Chicken und vegane Nuggets im Öko-Test

Besonders die Nuggets von Burger King und Iglo schneiden im Test schlecht ab

Die Chicken Nuggets von Burger King und Iglo sind Testverlierer beim Verbrauchermagazin Öko-Test. Sie überzeugen die Tester weder mit ihren Inhaltsstoffen noch in Sachen Tierwohl und Transparenz. „Ungenügend“ lautet deshalb ihr Gesamturteil. Der Öko-Test-Vergleich von Chicken Nuggets macht insgesamt einige Probleme deutlich:

  • Elf Chicken Nugget-Marken aus der Tiefkühlabteilung, darunter vier Bio-Produkte, hat Öko-Test unter die Lupe nehmen lassen. Mit dabei waren auch die Nuggets der drei Fast-Food-Ketten McDonald’s, KFC und Burger King.
  • Eingeschränkt empfiehlt Öko-Test drei Chicken-Nugget-Marken mit „gut“. Was das Tierwohl betrifft, sei aber Luft nach oben.
  • Für die meisten Anbieter im Test ist Haltungsstufe 2 anscheinend der Standard.
  • Bei den Inhaltsstoffen kritisieren die Tester vor allem Fettschadstoffe und einen antibiotikaresistenten Keim.
  • Burger King und Iglo sind die Testverlierer.

Dagegen sind vegane Nuggets frei von Tierleid. Die Inhaltsstoffe vieler Produkte im Test floppen allerdings. Etliche vegane Nuggets fallen aufgrund von enthaltenen Schadstoffbelastungen und umstrittenen Zusatzstoffen negativ auf. Vier Produkte sind immerhin mit „gut“ empfehlenswert. 

  • Im Test waren 17 vegane Nuggets auf Basis von Tofu, Reisflocken oder von Soja-, Weizen- Ackerbohnen- oder Erbseneiweiß, darunter tiefgekühlte und gekühlte aus Supermärkten und Discountern. Außerdem: fertig zubereitetes Fast Food von McDonald’s und Burger King.
  • Vier Produkte sind mit „gut“ empfehlenswert, sieben fallen mit „ungenügend“ durch.

Burger King und Iglo sind Testverlierer 

  • Bei den Chicken Nuggets gab Burger King die denkbar schlechteste Auskunft zum Thema Tierwohl: Als einziges Unternehmen im Test beantwortete die Fastfood-Kette die Fragebögen von Öko-Test offenbar gar nicht. Auch das Testergebnis Inhaltsstoffe der King Nuggets fällt „ungenügend“ aus.
  • Zweites Schlusslicht im Test: die Chicken Nuggets classic der beliebten Tiefkühlmarke Iglo. Wie in den King Nuggets fand das Labor auch darin Fettschadstoffe.

So steht es um Schadstoffe in Chicken Nuggets

In Sachen Schadstoffe stehen die meisten Chicken Nuggets ganz gut da. Anders als in vielen der veganen Produkte sind Mineralölbestandteile hier kein großes Thema. Die Nuggets von Burger King und Iglo fallen aber aus dem Rahmen.

Das beauftragte Labor hat darin Gehalte an 3-MCPD-Fettsäureestern ermittelt, die als „erhöht“ eingestuft wurden. Die Stoffe können sich in verarbeiteten Lebensmitteln, etwa in raffinierten pflanzlichen Ölen bilden. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat 3-MCPD als möglicherweise krebserregend für den Menschen eingestuft.

Da auch Kinder Chicken Nuggets lieben, hat Öko-Test für die Bewertung ein Kind mit 30 Kilogramm Körpergewicht zugrunde gelegt: Mit einer Portion von 150 Gramm würde es schon mehr als die Hälfte der täglich tolerierbaren Aufnahmemenge (TDI) ausschöpfen, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegt hat.

Manche Nuggets bestehen zu großem Teil aus Panade

Die Nuggets von Burger King und Iglo fielen auch durch ihren überproportional großen Anteil an Panade im Verhältnis zum Fleisch negativ auf. Dafür, dass sie zu mehr als 40 Prozent aus Panade bestehen, kritisieren die Tester auch weitere Chicken Nuggets im Test.

Bei Burger King kommt noch ein Phosphatzusatz hinzu, auf den Fertiglebensmittelhersteller aus unserer Sicht besser verzichten sollten, da zu viel Phosphat den Nieren schaden kann. Weiterer Kritikpunkt: Die Fast-Food-Kette hat keine komplette Zutatenliste auf ihre Internetseite gestellt.

Mineralöl in veganen Nuggets gefunden

Mehr als die Hälfte der Produkte im Test kritisieren die Tester, weil sie mit Mineralölbestandteilen verunreinigt sind. Genau gesagt, handelt es sich um gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH/MOSH-Analoge). Diese reichern sich im menschlichen Körper an und stellen dort die größte Verunreinigung dar. Die gesundheitlichen Folgen sind unklar.

Die aktuell getesteten Chicken Nuggets enthielten allenfalls Spuren von MOSH-Analogen. Sind Verunreinigungen mit Mineralöl also ein spezielles Problem von veganen Ersatzprodukten? Klares Nein. Auch in Butter oder in Grillwürsten aus Schweinefleisch fand Öko-Test Mineralölbestandteile.

Die Lebensmittelindustrie hat sich seit Längerem selbst verpflichtet, auch MOSH-Analoge in Lebensmitteln vorsorglich zu minimieren. Aus Sicht von Öko-Test sind die bisherigen Anstrengungen und Orientierungswerte aber nicht ambitioniert genug.

Was ist in den veganen Nuggets drin?

Die veganen Nuggets basieren auf Tofu, Reisflocken oder auf Soja-, Weizen- Ackerbohnen- oder Erbseneiweiß. Die Grundstoffe sind pflanzlich. Vegane Nuggets bleiben aber industriell hergestellte Fertigprodukte, zum Teil mit jeder Menge Zusatzstoffen.

Viele versuchen dem Produkt aus Huhn möglichst nahezukommen. Dafür setzen die Anbieter nicht nur auf Gemüse oder Getreide, sondern unter anderem auch auf Verdickungsmittel oder einzelne pflanzliche Fasern fürs entsprechende Mundgefühl.

Einige der Zusatzstoffe sehen die Tester kritisch. So taucht mit wenigen Ausnahmen in allen Zutatenlisten Aroma oder „natürliches Aroma“ auf. Statt auf geschmacksintensive leckerere Rohstoffe setzen die Hersteller auf die Trickkiste der Aromenindustrie. Dass einige damit den Geflügelfleischgeschmack nachahmen wollen, muss nicht sein.

Phosphatzusätze in einigen veganen Nuggets

Aromazusätze zeigen für Öko-Test klar das Problem dieser Produktkategorie: Offenbar schmecken die Rohstoffe nicht intensiv und lecker genug. Aus unserer Sicht schmälern Aromazusätze die Qualität eines Lebensmittels.

Was steckt außerdem in den veganen Nuggets? In einigen Produkten wurden Phosphatzusätze gefunden. Phosphate sind natürlicherweise besonders in tierischen Lebensmitteln, aber auch in Hülsenfrüchten enthalten.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat 2019 darauf hingewiesen, dass Kinder leicht mehr Phosphate aufnehmen können, als für sie gesundheitlich unbedenklich ist. Große Mengen an Phosphaten können den Nieren schaden.

Zwei Produkte sind mit Eisen (Eisendiphosphat) angereichert. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät von Eisenzusätzen in Lebensmitteln ab. Wer unter Eisenmangel leidet, nimmt besser mit ärztlicher Rücksprache die individuell richtige Dosis ein.

Geschmack

In der Prüfung von Aussehen, Geschmack und Geruch schlugen sich fast alle Chicken Nuggets „gut“ bis „sehr gut“ – bis auf wenige Produkte. Die Kritik der Experten: „außen nicht knusprig“, „innen zu weich“ oder „gummiartiger Kern und Panade“.

Echte Ausreißer nach unten in Geschmack, Aussehen und Mundgefühl gab es auch bei den veganen Nuggets nicht. Die geschulten Sensoriker notierten nur leichte Abweichungen wie „nicht knusprige Panaden“ oder einen vergleichsweise „faden Geschmack“. Am unangenehmsten war noch der „schwach muffige“ Geruch eines Produkts im Test.

Insgesamt müssen die veganen Nuggets sich im Testergebnis Sensorik nicht vor den Chicken-Nuggets verstecken.

Vegane Nuggets vs. Chicken Nuggets

  • Tierwohl: Für die veganen Nuggets leiden keine Tiere – für solche aus Huhn durchaus.
  • Klima: Hähnchen-Nuggets haben laut Ifeu-Institut einen Fußabdruck von 3,8 Kilogramm CO2-Äquivalenten pro Kilo Produkt. Im Vergleich mit Rindfleisch (13,8 Kilo) ist das wenig, aber viel im Vergleich mit den meisten pflanzlichen Lebensmitteln. Einen direkten Vergleichswert für vegane Nuggets hat das Institut nicht veröffentlicht, für andere vegane Fleischersatzprodukte liegen Werte von unter zwei Kilo vor.
  • Nährstoffe: Chicken- und auch viele vegane Nuggets liefern viel Eiweiß und kaum ungünstige gesättigte Fette. Trotzdem sind sie kein besonders gesundes Essen. 150 Gramm veganes Produkt im Test enthalten bis zu 458 Kilokalorien, die Chicken-Variante bis zu 374.

Mehr dazu finden Sie auf www.oekotest.de. Hier finden Sie auch die Tests zum kostenpflichtigen Download. Die aktuelle Ausgabe des Magazins zu weiteren Produkten wie Bodysprays, Fußbalsam, Vitaminpräparate für Schwangere, Babyfeuchttücher mit Parfüm und Lackfarben ist ab sofort im Handel erhältlich.

Quelle: Pressemitteilung Öko-Test




Nationaler Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“

Bundeskabinett beschließt Aktionsplan für chancengerechtes Aufwachsen

Das Bundeskabinett hat einen Nationalen Aktionsplan beschlossen. Er soll jedem Kind in Deutschland Zugang zu frühkindlicher Betreuung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Ernährung und Wohnraum ermöglichen.

Der neue Nationalen Aktionsplan soll den Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Betreuung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Ernährung und Wohnraum für benachteiligte Kinder und Jugendliche sichern.

Am 5. Juli hat das Bundeskabinett den Nationalen Aktionsplan (NAP) „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ beschlossen. Ziel des Nationalen Aktionsplans ist es, bis zum Jahr 2030 benachteiligten Kindern und Jugendlichen Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Betreuung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Ernährung und Wohnraum zu gewährleisten.

Damit setzt die Bundesregierung die Empfehlung des Europäischen Rates zur Einführung einer Europäischen Kindergarantie um. Diese wurde 2021 von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) verabschiedet.

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Frauen, Senioren und Jugend: „Wir wollen sicherstellen, dass alle jungen Menschen ein selbstbestimmtes und eigenständiges Leben führen können. Unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern. Mit dem NAP arbeiten wir daran, allen von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen Kindern und Jugendlichen gerechte Chancen zu garantieren. Gemeinsam mit Ländern, Kommunen und der Zivilgesellschaft fokussieren wir uns auf die Bereiche Betreuung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Ernährung und Wohnraum. Besonders wichtig ist es mir, mit den Kindern und Jugendlichen selbst ins Gespräch zu kommen. Schließlich wissen sie am besten, was sie für ein gutes Aufwachsen brauchen. Daher werden wir sicherstellen, dass sie die Umsetzung des Aktionsplans eng begleiten können.“

Umfassenden Beteiligungsprozess fortsetzen

Der NAP umfasst rund 350 Maßnahmen des Bundes, der Länder, der Kommunen und der zivilgesellschaftlichen Organisationen auf den genannten Handlungsfeldern sowie politische Rahmenmaßnahmen wie die geplante Kindergrundsicherung. Im Jahr 2022 wurde ein umfassender Beteiligungsprozess zum NAP gestartet, der mit der Umsetzung des NAP fortgesetzt wird.

Kinder und Jugendliche in Entscheidungen einbeziehen

Die Steuerung des Umsetzungsprozesses übernimmt die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesfamilienministerin, Ekin Deligöz. Lisa Paus ernannte sie zur Nationalen Kinderchancen-Koordinatorin. In dieser Funktion wird sie einen NAP-Ausschuss mit Vertreterinnen und Vertreterinnen aus Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft leiten, der die Umsetzung des NAP begleiten wird. Kinder und Jugendliche werden dabei beratend einbezogen.

Der Ratsempfehlung zur EU-Kindergarantie folgend wird die Bundesregierung der EU-Kommission ab dem Jahr 2024 alle zwei Jahre über die Umsetzung des NAP Bericht erstatten.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Familienministerin Paus und EU Kommissar Schmit starteten den Aktionsplan im Mai 2022




Die Betreuungswünsche vieler Eltern können nicht erfüllt werden

„Kindertagesbetreuung Kompakt“ beschreibt den Ausbaustand und Bedarf 2022

Der Betreuungsbedarf der Eltern für Kinder unter drei Jahren ist weiter gestiegen und lag 2022 bei 49,1 %. Doch nur 35,5 % der Kinder dieser Altersgruppe wurden 2022 tatsächlich auch betreut. Die Differenz zwischen Betreuungsquote und Bedarf bei Eltern von U3-Kindern liegt demnach bei 13,6 Prozent. Bei den unter Dreijährigen ist diese Lücke weiterhin größer als bei den Kindern zwischen drei und fünf Jahren. Dies ist ein zentrales Ergebnis der jetzt vorliegenden achten Ausgabe von „Kindertagesbetreuung Kompakt – Ausbaustand und Bedarf 2022“ des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ), in welche Daten der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) und der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (AKJStat) an der TU Dortmund miteinfließen.

Stark abweichende Öffnungszeiten in Ost- und Westdeutschland

Die Öffnungszeiten in der Kindertagesbetreuung unterschieden sich deutlich zwischen Ost- und Westdeutschland. Im Osten öffneten Kindertageseinrichtungen für Kinder vor dem Schuleintritt deutlich früher. Zudem schlossen Einrichtungen für Kinder dieser Altersgruppe auch später als im Westen. Des Weiteren öffneten Horte und Einrichtungen mit Hortangeboten im Osten deutlich früher. Die Hort-Schließzeiten waren dagegen in Ost- und Westdeutschland ähnlich.

Belastungen für die Eltern durch Schließungen des Betreuungsangebots

Durch die Coronapandemie war eine zuverlässige Betreuung für viele Eltern im Kitajahr 2021/2022 nicht immer gegeben. Zeitweise Schließungen des Betreuungsangebots betrafen Eltern mit Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt dabei häufiger als Eltern mit Kindern unter drei Jahren. Für Eltern beider Altersgruppen stellte diese Situation eine deutliche Belastung dar. Außerdem waren vier von fünf Eltern von Grundschulkindern im Schuljahr 2021/2022 von zeitweisen Schließungen des Betreuungsangebots betroffen. Auch für sie war diese Situation sehr belastend.

Große Lücke bei Betreuungsbedarf und Betreuungsquote von Grundschulkindern

Nach einem Rückgang im Vorjahr wurden für das Schuljahr 2021/2022 wieder mehr Grundschulkinder in Hort- und schulischen Ganztagsangeboten in der Statistik erfasst als noch im Jahr davor. Dennoch zeigen die Ergebnisse zur Ganztagsbetreuung von Kindern im Grundschulalter, dass es auch 2022 im Bundesdurchschnitt eine Lücke zwischen dem Betreuungsbedarf der Eltern und der Betreuungsquote gab. 73 Prozent der Eltern wünschten sich einen Betreuungsplatz für ihr Grundschulkind, die Quote der in Horten und Ganztagsschulen betreuten Kinder lag jedoch nur bei 55 Prozent. Um den Bedarf der Eltern zu decken, werden daher mehr Plätze in schulischen Ganztags- und Hortangeboten sowie weiteren Betreuungsangeboten für Grundschulkinder benötigt.

DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS)

Seit 2016 erarbeitet das KiBS-Team jährlich eine Reihe von vertieften Analysen, die im Format des DJI-Kinderbetreuungsreports als Serie thematisch fokussierter Studien verfügbar sind. Die Auswertungen beschäftigen sich etwa mit den Kosten der Kindertagesbetreuung, den Gründen für eine Nichtinanspruchnahme von Kindertagesbetreuung oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Report 2023 werden die zentralen Indikatoren der Erhebung aus dem Jahr 2022 vorgestellt.

Detaillierte Ergebnisse zum Betreuungsbedarf im U3- und U6-Bereich sind in Studie 1 des KiBS-Reports 2023 zu finden. Studie 2 des Reports 2023 beschäftigt sich mit Bildungs- und Betreuungsangeboten für Grundschulkinder und den elterlichen Bedarfen. Beide Studien erscheinen voraussichtlich im September 2023.

Marion Horn, Deutsches Jugendinstitut e.V.




Inklusives Bildungssystem könnte aus der Krise helfen

Gemeinsame Resolution der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule und des Grundschulverbands

Das deutsche Bildungssystem befindet sich in einer Krise, vielleicht der größten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Zu den Symptomen dieser Krise gehören unter anderem die nach wie vor eklatante Bildungsungerechtigkeit sowie die mangelhafte Ausrichtung auf eine zukunftsorientierte Bildung. Die Realisierung eines inklusiven Bildungssystems, zu der sich die Bundesrepublik Deutschland durch Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet hat, ist noch lange nicht erreicht. Damit werden die Rechte jedes Kindes und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung gravierend verletzt.

Das föderale System wird den Herausforderungen immer weniger gerecht. Konsequent ist daher, dass die Regierungsparteien auf der Bundesebene bildungspolitische Schwerpunkte gesetzt haben.

Im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ der Ampelregierung findet sich unter Punkt V. Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung ein Leben lang „Wir wollen allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beste Bildungschancen bieten, Teilhabe und Aufstieg ermöglichen und durch inklusive Bildung sichern.“

Das Startchancenprogramm soll Kindern und Jugendlichen – unabhängig von der sozialen Lage der Familien – bessere Bildungschancen ermöglichen. Mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler sollen dabei Unterstützung finden in den Bereichen:

  • Schulbau, durch ein Investitionsprogramm für moderne, klimagerechte, barrierefreie Schulen mit einer zeitgemäßen Lernumgebung und Kreativlaboren,
  • Weiterentwicklung der Schulen, des Unterrichts und der Lernangebote, durch ein Chancenbudget zur freien Verfügung, um Schule, Unterricht und Lernangebote weiterzuentwickeln und außerschulische Kooperationen zu fördern,
  • Schulsozialarbeit, mit der dauerhaften Bereitstellung zusätzlicher Stellen.

Inzwischen hat die Bundesregierung in ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 für das Startchancenprogramm im Einzelplan 60 einen eigenen Titel mit einem Ansatz von 500 Mio. Euro eingestellt. Ab 2025 sind 1 Mrd. Euro pro Jahr für das Programm vorgesehen.

Jetzt geht es darum, das Programm zu einem guten Ergebnis zu führen.

Die GGG und der GSV haben sich dazu folgendermaßen positioniert:

Resolution: Das Startchancen-Programm muss zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen und einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung eines inklusiven Schulsystems leisten

1.         Die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule (GGG) und der Grundschulverband (GSV) begrüßen uneingeschränkt, dass die Ampelkoalition Kindern und Jugendlichen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Familien durch inklusive Bildung bessere Bildungschancen zur Behebung der herkunftsbedingten Bildungsbenachteiligung ermöglichen will und dazu ein Startchancen- Programm auflegt. Mit dem Programm soll auch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit des deutschen Schulsystems erreicht werden. Für die Umsetzung des Programms ist die Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen notwendig.

2.         Die Verbände halten die begleitenden öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über Finanzierung und Ausgestaltung des Programms für kontraproduktiv. Das Versprechen, die Zivilgesellschaft und auch die Schulen mit in den Entwicklungsprozess des Programms einzubeziehen, muss schnellstens eingelöst werden.

3.         Es besteht weitgehend Übereinstimmung darin, dass der Erfolg des Programms evaluiert werden muss. Vorhandene erfolgreiche Formen und Erfahrungen wissenschaftlicher Begleitung, z.B. aus der Berliner Gemeinschaftsschul-Pilotphase, verzahnt mit Fortbildung und Evaluation sind zu nutzen. GGG und GSV schlagen vor, im Rahmen der Evaluation folgende Zielsetzungen zugrunde zu legen:

  • eine Verbesserung des Wohlbefindens der Schüler:innen,
  • eine Steigerung der Anzahl der Schüler:innen, die die Schule mit Schulabschluss verlassen,
  • eine Steigerung der Anzahl der Schüler:innen, die die Mindeststandards in den einschlägigen Vergleichstests (IQB-Bildungsstudie, PISA etc.) erreichen,
  • eine deutliche Entkoppelung von Herkunft und Bildungserfolg,
  • eine Weiterentwicklung des selektiven Schulsystems in Richtung eines inklusiven Schulsystems, messbar an einer verbesserten Versorgung in Bezug auf Ausstattung und Personal für inklusive Bildung sowie einer erhöhten Anzahl von Schulen des gemeinsamen Lernens.

4.         Das Startchancen-Programm ist ein zentrales bildungspolitisches Vorhaben der Bundesregierung für diese Legislaturperiode. Die Umsetzung soll mit Beginn des Schuljahres 2024/25 erfolgen. Wesentliche Mittel an die Schulen werden erst 2025 fließen. Das ist viel zu spät. Deshalb fordern die Verbände die Bereitstellung eines Sofortprogramms von 1 Mrd. Euro bereits für das Schuljahr 2023/24. Es ist nicht in Kauf zu nehmen, dass weitere Schüler:innenjahrgänge zurückgelassen werden. Ein Zusammenstreichen der vorgesehenen Mittel und ggf. ein Verzicht auf das Programm insgesamt wäre unverantwortlich. Ausgaben für den Bildungsbereich müssen höchste Priorität haben.

5.         GGG und GSV fordern, dass die gesamten Mittel für alle drei Bereiche nach Sozialindex und nicht nach Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden, so wie es im Eckpunkteentwurf des BMBF vorgeschlagen wird. Die Auswahl der Schulen muss sich am Bedarf orientieren, an einem schüler:innenscharfen Sozialindex. Von den Ländern fordern wir, dass sie zusätzlich zu den Bundesmitteln einen gleich hohen Beitrag für das Programm beisteuern.

6.         Die Verbände fordern, den Schulen als wesentlichen Akteuren bei der Umsetzung des Programms weitgehende Spielräume zur Ausgestaltung des Programms und zur Verwendung der Mittel zu ermöglichen. Dabei sollen die Schulen wissenschaftlich, administrativ und unterstützend begleitet werden. Außerdem ist eine regionale Vernetzung der am Programm beteiligten Schulen zu ermöglichen.

7.         Auf der individuellen Ebene der Schüler:innen soll das Startchancenprogramm die sozial- emotionalen Kompetenzen fördern, persönlichkeitsbildend wirken und den Schüler:innen ermöglichen, die nötigen Zukunftskompetenzen zu entwickeln. Deshalb fordern GGG und GSV, dass das Startchancen-Programm nicht allein auf Basiskompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik fokussiert, sondern mit einem emanzipatorischen, basisdemokratischen, teilhabenden und entgrenzenden Anspruch versehen wird. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie mit psychosozialen Nachwirkungen bei Schülerinnen und Schülern ist dies besonders wichtig.

8.         Für die schulstrukturelle Ebene fordern die Verbände:
Im Grundschulbereich ist mit dem Startchancenprogramm das Sprengelprinzip in allen Bundesländern wieder einzuführen.
Alle in das Startchancen-Programm einbezogenen Schulen bringen ihre Schulentwicklung mit dem Ziel einer inklusiven Schule voran.
Geförderten allgemeinbildenden Schulen ist die Entwicklung zu einer integrierten Langformschule (Schule von 1 – 10 bzw. 13) zu ermöglichen.
Geförderten Gesamtschulen ohne Oberstufe ist zu ermöglichen, eine Oberstufe aufzubauen.

Insgesamt sind die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule und der Grundschulverband der Überzeugung, dass allein die Möglichkeiten des Startchancen-Programms nicht ausreichen werden, unser Bildungssystem gerecht, inklusiv und zukunftsfähig zu gestalten. Dazu bedarf es weiterer Anstrengungen und einer gesamtgesellschaftlichen Übereinkunft. Frühkindliche Bildung ist im Programm nicht vorgesehen. Die Strukturfrage wird nicht angegangen. Diese Mängel sind zu beheben. Der von der Koalition vereinbarte „Bildungsgipfel“, „auf dem sich Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über neue Formen der Zusammenarbeit und gemeinsame ambitionierte Bildungsziele verständigen“ (zitiert aus dem Koalitionsvertrag), muss umgehend einberufen werden und zielorientiert arbeiten.

Quelle: Pressemitteilung Grundschulverband e.V.




Von Beruf: Fachberatung!

fachberatung

Ergebnisse einer Befragung von Fachberaterinnen und Fachberatern für Kindertageseinrichtungen

In der Fachwelt herrscht Einigkeit darüber, dass Fachberatung eine wichtige Rolle für die Qualitätsentwicklung in Kindrgebnisse einer Befragung von Fachberaterinnen und Fachberatern für Kindertageseinrichtungenertageseinrichtungen spielt. Nicht klar umrissen sind hingegen das Berufsbild und die Aufgaben von Fachberaterinnen und Fachberatern. Sie variieren je nach Träger und den rechtlichen Rahmenbedingungen im jeweiligen Bundesland. Auf Basis einer deutschlandweiten Fragebogenstudie geht das Arbeitspapier der Frage nach, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sich bei den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, dem Ausbildungshintergrund sowie den Tätigkeitschwerpunkten beobachten lassen.

Kaiser, Anna-Katharina:

Von Beruf: Fachberatung!

Ergebnisse einer Befragung von Fachberaterinnen und Fachberatern für Kindertageseinrichtungen. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte,

WiFF Arbeitspapiere, Nr. 10. München, 2023

Download der Broschüre und weitere Informationen:

https://www.weiterbildungsinitiative.de/publikationen/detail/von-beruf-fachberatung




Traditionelle Lieder erzählen von vergangenen Zeiten

musik klavier

Was haben unsere Großeltern gesungen? Und was davon kennen Mama und Papa noch?

Kinder interessieren sich sehr für das, was einst geschehen ist, als sie noch nicht auf der Welt waren. Daszu gehört auch das Liedgut, das vor langer Zeit gesungen wurde. Deshalb bietet es sich an, ein kleines Projekt zu organisieren. Zur Vorbereitung fragen die Kinder ihre Eltern zu Hause, sammeln Lieder aus alten Bü­chern und bitten die Erwachsenen, ih­nen solche Lieder beizubringen.

Diese Art der „Spurensicherung“ bringt sicher manch einen (Lieder-)Schatz ans Tageslicht und zu Gehör, der mit guten oder auch schlechten Erinnerungen ver­bunden ist. Viel­leicht gibt es auch zu bestimmten Lie­dern Geschichten über ihre Entste­hung und Verbreitung oder aber auch persönliche Erlebnisse, die sich um Lieder ranken und die man gern an­deren mitteilen möchte.

Nach gemeinsamer Absprache la­den die Kinder ihre Eltern und Groß­eltern ein zu „Omas Liederstunde“. Diese Stunde kann durchaus auch länger dauern. Zu Beginn wird mög­licherweise Kaffee, Saft und Kuchen aufgetischt. Wenn sich alle gestärkt ha­ben, kann dann reihum gefragt wer­den, was die Einzelnen mitgebracht haben an Liedern, Geschichten und eventuell sogar Fotografien von da­mals. Nach den Erzählungen werden die Lieder mit allen „einstudiert“. Auch hier können die Lieder mit den ent­sprechenden Spielideen oder Bewe­gungen verbunden werden.

Schön wäre es, wenn Noten- und Textmaterial vorhanden sind, allen Be­teiligten einige Tage später oder bei ei­nem weiteren Treffen alle Lieder ko­piert zur Verfügung zu stellen.

Hier finden Sie Beispiele von Spielliedern aus dem vorletzten Jahrhundert:

WIDEWIDEWENNE

In diesem Lied wird nach und nach eine gesamte Hausgemeinschaft vor­gestellt. Es ist geeignet für eine kleine Inszenierung. Mit dem „Erzähler“ kön­nen 15 Kinder beteiligt werden, wenn mehr da sind, können sie als Chor mit­wirken.

Während sich alle im Dreierrhyth­mus hin- und herwiegen und singen, geht der Erzähler im Kreis herum und zeigt in den Strophen jeweils auf zwei Kinder, die dann Huhn oder Gans wer­den und sich entsprechend im Kreis bewegen, bis alle Hausbewohner vor­gestellt worden sind.

  1. Schwarz und weiß heißt meine Geiß,
    Schmortöpflein heißt mein Schwein.
    Widewidewenne
    heißt meine Puthenne.
  2. Ehrenwert heißt mein Pferd,
    Gute Muh heißt meine Kuh.
    Widewidewenne
    heißt meine Puthenne.
  3. Wettermann heißt mein Hahn,
    Kunterbunt heißt mein Hund.
    Widewidewenne
    heißt meine Puthenne.
  4. Guck heraus heißt mein Haus,
    Schlupf heraus heißt meine Maus.
    Widewidewenne
    heißt meine Puthenne.
  5. Wohlgetan heißt mein Mann,
    Sausewind heißt mein Kind.
    Widewidewenne
    heißt meine Puthenne.
  6. Leberecht heißt mein Knecht,
    Spätbetagt heißt meine Magd.
    Widewidewenne
    heißt meine Puthenne.

Gesprochen:

Nun kennt ihr mich
mit Mann und Kind
und meinem ganzen Hausgesind.

WIR WOLL’N EINMAL SPAZIEREN GEHEN

Bei diesem Fang-Spiellied versteckt sich zunächst ein Kind als das wilde Tier. Alle anderen Kinder spazieren paarweise herum, während sie dabei singen. Auf Stichwort „zwölf“ kommt das wilde Tier und schnappt sich eins der Kinder, das nun zum wilden Tier wird. Das Spiel beginnt von Neuem.

Bei uns spielt die Musik

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Bei uns spielt die Musik
Klangspiele und Spiellieder
Eckart Bücken
Burckhardthaus-Laetare
ISBN 9783944548142
9,90 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




Ideeninitiative ‚Kulturelle Vielfalt mit Musik‘

Kunst

Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung unterstützt das musikalische Miteinander

Die Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung unterstützt mit ihrer bundesweiten, jährlichen „Ideeninitiative ‚Kulturelle Vielfalt mit Musik‘“ die Entwicklung und Umsetzung neuer Projektideen. Hierfür stellt sie Fördermittel in Höhe von insgesamt rund 100.000 Euro zur Verfügung.

Vom 10. August bis zum 31. Oktober 2023 können sich Projekte aus ganz Deutschland bewerben, die das Miteinander von Kindern und Jugendlichen verschiedener kultureller Herkunft fördern.

Initialzündung geben für die Entwicklung und Umsetzung von Projektideen

Die Stiftung fördert Projektideen von Bildungseinrichtungen, Vereinen und individuellen Akteuren mit gemeinnützigen Partnern gleichermaßen. Ebenso sucht sie digitale Projekte, die sich für ein Miteinander der Kulturen einsetzen.

Der Projektaufruf möchten eine Initialzündung geben für die Entwicklung und Umsetzung von Projektideen und möglichst viele Einrichtungen und Akteure zu entsprechendem Handeln motivieren.

Gesucht sind:

  • Kreative, praktische Beispiele mit Vorbildfunktion, die das Miteinander und Verständnis füreinander fördern.
  • Projekte, die von mehreren Projektpartnern gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden.
  • Projekte, die ihre Teilnehmer:innen an möglichst allen Projektphasen aktiv beteiligen.
  • Neue Projektideen oder etablierte Projekte mit neuen Akzenten.
  • Projekte mit einer Laufzeit von drei bis sechs Monaten. Der Projektstart muss zwischen Januar und März 2024 (NICHT vorher) erfolgen. Bis Juli 2024 muss das Projekt beendet sein.

Bewerbung ab dem 10. August bis zum 31.10.2023

Bis zu 20 Projekte fördert die Stiftung im Rahmen der jährlichen „Ideeninitiative ‚Kulturelle Vielfalt mit Musik‘“ , jeweils mit einmalig maximal 7.500,- Euro, jedoch nicht mit mehr als 80% des Gesamtprojektbudgets.

Die Projektanträge zur Ideeninitiative müssen über ein Online-Formular erstellt werden. Eine Bewerbung ist ab dem 10. August bis zum 31. Oktober 2023 möglich.

Weitere Informationen und Bewerbung unter:

https://kultur-und-musikstiftung.de/de/startseite/projekte/ideeninitiative




Ein Job verbessert das Wohlbefinden von Müttern erheblich

Frauen mit sehr kleinen Kindern brauchen mehr Unterstützung

Die Zahl der Mütter in Erwerbstätigkeit in Deutschland steigt seit Jahren. Allerdings sehen sich Mütter in einem ständigen Balanceakt zwischen Beruf und Familie. Die Forschung zeigt, dass sich Erwerbstätigkeit generell bei allen Menschen positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden auswirkt. Bislang wurde jedoch nicht untersucht, wie sich die Berufstätigkeit auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von alleinerziehenden Müttern und Müttern in Partnerschaften auswirkt. Dies haben nun Dr. Mine Kühn von der Universität Tilburg (NL) und Dr. Christian Dudel vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) gemeinsam mit Prof. Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum untersucht.

Eine Mutter, viele Rollen

Frauen übernehmen oft mehr als eine Rolle in der Familie. Sie gehen arbeiten, kümmern sich um den Haushalt und die Kinder. Für alleinerziehende Mütter ist der Spagat besonders groß, da es keine Möglichkeit einer Arbeitsteilung im Haushalt gibt und ihnen die emotionale und materielle Unterstützung eines Partners fehlt. „In unserer Studie haben wir untersucht, wie sich mit dem Wechsel in die Erwerbstätigkeit das Wohlbefinden und die Gesundheit von Müttern verändern. Dabei haben wir alleinerziehende Mütter mit Müttern verglichen, die in einer Partnerschaft leben“, erklärt Kühn. Die Daten zur Studie stammen aus dem Sozio-Oekonomischen Panel (SOEP). Ausgewertet wurde der Zeitraum zwischen 1992 und 2016 in Ost- und Westdeutschland.

Positiver Effekt bei Single-Müttern am stärksten

Die Studie zeigt, dass sowohl alleinerziehende Mütter als auch Mütter in Paarfamilien von einer Erwerbstätigkeit profitieren. Bei beiden Gruppen ist eine Verbesserung des Wohlbefindens und der Gesundheit zu beobachten. Allerdings ist der positive Effekt auf Wohlbefinden und Gesundheit bei alleinerziehenden Frauen deutlich größer als bei in Partnerschaft lebenden Müttern. „Alleinerziehende stehen häufig unter großem finanziellem Druck. Daher könnte man annehmen, dass der Anstieg des Haushaltseinkommens der Hauptgrund für ein höheres Wohlbefinden und eine bessere Gesundheit ist. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass das Einkommen allein nicht der Grund ist. Wir vermuten, dass ein größeres Gefühl finanzieller Unabhängigkeit vom Ex-Partner oder von Sozialleistungen und zusätzliche soziale Bindungen das Wohlbefinden der Mütter fördern. Die Erwerbstätigkeit stärkt somit die eigene gesellschaftliche Identität und das Selbstwertgefühl“, so Kühn. Die Steigerung des Wohlbefindens der Frauen ist vor allem bei alleinerziehenden Müttern, die Vollzeit arbeiten, am größten.

Kaum Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland

Bei den Single-Müttern in Ost- und Westdeutschland gab es keine signifikanten Unterschiede. In beiden Landesteilen scheint daher die Arbeitstätigkeit von alleinerziehenden Müttern gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Anders sieht es bei Müttern in einer Partnerschaft aus. Hier ist die Steigerung des Wohlbefindens nach Aufnahme einer Beschäftigung bei ostdeutschen Frauen deutlich höher als in Westdeutschland. „In der Studie zeigen sich die historisch gewachsenen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Während in den alten Bundesländern ein Sozialstaatskonzept galt, das den männlichen Haupternährer mit einem relativ geringen Anteil mütterlicher Erwerbstätigkeit vorsah, war es in Ostdeutschland durchaus notwendig, dass Mütter erwerbstätig waren“, erläutert Kühn.

Hohe Belastung bei Müttern mit Kleinkindern

Die Belastungen von Müttern mit mindestens einem Kind unter fünf Jahren sind in beiden Gruppen sehr hoch. Frauen, deren jüngstes Kind dieser Altersgruppe angehören, haben große Probleme, Alltag, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit führt in beiden Gruppen sogar zu einer Verschlechterung des Wohlbefindens und der Gesundheit. „Erwerbstätigkeit ist sowohl für alleinerziehende Frauen als auch für Mütter in Paarhaushalten wichtig. In beiden Gruppen gibt es positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit. Alleinerziehende Mütter profitieren aufgrund ihrer besonderen Lebenssituation noch stärker – nicht nur in Bezug auf das Einkommen. Insgesamt muss in Deutschland aber noch einiges getan werden, damit gerade Mütter mit besonders kleinen Kindern nicht durch Erwerbstätigkeit belastet werden. Weitere unterstützende Maßnahmen seitens der Politik sind dringend notwendig, wie zum Beispiel die Verbesserung einer verlässlichen und qualitativ hochwertigen Ganztagsbetreuung gerade für die ganz kleinen Kinder“, so Kühn.

Originalpublikation: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0049089X23000613?via%3Dihub

Mine Kühn war bis Februar 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin am MPIDR und ist aktuell affiliierte Wissenschaftlerin am MPIDR sowie Assistent Professor an der Universität Tilburg (NL).

Über das MPIDR

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock untersucht die Struktur und Dynamik von Populationen. Die Wissenschaftler*innen des Instituts erforschen politik-relevante Themen wie Altern, Geburtendynamik und die Verteilung der Arbeitszeit über die Lebensspanne, genauso wie den digitalen Wandel und die Nutzbarmachung neuer Datenquellen für die Erforschung von Migrationsströmen. Das MPIDR ist eine der größten demografischen Forschungseinrichtungen in Europa und zählt international zu den Spitzeninstituten in dieser Disziplin. Es gehört der Max-Planck-Gesellschaft an, der weltweit renommierten deutschen Forschungsgemeinschaft.

http://www.demogr.mpg.de

Silvia Leek, Max-Planck-Institut für demografische Forschung