Amphibien leiden unter warmen Wintern

frosch

Das Dilemma mit der Klimakrise

Durch die zunehmende Anzahl überdurchschnittlich warmer Wintertage werden unsere heimischen Amphibien immer häufiger in ihren Winterquartieren geweckt. Das geht den Tieren an die Substanz. Durch das Rauf- und Runterfahren der Körpertemperatur sind die damit verbundenen Stoffwechselprozesse sehr kräftezehrend. Es fehlt zudem die Nahrung, um den Energiespeicher ausreichend aufzufüllen. Die Insekten auf dem Speiseplan von Lurchen wie Frosch und Salamander sind noch nicht da, denn für diese ist es dennoch zu kalt.

Den Winter verbringen heimische Amphibien wie Laubfrosch, Feuersalamander und Co. in geschützten Winterquartieren, in denen sie die eisige Jahreszeit unbeschadet überdauern können. Geschützt vor Frost, Fressfeinden und weiteren schädlichen Einflüssen, verborgen unter Laub, in Höhlen oder eingegraben in der Erde locken die ersten Sonnenstrahlen und damit länger andauernde höhere Temperaturen die Tiere im Frühjahr dann ans Tageslicht. Das Laichgeschäft beginnt. Normalerweise! 

Der Frosch ist wach – das Futter ruht

Durch den Klimawandel ist der Winter jedoch nicht mehr das, was er mal war. Um mehr als 1,5 Grad ist die Temperatur seit 1992 in den Wintermonaten in Deutschland angestiegen, kalte Winter mit langen Frostperioden sind sehr selten geworden. Erst kürzlich wurden zum Jahreswechsel Rekordtemperaturen zwischen 15 und 20 Grad gemessen, die jahreszeitlich gesehen eher in einen April oder Mai passten.

Die Amphibien wachen bei solch überdurchschnittlich hohen Temperaturen in den Wintermonaten immer häufiger wieder auf. Sandra Honigs, stellvertretende Direktorin und Kuratorin für den Landbereich im Aquazoo Löbbecke Museum Düsseldorf, erklärt: „Das außerplanmäßige Erwachen ist für die Amphibien ein großes Dilemma. Es ist besonders kräftezehrend, da unter anderem das Futter, das die Lurche benötigen würden, nicht vorhanden ist. Für zahlreiche Wirbellose, die normalerweise auf dem Speiseplan unserer heimischen Frosch- und Schwanzlurche stehen, wie Mücken, Fliegen oder Regenwürmer, ist es tatsächlich noch viel zu kalt. Das liegt daran, dass die Böden, in denen die Futtertiere sich aufhalten, im Vergleich zur Luft noch sehr kalt sind. Das gilt auch für die Gewässer, in denen viele Arten sich fortpflanzen. Auch die Futterpflanzen der Insekten sind noch lange nicht so weit. Die Zeit der Insekten ist demnach noch lange nicht gekommen und so müssen die zur Unzeit erwachten Lurche hungern und ihre (Fett-) Reserven verbrauchen. Diese Energiereserven fehlen ihnen dann, wenn sie erneut zur eigentlich richtigen Zeit im Frühjahr erwachen und sich auf Wanderschaft begeben, um nach Nahrung, Partner und Laichplätzen zu suchen.“ 

Brechen plötzlich Frostnächte herein, werden die erwachten Amphibien kalt überrascht und erfrieren. Auf diese Weise werden Populationen empfindlich dezimiert. 

Durchschlafen auch bei Amphibien Schlüssel zur Gesundheit

Dabei ist eine mehrwöchige gut „durchgeschlafene“ Winterruhe für die heimischen Amphibien und ihre inneren biologischen Prozesse durchaus gesund und gehört für ihren Jahresrhythmus und ihr Verhalten einfach zu ihrem Leben dazu. Wobei – genauer gesagt – Amphibien eher in eine Winterstarre verfallen, da sie wechselwarm sind. Sie kühlen „unfreiwillig“ ab und ihre Körperfunktionen werden so weit runtergefahren, dass sie ruhen müssen. Daher wachen sie auch ungewollt wieder auf, wenn es zu warm wird. Winterruhe und Winterschlaf halten tatsächlich im engeren Sinne nur gleichwarme Tiere, die ihre Körpertemperatur aufrechterhalten können. 

„Es ist abzuwarten, wie rasch sich die Tiere an diesen Wandel anpassen können. Im Erdzeitalter gab es immer wieder klimatische Veränderungen, an die sich die Lebewesen langfristig anpassen konnten – durch Evolution. Diese braucht jedoch Zeit und bei den meisten Lebewesen viele Generationen. Mit der Geschwindigkeit der menschengemachten Klimaveränderung kann dieser Prozess kaum mithalten. Bedauerlicherweise können wir die Lurche dabei kaum unterstützen, außer indem wir alles daransetzen, die Klimaveränderung so schnell wie möglich zu stoppen“, so Sandra Honigs. 

Schon im Februar gehören die Erdkröten zu den ersten Wanderern unter den Amphibien. Sie machen sich besonders nach einem milden Winter oftmals bereits jetzt auf den Weg zu ihren Laichgewässern. Auch der Grasfrosch ist früh aktiv und sitzt bereits im Wasser, um nach seinen Partnern Ausschau zu halten. Bald werden sich auch die anderen heimischen Amphibienarten zu ihnen gesellen.

Quelle: Pressemeldung WetterOnline.




Die freiwillige Zuckerreduktion in Softdrinks gelingt offenbar kaum

Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten zeigt ernüchternde Bilanz

Der durchschnittliche Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland ist in den Jahren 2015 bis 2021 lediglich um etwa zwei Prozent gesunken. Das zeigt eine Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM), die heute in der Fachzeitschrift „Annals of Nutrition and Metabolism“ erschienen ist. Der Studie zufolge ist die Getränkeindustrie nicht auf Kurs, die selbst gesteckten Ziele zur Zuckerreduktion zu erreichen. Im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist vereinbart, den Zuckergehalt von Softdrinks von 2015 bis 2025 auf freiwilliger Basis um 15 Prozent zu senken.

„Die freiwillige Zuckerreduktion bei Softdrinks kommt nicht voran. Wenn sich der Trend so fortsetzt, würde das Ziel ‚15 Prozent weniger Zucker‘ erst in Jahrzehnten erreicht“, resümiert Oliver Huizinga, Co-Autor der Studie und politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). „So viel Zeit haben wir nicht! Bundesernährungsminister Cem Özdemir ist gut beraten, die Strategie seiner Vorgängerin nicht fortzuführen“, so Huizinga.

Treiber für Adipositas und Diabetes

„Zuckergetränke gelten als wesentlicher Treiber für Adipositas und Diabetes“, sagt Barbara Bitzer, Sprecherin von DANK und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Appelle an die Industrie reichen nicht aus. Die Regierung muss endlich effektive Maßnahmen ergreifen, damit der Zuckergehalt in Softdrinks deutlich zurückgeht“, fordert Bitzer.

„Unsere Daten zeigen nicht nur ein langsames Reduktionstempo in Deutschland – sie zeigen auch, wie es anders geht. In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum um knapp 30 Prozent gefallen, bei ähnlichen Ausgangswerten“, ergänzt Dr. Peter von Philipsborn, Hauptautor der Studie und Wissenschaftler am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der LMU. „Großbritannien hat 2018 eine Hersteller-Abgabe auf Softdrinks eingeführt, um die Hersteller zu einer Zuckerreduktion zu bewegen. Dieser Ansatz hat sich als sehr wirkungsvoll erwiesen“, sagt Philipsborn.

Nationale Reduktionsstrategie von Julia Klöckner

Die damalige Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hatte im Jahr 2018 die „Nationale Reduktionsstrategie“ für Fertiglebensmittel ins Leben gerufen. In diesem Rahmen hat sich die Getränkeindustrie freiwillig dazu verpflichtet, den absatzgewichteten Zuckergehalt von Softdrinks im Zeitraum 2015 bis 2025 um 15 Prozent zu reduzieren. Die aktuelle Studie zeigt, dass die Industrie bislang deutlich hinter diesem Ziel zurückbleibt. Rechnerisch hätte von 2015 bis 2021 eine Reduktion um neun Prozent erfolgen müssen, um auf Kurs zu sein.

Der Studie zufolge lag der durchschnittliche absatzgewichtete Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland im Jahr 2015 bei 5,3 Gramm je 100 Milliliter und im Jahr 2021 bei 5,2 Gramm je 100 Milliliter. Zum Vergleich: In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum von ebenfalls 5,3 Gramm je 100 Milliliter auf 3,8 Gramm je 100 Milliliter gesunken. Die britische Regierung hatte 2018 eine Hersteller-Abgabe auf stark gezuckerte Getränke eingeführt, um den Zuckergehalt in Softdrinks zu senken.

Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke zeigen Erfolge im Ausland

Weltweit haben mittlerweile mehr als 50 Regierungen eine Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke eingeführt. Medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, die Weltgesundheitsorganisation, Verbraucherschützer und auch Krankenkassen empfehlen seit Jahren die Einführung einer entsprechenden Regelung auch in Deutschland. Das Bundesernährungsministerium hatte im Mai 2022 gegenüber der Lebensmittelzeitung angegeben, auf neue Erkenntnisse aus der Forschung zu warten und diese in die „Positionierung bezüglich einer möglichen Einführung einer Zuckersteuer in Deutschland“ einzubeziehen.

Für die aktuelle Studie haben die Autor:innen Daten des Marktforschungsinstituts Euromonitor International ausgewertet, das als führend in der Marktforschung für Verbrauchermärkte gilt. In die Daten von Euromonitor fließen Unternehmensberichte, offizielle Statistiken, Markterhebungen und Schätzungen von Branchenexpert:innen ein.

Die Studie wurde finanziert aus Mitteln des Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte (BVKJ), der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG), der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), der Deutschen Herzstiftung, der LMU und des Verbands der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD).

Originalpublikation

Direktlink zur aktuellen Studie in der Fachzeitschrift „Annals of Nutrition and Metabolism“ (abstract, Englisch – Volltext als PDF): https://www.karger.com/Article/Abstract/529592

Michaela Richter/Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten




Den Kreislauf der Armut durchbrechen

Deutsches Kinderhilfswerk zum Welttag der sozialen Gerechtigkeit

Um mehr Teilhabechancen für von Armut betroffene Kinder und Jugendliche in Deutschland zu erreichen, ist es aus Sicht der Kinderrechtsorganisation wichtig, in allen Bereichen von Politik, Verwaltung, Rechtsprechung und Gesellschaft das Thema Armutssensibilität stärker als bisher in den Blick zu nehmen. Die Auswirkungen von Armut insbesondere auf Kinder und Jugendliche sollten in ihrer gesamten Komplexität thematisiert werden, um darauf aufbauend Strategien für Bildungs-, Beteiligungs- und Hilfeprozesse sowie Arbeits- und Aktionsbündnisse zu initiieren und zu gestalten. Diese müssen sich an den Bedarfen der Kinder und Jugendlichen orientieren und dazu beitragen, den Kreislauf der Armut zu durchbrechen. Dazu gehört es auch, die stetige Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer sozialen und ökonomischen Lage sichtbar zu machen und diese strukturelle Diskriminierung anzuerkennen.

Armutssensible und klassismuskritische Fachkräfte gefordert

„Der Alltag von Kindern, die in Armut leben, ist von Verzicht und vielfach von Scham geprägt. Meistens ist kein Geld da, um mal ins Kino oder Schwimmbad gehen zu können, die Kinder werden in der Schule gemobbt, weil sie abgetragene Kleidung anhaben, sie gehen nicht auf Kindergeburtstage, weil kein Geld für ein Geschenk da ist. Armut wirkt sich auch negativ im Bildungsbereich und auf die Gesundheit der Kinder aus. Arme Kinder haben vermehrt Karies, Infektionen, Asthma, Kopf- und Rückenschmerzen und eine höhere Anfälligkeit für chronische Erkrankungen, sie leiden aber auch häufiger unter Stress und geringem Selbstbewusstsein. Deshalb brauchen wir armutssensible und klassismuskritische Fachkräfte nicht nur in der Kinder- und Jugendhilfe, sondern darüber hinaus auch in allen Bereichen von Politik, Verwaltung, Rechtsprechung und Gesellschaft. Notwendig ist auch eine armutssensible Arbeitsweise aller Institutionen und Einrichtungen, die Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen sind oder Entscheidungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen treffen. Gerade das frühkindliche und auch das schulische Bildungssystem muss in die Lage versetzt werden, seine tragende Rolle bei der Durchbrechung des Kreislaufes von Armut zu erfüllen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Gesamtstrategie erforderlich

Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes ist zur nachhaltigen Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland eine Gesamtstrategie nötig, deren Grundbestandteil eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung sein muss. Eine solche Gesamtstrategie muss neben monetären Leistungen auch ein starkes Augenmerk auf infrastrukturelle Bedingungen zur Unterstützung von Familien und ihren Kindern legen. Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sind ebenso zu berücksichtigen, wie Familien- und Bildungspolitik, Gesundheits- und Sozialpolitik sowie Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaupolitik. So wie die Ursachen und Folgen von Kinderarmut mehrdimensional sind, müssen dabei alle politischen, staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteure armutssensibel bei der umfassenden Bekämpfung von Kinderarmut und sozialer Exklusion, beim Aufbrechen von klassistischen Strukturen zusammenarbeiten.

Quelle: DKHW




Entsetzen über die Haltung von Christian Lindner zur Kindergrundsicherung

Finanzminister lehnt laut Medienberichterstattung Elf-Milliarden-Plan von Familienministerin Lisa Paus ab

Mehr als jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene gelten in Deutschland als armutsgefährdet. Alleinerziehende sowie Familien mit drei und mehr Kindern sind besonders betroffen. Die Daten, die die Bertelsmann Stiftung vor ein paar Wochen publiziert hatte, zeigen, dass sich die Lage nicht gebessert hat. Damit sich an dem strukturellen Problem der Kinder- und Jugendarmut endlich etwas ändern könne, solle die Bundesregierung die angekündigte Kindergrundsicherung jetzt schnell und entschlossen auf den Weg bringen, so die Stiftung. Dieses Koalitionsziel ist nun in Gefahr. Laut Medienberichten blockiert der Bundesfinanzminister und Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner die Kindergrundsicherung.

Dazu äußert sich nun Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes: „Ich bin entsetzt über die Haltung des Bundesfinanzministers zur Finanzierung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Kindergrundsicherung. Es werden aktuell weitere zehn Milliarden Euro für die Bundeswehr und zehn Milliarden Euro für eine Aktienrente verplant. Aber für den Kampf gegen Kinderarmut sollen wieder nur die Krümel vom Kuchen übrigbleiben. Chancengerechtigkeit und würdevolles Aufwachsen von Kindern dürfen nicht der Schuldenbremse geopfert werden. Das wäre ein Tiefpunkt der Arbeit dieser Ampelkoalition. Die FDP und Bundesfinanzminister Lindner sind gut beraten, sich an den Koalitionsvertrag zu halten.“




Väter wollen Kinder empathisch und verständnisvoll erziehen

Studie zum Selbstbild und Selbstverständnis von Vätern der TU Braunschweig und der FH Kiel

Die Rolle von Vätern ist in den vergangenen Jahren immer mehr in den gesellschaftlichen Fokus gerückt. Debatten wie #dazuhatpapanichtszusagen, Diskussionen um einen 14-tägigen Vaterschutz und nicht zuletzt die Erweiterung der Elternzeit um zwei Vätermonate spiegeln diese Entwicklung wider. „Trotz der vermehrten Diskussion um die Rolle von Vätern ist diese seit einigen Jahren nicht mehr umfassend wissenschaftlich untersucht worden. Diese Lücke wollten wir mit unserer Studie schließen“, erklärt Projektleiterin Dr. Kim Bräuer von der TU Braunschweig. Im Rahmen der VAPRO-Studie befragte das Team um Bräuer und Prof. Dr. Kai Marquardsen von der Fachhochschule Kiel 2.200 Väter online und führten 55 qualitative Interviews. Dabei berücksichtigten sie neben rechtlichen und biologischen Vätern auch Pflegeväter, Väter in Co-Parenting-Konstellationen und homosexuelle Väterpaare. Außerdem wurden nicht nur die Männer selbst befragt, sondern auch die (Eigen-)Darstellung von Vaterschaft in sozialen Medien analysiert.

Das Bild vom Vater, der mit seinem Einkommen die Familie ernährt und mit den Kindern höchstens am Wochenende spielt, ist passé. Tatsächlich ist es Vätern heute vor allem wichtig, ihre Kinder „empathisch und verständnisvoll“ zu erziehen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der VAPRO-Studie. Das Ideal des emotionalen Vaters ist weit verbreitet. So ist es fast 60 Prozent der Väter am wichtigsten, dass sie ihrem Kind bzw. ihren Kindern Zuneigung zeigen. Der Trend zu vermehrter aktiver Vaterschaft sei klar erkennbar, so die Wissenschaftler*innen. Dabei engagieren sich die Väter am häufigsten in der Kinderbetreuung, indem sie zum Beispiel mit den Kindern spielen. Deutlich seltener übernehmen die Väter aktive Erziehungsmaßnahmen.

Das Bild vom Vater als Ernährer dominiert nicht mehr

Ein Großteil der befragten Väter hat sich von dem Bild des Vaters als Ernährer gelöst. Nur rund 12 Prozent von ihnen halten es für ihre wichtigste Aufgabe, der Familie finanzielle Sicherheit zu bieten. „Die von uns befragten Väter haben angegeben, dass ihnen monetäre Werte nicht so wichtig seien, wie soziale oder emotionale Werte“, erklärt Prof. Dr. Kai Marquardsen. In diesem Zusammenhang kritisierten viele der Interviewten ihre eigenen Väter unter anderem als „zu bestimmend“, als „abwesend“ und „mit der Arbeit zu beschäftigt“. Sie nutzen ihre Väter als „negatives Vorbild“ und betonen, dass sie selbst als Vater bewusst anders handeln würden.

Dennoch sind fast 85 Prozent der Väter wöchentlich 40 Stunden oder mehr erwerbstätig, während fast drei Viertel der anderen Elternteile nicht oder maximal 30 Stunden in der Woche arbeiten. Trotzdem nimmt fast jeder zweite Vater an, dass er sich genauso viel um familiäre Angelegenheiten der Kinderbetreuung kümmert, wie der andere Elternteil. Lediglich jeder zehnte Vater übernimmt die meisten Aufgaben der Familienarbeit. Dies sind vor allem Väter, die ihre Erwerbstätigkeit beendet oder deren Umfang reduziert haben, um mehr Zeit für ihre Familie und die Versorgung der Kinder zu haben.

Viele Väter, auch das ist eine Erkenntnis der Studie, geben an, ihren eigenen Vorstellungen guter Vaterschaft nicht gerecht zu werden. „Hier zeigen sich Parallelen zur Mutter als Allrounderin, die im Job erfolgreich sein muss und gleichzeitig liebevoll die Kinder und ihre Verwandten umsorgt“, erklärt Kim Bräuer. „Der Trend geht also weg von der ‚klassischen‘ Rollentrennung hin zu einem ‚Alle-erfüllen-alle-Rollen‘ und dieses möglichst perfekt. Dabei erleben die Väter nicht nur einen Work-Family-Konflikt. Es scheint auch darum zu gehen, sich in ihrem Freundeskreis, in Vereinen oder bei der Versorgung der Eltern einzubringen und ihren Kindern auf diese Weise soziale Werte vorzuleben,“ so Bräuer.

Väter bloggen nicht über Armut

Im Rahmen ihrer Studie haben die Sozialwissenschaftler*innen die Instagram-Accounts von sieben sehr populären Väterbloggern und deren Bild von Vaterschaft analysiert. Hier herrscht das Ideal des zumeist weißen, aktiven Vaters. Vaterschaft in Armut oder Vatersein mit Migrationserfahrung würden hingegen kaum thematisiert, erklärt Prof. Marquardsen. „Das lässt sich damit erklären, dass Armut mit Scham behaftet ist und Väter in Armutslagen sich – auch virtuell – nicht offenbaren wollen. Väter, deren Leben von einem geringen Einkommen geprägt ist oder die auf Leistungen vom Staat angewiesen sind, finden unter Väterbloggern also niemanden in ähnlicher Lebenslage.“ Auch unter #ichbinarmutsbetroffen fanden die Wissenschaftler*innen nur wenige Berichte von Vätern in Armutslagen.

Es sei schwierig gewesen, für Interviews Kontakt zu Betroffenen herzustellen, da diese in besonderer Weise unter dem Druck gesellschaftlicher Normalitätsvorstellungen stünden, erklärt der Kieler Sozialwissenschaftler: „Selbstverständlich finden wir auch unter Vätern in Armutslagen eine Vielfalt im Erleben von Vaterschaft. Aber im Unterschied zu anderen Vätern ist für sie vor allem die materielle Versorgung der Familie wichtigeres Thema. In unseren Interviews wurde deutlich, dass für sie insbesondere Herausforderungen auf materieller Ebene eine Rolle spielen, die bei Vätern in gesicherten Verhältnissen kein Thema waren “, so Marquardsen. „Insgesamt besteht bezüglich des Erlebens von Vaterschaft von Vätern in Armut aber weiter dringender Forschungsbedarf. Nicht zuletzt wissen wir noch zu wenig darüber, welche kurz- und längerfristigen Einflüsse gesellschaftliche Krisenereignisse wie Corona oder eine steigende Inflation auf die Praxis gelebter Vaterschaft in verschiedenen Milieus haben.“

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Ziel des Projekts war es auch, Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber*innen, Koordinator*innen von Väternetzwerken und politische Akteur*innen zu entwickeln, um die Lebenslagen von Vätern sichtbarer zu machen und ihre Situation und die ihrer Familien nachhaltig zu verbessern. Väterarbeit, so die Empfehlung der Forschenden, solle sich verstärkt auf deren alltägliches Handeln beziehen. Es gehe weniger darum, ein neues Bild von Vaterschaft zu vermitteln, als die Väter stärker in alltägliche Aufgaben einzubinden, erklärt Bräuer: „Es wäre denkbar, Väter aktiv als Elternsprecher anzufragen, Väterschwimmkurse anzubieten oder sie aktiv zum Beispiel in Elternchats anzusprechen.“ Unterstützung wünschen sich die Wissenschaftler*innen außerdem durch entsprechende familienpolitische Reformen. „Das würde es vielen Vätern leichter machen, spezielle Angebote der Arbeitgeber*innen auch tatsächlich anzunehmen.“

Zur Studie

Die VAPRO Studie hatte eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und wurde von der Stabstelle für Chancengleichheit der TU Braunschweig und dem Braunschweiger Zentrum für Gender Studies finanziert. Die Forscher*innen wählten einen Methoden-Mix und werteten 55 qualitative Interviews, eine Online-Umfrage mit bundesweit 2.200 Teilnehmern und sieben Instagram-Accounts von Väterbloggern aus.

Weitere Informationen

Abschlussbericht: https://leopard.tu-braunschweig.de/content/index.xml

Projekthomepage: https://www.tu-braunschweig.de/chancengleichheit/familienbuero/vaeter

VAPRO-Instagram-Account: https://www.instagram.com/dadsaredads/

Bianca Loschinsky, Technische Universität Braunschweig




Viele Lehrkräfte zeigen Vorurteile bei der Beurteilung von Hochbegabung

Laut Studie werden Mädchen und Kinder aus bildungsfernen Familien bei gleichen Fähigkeiten benachteiligt

Mit der repräsentativen Studie machen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf ein besonderes Problem in der Förderung von Hochbegabten aufmerksam: Da für manche Förderprogramme Lehrkräfte die Schülerinnen und Schüler nominieren, werden einige Gruppen systematisch benachteiligt, unabhängig von deren Fähigkeiten, Motivation oder Persönlichkeit. Erst nach der Einschätzung durch die die Lehrkräfte folgen weitere Tests, beispielsweise standardisierte Intelligenztests als Zugangsvoraussetzung zu bestimmten Förderprogrammen.

„Lehrkräfte sollten ihre Vorstellungen von Hochbegabung hinterfragen“, so Jessika Golle, Juniorprofessorin am Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung und eine der Autorinnen der Studie.

Gängige Vorstellungen über Bord werfen

Sie ließen sich oftmals von falschen Vorstellungen leiten oder wählten Kinder aus, von denen sie vermuteten, dass diese in den Förderprogrammen gut abschneiden könnten. Gängige Vorstellungen, wie sich Hochbegabung bei Kindern ausdrückt, sind gute Leistungen in der Schule, hohe Motivation und Kreativität sowie überdurchschnittliche soziale Fähigkeiten. Hochbegabte Kinder werden allerdings oft auch als emotional anfällig und weniger umgänglich gesehen und mit problematischem Verhalten in Verbindung gebracht.

Um herauszufinden, was Lehrkräfte tatsächlich dazu bringt, ein Kind als hochbegabt einzuschätzen, werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten einer Langzeitstudie aus den Niederlanden aus. Insgesamt wurden für den Datensatz rund 27.000 Schülerinnen und Schüler aus der sechsten Klassenstufe und ihre rund 1.300 Lehrkräfte befragt. Die Kinder absolvierten einen Test, der ihre allgemeine kognitive Fähigkeit abbildete, sowie Tests, die ihre schulische Leistung erfassten, und beantworteten einen Fragebogen, der ihre Persönlichkeitsmerkmale erfasste. Gleichzeitig sollten die Lehrkräfte die Kinder in ihrem Verhalten beurteilen und die Frage beantworten, ob das Kind ihrer Meinung nach hochbegabt sei oder nicht.

Vorurteile erkennen

Das Ergebnis: Schüler, die als hochbegabt eingestuft wurden, zeigten ein höheres Niveau an allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, sie zeigten höhere schulische Leistungen, waren offener und waren umgänglicher als die Schülerinnen und Schüler, die nicht als hochbegabt eingestuft wurden. Außerdem waren die als hochbegabt beurteilten Kinder auch häufiger jünger und männlich und stammten aus Familien mit einem hohen Bildungsstand im Vergleich zu allen anderen Kindern. „Interessant war zudem, dass bei Schülerinnen und Schülern mit gleichen Fähigkeiten und gleicher Motivation, diejenigen eher als hochbegabt eingestuft wurden, deren Verhalten weniger verträglich war“, so Golle. Das zeige, dass sich hartnäckig das Stereotyp halte, Hochbegabte seien im Umgang schwieriger und sozial beeinträchtigt.

„Es ist wichtig, dass Lehrkräfte diese Vorurteile bewusstwerden, sonst werden Mädchen und Schülerinnen und Schüler aus Familien mit niedrigem Bildungsniveau systematisch benachteiligt“, ergänzt Trudie Schils von der Universität Maastricht. „Ihre Rolle im Auswahlprozess sollte hinterfragt werden, denn schließlich sind meistens sie es, die den Förderbedarf von Kindern frühzeitig erkennen.“

Originalpublikation

Golle, J., Schils, T., Borghans, L., & Rose, N. (2022). Who is considered gifted from a teacher’s perspective? A representative large-scale study. Gifted Child Quarterly. Advanced online publication. https://doi.org/10.1177/00169862221104026

Antje Karbe/Eberhard Karls Universität Tübingen




Jedes zweite Kind verbringt zu viel Zeit vor dem Bildschirm

Familienstudie der AOK stellt fest, dass Eltern die Medienzeit ihrer Kinder immer seltener begrenzen

Der tägliche Medienkonsum von Kindern im Alter zwischen vier und sechs Jahren sollte nach Expertenmeinung eine halbe Stunde täglich nicht überschreiten. Tatsächlich verbringen aber 52 Prozent der Kinder in dieser Altersgruppe mehr als eine halbe Stunde unter der Woche vor TV, Laptop und anderen digitalen Geräten. Am Wochenende sind es sogar 77 Prozent.

Das geht aus einer Elternbefragung im Rahmen der aktuellen AOK-Familienstudie hervor. „Ein zu hoher und falscher Medienkonsum kann sich nachteilig auf die Gesundheit von Kindern auswirken. Vor allem dann, wenn darunter dauerhaft die Bewegung leidet. Wenn Mädchen und Jungen unbeaufsichtigt nicht altersgerechte Inhalte konsumieren, kann dies zudem Ängste bei den Kindern auslösen“, mahnt Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.

Medienkompetenz ist eng mit Gesundheit verbunden

Medienkompetenz ist eng mit dem Thema Gesundheit verknüpft. Deshalb ist die AOK bereits seit 2020 Partnerin der Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“ und hat die Kooperation jetzt bis mindestens Ende 2024 verlängert. „Medienkonsum beginnt heutzutage schon im Kleinkindalter. Gerade für die Kleinsten ist dies mit Risiken verbunden. Deshalb ist es wichtig, Eltern zu sensibilisieren und deren Medienkompetenz zu stärken. Genau diese wertvolle Arbeit leistet ‚SCHAU HIN!‘ seit vielen Jahren“, sagt Reimann mit Blick auf die Fortführung der langjährigen Kooperation.

„SCHAU HIN!“ ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der beiden öffentlich-rechtlichen Sender Das Erste und ZDF sowie der AOK. Mit einem neuen TV-Spot, der ab Februar ganzjährig ausgestrahlt wird, sollen Familien auf das Angebot aufmerksam gemacht werden. Im gleichen Monat starten auch die neuen „SCHAU HIN!-Medienkurse für Eltern“ – Online, interaktiv, werbefrei und kostenlos.

Medienkompetenz fester Bestandteil des Präventionsprogramms

Laut der aktuellen AOK-Familienstudie begrenzen Erziehungsberechtigte die Bildschirmzeiten ihres Nachwuchses nicht mehr so stark wie vor vier Jahren. Gaben 2018 noch 86 Prozent der Eltern an, ihren Kindern bis zum 14. Lebensjahr in puncto Mediennutzung Grenzen zu setzen, waren es 2022 nur noch 76 Prozent. „Wir wollen Eltern dabei unterstützen, ihren Kindern so früh wie möglich beizubringen, sich in der digitalen Welt nicht zu verlieren“, so Reimann. Schon bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren werden wesentliche Grundlagen für die spätere Mediennutzung gelegt.

Ab dem Frühjahr 2023 wird Medienkompetenz auch fester Bestandteil des AOK-Präventionsprogramms „JolinchenKids – fit und gesund in der Kita“, das die Gesundheitskasse bundesweit in über 4.600 Kindertagesstätten durchführt. „Unser Fokus lag bislang auf Ernährung, Bewegung und psychischem Wohlbefinden. Wir sehen aber gerade im Bereich der Medienkompetenz ein riesiges Gesundheitspotenzial und haben uns deshalb für die Erweiterung um diesen Baustein entschieden“, berichtet die AOK-Vorständin.

https://aok-bv.de/imperia/md/aokbv/hintergrund/dossier/praevention/aok_familienstudie_2022_kurz.pdf

Quelle: AOK




Safer Internet Day 2023: Stress mit Medienzeiten?

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Plattform webhelm veröffentlicht anlässlich des Safer Internet Day Anregung zu #OnlineAmLimit

Eltern oder Lehrkräfte haben häufig klare Vorstellungen von angemessenen Medienzeiten, Kinder und Jugendliche manchmal ganz andere Ideen dazu. Gerade hierüber geraten Erwachsene immer wieder in Streit mit Kindern und Jugendlichen. Was ist angemessen, wo ist das Limit und wann sind die Grenzen erreicht? Diese Fragen werden häufig gestellt, die Antworten sind nicht so leicht zu finden.

Konstruktiver Austausch im Mittelpunkt

Umso wichtiger ist ein konstruktiver Austausch über die unterschiedlichen Wünsche und Bedürfnisse. webhelm hat dazu verschiedene Methoden veröffentlicht: vom Gallery Walk über eine Online-Umfrage bis hin zum Erstellen eines Trickfilms. Wichtig ist: Die Perspektive der jungen Mediennutzerinnen und -nutzer steht im Zentrum. PreTeens ab 11 Jahren sind eingeladen, sich über ihre Mediennutzung auszutauschen und Ansprüche an die eigene Medienzeit zu formulieren. webhelm ist ein Infoangebot für pädagogische Fachkräfte und interessierte Erwachsene. Die Plattform widmet sich relevanten Fragen rund um Social Media. Neben Hintergrundinformationen bietet webhelm insbesondere Methoden für die pädagogische Arbeit oder die Auseinandersetzung mit Medienthemen in der Familie. webhelm wird vom JFF – Institut für Medienpädagogik verantwortet.

Fokus auf aktuelle Fragestellungen

Die Direktorin des JFF – Institut für Medienpädagogik, Kathrin Demmler, zum Safer Internet Day 2023: „Medien gehören zum Alltag. Der Safer Internet Day richtet jährlich den Fokus auf aktuelle Fragestellungen. Mit #OnlineAmLimit werden 2023 die Grenzen des Medienumgangs thematisiert. Wir als medienpädagogische Facheinrichtung haben hierzu Antworten. Auf der Plattform webhelm regen wir heute dazu an, gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen Regelungen für den Umgang zu erarbeiten.“ 

Link zur neuen Methode des JFF

Über das JFF: Seit 1949 befasst sich das JFF mit Medien und medialen Phänomenen, mit Trends und Entwicklungen, mit Chancen und möglichen Schwierigkeiten aus Sicht von Kindern und Jugendlichen. Die Ergebnisse der interdisziplinären Arbeit aus Forschung und Praxis werden für verschiedene Arbeitsfelder aufbereitet und sind Basis für innovative Projekte und Modelle in der Erziehungs-, Bildungs- und Kulturarbeit. Ziel all dieser Aktivitäten ist eine breite, umfassende und nachhaltige Förderung von Medienkompetenz. 

Das JFF im Netz 

Mitteilung JFF