden sich kaum zweiteilen lassen und zudem sind fünf Jahre eine lange Zeit. Errechnet die Stiftung doch, dass angesichts der Krankheitszahlen zusätzlich wohl 97.000 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte als Vertretungskräfte fest eingestellt werden müssten. Angesichts der Tendenz zur Teilzeit dürfte der Bedarf wohl eher bei 150.000 liegen.

Individuelle Lösungen führen eher zum Ziel

Angesichts der über Jahrzehnte hinweg schrumpfenden Geburtenjahrgänge erfassen solche Zahlen die Realität nicht und können schon gar keine Lösungen bieten. Es ist sicher an der Zeit die Bankrotterklärung des Betreuungssystems ernsthaft zu akzeptieren. Dabei darf nicht die Qualität leiden, sondern die Quantität muss verringert werden. Weniger Betreuungszeit wird jedoch weitere Mängel in Wirtschaft und Gesellschaft offenbaren. Das Problem kann deshalb schon lange nicht mehr im Großen und Ganzen gelöst werden, ohne dass sich die Politik aus der Verantwortung stehlen darf. Die besten Lösungen werden sich jedoch vieltausendfach in individuellen Lösungen vor Ort finden lassen. Hier müssen alle Verantwortung für die Bildung und Betreuung der Kinder übernehmen. Besonders die Gemeinden sind hier mit erhöhten Aufwendungen und auch die Vereine sind gefragt.

Die eine richtige Lösung wird es dabei nicht geben. Aber es ist sicher besser, der Realität ins Auge zu sehen, statt auf eine qualifizierte Unterstützung von Menschen zu hoffen, die niemals geboren wurden. Übrigens auch ein Versagen der Familienpolitik in den vergangenen Jahrzehnten.

Konkrete Hilfen

Einen kleinen Anteil können auch einfache Präventionsmaßnahmen im Hygiene- und Gesundheitsbereich leisten. Mehr Bewegung und eine gesündere Ernährung gehören für Kinder wie Erwachsenen dazu.

Helfen können auch Informationen aus verschiedenen Bereichen. So hat etwa die Weiterbildungsinititative Frühpädagogische Fachkräfte ein Wegweiser zur Gesundheitsförderung in Kitas herausgegeben. Hier sind Handlungsanforderungen genauso enthalten wie Kompetenzprofile und Umsetzungsbeispiele.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat in ihrem alphabetischen Verzeichnis einen ausführlichen Beitrag zur Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen zu bieten. In der Zusammenfassung ihres Beitrags schreiben Antje Richter-Kornweitz und Christina Kruse: „Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen (Kitas) setzt im Alltag an: Sie soll Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Einrichtung berücksichtigen und ein positives Konzept von Gesundheit vermitteln. Ziel ist es, die Kita zu einer gesunden Lebenswelt zu machen. Im Mittelpunkt steht dabei ebenso die Förderung von gesundheitsrelevanten Einstellungen und Verhaltensweisen, wie die Entwicklung der nötigen Rahmenbedingungen bzw. Lebensverhältnisse. Zwischen beidem bestehen enge Wechselwirkungen.“

Eine Handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung in Kindertageseinrichtungen hat die Unfallkasse Baden-Württemberg herausgegeben. Unter der Überschrift „Gesundheit von pädagogischen Fachkräften“ bilden die psychischen Faktoren einen besonderen Schwerpunkt der Handlungshilfe. Dabei möchte die Unfallkasse Trägern, Kita-Leitungen und Interessierten dadurch Mut machen, sich mit diesen zunehmend an Bedeutung gewinnenden Faktoren zu befassen, um für alle Beteiligten eine optimale, gesundheitsförderliche Gestaltung des Berufes von pädagogischen Fachkräften zu erreichen.

Denn nach der Lektüre all dieser Schriften zeigt sich, dass es in erster Linie auf die psychische Gesundheit der pädagogischen Fachkräfte ankommt. Sie ist die Grundlage für ein qualitätsvolles Bildungs- und Betreuungssystem. Grundlegende Lösungen werden jedoch noch lange auf sich warten lassen. Jetzt sollten sich vor allem Gemeinden, Vereine und jeder einzelne aufgefordert sehen, pädagogische Fachkräfte in ihrer Arbeit zu unterstützen. Konzepte dafür gibt es reichlich. Vielmehr hakt es an der Bereitschaft. Aber Bildung und Erziehung der Kinder ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Schließlich entscheiden deren Erfolg oder Misserfolg über deren Zukunft.




Damit Kinder weniger anfällig sind: sanfte Abhärtung

So können Sie die Abwehrkräfte von Kindern stärken

Viel frische Luft, viel Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf helfen, das Immunsystem von Kindern zu stärken und die körpereigenen Abwehrkräfte zu mobilisieren. So können Sie bereits durch einige wenige „gesunde Alltagsroutinen“ einiges dafür tun, damit Kinder weniger anfällig für Krankheiten sind:

  • Geben Sie Kindern von Anfang an Gelegenheit, sich viel und ausgiebig zu bewegen.
  • Gehen Sie eher zu Fuß mit den Kindern, statt sie zu fahren.
  • Lassen Sie die Kinder auch bei Wind und Wetter nach Möglichkeit täglich ein bis zwei Stunden frische Luft tanken – am besten im Grünen.
  • Lüften Sie die Räume immer wieder gut durch.
  • Vermeiden Sie, dass die Kinder durch zu warme Kleidung schwitzen.
  • Achten Sie auf eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse und wenig Süßem und Fettem.
  • Achten Sie darauf, dass die Kinder ihrem Alter und Schlafbedarf entsprechend genügend Schlaf bekommen.
  • Sorgen Sie dafür, dass Kinder weder Tabak- noch Cannabisrauch ausgesetzt sind.

Quelle: Stiftung Kindergesundheit

        




Kleine Kinder rechnen besser, wenn sie ihre Finger zur Hilfe nehmen

Forschende am psychologischen Institut der Universität von Lausanne belegen das Erfolgsmodell des Fingerzählens

Der Zahlenraum geht ins Unendliche. Was bedeuten dagegen zehn Finger? Eine ganze Menge, haben Forschende der Universität von Lausanne in der Schweiz festgestellt. Eine Studie mit 328 fünf- und sechsjährigen Kinder belegt, dass Kinder, die mit den Fingern rechnen sich den Zahlenraum erheblich leichter erobern als andere. So konnte zum ersten Mal belegt werden, dass das Training des Fingerzählens eine hochwirksame Methode zur Verbesserung der arithmetischen Leistung vom Kindergartenkindern darstellt.

Umstritten in der Elementarpädagogik

Das Rechnen mit den Fingern ist im Bereich der Elementarpädagogik umstritten. Einige sehen es als Zeichen von Schwierigkeiten, während andere es mit Kindern in Verbindung bringen, die über fortgeschrittene numerische Kenntnisse verfügen. Unbestreitbar ist jedoch die starke Verbindung zwischen Fingern und Zahlen. Diese Assoziation ist bereits früh in der Entwicklung vorhanden und zeigt sich, wenn etwa dreijährige Kinder ihre Finger benutzen, um ihr Alter mitzuteilen oder Vierjährige ihre Finger benutzen, um einfache Subtraktionsaufgaben zu lösen. Solche Strategien sind nicht auf die Kindheit beschränkt, und selbst Erwachsene verlassen sich in numerischen Kontexten auf ihre Finger, etwa um eine Zählsequenz zu verfolgen.

Ab wann wir das Zählen mit Fingern zum Problem?

Dennoch verwenden Erwachsene selten die Finger zum Lösen mathematischer Aufgaben. Ein solches Verhalten würde wohl auch eher auf Schwierigkeiten hindeuten. Das Alter zu bestimmen, ab wann das Rechnen mit den Fingern auf mathematische Probleme hindeutet, ist nach wie vor schwierig. Sicher ist, dass Kinder im Kindergartenalter davon nicht betroffen sind. Denn mehrere Studien im Bereich der Bildungs- und Entwicklungspsychologie zeigen, dass Kindergartenkinder, die ihre Finger zum Lösen von Rechenaufgaben benutzen, effizienter sind als Kinder, die diese Strategie nicht anwenden. Tatsächlich sind Kinder, die in diesem Alter ihre Finger benutzen, auch kognitiv leistungsfähiger als Kinder, die dies nicht tun. Hier geht es zur Studie.

Gernot Körner




Kinder- und Jugendbericht: Sicherheit und Orientierung sind gefragt

Die meisten jungen Menschen in Deutschland blicken mit Zuversicht auf die kommenden Jahre

In Deutschland leben derzeit rund 22 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Der Bericht zeigt: Ihre Generation ist so vielfältig wie nie zuvor. Aber eins haben sie gemeinsam: Sicherheit und Orientierung sind notwendig für gutes Aufwachsen. Das ist jedoch aktuell geprägt von sich überlagernden Herausforderungen wie Krieg, Klimawandel, globale Fluchtmigration, Nachwirkungen der Pandemie, aber auch von Fachkräftemangel und dem Druck auf die Demokratie.

Zukunftsvertrauen hat abgenommen

Die meisten jungen Menschen in Deutschland blicken mit Zuversicht auf die kommenden Jahre. Ihr Zukunftsvertrauen hat jedoch abgenommen. Von den aktuellen Krisen sind sie unterschiedlich stark betroffen – je nachdem, unter welchen Bedingungen und mit welchen Zugehörigkeiten und Zuschreibungen sie aufwachsen.

Die Gesellschaft verfügt über vielfältige Ressourcen für die junge Generation. Es gelingt ihr aber nicht, diese allen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gleichermaßen zugänglich zu machen.

Die Berichtskommission sieht Politik und Gesellschaft gefordert, junge Menschen und künftige Generationen mit ihren Bedürfnissen stärker zu berücksichtigen.

Vertrauenswürdige Rahmenbedingungen

Der Bericht betont, dass junge Menschen auch in schwierigen Zeiten vertrauenswürdige Rahmenbedingungen brauchen. Dafür ist eine starke Kinder- und Jugendhilfe unverzichtbar. Dazu gehören viele Arbeitsfelder und Aufgaben – etwa die Kinderbetreuung in Kitas und Schulen, Jugendzentren, Jugendverbände, der internationale Jugendaustausch, die Jugendsozialarbeit und die vielfältigen Leistungen der Jugendämter vor Ort.

Jugendhilfe muss besser werden

Prof. Dr. Karin Böllert, Vorsitzende der Berichtskommission: „Die Kinder- und Jugendhilfe ist trotz der Ausnahmesituationen der letzten Jahre funktionsfähig, kommt aber zunehmend an ihre Grenzen. Zum guten Aufwachsen gehören Zuversicht und Vertrauen. Wenn die Kinder- und Jugendhilfe mit ihren Leistungen auch weiterhin dazu beitragen soll, muss sie verlässlich sein und noch besser werden als sie es ist.“

Bei der Erstellung des Berichts hat die Berichtskommission großen Wert auf eine umfängliche Beteiligung junger Menschen gelegt. Insgesamt hat sie rund 5.400 junge Menschen zwischen fünf und 27 Jahren zu verschiedenen Fragestellungen beteiligt.

Hintergrund:

Gemäß § 84 SGB VIII ist die Bundesregierung verpflichtet, dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat in jeder Legislaturperiode einen Kinder- und Jugendbericht vorzulegen und dazu Stellung zu nehmen. Mit der Ausarbeitung des Berichtes wird jeweils eine unabhängige Sachverständigenkommission beauftragt. Mit einer Stellungnahme der Bundesregierung wird der Bericht Bundestag und Bundesrat zugeleitet.

Den Bericht, eine Kurzbroschüre und weitere Informationen finden Sie auf www.bmfsfj.de/kinder-und-jugendbericht.




Von der Herzensbildung zur emotionalen Intelligenz

Das Herz hat Gründe, von denen die Vernunft nichts weiß

Über weite Strecken des 20. Jahrhunderts waren Gefühle in wissenschaftlichen Labors verpönt. Sie seien zu subjektiv, verschwommen und stünden im absoluten Gegensatz zur Vernunft. Doch diese These wurde im Laufe der Geschichte von vielen Philosophen, Pädagogen und Dichtern immer wieder in Frage gestellt. Der folgende Exkurs in die Vergangenheit der Herzensbildung macht dies deutlich:

„Das Herz hat Gründe, von denen die Vernunft nichts weiß“, gab schon im 17. Jahrhundert der französische Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal 52 (1623 – 1662) zu bedenken, als er um das Recht auf intuitive Gewissheit kämpfte. Dem Naturwissenschaftler haben wir nicht nur viele Erfindungen (die Rechenmaschine, die Wahrscheinlichkeitsrechnung, das Barometer und das Pascalsche Dreieck) zu verdanken, sondern vor allem die wunderbare Wortschöpfung raison du coeur also die Vernunft des Herzens. Pascal vertrat die Ansicht, die Mathematik fördere mit ihrer streng geometrischen Methode rationales Denken, was in der Wissenschaft notwendig sei.

Aber es gäbe viele nichtwissenschaftliche Lebensfragen, die weder die mathematische Vernunft noch der geometrische Geist (esprit de geometrie) beantworten könnten. In den existentiellen Fragen des menschlichen Lebens sei vielmehr die gefühlsmäßige Intuition als feinsinniger Geist (esprit de finesse) gefragt. Pascal glaubte, dass nur die Gründe des Herzens und nicht die der Vernunft den irrenden und zweifelnden Menschen zu Wissen und Erkenntnis führen könnten. Das Herz habe dabei Gründe, die die Vernunft nicht kenne. Es folge somit einer eigenen Logik, einer Herzensvernunft (raison du coeur ). Erst diese – so meint Pascal – führe den Menschen zur Nächstenliebe und zum wahren christlichen Glauben.

Selbst der Vater des Wirtschaftsliberalismus, der Philosoph John Locke 53 (1632 – 1704) riet:

„Alles, was Sie zum Vorteil der Geister- und Herzensbildung Ihres Sohnes auslegen, wird Ihre wahre Güte bekunden, selbst wenn es zur Verminderung seines Habes und Gutes beiträgt.“

Wenige Jahrzehnte später formulierte der französische Dichter und Moralist Luc de Clapier Vauvenargues54 (1715 – 1749) treffend: „Die großen Gedanken kommen aus dem Herzen.“ („Les grandes pensées viennent du coeur“).

Mitte des 18. Jahrhunderts verwendete der franz.-schweizerische Philosoph Jean-Jacques Rousseau55 (1712 – 1778) Begriffe wie education du coeur oder Menschenbildung. In seinem Erziehungsroman Émile ou de l’éducation von 1762 stellt er das Ideal einer naturnahen, undogmatischen Erziehung auf, in der sich die natürlichen Anlagen des Kindes frei entwickeln sollen. Und dazu gehört natürlich auch das Recht auf die Freiheit von Gefühl und ­Leidenschaft. Mit dieser Forderung gilt Rousseau als Wegbereiter einer kindgerechten ­Pädagogik.

Wissenswertes aus der Geschichte der Pädagogik:

Heute erscheint uns der Appell von Rousseau, die natürlichen Anlagen des Kindes müss­ten sich frei entwickeln, als selbstverständlich. Doch in der Geschichte der Pädagogik war dies nicht immer so. Zur Zeit Rousseaus, der Aufklärung, gab es noch keine Pädagogen als ausgewiesenen Berufsstand. Es waren die Philosophen, die das zeitgenössische Menschenbild und somit die Maßstäbe der Erziehung prägten. Damals rangen zwei philosophische Strömungen um die Vorherrschaft:

  1. die Idealphilosophie Platons bestimmte bis in die Neuzeit die Erziehungsmaßstäbe des Abendlandes. Sie wollte den Menschen nach Idealen ausrichten, d. h. das Kind auf ein vorgegebenes, von außen festgelegtes Ziel hin erziehen.
  2. die Existenzphilosophie hielt erst mit Rousseau Einzug in die Pädagogik. Ihr ging es erstmals darum, den Menschen nach seinen Fähigkeiten zu erziehen, seine Begabungen zu erkennen und zu fördern. Das Kind selbst, seine geistige und körperliche Entwicklung, seine Bedürfnisse und Gefühle rückten von nun an in den Mittelpunkt der Erziehung. Ein Meilenstein in der Pädagogik!

Der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi 56 (1746 – 1827) forderte:

„Der erste Unterricht des Kindes sei nie die Sache des Kopfes, er sei nie die Sache der Vernunft – er sei ewig die Sache der Sinne, er sei ewig die Sache des Herzens. Wenn es mir nur von ferne gelingen sollte, die abgestorbenen Fundamente der Geistes- und Herzensbildung und einer mit den veredelten Kräften des Geistes und des Herzens übereinstimmenden Kunstbildung dem Herzen meiner Zeitgenossen wieder näher zu bringen, so würde ich mein Leben segnen und die größten Hoffnungen meiner Bestrebungen erfüllt sehen.“

Pestalozzi betonte, dass die Lernschritte und die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes unmittelbar von den mitmenschlichen Qualitäten des Erziehers und Lehrers abhängen. In seinen zahlreichen Briefen57 an den Reformpädagogen Peter Petersen (1884 – 1952) betonte Pestalozzi immer wieder den Vorrang der Herzensbildung gegenüber der Geistesbildung.
Es ist sicher kein Zufall, dass Pestalozzi, der von seinem sechsten Lebensjahr an vaterlos aufgewachsen und trotz Mutter und Kinderfrau emotional verwahrlost war, in seinem pädagogischen Werk so viel Wert auf eine Gefühlserziehung legte. Aber ihm selbst war der Erfolg bei seinem eigenen Sohn nicht vergönnt. Er war zwar in der Lage fremden Waisenkindern genügend väterliche Wärme zu geben, sein Sohn jedoch wuchs verwahrlost auf, galt als Zehnjähriger als geistesschwach und starb mit 30 Jahren. Von Schuldgefühlen geplagt, schrieb Pestalozzi: „Du kannst den Teufel aus deinem Garten verjagen, doch im Garten ­deines Sohnes findest du ihn wieder.“

Die Vordenker kamen nicht nur aus den Reihen der Philosophen und Pädagogen

Auch der Theologe Adolf Kolping (1813 – 1865) erklärte die Herzensbildung zum Leitmotiv seines sozialreformerischen Erziehungs- und Bildungskonzeptes.

Der österreichische Neurologe Sigmund Freud58 (1856 – 1939) beschäftigte sich als erster in intensiven Studien mit dem Einfluss der Gefühle auf unser Denken und Handeln. Die von ihm entwickelte Psychoanalyse interessierte sich vor allem für die unbewussten Gefühle, die uns triebhaft steuern. Das Es wurde zum Sinnbild der unbewussten Triebe und Gefühle und das Ich verkörperte das vernünftig Handelnde. Freud war der erste, der das pathologische Potenzial gestörter Emotionen erforscht und beschrieben hat.

Die Stimmen, die die Einheit von Denken und Gefühl forderten, wurden zunehmend lauter und kamen aus den verschiedensten Bereichen. So meinte der französische Dramatiker Romain Rolland (1866 – 1944): „Die Intelligenz des Denkens ist nichts ohne die Intelligenz des Herzens. Und sie ist auch nichts, ohne den gesunden Menschenverstand.“ Selbst für den dänischen Physiker Niels Bohr (1885 – 1962) folgte das Denken nicht nur berechenbaren Regeln sondern auch spontanen Gefühlen. Sein Satz, den er einem Student tadelnd sagte, wurde zu einem bekannten Ausspruch: Sie denken nicht nach, Sie denken nur logisch!

Heute beschreibt der Philosoph Ronald De Sousa 59 in seinem epochalen Werk, dass Gefühle maßgeblich am Erwerb von Überzeugungen und Wünschen beteiligt sind. Für ihn entziehen sie sich keinesfalls der rationalen Beurteilung, sondern sie öffnen gemeinsam vor aller Rationalität dem Menschen die Welt. Gefühle – das zeigt de Sousa ausführlich – lenken und kontrollieren die Erfahrung. Immer steht der Mensch unzähligen Eindrücken gegenüber, deren Dringlichkeit man eiligst beurteilen muss. Erst die Gefühle machen die Rationalität der menschlichen Vernunft möglich.

Auch der bekannte Hirnforscher Antonio R. Damasio 60 betont:

„Meine Forschungsergebnisse haben mich überzeugt, dass die Emotion ein integraler Bestandteil des Denkprozesses ist“. Seiner Meinung nach leide „die Menschheit nicht an einem Defekt ihrer logischen Kompetenz, sondern vielmehr an einem Defekt ihrer Emotionen, die wichtige Informationen für den logischen Prozess bereitstellen.“ Für den Computerwissenschaftler David Gelernter61 sind „Emotionen nicht eine besondere Form von Gedanken, kein zusätzlicher Weg des Denkens, kein spezieller kognitiver Prozess, Emotionen sind vielmehr grundlegend mit dem Denken verwoben.“ Erst die Gefühle machen unser Denken flexibel. Während der logische Verstand die Gedanken lange abwägt, vermag das Gefühl rasche Entscheidungen zu treffen, die nicht aus der Logik entspringen. Die Urteile aus dem Gefühl entstammen aus zwei anderen Quellen: Aus der genetischen Programmierung unserer Intuition und aus unseren Erfahrungen. „Wie ein Bild mehr als tausend Worte ausdrücken kann, so sagt eine Emotion oft mehr als tausend Gedanken.“62

Auf meinem Exkurs in die Vergangenheit der Herzensbildung suchte ich nach den ersten ­zeitgenössischen Literaturbelegen und stellte mir die Frage nach dem Wortursprung 63. Der wertvollste Fund ist ein Beleg aus dem Jahr 1779.

Er stammt aus der Zeitschrift Zuschauer in Baiern 65 und lautet:

„So viel ich merke, sagte der Verwalter, so wird in dieser Monathschrift nicht einmal von den Türken, von den Engländern und Amerikanern etwas vorkommen, sondern bloß neue Worte und Redensarten, wie’s jetzt im Schwung gehen, und so abgeschmackte Dinge von Herzensbildung, wie sie’s nennen.“

Es klingt so, als sei der Begriff Herzensbildung damals gerade erst von bestimmten Leuten, die der Schreiber offenbar nicht mag, aufgebracht worden.

Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm gibt als ersten schriftlichen Beleg eine Literaturzeitung66 aus dem Jahre 1838 an. Es handelt sich dabei um einen Artikel über Astronomie, genauer um planetarische Seelenwanderung:
„So wie jemand durch Geistes- und Herzensbildung sich für diesen oder jenen Planeten qualifiziert, scheidet die Seele aus ihrer Hülle, und wird dort in einer neuen als Kind geboren.“


Diesen Text haben wir aus folgendem Buch:


Der nächste Beleg 67 aus dem Jahre 1855 stellt die Herzensbildung der Frauen in Frage:

„Was sind das für wechselnde Geschöpfe, die uns in ihrem Empfangszimmer durch ihre Freundlichkeit bezaubern und uns in der Küche, im Bügelzimmer, der armen Magd oder Näherin gegenüber, das Blut vor Entrüstung kochen machen? Die wahre, echte Herzensbildung besitzen sie freilich nicht, denn diese bewährt sich allenthalben, aber sie sind doch nicht so schlimm wie sie scheinen. Es ist gewiß häufiger Unkenntniß der Sache als innere Härte, die sie zu solchen häßlichen Ausbrüchen verleitet.“ Wie soll die Frau, wie soll das junge Mädchen gerecht sein, Dienstleistungen gegenüber, von deren Ausübung sie kaum eine Ahnung hat?“

Auch 1856 scheint Herzensbildung eine reine Frauenangelegenheit zu sein. So ist im Frauen-Brevier 68 zu lesen:

„Und wie viel kann eine edle, gebildete Frau wirken für die Linderung allgemein menschlicher Leiden, für die Verbesserung gesellschaftlicher Uebelstände, wenn sie sich diesen Pflichten aus wahrer Herzensneigung, mit ernster Hingebung und unter der Leitung eines aufge­klärten, gebildeten Verstandes widmet … ohne Verbitterung des Gemüths und ohne Verkümmerung des Geistes zu ertragen und an der Stelle des vom Schicksal ihnen versagten Looses sich ein anderes, möglichst befriedigendes für sie selbst und möglichst nutzbringendes für die Welt zu schaffen, auch dazu befähigt die Frauen nur eine wahre, gründliche ­Geistesbildung und Herzensbildung.“

Geht man heute ins Internet auf die Suche nach dem Begriff Herzensbildung so findet man unzählige Verweise z. B. auf die Universität St. Gallen in der Schweiz, deren Studiengänge von Kopf, Herz und Hand bestimmt werden oder auf die Gutenberg-Grundschule in Finnentrop, die lobenswerterweise in ihrem Schulprogramm die Herzensbildung als wichtigen Baustein ausweist.

Was Johann Wolfgang von Goethe noch zärtlich romantisierend Herzensbildung nannte, wird heute als emotionale Intelligenz bezeichnet

Der Begriff wurde erstmals 1986 von den beiden amerikanischen Psychologen Peter Salovey (Yale University) und John Mayer69 (University of New Hampshire) benutzt. Sie vertraten die Ansicht, die emotionale Intelligenz bilde eine Teilmenge der sozialen Intelligenz. Der Entwicklungspsychologe Howard Gardner70 (Harvard Graduate School of Education) unterteilt diese wiederum in eine intrapersonale Intelligenz, bei der es um das Verständnis der eigenen Gefühle geht, und in eine interpersonale Intelligenz, bei der es um das Verständnis der Gefühle unserer Mitmenschen geht.
Erst durch den Bestseller Emotionale Intelligenz des amerikanischen Psychologen und Publizisten Daniel Goleman71 wurde der Begriff weltweit bekannt. Er hat die seit der Aufklärung auseinanderdriftenden Welten von Ration und Emotion wieder zu einer griffigen Formel vereint: Emotionale Intelligenz. Lange Zeit galt der Intelligenz-Quotient (IQ) als der Maßstab für Erfolg. Doch immer mehr Kritiker bezweifelten dies: Was sagt schon eine im IQ-Test erworbene Punktzahl aus; hat der Kandidat mit 135 Punkten mehr Intelligenz als der mit 105 Punkten? „Ich kenne niemanden, der in diesem Sinne Intelligenz hat. Die Menschen, die ich kenne, tun manchmal etwas Kluges, und sie tun manchmal etwas Dummes – das hängt von den Umständen ab, unter denen sie handeln.“ 72
Goleman, der mit mehr als 500 Unternehmen zusammenarbeitet, hatte festgestellt, dass die emotionale Intelligenz der Mitarbeiter stärker am Erfolg einer Firma beteiligt sei als Intelligenzquotient und Sachverstand zusammengenommen.

„Emotionale Intelligenz bedeutet auch, die eigenen Gefühle zu kennen und sie optimal managen zu können. Empfindungen so zu regulieren, dass Zorn effektiv wird, Furcht bezähmbar. Ein emotional intelligenter Mensch findet fast immer selber aus einer Niedergeschlagenheit heraus, kann seine optimistische Stimmung bewahren und beispielsweise am Arbeitsplatz trotz Frustration unbeirrt weitermachen.“73

Rasch avancierte die emotionale Intelligenz zum soft skill der New Economy, die darin den eigentlichen Schlüssel zum Erfolg sah

Das neuartige an dem Begriff Emotionale Intelligenz ist die Verbindung von zwei Welten, die lange Zeit als unvereinbar galten: Diffuse Emotionen und konkrete Intelligenz. Denn in unserer Gesellschaft dominiert weithin das Bild vom vernunftgesteuerten, bewussten und frei entscheidenden Menschen. Gefühle gelten als schwer fassbar und beängstigend; sie haben im Gegensatz zu Gedanken keinen konkret benennbaren Inhalt, sind gegenstandsarm und daher unpräziser. Die Annahme Denken und Fühlen müssten streng unterschieden werden, ist zwar immer noch tief verwurzelt, aber sie entspricht schon lange nicht mehr den Erkenntnissen der neurowissenschaftlichen Forschung. Die Hirnfoschung lehrt uns heute, dass Vernunft und Verstand eingebettet sind in die emotionale Natur des Menschen. Körper, Denken und Gefühle sind durch neuronale Netzwerke eng miteinander verbunden und funktionieren als Einheit.

Emotionale Reize wirken auf nahezu alle Bereiche der Großhirnrinde, die unsere Wahrnehmung und komplexen Denkabläufe steuert. Das limbische System bewertet und wägt alles, was wir tun mit unserem emotionalen Erfahrungsschatz ab. Unsere Gefühle gehen mit sicht- und messbaren körperlichen Empfindungen einher: Das Herz schlägt vor Freude höher, der Angstschweiß auf der Stirn entsteht, die Trauer lässt die Schultern hängen, der Schreck macht uns kreidebleich, die Wut zornesrot und der Neid macht uns blass.

Übrigens: Wissen Sie, warum Liebe blind macht und unseren Verstand vernebelt?

Der Schweizer Neurowissenschaftler Andreas Bartels stellte fest, dass der Serotoninwert (ein Botenstoff bzw. Neurotransmitter) im Hirn um 40 % unter den Normalwert sinkt, wenn wir verliebt sind. Dann ist unser Erregungsniveau erhöht, wir verspüren wenig Schlafbedürfnis und Appetit, unsere Wahrnehmung ist gestört, unsere Hemmungen sinken und unsere Bereitschaft zu irrationalen Handlungen steigt. Zum Glück hält dieser Zustand nur die ersten Monate des Verliebtseins an. Danach steigt der Serotoninwert langsam bis zum Normalwert an.
Eines ist jedenfalls klar: Jeder Mensch meistert kritische Augenblicke, schwierige Phasen, gefährliche Versuchungen, dauerhafte Belastungen und ungünstige Lebensbedingungen umso besser, je ausgeprägter seine emotionale Intelligenz ist. Er vermag seine Gefühle und Reaktionen und die anderer in verschiedenen Situationen einzuschätzen, zu handhaben und zu bewerten.
Die emotionale Intelligenz beinhaltet fünf Baustein, die in den nächsten Kapiteln ausführlich erläutert werden: Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, Motivation, Empathie und soziale Kompetenz.

Was Pädagogen beherzigen sollten

  • Auch wenn emotionale Intelligenz nicht messbar ist, so ist sie doch erlernbar. Wer in seiner Kindheit und Jugend gelernt hat, mit seinen Gefühlen und denen seiner Mitmenschen umzugehen, vermag sein geistiges Potenzial voll auszuschöpfen ohne zum Spielball seiner Emotionen zu werden.
  • Überdenken Sie immer wieder den Appell des Neurobiologen Gerald Hüther74: „Die Kleinen sollten nicht ständig unterrichtet werden. Gedichte oder Vokabeln auswendig lernen sind relativ einfache Lernleistungen, die gar nicht einmal im Frontalhirn verankert werden, sondern in hinteren Hirnregionen. Kinder müssen in dieser Zeit vielmehr lernen können, wie man Beziehungen gestaltet: Zu anderen Kindern, zu den Eltern und Erziehern, zur äußeren Welt und zu sich selbst. In diesen Erfahrungen müssen sie sicher werden! Gemessen an diesen Leistungen sind Lesen, Schreiben und Rechnen lernen oder einen Computer bedienen ein Kinderspiel!“
  • Kinder und Jugendliche mit hoher emotionaler Intelligenz verfügen über ein stabiles Selbstwertgefühl, über Problemlösungsstrategien, über ein inneres Krisenmanagement und vor allem kennen sie Alternativen zu Gewalt und Drogen, um sich selbst zu spüren.
  • Die Lern- und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes hängt unmittelbar von den emotionalen Qualitäten seiner Eltern, Erzieher und ­Lehrer ab.

Emotionen und Gefühle sind die persönlichsten, elementarsten und mächtigsten Antriebskräfte des Menschen.
(Yehudi Menuhin)

Anmerkungen:

54 vgl. Vauvenargues, Luc de Clapiere: Introduction à la connaissance de l’ésprit humain, suvi de reflexions et de maximes. Paris 1747.
55 vgl. Rousseau, Jean-Jacques: Emil oder Über die Erziehung. Paderborn 1975.
56 Pestalozzi, Heinrich: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt. Baden-Baden 1947. S. 175 ff.
57 vgl.: Pestalozzi, Johann H: Sämtliche Briefe. Kritische Ausgabe. Hrsg. v. Pestalozzianum Zürich und Pädagogisches Institut d. Universität Zürich
58 vgl. Freud, Sigmund: Abriß der Psychoanalyse. Das Unbehagen in der Kultur. Frankfurt a. M. 1970
59 vgl. De Sousa, Ronald: Die Rationalität des Gefühls. Frankfurt a.M. 2001
60 Damasio, Antonio R.: Descartes Error and the Future of Human Life. In: Scientific American, Okt. 1994, S. 144
61 Gelernter, David: The Muse in the Machine. Computerizing Poetry of Human Thought. New York 1994. S. 46 – 47.
62 Klein, Stefan: Die Glücksformel oder Wie die guten Gefühle entstehen. Hamburg 2002. S.43.
63 Ohne die freundliche Unterstützung des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim hätte ich diese sicher nicht beantworten können. Nach gründlicher Recherche fand man kleine lexikalische Edelsteine.
64 Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Band IV,II. Leipzig 1877. S. 1233.
65 Zuschauer in Baiern. Erster Band 1779. S. 2.
66 Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung. September 1838, Nr.179, S. 471.
67 Büchner, Luise: Die Frauen und ihr Beruf. (Erstdruck 1855, anonym) Band 4. vermehrte und verbesserte Auflage, Leipzig: Th. Thomas.1872. S. 42-43
68 Biedermann: Frauen-Brevier (Erstv. 1856), 1986, S. 83.
69 Salovey, Peter / Mayer, John: Emotional Intelligence. Imagination, Cognition an Personality. 1990.
70 vgl. Gardner, Howard: Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen. Stuttgart 1991.
71 vgl. Goleman, Daniel: Emotionale Intelligenz. München 2000. Daniel Goldman, geb. 1946, war klinischer Psychologe an der Harvard Universität, USA. Zur Zeit ist er Redakteur für Psychologie und Neurowissenschaften bei der New York Times.
72 Postmann, Neil: Keine Götter mehr. Das Ende der Erziehung. München 2001. 3.Aufl. S. 43; S. 210.
73 Goleman, Daniel: Unser Gehirn tanzt. Interview in : Der Spiegel. Nr.6, 1996. S.127.




Berufsbild Erzieher*in – Grundsatzgedanken zu einem anspruchsvollen Beruf

Vortrag von Prof. Armin Krenz auf der Buchmesse in Frankfurt

In ein paar Wochen schon, öffnet die Buchmesse in Frankfurt ihre Tore. SPIELEN UND LERNEN wird in Halle 3.0 C155 mit einem eigenen Stand dabei sein. Gemeinsam mit unseren Schwesterverlagen veranstalten wir auch einige Vorträge, Buchvorstellungen und Gespräche.

Am Eröffnungstag, den 16.10.2024, hält Prof. Armin Krenz einen Vortrag mit dem Titel „Berufsbild Erzieher*in – Grundsatzgedanken zum Selbstverständnis eines anspruchsvollen Berufs“. In seinem Vortrag in Halle 4.0 H104 spricht Prof. Armin Krenz um 16 Uhr über die wichtigsten berufsspezifischen Grundlagen für eine professionelle Elementarpädagogik. Und er macht auf bedeutsame basale Herausforderungen aufmerksam, damit der gesetzlich verankerte Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag unter Beachtung der jeweils länderspezifischen Bildungsrichtlinien, der UN-Charta Rechte des Kindes sowie der grundlegenden Ausgangsdaten aus den Feldern der Bildungs-/Bindungsforschung und Entwicklungspädagogik auch tatsächlich erfüllt werden kann. Der Zutritt ist für Messebesucher*innen kostenlos.

Anschließend, um 17 Uhr, besucht uns Prof. Krenz am Stand, spricht über den Vortrag, seine neuen Bücher und signiert Bücher.

SPIEL und SELBSTBILDUNG

Am Donnerstag, den 17.10.2024 stellt er in Halle 3.0 C155 ab 10 Uhr das Buch „SPIEL und SELBSTBILDUNG – Kitas brauchen eine pädagogische Revolution“ vor. Gerne beantwortet er die Fragen der Besucher und signiert seine Bücher. Auch hier ist der Zugang für Messebesucher*innen kostenlos.

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Krenz, Armin

SPIEL und SELBSTBILDUNG
Kitas brauchen eine pädagogische Revolution

Erscheint am 16.10.2024, jetzt schon vorbestellen!
22,00 € (inkl. MwSt.)

Zum Inhalt: Das SPIEL hat in den vergangenen Jahren in vielen Kindertageseinrichtungen deutlich an Wert verloren. Dafür kann es viele Gründe geben: sei es die deutliche Zunahme an Verhaltensirritationen bei vielen Kindern, denen sich die frühpädagogischen Fachkräfte verstärkt zuwenden müssen. Sei es die fachliche Herausforderung in einer inklusiven Pädagogik, die hohe Ansprüche an eine besondere Entwicklungsbegleitung erfordert, seien es die Bildungsansprüche vieler Eltern, die an die Fachkräfte gerichtet werden oder sei es die deutliche Zunahme an administrativen Aufgaben, die viel Arbeitszeit bindet. Hinzu kommen Beobachtungen, dass viele Fachkräfte dem SPIEL eine untergeordnete Bedeutung im Vergleich mit „Lernprogrammen“ und „Förderangeboten“ beimessen oder Quereinsteiger*innen ohne eine pädagogische Ausbildung die Lücke von fehlenden Fachkräften besetzen.

Doch unabhängig von allen Gründen bleibt der hohe Bedeutungswert des SPIELS für die SELBSTBILDUNG des Kindes bestehen! Wenn diesem Bedeutungswert kaum noch eine Beachtung geschenkt wird, hat dies gravierende Folgen für die Persönlichkeits- und Lernentwicklung der Kinder. Und damit auch auf die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung des Landes. In dieser Veröffentlichung werden fachliche Grundlagen vorgestellt, um das SPIEL wieder verstärkt in die Elementarpädagogik zu integrieren. Es muss eine praxisorientierte Revolution stattfinden, indem einer wirtschaftlich und funktional gestalteten Elementarpädagogik die „Rote Karte“ gezeigt und erneut Kinder und ihre Entwicklungsbedürfnisse in das Zentrum der Pädagogik gerückt wird. Das gelingt nur mit einer aktiven, lebendigen, authentisch gestalteten SPIELPÄDAGOGIK und spielfreudigen kindheitspädagogischen Fachkräften.


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Krenz, Armin

Berufsbild Erzieher*in
Grundsatzgedanken zum Selbstverständnis
eines sehr anspruchsvollen Berufs

Erscheint am 16.10.2024, jetzt vorbestellen!
22,00 € (inkl. MwSt.)


Krenz, Armin

Beobachtung und Entwicklungsdokumentation
Grundlagen – Praxisbeispiele – Beobachtungslisten – Dokumentationsmuster

Erscheint am 16.10.2024, jetzt vorbestellen!
25,00 € (inkl. MwSt.)

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Weitere Bücher von Amin Krenz finden Sie hier




Zuschauen, zuhören, lesen, gaming: Kinder sind wahre Multimediaprofis

Der Kinder Medien Monitor 2024 bietet Datenmaterial rund um die Mediennutzung von Kindern in ihrer Freizeit

Kinder im Alter von vier bis 13 Jahren sind wahre Multimediaprofis, wie aktuelle Ergebnisse aus dem Kinder Medien Monitor 2024 zeigen. Mindestens mehrmals wöchentlich schauen sie in ihrer Freizeit Sendungen, Serien, Filme oder Videos (92 Prozent). Sie lesen Zeitschriften, Comics, Mangas oder Bücher (63 Prozent) – bevorzugt auf Papier (88 Prozent). Sie hören Musik, Hörbücher, Hörspiele, Podcasts und Radio (88 Prozent), und sie zocken (59 Prozent).

Jedes Medium hat seinen Platz

In der Welt der Kinder findet jedes Medium seinen Platz. Sie bedienen sich je nach Stimmung und Situation der verschiedenen Gattungen. Dabei setzen die Eltern die Grenzen. So dürfen lediglich acht Prozent der Vier- bis 13-Jährigen selbst darüber entscheiden, welche Apps oder Webseiten sie nutzen. Bei der Auswahl der Fernsehsendungen haben 18 Prozent freie Wahl, bei Büchern und Zeitschriften 42 Prozent. Eine wichtige Erkenntnis dabei: So vielfältig das Angebot und das eigene Nutzungsverhalten auch sind – Kinderaugen sehen in allen Medien eine entscheidende Gemeinsamkeit: Sie sorgen für Entspannung.

Einschalten, um abzuschalten – Entspannung hat viele Gesichter

Warum schauen Kinder so gern Bewegtbild? Vor allem, um zu lachen! 63 Prozent der sechs- bis 13-jährigen Kinder genießen Filme, Serien & Co., weil sie lustig sind und sie zum Lachen bringen. 62 Prozent tun es zur Entspannung. Beim Lesen suchen viele Kinder den Nervenkitzel: 55 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen lesen gern, weil sie spannende Geschichten mögen, 53 Prozent lesen zur Entspannung. Musik, Hörspiele, Hörbücher oder Podcasts werden vor allem zur Entspannung gehört (67 Prozent). Selbst beim Gaming steht das Motiv „Abschalten und Entspannen“ mit 51 Prozent an erster Stelle – allerdings meldet sich hier auch der Ehrgeiz: 39 Prozent lieben am Gaming, dass sie sich mit anderen messen können. (Basis: Sechs- bis 13-Jährige; jeweiliges Medium mindestens selten genutzt.)

Eltern bestätigen die Medienkompetenz ihrer Kinder

Eltern fühlen sich selbst sicher im Umgang mit Medien und setzen in diesem Kontext auch großes Vertrauen in ihre Schützlinge: Drei Viertel der Eltern schätzen ihre vier- bis 13-jährigen Kinder als medienkompetent ein. Dabei genießen klassische Medien das größte Vertrauen der Eltern. Zeitschriften halten sie für besonders kindgerecht, um Inhalte im eigenen Tempo aufzunehmen (68 Prozent), Fantasie und Kreativität zu fördern (63 Prozent) und den richtigen Umgang mit Medien zu lernen (56 Prozent). Auch TV, Mediatheken und Streamingdienste werden sehr von Eltern geschätzt: Sie sind ihrer Meinung nach am stärksten mit Spaß und Freude verbunden (79 Prozent), fördern das Erinnerungsvermögen (69 Prozent) und stehen – fast gleichauf mit Zeitschriften – für den Lerneffekt bei ihren Kindern (TV: 67 Prozent; Zeitschriften: 66 Prozent).

Über den Kinder Medien Monitor 2024

Zuschauen, Zuhören, Lesen, Gaming – neben Reichweiten für 25 Printmagazine bietet die repräsentative Markt-Media-Studie umfassendes Datenmaterial rund um die Mediennutzung von Kindern in ihrer Freizeit. Darüber hinaus liefert die Untersuchung vielseitige Einblicke in weitere Lebensbereiche der Kinder, zum Beispiel Interessen, Freizeitgestaltung und Konsumverhalten. Den Ergebnissen zugrunde liegen die Antworten der Kinder sowie die ihrer Eltern. Der Kinder Medien Monitor 2024 repräsentiert acht Millionen Kinder in Deutschland im Alter von vier bis 13 Jahren.

Weitere Informationen unter https://kinder-medien-monitor.de/

Quelle; Kinder Medien Monitor 2024




Viel Bildschirmzeit macht Kinder „sprachlos“

Eltern immer öfter Vorbild – Laut wissenschaftlicher Erhebung ist nur direkte Interaktion hilfreich

Kinder in Familien, in denen die Mitglieder viel Zeit vor diversen Bildschirmen verbringen, haben Schwierigkeiten, ihre Muttersprache richtig zu erlernen. Das haben Wissenschaftler um Tiia Tulviste von der estnischen Universität Tartu festgestellt. Tulviste und Co-Forscher Jaan Tulviste hatten zuvor eine repräsentative Auswahl estnischer Familien mit 421 Kindern im Alter zwischen zweieinhalb und vier Jahren befragt.

Verhalten an Wochenenden

Die Forscher haben die Eltern gebeten zu schätzen, wie viel Zeit jedes Familienmitglied an einem typischen Wochenendtag mit der Nutzung verschiedener Bildschirmgeräte für unterschiedliche Zwecke verbringt. Außerdem sollten sie angeben, wie viel Zeit die Familie gemeinsam vor einem Bildschirm verweilt, zum Beispiel beim Anschauen eines Filmes. Schließlich sollten die Eltern die Sprachkenntnisse ihrer Kinder beurteilen.

Darauf aufbauend haben die Experten sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen in drei Gruppen eingeteilt: hohe, geringe und moderate Bildschirmnutzung. Anschließend analysierten sie die Umfrageergebnisse, um festzustellen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Bildschirmnutzung der Eltern und jener der Kinder gibt.

Kinder halten es wie Eltern

Ergebnis: Eltern und Kinder gehören im Allgemeinen zu denselben Gruppen: Eltern, die viel Zeit vor Displays verbringen, haben beispielsweise Kinder, die sich ebenso verhalten. Unter Berücksichtigung des Alters haben die Fachleute die Sprachentwicklung dieser Kinder untersucht und dabei festgestellt, dass Heranwachsende, die Bildschirme weniger nutzen, in Sachen Grammatik und Wortschatz besser abschneiden. Keine Form der Bildschirmnutzung hatte einen positiven Effekt auf die Sprachkenntnisse der Kinder.

„Während das Lesen von E-Books und einige Lernspiele vor allem für ältere Kinder Möglichkeiten zum Sprachenlernen bieten, zeigt die Forschung, dass die alltägliche verbale Interaktion zwischen Eltern und Kind in den ersten Lebensjahren den größten Einfluss hat“, so Tulviste. Videospiele wirken sich dagegen deutlich negativ auf die Sprachkenntnisse der Kinder aus, unabhängig davon, ob Eltern oder Kinder spielen. Speziell in Estland kommt erschwerend hinzu, dass es kaum Spiele in der Muttersprache gibt.

Wolfgang Kempkens/pressetext.redaktion