Kita-Helfer nicht auf den Personalschlüssel anrechnen

Evaluationsbericht zu Kita-Helferinnen und Kita-Helfern steht zum Download bereit

Um das pädagogische Personal im Kitaalltag zu unterstützten, werden mehr Kita-Helferinnen und -Helfer eingesetzt. Das Zentrum für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ) an der Evangelischen Hochschule Freiburg erhielt den Auftrag, die Situation zu untersuchen. Der Evaluationsbericht liegt nun vor.

Das Zentrum für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ) an der Evangelischen Hochschule Freiburg hat innerhalb der Evaluation des Bundesprogramms „Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher“ den Teilbericht zum Fördermodul „Kita-Helferinnen und Kita-Helfer zur Entlastung des pädagogischen Personals“ vorgelegt. Dieser untersucht die Effekte, Gelingensbedingungen und Herausforderungen bei der Umsetzung des Fördermoduls. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mitarbeit der Helferinnen und Helfer auf Leitungs- und Trägerebene als Entlastung empfunden wurden. Die Zufriedenheit war insgesamt sehr hoch und eine Fortsetzung ist gewünscht. 96 Prozent der befragten Trägervertretenden waren der Ansicht, dass das Fördermodul die Arbeitszufriedenheit in den Teams erhöht habe.

Allerdings zeigen die Diskussionen auch, dass die Abgrenzung von nicht pädagogischen, hauswirtschaftlichen Aufgaben und pädagogischen Tätigkeiten im Kita-Alltag bisher nur unzureichend erfolgt. Aber genau das wäre eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Fördermaßnahme nachhaltig gelingt.  Wichtigste Voraussetzungen dafür sind ein gemeinsames Grundverständnis und eine eindeutige Aufgabenbeschreibung.

Aus den Ergebnissen der Evaluation haben die Freiburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgende Handlungsempfehlungen abgeleitet:

1. Kita-Helferinnen und Kita-Helfer sind unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle und unterstützende Ergänzung für die pädagogischen Teams in Kindertageseinrichtungen, allerdings gilt dies nur unter der Einschränkung, dass keinerlei Anrechnung auf den Personalschlüssel erfolgt. Nur dann ist das Modell als tatsächliche Entlastung in hauswirtschaftlichen oder administrativen Aufgabenbereichen zu vertreten.

2. Wichtig ist eine klare Tätigkeitsbeschreibung, die verschriftlicht und in Team und Elternschaft klar kommuniziert wird, um die Abgrenzung zu pädagogischen Tätigkeiten sicherzustellen. Bewährt haben sich eine sorgfältige Akquise, eine gute Einarbeitung und regelmäßige Personalgespräche auf Leitungsebene, um die Zusammenarbeit im Team und die Alltagsorganisation entsprechend gut aufeinander abzustimmen. Zu vermeiden sind Aufgabendiffusion, Rollenunklarheiten und Missverständnisse über die Aufgaben und Befugnisse der Kita-Helferinnen und Kita-Helfer. Dieser Grundsatz ist auch dann einzuhalten, wenn es temporäre oder dauerhafte Personalengpässe im pädagogischen Team gibt.

3. Der mehr oder weniger explizit geäußerte Wunsch der Kita-Helferinnen und Kita-Helfer, auch mit Kindern in Kontakt zu kommen, im pädagogischen Alltag ,dabei‘ zu sein und als Teammitglied anerkannt zu werden, sollte sowohl in der Personalakquise als auch in der Personalführung konzeptionell aufgegriffen werden. Dies kann geschehen, indem einerseits die Abgrenzung zu pädagogischen Tätigkeiten klar kommuniziert wird (die auch den Bildungsbereich Pflege einschließen), andererseits aber auch Möglichkeiten und Wege der Weiterqualifizierung aufgezeigt werden. Sofern Interesse besteht, sollten passgenaue Modelle der Personalentwicklung (etwa PiA-Ausbildung in Voll- oder Teilzeit, Finanzierungsmöglichkeiten, [Teil-]Anerkennung bisheriger Abschlüsse) in regelmäßig stattfindenden Personalgesprächen aufgezeigt werden (siehe hierzu die Expertise zur praxisintegrierten Ausbildung von Weltzien, Hoffer, Hohagen, Kassel & Wirth, 2021). Die Tätigkeit als Kita-Helferin und Kita-Helfer könnte dann als sinnvolle Orientierungsphase betrachtet werden, die auch – angeleitet und supervidiert – pädagogische Phasen (ähnlich der Vorpraktika in der fachschulischen/hochschulischen Ausbildung) beinhaltet.

4. Der Gefahr einer Selbstüberschätzung der Kita-Helferinnen und Kita-Helfer im Hinblick auf pädagogische Tätigkeiten kann auch durch trägerspezifische oder trägerübergreifende Fortbildungsangebote hinsichtlich fachlicher Grundsätze begegnet werden. Auch ist eine Einbeziehung der Kita-Helferinnen und Kita-Helfer in Teamsitzungen eine gute Gelegenheit, um das professionelle Selbstverständnis des pädagogischen Teams zu klären und ihnen im täglichen Kontakt mit Kindern und ihren Familien eine Orientierung zu bieten (Stichwort: Dialog- und Partizipationskultur der Einrichtung).

5. Im Hinblick auf eine langfristige Entlastung der pädagogischen Teams ist eine Sicherstellung der Finanzierung und damit der Einrichtung von Planstellen (bzw. Stellenanteilen) für Kita-Helferinnen und Kita-Helfer nach den positiven Erfahrungen durchaus sinnvoll.

Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich diese Stellen auch aufgrund der geringen Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten nur zum Teil langfristig besetzen lassen und es daher immer wieder zu einem zusätzlichen Aufwand (Akquise, Einarbeitung, Anleitung) für Leitung und Team kommen wird. Dieser Aspekt muss also bei der Entlastungsbilanz einkalkuliert werden.

6. Hinsichtlich der Aufgaben ist zu fragen, worin die Abgrenzung zu bisherigen, nicht-pädagogischen Stellen in Kindertageseinrichtungen (Hauswirtschaft, Administration etc.) liegt, bzw. ob es nicht sinnvoller ist, diese Helfer*innenstellen deutlicher einem der Bereiche zuzuordnen; nicht zuletzt, um der Gefahr einer diffusen Tätigkeitsbeschreibung bzw. einer Rollenvermischung im Alltag vorzubeugen. Entsprechend des Bedarfs im Team wären die Träger gefordert, das bisherige, etwa hauswirtschaftlich tätige Personal stellenmäßig aufzustocken und ggfs. um Aufgaben zu erweitern (z. B. Hygienemaßnahmen), um das pädagogische Personal zu entlasten.

7. Nicht bedient wird hierbei jedoch der vielfach geäußerte Bedarf von Leitungskräften, sie in ihren Verwaltungstätigkeiten spürbar zu entlasten und ihnen damit mehr Zeit für die pädagogische Leitung des Teams zu ermöglichen. Hierfür sind andere Stellenprofile und auch höhere tarifliche Eingruppierungen erforderlich, sodass das Modell der Kita-Helferinnen und Kita-Helfer an dieser Stelle keine Entlastung auf Leitungsebene erwarten lässt. Hier besteht jedoch – auch im Hinblick auf die zukünftige Personalgewinnung und -bindung – bei der insbesondere die Leitungskräfte eine besonders große und arbeitsintensive Verantwortung in den Einrichtungen tragen – weiterhin großer Handlungsbedarf.


Elementarpädagogik und Professionalität

Der Kindergarten als Lebensraum unterliegt immer der großen Gefahr, sich durch verschiedene Programme/Ansätze bildungspolitischer Strömungen allzu schnell von einem Lebensraum zu entfernen. Dabei gibt das Wort LEBENSRAUM schon die Grundlage vor: L wie Lust und Lebendigkeit, E wie Eigenständigkeit und ernstnehmend, B wie bunt und begreifen, E wie einfühlend und erfrischend, N wie neugierig und normal, S wie spannend und sorgsam, R wie reich an Erfahrungen und raumnutzend, A wie ausdauernd und akzeptierend, U wie umfassend und ursachenorientiert, M wie menschenorientiert und marginal.

Armin Krenz
Elementarpädagogik und Professionalität – Lebens- und Konfliktraum Kindergarten
Klappenbroschur, 192 Seiten
ISBN: 978-3-944548-00-5
24,95 €


Das erweiterte Fördermodul „Kita-Helferinnen und Kita-Helfer zur Entlastung des pädagogischen Personals“

Die „Fachkräfteoffensive“ wurde 2021 um zusätzliche Fördermodule erweitert. Mit diesen sollte der Programmerfolg unterstützt werden. Die Fördermodule wurden auch im Zusammenhang mit den gestiegenen Anforderungen in der Kindertagesbetreuung während der COVID-19-Pandemie geschaffen. Das Modul „Kita-Helferinnen und Kita-Helfer zur Entlastung des pädagogischen Personals“ ist eines davon. Um das pädagogische Personal zu entlasten, stellte der Bund mit der „Fachkräfteoffensive“ finanzielle Mittel für zusätzliches Personal zur Verfügung. Die Kita-Helferinnen und Kita-Helfer übernahmen unterstützende, nicht pädagogische Tätigkeiten wie beispielsweise Verwaltungstätigkeiten und Alltagsunterstützung wie die Reinigung und Desinfektion von Spielmaterialien oder die Essensversorgung.

Hier können sie den Evaluationsbereicht downloaden

Mehr Informationen zur programmbegleitenden Evaluation finden sie hier.

Quellen: Evaluationsbericht, Bundesfamilienministerium, Newsletter: Frühe Bildung – gleiche Chancen




Hummeln beobachten und zählen

Der Insektensommer geht in die zweite Runde – Vom 5. bis 14. August Sechsbeiner beobachten und zählen

Für Urlaub und Sonnenbaden haben Hummeln nicht wirklich Zeit: Sie arbeiten den Sommer über durch. Die gemütlich-dicken Brummer tun das aber nicht solo, sondern bilden Völker. Dies allerdings nur für kurze Zeit, ihre sogenannten Sommerstaaten existieren nur wenige Monate lang.

Die plüschigen Kunstflieger stehen in diesem Jahr beim Insektensommer des Natruschutzbund Detuschland (NABU) besonders im Fokus. „Kannst Du Hummeln am Hintern erkennen?“ lautet die Entdeckungsfrage 2022 für alle, die zum ersten Mal genauer bei den Insekten hinschauen. Die häufigsten Arten, die bei uns vorkommen, sind Ackerhummel, Steinhummel und Erdhummel. Man kann sie an dem Muster auf ihrem Hintern auseinanderhalten. 

Groß und Klein sind aufgerufen 

Erfasst werden sollen alle Sechsbeiner, die entdeckt werden. Dazu sind bundesweit Groß und Klein aufgerufen. Beobachtet und gezählt werden kann fast überall. Egal ob im eigenen Garten oder im Urlaub bei einer Pause beim Wandern im Wald oder um den See – das Beobachtungsgebiet soll nicht größer sein als etwa zehn Meter in jede Richtung vom eigenen Standpunkt aus. Gezählt wird bis zu eine Stunde. Gemeldet werden die Beobachtungen per Online-Formular oder mit der kostenlosen Web-App NABU Insektensommer. Beide Meldewege sind unter www.insektensommer.de abrufbar.

Es ist wichtig, dass möglichst viele Menschen an der Aktion teilnehmen. „Im vergangenen Jahr haben fast 13.000 Hobbyforscher mitgemacht. Es ist schön, wenn sich so viele Menschen Zeit für die Natur nehmen. Natürlich hoffen wir in diesem Jahr auf ein ähnlich großes Interesse“, so Leif Miller, NABU-Bundesgeschäftsführer.

Natur entdecken

Projektleiterin Daniela Franzisi ergänzt: „Man schützt nur, was man kennt und der Insektensommer bietet die wunderbare Möglichkeit in der Ferienzeit ein spannendes Natur-Abenteuer zu erleben. Mit Freunden oder der Familie die Welt der Insekten beobachten und so die Natur am Urlaubsort entdecken – das macht Spaß und fördert die Artenkenntnis. ”

Mithilfe des NABU-Insektentrainers (www.insektentrainer.de) lassen sich die Krabbeltiere ganz einfach erkennen und unterscheiden. Die gemeinsame Aktion von NABU und Landesbund für Vogelschutz ist einzigartig beim Insektenzählen. Die Daten der Zählaktion werden in Zusammenarbeit mit der Plattform www.naturgucker.de erfasst. Die Ergebnisse werden vom NABU ausgewertet und auf www.NABU.de/insektensommer-ergebnisse veröffentlicht.

Gärten naturnah und blütenreich gestalten

Wer übrigens Hummeln während ihrer Arbeitszeit helfen will, sollte seinen Garten oder auch seinen Balkon möglichst naturnah und blütenreich gestalten. Für ein gutes Angebot an Pollen- und Nektarquellen kann jeder etwas tun. Hummeln nehmen auch gerne Nisthilfen an. Diese lassen sich recht einfach selbst basteln, man kann sie aber auch im Fachhandel kaufen. 

Der Insektensommer hat auch in diesem Jahr prominente Unterstützung: Die Schriftstellerin, Biologin und Wissenschaftsjournalistin Jasmin Schreiber wird in diesem Jahr als NABU-Insektenbotschafterin im Namen der Sechsbeiner unterwegs sein. Auch die Moderatorin Ruth Moschner, der forensische Entomologe Dr. Mark Benecke, die Schauspielerin Dr. Maria Furtwängler oder die bekannte Figur Biene Maja und ihre Freunde (www.diebienemaja-bienenschutz.de) unterstützen die Aktion.

Informationen zum NABU-Insektensommer: www.insektensommer.de


Ein Insektenbuch für die Kleinsten

Loes Botman weiß wie keine andere, wie sie den Charakter der Tiere in ihren faszinierenden Pastellzeichnungen zum Ausdruck bringen kann. Dies ist einer der Gründe, warum ihre Bücher von kleinen Kindern so geliebt werden. Ihnen erschließt sich hier eine faszinierende neue Welt, in der die kleinen Tiere in einem natürlichen Hintergrund wunderschön zum Leben erweckt werden. Ihr habt noch nie so schöne Insekten gesehen.

Loes Botman
Mein kleines Insektenbuch
Pappbilderbuch/14 Seiten/vierfarbige Pastellzeichnungen
ISBN: 978-3-96304-035-1
7,95 €


Kinder entdecken neugierig die Welt

Kinder entdecken neugierig die Welt und lernen die Natur unvoreingenommen kennen. Der NABU möchte daher gemeinsam mit Familien und Kindern in die Vielfalt der Insektenwelt eintauchen. Schließlich haben viele Forscher irgendwann mal klein angefangen. Unsere Insektenbotschafterin Biene Maja und ihre Freunde zeigen, wie spannend Sechsbeiner sind und die Raupe Nimmersatt lädt zum Spielen ein. Das alles finden Sie auf unserer Kinderseite: www.NABU.de/insekten-kinder 

Weitere Informationen

Fragen und Antworten zum Insektensommer: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/insektensommer/aktionsinfos/24141.html

Web-App Insektensommer: https://naturgucker.de/app/natur_nm.dll/

Insektentrainer: www.insektentrainer.de

Hummeln: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/insektensommer/mitmachen/27814.html

Mit mehr als 875.000 Mitgliedern und Fördernden ist der 1899 gegründete NABU der älteste und mitgliederstärkste Umweltverband Deutschlands. Der NABU engagiert sich für den Erhalt der Lebensraum- und Artenvielfalt, den Klimaschutz sowie die Nachhaltigkeit der Land-, Wald- und Wasserwirtschaft. Der NABU begeistert für die Natur und fördert naturkundliche Kenntnisse für ein aktives Naturerleben.

Mehr Infos: www.NABU.de/wir-ueber-uns 

Quelle: Naturschutzbund Deutschland




Kindergartenplus: Sozial-emotionale Kompetenzen im Alltag fördern

Neue Online-Seminare der Deutschen Liga für das Kind für Pädagog:innen

Die Kindergarten plus Basisfortbildung besteht aus Teil 1, dem Einführungstag und Teil 2 für die Reflexion und Einführung in das schulvorbereitende Modul. Mit Teil 2 ist die Kindergarten plus -Basisfortbildung abgeschlossen und die Qualifizierung zur Trainerin bzw. zum Trainer Kindergarten plus erreicht.

Zum START ab 2 Einführungstag für die alltagsintegrierte Förderung von Kindern ab 2 Jahren gehört ein Materialpaket für jede/n Teilnehmer:in (inkl. LOGBUCH, Blauer Beutel, Holzfiguren, Bildkarten, Musik CD und Liederheft) und die Prozessbegleitung.

Folgende Termine können aktuell gebucht werden:

Kindergarten plus-Basis-Teil-2 am 20.09.2022, 09.00-14.00

START ab 2 am 14.10.2022, 09.00-15.00

Kindergarten plus-Basis-Teil-1, 18.10.2022, 09.00-15.00

Kindergarten plus-Basis-Teil-2, 07.12.2022, 09.00-14.00

Kindergarten plus Basis-Teil-1, 08.12.2022, 09.00-15.00

Alle Online- Seminare können über die Website https://kindergartenplus.de/shop-seminare/ gebucht werden.

Kontakt und Information: E-Mail: info@kindergartenplus.de




Tragen Apps, wie von der „Stiftung Lesen“ empfohlen, zur schlechten Lesekompetenz bei?

Die Haltung der Stiftung zu Bildschirmmedien hat sich klar verändert

Die „Stiftung Lesen“ hat uns eine Pressemitteilung geschickt. Das ist weiter nichts Ungewöhliches. Schließlich tut sie das öfter. Darin fordert sie dazu auf, das ehrenamtliche Vorlesen zu stärken, um damit die Zukunftschancen der Kinder zu verbessern. Auch das hört sich richtig gut an. Weiter heißt es aber: „Immer mehr Kinder in Deutschland brauchen Unterstützung beim Lesen lernen. Wie aus den ersten Daten des aktuellen IQB-Bildungstrends hervorgeht, kann ein Fünftel der Viertklässler/-innen nicht richtig lesen, ein Drittel hat Probleme mit der Rechtschreibung.“, beklagt die Stiftung die aktuelle Situation in ihrer Mitteilung.

Lesen mit App?

An dieser Stelle sei es aus inhaltlicher Sicht erlaubt und zugleich dringend geboten, die Frrage an die Stiftung Lesen zu stellen, ob sie nicht selbst entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen hat. Schließlich gehört doch die Stiftung zu jenen, die das Lernen mit Apps und die „digitale Bildung“ in Kindertageseinrichtungen auch bereits im Kleinkindalter in den vergangenen Jahren vehement propagiert. Gerade der Einsatz von Bildschirmmedien, vor dem etwa die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) oder die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stetig warnen, ist wahrscheinlich einer der Auslöser dafür, dass sich so viele Kinder heute mit dem Lesenlernen schwertun. So gleicht das Verhalten der Stiftung der eines Zahnarztes, der den Kindern stetig Süßigkeiten schenkt.

Deshalb wäre vielen Kindern vermutlich schon damit geholfen, wenn die Stiftung ihre Aktivitäten im Bereich Bildschirmmedien, die sie mit Unterstützung des Bundesfamilienminsteriums durchführt, zurückfährt. Ihre Stifter, zu denen etliche Verlage gehören, die zum Teil die digitalen Medien für sich entdeckt haben, werden deshalb ganz bestimmt nicht austreten.

Ist die Stiftung ein Lesevorbild?

Heute ist Dr. Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen. Er wird in der Mitteilung mit folgenden Worten zitiert:  „Damit alle Kinder gut lesen können und eine Chance auf einen erfolgreichen Bildungsweg haben, sind wir als Gesellschaft auf ehrenamtliches Engagement angewiesen. Kinder und Eltern brauchen vielfältige (Vor)-Lesevorbilder und daher ist es umso wichtiger, dass sich mehr und mehr Menschen dafür einsetzen.“

Es wäre schön, die Stiftung ginge als Vorbild voran. Der Vorgänger des heutigen Hauptgeschäftsführers, Heinrich Kreibich, hat vor nun knapp 20 Jahren gemeinsam mit Bettina Mähler ein Buch mit dem Titel „Spaß am Lesen – Leseförderung in der Mediengesellschaft“ geschrieben.

Die Stiftung früher und heute

Wie die Verfechter der „digitalen Bildung“ verweisen sie darauf, dass die Menschen künftig viel zielgerichteter mit den Medien umgehen werden. Jeder werde zunehmend besser in der Lage sein, jedes Medium so einzusetzen, dass er einen Nutzen davon habe. In diesem Zusammenhang sind zwei Fragen angebracht, ob erstens Apps und digitale Medien auch schon Kindern im Kleinkind- und Kindergartenalter außerhalb von alltagsorientierten Themenbearbeitungen nahegebracht werden müssen und welche konkreten Forschungsergebnisse mit einem nachhaltigen Bedeutungswert vorliegen, die den Einsatz von Apps und anderen digitalen Bildschirmmedien fachlich begründbar darstellen?

Kreibich und Mähler vertreten demgegenüber eine klare Haltung: „Denn Leseerziehung gelingt nur, wenn sie zeitlich lange vor der Erziehung zum Umgang mit anderen Medien beginnt. Audiovisuelle Medien drängen sich von allein ins Leben von Kindern, Bücher hingegen sind still und leise, an sie muss man gewöhnt werden…“

Gleichzeitig verweisen der damalige Geschäftsführer der Stiftung Lesen und die Erziehungsexpertin Mähler auf die Risiken der Nutzung audiovisueller Medien in der frühen Kindheit:

  • Abnahme der Konzentrationsfähigkeit
  • Abnahme der Schreib- und Lesefähigkeit
  • Abnahme der präzisen sprachlichen Ausdrucksfähigkeit
  • Abnahme der außerhäuslichen Tätigkeit (Spielen)
  • Abnahme der sozialen Kompetenz (positiver Umgang mit anderen Menschen)

Dabei zitieren die beiden den Medienpädagogischen Forschungsverband Südwest, dessen Forschungsergebnisse sich heute vielfach belegen lassen. Sicher, die Welt hat sich in den vergangenen 19 Jahren verändert. Der innere Bauplan des Menschen garantiert nicht. Wer sich aber ganz sicher verändert hat, ist die „Stiftung Lesen“. Heute hört sich das bei der Stiftung so an: „Ihr habt ein Smartphone oder Tablet? Dann haltet ihr den Schlüssel zur digitalen Sprach- und Leseförderung schon in der Hand! Mit Apps lassen sich spielerisch erste Worte lernen, Geschichten selbst erzählen, später kurze und lange Texte lesen oder die Leseflüssigkeit verbessern. Doch die Auswahl ist groß und schwer zu überschauen. Mit unserem neuen Service helfen wir euch, die passende App für eure Kinder zu finden.“ (https://www.stiftunglesen.de/loslesen/unsere-highlights/lesen-mit-app)

Wo bleibt eine wissenschaftlich fundierte Grundlegung?

Eine wissenschaftliche Begründung, warum denn nun die Sprach- und Leseförderung mit Apps den Auf- und Ausbau einer Sprach- und Lesekompetenz entwicklungspsychologisch sehr bedeutsam unterstützt, ist auch in den Ausführungen der „Stiftung Lesen“ an keiner Stelle zu finden. Bisher lässt sich diese offenbar auch an keiner anderen Stelle finden, obwohl sich zahlreiche selbsternannte Experten mächtig ins Zeug legen, wenn es um so genannte „digitale Bildung“ mit Bildschirmmedien in Krippen und Kitas geht. Dass Kinder heute schon sehr früh mit Bildschimen in Kontakt kommen, kann dafür kein Argument sein. Mit einem Fehler lässt sich ein anderer nicht gut machen.

Wenn es um solche bedeutsamen, pädagogische und entwicklungspsychologische sowie neurobiologische, überaus relevante Einflussnahmen auf frühe Bildungsprozesse in Kindern geht, bedarf es in jedem Fall einer sachlich und wissenschaftlich fundierten Grundlegung. In diesem Fall wird aus Minus und Minus eben nicht Plus. Und das Argument, dass die Feinmotorik von Kindern verbessert werde, wenn sie frühzeitig mit Touchscreens umgingen, löst dann schon eher ein überaus starkes Kopfschütteln aus.

Kinder sind keine Experimentiermäuse

Wir alle wissen, was einseitige Förderung bedeutet und welch üble Folgen sie für die gesamte Entwicklung hat. Ernsthafte Forschung, bei der auch die Hirnforschung mit einbezogen ist, wäre hier erst einmal notwendig. Dafür haben wir sie ja. Schließlich geht es um unser wertvollstes Gut, unsere Kinder, die eines Tages die Zukunft dieses Planeten gestalten. Und dabei kommt es vor allem darauf an, welche entwicklungsförderlichen oder entwicklungshinderlichen Inputs die Kinder im Krippen- und Elementarbereich erhalten haben, welche Entwicklungsunterstützungen eine Nachhaltigkeit besitzen und damit einer „Bildung aus I. Hand“ (Prof. Gerd Schäfer) entsprechen.

Kinder sind keine Experimentiermäuse und haben laut der UN-Charta „Rechte des Kindes“ ein verbrieftes Recht auf Maßnahmen, bei dem das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt ist, der vorrangig zu berücksichtigen ist (Artikel 3/1). Dieses „Wohl des Kindes“ darf – aus fachlicher Sicht betrachtet – zu keiner Zeit und in keiner Weise weder einer bildungspolitischen Strömung noch einer politisch erwünschten Umsetzung bestimmter Maßnahmen entspringen. Wenn das der Fall wäre, dann läge die Berechtigung einer unabhängigen Wissenschaft und einer Berücksichtigung der Forschungsergebnisse auf dem Scheiterhaufen.

Der „Stiftung Lesen“ sei bis dahnin empfohlen, sich auf ihre eigentliche Aufgabe, die Leseförderung, zu konzentrieren. Da gäbe es etwa Vorlesekurse für Erwachsene, die sich forcieren ließen. Das wäre ganz bestimmt eine Maßnahme, die vielen Kindern helfen würde. Und das Vorlesen durch die Eltern oder andere Betreuungspersonen, zu denen sie eine gute Bindung haben, finden fast alle Kinder noch immer am schönsten.

Dieser Kommentar stammt von Gernot Körner (info@spielen-und-lernen.online)




Wie wäre es mit Schmetterlinge zählen in der Sommerzeit?

Schmetterlingsaktion zum Mitmachen der Deutschen Umwelthilfe passend zur Jahreszeit

Sommer und Ferien. Jetzt ist die beste Zeit für Ausflüge in die nähere Umgebung mit den Kindern. Noch mehr Spaß macht es, bei dieser Gelegenheit etwas genauer hinzuschauen. Passend dazu ruft gerade die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zu einer großangelegten Schmetterlingsaktion auf.

Mit der Aktion will die DUH feststellen, wie es wirklich um unsere schönen Falter steht und das Ausmaß des dramatischen Schmetterlingssterbens für jeden greifbar machen. Deshalb möchte die Umwelthilfe von allen Teilnehmenden wissen, welche Schmetterlinge noch in ihrem Garten oder Stadtpark zu entdecken sind. Die Aktion läuft noch bis zum 9. September. So soll der Schutz dieser bedrohten Insekten stärker ins Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit gerückt werden.

Zahl der Falter sinkt seit vielen Jahren

Ob Schwalbenschwanz, Großes Ochsenauge oder Zitronenfalter – wir alle erfreuen uns am Anblick der wunderschönen Falter. Leider fliegt uns immer seltener eins der schönen Exemplare durchs Blickfeld, denn auch die Anzahl der Individuen geht seit Jahren drastisch zurück. Die Ursachen sind längst bekannt: Die intensive Landwirtschaft, Überdüngung und der massive Einsatz von Pestiziden zerstören ihren Lebensraum, nehmen ihnen die Nahrungsgrundlage und machen unsere Schmetterlinge krank. Und auch in den Städten steht es nicht gut um die bunten Flatterer: Viele Privatgärten und öffentliche Grünflächen bieten zu wenig Nahrungsquellen für die Falter und ihre Raupen. Die gute Nachricht ist: Wir können ganz einfach gegensteuern und zwar indem wir einfach mal nichts tun und der Natur freien Lauf lassen. Weniger Rasenmähen, mehr verwilderte Flächen und heimische nektarreiche Blühpflanzen sind der Schlüssel für Schmetterlings-Oasen. Schließlich wollen wir alle uns noch lange an dem Anblick der wunderschönen Tiere erfreuen.


Ein Insektenbuch für die Kleinsten

Loes Botman weiß wie keine andere, wie sie den Charakter der Tiere in ihren faszinierenden Pastellzeichnungen zum Ausdruck bringen kann. Dies ist einer der Gründe, warum ihre Bücher von kleinen Kindern so geliebt werden. Ihnen erschließt sich hier eine faszinierende neue Welt, in der die kleinen Tiere in einem natürlichen Hintergrund wunderschön zum Leben erweckt werden. Ihr habt noch nie so schöne Insekten gesehen.

Loes Botman
Mein kleines Insektenbuch
Pappbilderbuch/14 Seiten/vierfarbige Pastellzeichnungen
ISBN: 978-3-96304-035-1
7,95 €


Sichtungen auf der Aktionsseite einfach angeben

In Zusammenarbeit mit dem Schmetterlingsexperten Dr. Robert Trusch hat die DUH insgesamt zehn Schlüsselarten der Tagfalter ausgewählt. Auf der Aktionsseite können Sie ganz einfach Ihre Sichtungen angeben und damit Teil des Citizen-Science-Projekts zur Rettung der heimischen Falter werden. Die gesammelten Sichtungsorte liefern wichtige Erkenntnisse für den insektenfreundlichen Umbau unserer städtischen Grünflächen. Deswegen kommt es jetzt auf jeden Fund an und deshalb sollen möglichst viele die Aktion tatkräftig unterstützen!

Wir wünschen viel Spaß beim Schmetterlinge zählen. Hier geht es zur Anmeldung.




Das Maß liegt im Menschen und nicht in den Dingen

Mit Janusz Korczak das Recht des Kindes auf Achtung pflegen und die Professionalität der pädagogischen Fachkräfte vertiefen

Mit dem polnischen Arzt und Reformpädagogen Janusz Korczak (1978-1942) ist die Pädagogik neu zu vermessen. Denn das Maß liegt im Menschen und nicht in den Dingen: Das Recht des Kindes auf Achtung ist sein erstes und unbestreitbares Recht.

Korczak ist einer der wenigen Lehrer der Menschheit, der seine humanistische Botschaft aussprach und mit seinem Leben bestätigte. Er stellt Grundfragen an die Persönlichkeit der Erzieherinnen und Erzieher. Seiner weit gespannten und in das Leben eingebundenen Pädagogik ging es um die Praxis und nicht um das Ansammeln von Wissen mit blank geputzten Begriffen. Seine Gedanken führen uns zu existentiellen Grenzthemen, zu Themen über Leben und Tod.

Durch Nachdenken über Korczaks Leben und Werk können pädagogische Fachkräfte ihre Haltung, ihr Denken, Fühlen und Wollen prüfen, weiterentwickeln und ihre Professionalität vertiefen.

Korczaks Waisenhaus Dom Sierot in der Krochmalna Straße in Warschau, ca. 1935

Charta der Kinderrechte

Bereits 1919 formulierte Korczak seine Charta der Kinderrechte: „Ich fordere die Magna Charta Libertatis (die Große Charta der Freiheiten) als ein Grundgesetz für das Kind. Vielleicht gibt es noch andere – aber diese drei Grundrechte habe ich herausgefunden:

„1. Das Recht des Kindes auf seinen Tod“ = dem Kind die Ausformung seines Lebens zutrauen.
„2. Das Recht des Kindes auf seinen heutigen Tag“ = die Gegenwart des Kindes achten, die nicht einer ungewissen Zukunft geopfert werden darf.
„3. Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist“ = dem Kind sein Kindsein ermöglichen.

(Bild: Itzchak Belfer, Maler des Holocast (1924 – 2021): Kind im Waisenhaus)

Den drei Grundrechten stellte er ein oberstes Prinzip voran: „Das Recht des Kindes auf Achtung. Es ist das erste und unbestreitbare Recht des Kindes, seine Gedanken auszusprechen und aktiven Anteil an unseren Überlegungen und Urteilen über seine Person zu nehmen. Wenn wir ihm Achtung und Vertrauen entgegenbringen und wenn es selbst Vertrauen hat und sich ausspricht, wozu es das Recht hat – wird es weniger Zweifel und Fehler geben“ (Korczak 1978, S. 40 f.). Seine Gedanken gingen in die UN-Behindertenrechtskonvention ein, die seit März 2009 in den Bundesländern in Kraft getreten ist.

Das Recht auf Achtung lebte Korczak bis zuletzt

Als die Nazis Polen besetzten wurde in Warschau ein Ghetto errichtet, in das auch Korczak, seine Kinder und Mitarbeiter:innen einzogen. Ihm wurden Angebote zu seiner Rettung gemacht. Er schlug sie aus. Sein Mitarbeiter und Freund und Sekretär Igor Newerly berichtet: Bei seinem letzten Besuch bei ihm im Ghetto hätte Korczak mit ihm gehen können, denn er hatte einen gefälschten Passierschein, den er ihm geben wollte. Korczak lehnte ab. Mehr noch, er war überrascht. „Er hatte ganz einfach nicht von mir erwartet, dass ich ihm einen so nichtswürdigen Vorschlag unterbreiten werde – die Kinder angesichts des Todes im Stich zu lassen.“ (Newerly in Korczak 1978, S. 32)

Korczaks Ghetto-Tagebuch entnehmen wir: „Das Waisenhaus, ein Bienenstock, ein Ameisenhaufen. Nein. Unser Haus ist jetzt ein Altersheim… Die Gespräche der Kinder am Morgen, das Ergebnis ihrer Temperaturmessungen. Wie viel Fieber habe ich, wieviel du? Wer fühlt sich schlechter? Wie hat jeder die Nacht verbracht?“ (Korczak 1992, S. 98)

Trotz Krankheit, Hunger und Elend versucht der Seelenarzt Korczak den Kindern noch einen Rest unbekümmerten Lebens zu erhalten. Er ist für sie Vater, Mutter und Spielgefährte, er scherzt mit ihnen, fabuliert Märchen und organisiert ein Konzert. Als Symbol gestalten die Kinder gemeinsam die Fahne aus Korczaks Kinderbuch „König Hänschen I.“: Kastanienblüten auf grünen Grund und auf der anderen Seite ein blauer Judenstern auf weißem Grund.

Im Juli 1942 beginnt die systematische Judenvernichtung. Am 4. August 1942 vermerkt Korczak in seinem Tagebuch:

„Ich wünsche niemanden etwas Böses.
Ich kann das nicht.
Ich weiß nicht,
wie man das macht.“

(Korczak 1992, S. 119)

Am 5. August 1942 müssen Korczak, seine 200 Kinder und Mitarbeiterin Frau Stefa das Ghetto verlassen. Ein Junge trägt die Fahne „König Hänschen I.“, die Fahne der Hoffnung. Sie begleitet den Kinderzug durch Warschau. „So viele Jahre beharrlicher Wanderschaft, um den Kindern die Sonne in die Hand zu geben, wie kann ich sie alleine lassen? Die Kinder leben in ständiger Unsicherheit, in Angst.“ (Tagebucheintrag am 1. August 1942; Korczak 1992, S. 116)

Das Lachen des Kindes als Anker für eine achtsame und liebende Haltung

Der feinfühlende Arzt hatte das Geschehen reflektiert und gewandelt – ohne die Wirklichkeit auszublenden. Seine Pädagogik öffnet, ist schöpferisch, nimmt das Kind und seine Umwelt so wahr, wie sie nun einmal sind. Sie wandelt das Gegebene, also das, was wahrgenommen wird, unter den Bedingungen der Gegenwart zum Guten – ohne Illusionen.

Korczaks achtsame und liebende Haltung sieht im „Lachen des Kindes“ ihren Anker:

„Was uns […] innigst
mit dem Leben verbindet,
ist ein Kinderlachen,
strahlend und klar.“

(Korczak-Bulletin 2015, S. 2)

(Bild: Itzchak Belfer: Das Kind in Korczaks Hand geborgen)

Korczaks Gedanken leben weiter

Bis heute bringen Korczak und seine Nachfolger uns nahe, wie wertvoll jedes Kind ist. Wer ihre Bücher liest, spürt etwas von der Zuversicht und dem Mut, die seine Menschlichkeit in schwierigen Zeiten umsetzen. Immer mehr Einrichtungen in der ganzen Welt tragen Korczaks Namen. Menschen verschiedener Länder finden zusammen und studieren seine Pädagogik, die in über 20 Sprachen erschienen ist. Offenbar wächst das Bedürfnis nach Orientierung an Vorbildern in dem Maße, wie das Vertrauen in Institutionen und normative Denkstrukturen, die über Jahrzehnte Stabilität garantierten, brüchig geworden ist. Vor allem junge Menschen und jene, die in pädagogischen Arbeitsfeldern tätig sind, erfahren durch die Begegnung mit Korczak eine motivierende und inspirierende Perspektive.

Jeder kann seinen eigenen Korczak finden

Nach vielen Jahren der Begegnung mit Korczak sagte sein Freund Joseph Arnon: Jeder, der die geheimnisvolle Tiefe dieser Persönlichkeit entdeckt, findet seinen „eigenen Korczak“.

Wie sieht ,mein‘ Korczak aus?

Darauf antworte ich zunächst mit der Praktikantin Irene Reppowa, die in Korczaks Waisenhaus arbeitete und den Holocaust überlebte: Für Reppowa bestand das Lernen darin sich in das Wirken ihres Vorbildes zu versenken. Das half ihr Wege zu finden, die auch bei ausweglos erscheinenden Erziehungsproblem möglich wurden. Sie berichtet: „Ich erinnere mich, dass der Kern der Methode Korczaks darin liegt, den ganzen Umgang mit den Kindern nach den Prinzipien der Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit des Erziehers zu pflegen – Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ohne jedes Wenn und Aber. […] Das half mir und ermöglichte mir Erfolge in meiner pädagogischen Arbeit“ (Reppowa 2002, S. 8).

Mein Weg für das „Proletariat auf kleinen Füßen“ (Korczak) beginnt mit der heilpädagogischen Praxis 1963. In immer wieder neuen Anläufen begegne ich seinem Werk. Seine Lebensgeschichte spiegelt unterschiedliche Erfahrungen und Formen der Unterdrückung wider: Die Unterdrückung von Kindern durch Erwachsene, diejenige des polnischen Volkes durch die russische und deutsche Fremdherrschaft.

Korczak lehrt mich durch sein Beispiel wie die Individualität des Kindes wahrzunehmen und durch achtsame Haltung zu begleiten ist. Damit widerspreche ich jener modernen Pädagogik, die das Kind nach eigenen Vorstellungen machen will. Der Mensch funktioniert eben nicht wie eine Input-Output-Maschine. Pädagogik ist kein Machen, Pädagogik ist eine Haltung. Mit Korczak ist die Pädagogik neu zu vermessen, denn das Maß liegt im Menschen und nicht in den Dingen. Korczaks Praxis sprengt gewohnte Systeme an die sich viele um den Preis klammern, dass sie sich aus dem eigenen kreativen Denken verabschieden (Näheres in Klein 2018a, 2018b).

In der Begegnung das wirkliche Kind wahrnehmen

Korczak knüpft an alltägliche Erfahrungen an, die er mit dem Kind macht. Sie werden in die pädagogische Urteilsfindung mit hineingenommen. Damit kehrt er der vorherrschenden Theoriegläubigkeit den Rücken und bringt den lebendigen Menschen, mit dem es nun einmal die Erziehung zu tun hat, ins Spiel. Hart zieht er gegen die „verknöcherte Theorie“, d.h. das begrifflich (vor)gefasste Denken zu Felde, wenn er sagt, dass „Anschauungen fremder Menschen sich im eigenen lebendigen Ich brechen müssen“.

Korczak sieht die Perspektive des Kindes und die Perspektive des Erziehers. In seiner Schrift „Wenn ich wieder klein bin“ versetzt er sich in die Situation eines kleinen Jungen und sieht die Gedanken der Erwachsenen aus der Sicht der Kinder, und die Gedanken der Kinder sieht er aus der Sicht der Erwachsenen. Er erkennt: „Ein Erzieher, der nicht einpaukt, sondern etwas freilegt, der […] nicht diktiert, sondern anfragt, der erlebt mit dem Kind manchen bewegenden Augenblick; und er wird manchmal mit Tränen in den Augen den Kampf zwischen Engel und Satan miterleben, bis der lichte Engel den Sieg davonträgt“ (Korczak 1973, S. 35 f.).

Die pädagogische Kompetenz

Die gemeinsam erlebte Situation bietet Korczak die Chance, sich selbst und das Kind so wahrzunehmen, als wäre die Intention des Kindes die eigene und umgekehrt. Lernprozesse zwischen Erwachsenen und Kindern verlaufen hier nicht einseitig. Kind und Erwachsener lernen in der Begegnung voneinander. Aber der Erzieher muss das Kind erst ‘sehen‘ und seine Perspektive in die Überlegungen hineinnehmen.

Wir erkennen: Korczak hat das erzieherische Verhältnis radikal verändert und können von einer „kopernikanischen Wende“ in der Pädagogik sprechen. Er hat die Perspektive der Pädagogik revolutioniert und sich der „Macht über die Kinder konsequent entledigt“ (Bartosch 2017, S. 20). Hier taucht gleich die Frage auf, ob Korczak im herkömmlichen Sinne noch Pädagoge ist, denn er erkennt bald die eigenen Grenzen des Wissens über die Kinder und findet keinen archimedischen Punkt von dem aus er die Erziehung beurteilen kann. Vielmehr steht er mit seiner Theorie mitten im Prozess der Erziehung und erfährt aus dem Zusammensein mit den Kindern die Methoden, die ihnen Selbstwirksamkeit und Selbstgestaltung ihrer Entwicklung ermöglichen.

Hier wird der Erwachsene in der Begegnung mit dem wirklichen Kind konfrontiert und muss auf seine ‘Lebensfragen‘ antworten. Gemeint sind nicht nur praktische Lösungswege. Vielmehr geht es um Grundfragen des Kindes: Wirst du für mich einstehen? Bist du ein verlässlicher Mensch? Kann ich dir vertrauen?


Pädagogisches Wirken beginnt bei der pädagogischen Fachkraft…

…und so beginnt auch Prof. Dr. Ferdinand Klein bei seinem eigenen Werdegang als Heilpädagoge und beim Kinderarzt und Pädagogen Janusz Korczak, um sich dem Begriff und der Aufgabe des Heil- und Sonderpädagogen zu nähern. Zudem bietet das Buch vielfältige Fallbeispiele, konkrete Tipps und Hilfestellungen zum Umgang mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen, praxisgerecht, leicht verständlich und direkt umsetzbar.

Ferdinand Klein
Inklusive Erziehung in der Krippe, Kita und Grundschule – Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Geiste Janusz Korczaks
Softcover, 168 Seiten, mit vielen farbigen Fotos und Abbildungen
ISBN: 978-3-96304-601-8
19,95 €


Korczaks Pädagogik steht als Angebot

  • Korczak bemühte sich über das Einfühlen in die Kinder hinauszugelangen und wie Kinder zu fühlen. Er war fähig, sich mit hoher Sicherheit in die Gefühlswelt und Sinnzusammenhänge der Kinder zu versenken. Seine einfühlende Praxis geht über das sonst übliche Verstehen hinaus und wendet sich den inneren Entwürfen des Kindes (Bedürfnissen, Motiven, Phantasien, Interessen, Neigungen und Wünschen) und den sachlich begründeten Kausalitäten (Notwendigkeiten, Ordnungen, Regeln, Pflichten und Aufgaben) zu.
  • Seine Pädagogik der Achtung erkennt: Kein Kind darf auf feste Ziele hin entworfen und festgelegt werden. Kein Mensch darf es für seine Zwecke „kneten oder ummodeln“ (Korczak). Er hat vielmehr das – noch verborgene oder verdrängte – Gute im Kind fühlend freizulegen und ihm so die Chance der Selbstannahme in der Gegenwart zu geben.
  • Für den Psychoanalytiker und -therapeuten Arno Gruen, der die Strukturen der Macht analysiert hat, ist die Frage nach dem Mitgefühl die Frage nach dem Menschsein schlechthin. Gruen nimmt Korczak als Menschen wahr, der eine feinfühlige Hellsichtigkeit für den Schmerz entwickelt hat: „Seine Verzweiflung über das, was Menschen einander zufügen, führte bei ihm zu einem äußerst mitfühlenden Herz ohne Selbstmitleid“. Korczak hat Misserfolge nicht demoralisiert. Er erkannte, „dass die einzig wahre Kraft aus erlebtem Schmerz emporsteigt. […] Nur indem ein Kind bei seinem eigenen Schmerz bleiben kann und der Erwachsene es darin begleitet, […] kann es die Kraft aufbauen Mensch zu sein. Es sind die Kinder selber, die uns den Weg hin zum Menschlichen zeigen können“ (Gruen 2003, S. 8).

Fazit:

Die sich bildende pädagogische Fachkraft kann Korczaks Pädagogik auf sich wirken und zum Orientierungsmaßstab für ihre Haltung, ihr Fühlen und Wollen, Denken und Handeln werden lassen. Sie kann erkennen, dass sich in ihrer Person das Handlungswissen (Theorie) und die Praxismethoden (Praxis) vereinigen. Und sie kann den Atem und den Herzschlag des Kindes spüren, hören und sehen – und sich durch diese ästhetische (sinnliche) Erfahrungen im Dialog mit dem Kind weiterbilden. Ihre Professionalität ist nie abgeschlossen. Jedes Kind gibt ihr neue Rätsel auf. Darin liegt der immer wieder neue Anreiz, sich mit Kindern auf eine nie endende Entdeckungsreise zu begeben.

Literaturhinweise

Bartosch, U. (2017). Natur-Gott-Mensch. In: Steiger, S./Maluga, A./Bartosch, U. (Hrsg.): Der Blick ins Freie. Bad Heilbrunn, Klinkhardt, S. 12-27
Gruen, A. (2003): Wie man ein Kind lieben soll. In publik-forum, journal Nr. 6
Klein, F. (2018a): Mit Janusz Korczak Inklusion gestalten. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
Klein, F. (2018b): Inklusive Erziehung in Krippe, Kita und Grundschule. Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Geiste Janusz Korczaks. München. BurckhardtHaus
Korczak-Bulletin (2015)
Korczak, J. (1973): Wenn ich wieder klein bin. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
Korczak, J. (1978): Wie man ein Kind lieben soll. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
Korczak, J. (!992) Tagebuch aus dem Warschauer Ghetto 1942. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
Reppowa, I. (2002): Sein Glanz fiel auch auf dies besondere Haus. In: Korczak-Bulletin, Heft 2, S. 8-9

Der Autor

Univ. Prof. em. Dr. Dr. et Prof. h.c. Ferdinand Klein

Ferdinand Klein arbeitete 14 Jahre in heilpädagogischen Praxisfeldern, war an den Hochschulen in Würzburg, Mainz und Reutlingen tätig. Von 1992 bis 1994 wirkte er als Aufbaudirektor des Instituts für Rehabilitationspädagogik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Nach Emeritierung (1997) war er Gastprofessor an der Comenius-Universität Bratislava und seit 2005 an der Gusztáv-Bárczi-Fakultät für Heilpädagogik der Eötvös-Loránd-Universität Budapest, die sein wissenschaftliches Werk und seine Verdienste um den Ost-West-Dialog mit der Verleihung eines „Doctor et Professor honoris causa“ würdigte. 2019 wurde ihm für sein sozial- und heilpädagogisches Wirken das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Arbeitsschwerpunkte: Ethische Fragen, Forschungsmethoden, Reformpädagogik, Korczakpädagogik, Waldorfpädagogik, Früh- und Elementarpädagogik.




Bildungsurlaub: Identität und Professionalität im Beruf

Persönlichkeitsentwicklung durch den Auf- und Ausbau personaler Ressourcen und Wiederstandkräfte im beruflichen und persönlichen Alltag

Nur wer sich selbst mit all seinen Stärken und Schwächen annimmt, sich mag und aktiv daran arbeitet, eigene Stärken zu stärken und Schwächen zu schwächen, ist auch fähig, andere zu mögen und zu respektieren. Die Selbstannahme ist grundlegend für eine humane und zugleich professionell gestaltete Beziehungsqualität, für berufliche Erfolge wie auch für die eigene Zufriedenheit und eine stabile psychosoziale Gesundheit.

Der Bedeutungswert der Einheit von Körper, Geist und Seele – Persönlichkeitsentwicklung durch Selbstannahme

Die Seminartage laden dazu ein, auf den Ebenen von Körper, Seele und Geist nach innen zu gehen und mit allen Sinnen wahrzunehmen, sich bewusst zu machen und zu erkennen, wie wir mit uns selbst und unserem Körper in Beziehung stehen, welche Wege möglich sind, um belastende und hinderliche Gedanken- und Verhaltensmuster wie etwa Selbstzweifel oder Selbstverurteilungen in eine Klärung zu bringen, um sich immer besser verstehen und akzeptieren zu können. Durch verschiedene Wahrnehmungsübungen, Einzel-, Partner*innen- und Gruppenarbeiten sowie Tanz, Bewegung und Naturerfahrungen kann das Abenteuer, sich auf die Reise nach innen zu begeben, zu einer Erkenntnisreise für die eigene Persönlichkeitsentwicklung und für das Leben mit sich selbst, anderen und der Welt werden.

Trau Dich, Dir zu trauen, Deinem Selbst, Deinen teilweise unausgesprochenen Gedanken und Deinem Körper näher zu kommen, um die Entwicklung von einer stabilisierten Selbstannahme zu einer bindungsorientierten Fremdannahme zu unterstützen.

Seminarleitung:

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz Wissenschaftsdozent für Elementarpädagogik – zugelassen zur heilkundlich psychologisch- therapeutischer Tätigkeit

Verantwortlich:

Kathrin Nürge

Zeit und Ort:

19. Sept., 10:00 – 22. Sept., 15:30
Denkhaus Loccum, Hormannshausen 6-8, 31547 Rehburg-Loccum

Kosten:

675,00 € EZ DU/WC inkl. ÜN/VP
580,00 € Tagesgast inkl. VP

Denkhaus Loccum e.V. Hormannshausen 6-8 31547 Rehburg-Loccum Telefon 05766 9609-0 Fax 05766 9609-44 info@denkhaus-loccum.de www.denkhaus-loccum.de

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Eigene Ressourcen entdecken und entwickeln

Wie kann ich meine eigenen Ressourcen entdecken und entwickeln? Wie kann ich sie in meinem Arbeitsalltag als Erzieherin oder Erzieher einsetzen und worauf sollte ich dabei achten? Diese Fragen und vor allem die Antworten darauf stehen im Mittelpunkt dieses Buches. Denn in unserem pädagogischen Arbeitsfeld geht es nicht darum, Konzepte für andere zu entwickeln. Es geht um das „Menschsein“ im Sinne von wohltuend, wirksam und entwicklungsförderlich für sich selbst, für andere Menschen, für unseren Lebensraum, für die Natur…

Kathrin Nürge
Starke Erzieher – starke Kinder: eigene Ressourcen entdecken und einsetzen
Taschenbuch, mit zahlreichen vierfarbigen Abbildungen, 240 Seiten
ISBN: 978-3-944548-24-1
20 €




Der Hitzeknigge – auch in Englisch, Türkisch und Russisch

Tipps für das richtige Verhalten bei Hitze – Broschüre gratis zum Download

Durch den Klimawandel erlebt auch Deutschland immer mehr Hitzetage und tropische Nächte. Besonders in dicht bebauten Innenstädten kann die Hitze zum Gesundheitsproblem werden. Das Umweltbundesamt gibt Tipps und Hinweise, wie Sie sich und andere vor extremer Hitze schützen. Auch Schwangere, Säuglinge und Kleinkinder gilt es besonders zu schützen:

  • Vermeiden Sie körperliche Aktivität besonders während der heißesten Tageszeit (etwa 11 bis 18 Uhr) und bei hohen Ozonbelastungen, die durch hohe Sonneneinstrahlung entstehen können. Verlegen Sie z. B. Einkäufe, körperliche Aktivitäten oder Sport in die kühleren Morgen- und Abendstunden.
  • Lüften Sie nur frühmorgens und nachts. Tagsüber sollten Fenster, Jalousien und Vorhänge geschlossen bleiben. Außenliegende Beschattung an den Fenstern, etwa Rollläden, schützen wirksamer vor Hitze als innenliegende (etwa Vorhänge).
  • Kühlen Sie den Körper mit einfachen Methoden wie einem kühlenden Fußbad. Auch kühlende Körperlotionen oder ein Thermalwasserspray können Linderung verschaffen.
  • Achten Sie darauf, dass Sie selbst und andere sich bei Hitze nicht zu lange in parkenden Autos aufhalten. Das gilt natürlich auch für Tiere.
  • Verschiedene Medikamente können bei Hitze Probleme verursachen. Wenn Sie regelmäßig Medikamente einnehmen, sollten Sie frühzeitig mit dem Arzt darüber sprechen. Bestimmte Medikamente verlieren in warmer Umgebung ihre Wirksamkeit. Deshalb gilt: kühl lagern!

Viele weitere Tipps, Hinweise und Hintergrundinformationen zu Hitze finden Sie im Hitzeknigge und in der Broschüre Klimawandel und Gesundheit – Tipps für sommerliche Hitze und Hitzewellen. Die Broschüre ist auch in Englisch, Türkisch und Russisch verfügbar.