Guten Appetit? Was so alles auf den Grill kommt!

Der Grillwurst-ÖKO-TEST ist jetzt gratis abrufbar

Sommerzeit ist Grillzeit. Für die Kinder gibt es dann gerne mal gegrillte Würstchen. Beim Lesen des aktuellen ÖKO-TESTs ist uns der Appetit vergangen. „Abgeschnittene Schwänze, kastrierte Ferkel und kaum Platz im Stall: Das ist traurige Realität in der konventionellen Schweinehaltung“, schreibt das Verbrauchermagazin in einer Mitteilung. Weiter heißt es „Wir haben 19 gebrühte Grillwürste aus Schweinefleisch untersucht – neben den oft miserablen Bedingungen im Stall vermiesen auch Mineralölbestandteile, Keime, Phosphate und zu viel Salz die Testergebnisse einiger Produkte.“ Die gute Nachricht ist laut ÖKO-TEST, dass wir viele Bio-Würste zumindest ab und zu mit gutem Gewissen auf den Grill legen könnten. Die schlechte Nachricht: „Die konventionelle BBQ Bratwurst Herzhaft von Aldi Nord/Aldi Süd schneidet am schlechtesten ab und in der Penny Rost Bratwurst stecken Clostridien – Keime, die auf mangelnde Hygiene hinweisen.“

Den Grillwurst-Test könnt ihr hier downloaden.

Quelle: Pressemitteilung ÖKO-TEST




IQB-Bildungstrend: Schüler:innen in der sozialen Entwicklung und im Lernerfolg erheblich zurückgefallen

Geringere Leistungen in Deutsch und Mathematik in schulisch herausfordernden Zeiten

Die Schülerinnen und Schüler in Deutschland sind in ihrer sozialen Entwicklung und in ihrem Lernerfolg erheblich zurückgefallen. Das zeigt jetzt auch eine Vorabauswertung des IQB-Bildungstrends 2021, der vor den Sommerferien im Jahr 2021 deutschlandweit in den vierten Klassen durchgeführt wurde. Bei der Präsentation der Ergebnisse hießt es, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass ausschließlich die Pandemiesituation für die Kompetenzrückgänge verantwortlich sei. Schon zwischen 2011 und 2016 sei die ungünstige Entwicklung zu beobachten gewesen.

Viele Viertklässler:innen erreichen die Bildungsstandards nicht

Demnach erreichen signifikant weniger Viertklässlerinnen und Viertklässlern in den Fächern Deutsch und Mathematik im Vergleich zu den letzten Erhebungen in den Jahren 2011 und 2016 die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK). Der Anteil der Kinder, die die Mindeststandards verfehlen, ist teilweise deutlich gestiegen, und die sozialen und zuwanderungsbezogenen Disparitäten haben sich verstärkt. Weitere Befunde zeigen zudem auch ein etwas geringeres fachliches Interesse für Deutsch und Mathematik, aber eine nach wie vor hohe Schulzufriedenheit und positive Bewertung der sozialen Integration in der Schulklasse. Der Kompetenzrückgang entspricht der Lernzeit von ca. einem drittel Schuljahr im Lesen, einem halben Schuljahr im Zuhören, einem viertel Schuljahr im Bereich Orthografie und einem viertel Schuljahr im Fach Mathematik, hieß es bei der Vorstellung des Kurzberichts.

Deutliche soziale Unterschiede

Prof. Dr. Petra Stanat, wissenschaftliche Leiterin des IQB: „Die ungünstigen Veränderungen in den erreichten Kompetenzen sind deutlich und sicherlich nicht unwesentlich darauf zurückzuführen, dass diese Kohorte von Kindern von den pandemiebedingten Einschränkungen betroffen war. Allerdings haben auch schon in den früheren Kohorten zu viele Kinder nicht die Mindeststandards erreicht. Um diese Kinder muss sich das Bildungssystem systematischer kümmern.“

Karin Prien, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein: „Die Folgen der Corona-Pandemie bei den Viertklässlerinnen und Viertklässlern sind gravierend. Die Ergebnisse zeigen, dass besonders Kinder von den pandemiebedingten Schulschließungen betroffen waren, die zu Hause weniger Unterstützung erhalten können. Dies unterstreicht einmal mehr die Bedeutung von schulischem Lernen für die Bildungsgerechtigkeit. Die Schülerinnen und Schüler brauchen den Präsenzunterricht in der Schule und langfristig angelegte Maßnahmen, um die pandemiebedingten Lernrückstände aufzuholen. Um den Schülerinnen und Schülern weiterhin verstärkt gezielte Förderung zu ermöglichen, haben die Länder die Bundesregierung gebeten, das Bundesprogramm ,Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche‘ in Bezug auf Lernrückstände sowie psychosoziale Effekte im Schulbereich mit weiteren 500 Millionen Euro zunächst bis zum Ende des Schuljahres 2023/2024 zu verlängern. Die großen Schulleistungsstudien zeigen aber auch, dass schon vor der Pandemie seit 2011 negative Trends festzustellen sind. Wir müssen daher den eingeschlagenen Weg konsequent weiter gehen und die Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen stärken!“

„Viele haben den Anschluss verloren“

Ties Rabe, A-Länderkoordinator und Hamburgs Senator für Schule und Berufsbildung: „Erneut bestätigt eine wichtige Studie die schlimmen Folgen der Schulschließungen und Unterrichtseinschränkungen in der Corona-Zeit: Viele Schülerinnen und Schüler haben den Anschluss verloren und große Lernrückstände. Es schmerzt besonders, dass die Schulschließungen gerade bei Kindern mit Lernproblemen die schlimmsten Auswirkungen hatten. Die IQB-Studie bestätigt erneut die Zweifel vieler Kultusminister, dass der deutsche Corona-Sonderweg mit den meisten Schulschließungen aller westeuropäischen Länder wirklich richtig war. In jedem Fall ist jetzt eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern notwendig, um den Schülerinnen und Schülern zu helfen. Wir erwarten, dass sich gerade der Bund jetzt nicht wegduckt, sondern das laufende Corona-Aufholprogramm aufstockt und verlängert sowie gemeinsam mit den Ländern zügig ein dauerhaftes Nachfolgeprogramm zur Verbesserung der Startchancen für benachteiligte Schülerinnen und Schüler entwickelt und umsetzt.“

Interessen der Schüler:innen in den Vordergrund stellen

Prof. Dr. R. Alexander Lorz, B-Länderkoordinator und Hessischer Kultusminister: „Die nun vorliegenden Ergebnisse sind eine Verpflichtung für uns als Politik, bei allen zukünftigen Pandemie-Entscheidungen noch mehr als zuvor die Interessen der jungen Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund zu stellen und unsere umfassenden Aufhol-Bemühungen fortzusetzen – länger als bisher vom Bund vorgesehen. Dabei sind Mathe und Deutsch das Fundament für jede erfolgreiche Schullaufbahn. Hier müssen wir aktiv handeln.“

Trend des Rückgangs der Basiskompetenzen

„Auch wenn der IQB-Bildungstrends noch keine speziellen Ergebnisse für Baden-Württemberg ausweist, nehmen wir den Bildungstrend ernst. Die Ergebnisse sind nicht gut“, sagt baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper. Sie fügt hinzu: „Zwei Entwicklungen halte ich für besonders bedeutend. Zum einen zeigen sich Kompetenzrückgänge bei den Schülerinnen und Schülern bei den besonders wichtigen Basiskompetenzen. Es spricht viel dafür, dass es sich hier nicht nur um einen kurzfristigen Effekt der Pandemie handelt, sondern dass sich hier eine längerfristige Entwicklung des Rückgangs der Basiskompetenzen fortsetzt, deren Entwicklung sich schon 2011 und 2016 angedeutet hat. Außerdem zeigt der Bildungstrend, dass es besonders diejenigen Schülerinnen und Schüler sind, deren Kompetenzen sich verschlechtert haben, die nicht das gut ausgestattete Elternhaus hinter sich haben. Auf diese Gruppe müssen wir besonders achtgeben. Mit beiden Entwicklungen können wir uns nicht zufrieden geben und werden uns auch nicht damit abfinden.“

VBE: Pandemie Zäsur in der Bildungsbiografie

Auch der Verband Bildung und Erziehung stellt in seiner Betrachtung die wachsende Bildungsungerechtigkeit in den Mittelpunkt. „Die IQB-Bildungstrends bestätigen, was bereits andere Umfragen und Studien aufgezeigt haben. Die Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen waren und sind eine Zäsur in der Bildungsbiografie vieler Schülerinnen und Schüler. Aber sie betreffen diejenigen, die bereits vorher schon zu den Benachteiligten zählten, in überdurchschnittlichem Maße. Bildungschancen sind nach wie vor in starkem Maße von der sozialen Herkunft abhängig und bisher erkämpfte Fortschritte sind durch die Pandemie wieder verloren gegangen“, kommentiert Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des VBE die Ergebnisse. Dabei ist er sich mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft einig.


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GEW: Bildung muss alleroberste Priorität eingeräumt werden

„Wie laut müssen die Alarmglocken noch läuten, damit der Bildung in diesem Land endlich alleroberste Priorität eingeräumt wird?“, fragt Anja Bensinger-Stolze, Vorstandsmitglied Schule der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Der sozioökonomische Status der Familie spielt eine immer größere Rolle beim Kompetenzerwerb der Kinder. Schulerfolg und Lebensperspektiven sind eng mit dem Elternhaus verknüpft, seit PISA 2001 die Achillesferse des Bildungssystems in Deutschland. Statt der gesellschaftlich notwendigen Entkopplung verschärft sich die Situation aber offenbar noch. Dieser Trend ist seit 2016 festzustellen und trifft alle Kinder, aber ganz besonders Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund.“

Philogenverband fokussiert auf Mathe und Deutsch

Die Defizite in der sozialen Entwicklung der Schüler werden kaum kommentiert. So konzentriert sich auch die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes auf die mangelnden Orthographie- und Mathematikkenntnisse vieler Kinder: „Die jetzigen Ergebnisse bestätigen den Eindruck vieler Gymnasiallehrkräfte, dass das Leistungsniveau der Grundschülerinnen und -schüler beim Übergang auf die weiterführende Schulart gesunken sei. An den Grundschulen muss mehr auf den Lernerfolg geachtet werden“, erklärt sie.

Hintergrundinformationen zur Studie

Im IQB-Bildungstrend 2021 hat das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) im Auftrag der Kultusministerkonferenz zum dritten Mal untersucht, inwieweit Viertklässlerinnen und Viertklässler die bundesweit geltenden Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) in den Fächern Deutsch und Mathematik für den Primarbereich erreichen. Durch einen Vergleich mit den Ergebnissen des IQB-Ländervergleichs 2011 und des IQB-Bildungstrends 2016 ist es möglich, zu prüfen, inwieweit sich das Kompetenzniveau der Kinder in den letzten fünf beziehungsweise zehn Jahren verändert hat.

Am IQB-Bildungstrend 2021 haben 26.844 Schülerinnen und Schüler der 4. Jahrgangsstufe in 1.464 Grund- und Förderschulen aus allen 16 Ländern teilgenommen. Im Fach Deutsch wurden die Kompetenzbereiche „Lesen“, „Zuhören“ und „Orthografie“ geprüft, im Fach Mathematik fünf inhaltsbezogene Kompetenzbereiche (Leitideen), die sich in einer Globalskala mathematischer Kompetenz zusammenfassen lassen.    
Der vorgestellte Kurzbericht enthält erste Ergebnisse für Deutschland insgesamt und kann auf der Webseite des IQB heruntergeladen werden. Vertiefende Analysen und Ergebnisse zu den einzelnen Ländern werden im Oktober 2022 im Berichtsband zum IQB-Bildungstrend 2021 publiziert.

Quellen: Pressemitteilungen KMK, VBE, GEW, DPhV und des Kultusministeriums Baden-Württemberg




Mehr Kinder zu haben, wirkt sich wohl negativ auf geistige Leistung im Alter aus

Wesentliche Faktoren könnten Stress, Sorgen sowie eine geringere Teilhabe am kulturellen Leben sein

Heute bekommen Frauen durchschnittlich weniger Kinder. In der Schweiz sind das 1,46, in Österreich 1,48 und in Deutschland 1,53. Allerdings gibt es mittlerweile wieder Trends zu größeren Familien. In Deutschland etwa leben in rund eine Million Haushalte drei und mehr minderjährige Kinder. Das hat seine Vor- und Nachteile. Das Familienleben ist meist lebendiger. Die Kinder sind selten einsam. Vielleicht ist das Leben auch fröhlicher. Allerdings ist Kinder haben sehr kostspielig. Die Eltern bekommen weniger Schlaf und der Stress ist größer. Jüngste Forschungsergebnisse deuten zudem darauf hin, dass Eltern mit vielen Kindern im Alter einen stärkeren Verlust ihrer geistigen Leistungen erleiden.

Auswirkungen hoher Fruchtbarkeit auf die kognitiven Fähigkeiten

Eine aktuelle Studie der Mailman School of Public Health der Columbia University, des Robert Butler Columbia Aging Center und der Université Paris-Dauphine – PSL fand heraus, dass sich drei oder mehr Kinder im Vergleich zu zwei Kindern negativ auf die kognitiven Fähigkeiten im späteren Leben auswirken. Die Daten zeigen auch, dass dieser Effekt in Nordeuropa am größten ist, wo eine höhere Fruchtbarkeit zwar die finanziellen, nicht aber die sozialen Ressourcen verringert. Dies ist die erste Studie, die die Auswirkungen einer hohen Fruchtbarkeit auf die kognitiven Fähigkeiten im späteren Leben untersucht.

Bislang wurde der Fruchtbarkeit als möglichem Prädiktor für die kognitiven Fähigkeiten im späteren Lebensalter im Vergleich zu anderen Merkmalen wie Bildung oder Karriere wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Demography veröffentlicht.

Kognitive Gesundheit der älteren Bevölkerung von entscheidender Bedeutung

„Das Verständnis der Faktoren, die zu einer optimalen kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter beitragen, ist für die Gewährleistung eines erfolgreichen Alterns auf individueller und gesellschaftlicher Ebene von entscheidender Bedeutung – insbesondere in Europa, wo die Familiengrößen geschrumpft sind und die Bevölkerung schnell altert“, so Dr. Vegard Skirbekk, Professor für Bevölkerungs- und Familiengesundheit an der Columbia Mailman School. „Für den Einzelnen ist die kognitive Gesundheit im fortgeschrittenen Alter von entscheidender Bedeutung, um seine Unabhängigkeit zu bewahren und im späteren Leben sozial aktiv und produktiv zu sein. Für die Gesellschaft ist die Sicherstellung der kognitiven Gesundheit der älteren Bevölkerung von entscheidender Bedeutung für die Verlängerung des Arbeitslebens und die Verringerung der Gesundheitskosten und des Pflegebedarfs“, sagte Dr. Eric Bonsang, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Université Paris-Dauphine – PSL.

Die Forscher untersuchten Daten aus dem Survey of Health, Aging, and Retirement in Europe (SHARE), um herauszufinden, wie sich das Vorhandensein von drei oder mehr Kindern im Vergleich zu zwei Kindern auf die Kognition im späteren Leben auswirkt. SHARE erhebt Daten von repräsentativen Stichproben älterer Menschen in 20 europäischen Ländern und Israel, darunter Österreich, Belgien, Kroatien, die Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien, Schweden und die Schweiz. Die Teilnehmer mussten mindestens 65 Jahre alt sein und mindestens zwei biologische Kinder haben.

Kosten, Stress, geringeres Familieneinkommen und geringere Teilhabe

Auf der Grundlage fortschrittlicher ökonometrischer Methoden, die in der Lage sind, Kausalität von einfachen Assoziationen zu trennen, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das Vorhandensein von drei oder mehr Kindern im Vergleich zu zwei Kindern mit schlechteren kognitiven Fähigkeiten im späteren Leben zusammenhängt. Sie fanden auch heraus, dass dieser Effekt bei Männern und Frauen ähnlich ist.

Die Fruchtbarkeit kann die kognitiven Fähigkeiten im späteren Leben über mehrere Wege beeinflussen. Erstens verursacht ein zusätzliches Kind oft erhebliche finanzielle Kosten, verringert das Familieneinkommen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, unter die Armutsgrenze zu fallen, wodurch der Lebensstandard aller Familienmitglieder sinkt und möglicherweise finanzielle Sorgen und Unsicherheiten entstehen, die zu einer kognitiven Verschlechterung beitragen könnten.

Zweitens steht die Geburt eines weiteren Kindes in kausalem Zusammenhang mit einer geringeren Erwerbsbeteiligung der Frauen, weniger Arbeitsstunden und einem niedrigeren Verdienst. Im Gegenzug wirkt sich die Erwerbsbeteiligung – im Vergleich zum Ruhestand – positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Männern und Frauen aus.

Drittens verringert die Geburt von Kindern das Risiko der sozialen Isolation älterer Menschen, die ein wichtiger Risikofaktor für kognitive Beeinträchtigungen und Demenz ist, und erhöht häufig das Niveau sozialer Interaktion und Unterstützung, was vor einem kognitiven Abbau im Alter schützen kann.

Und schließlich kann es stressig sein, Kinder zu haben, das Gesundheitsverhalten zu beeinflussen und die kognitive Entwicklung von Erwachsenen zu beeinträchtigen. Eltern, die mehr Kinder haben, können mehr Stress empfinden, haben weniger Zeit zum Entspannen und können weniger in kognitiv anregende Freizeitaktivitäten investieren. Dies kann zu Schlafentzug bei den Eltern führen.

6,2 Jahre älter

„Der negative Effekt von drei oder mehr Kindern auf die kognitive Leistungsfähigkeit ist nicht zu vernachlässigen, er entspricht 6,2 Jahren Alterung“, so Bonsang. Die Studie legt nahe, dass der Rückgang des Anteils der Europäer, die drei oder mehr Kinder haben, positive Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit der älteren Bevölkerung haben könnte.

„In Anbetracht des Ausmaßes des Effekts sollten künftige Studien zur kognitiven Leistungsfähigkeit im höheren Lebensalter auch die Fruchtbarkeit als Prognosefaktor neben allgemeineren Prädiktoren wie Bildung, Berufserfahrung, körperliche Bewegung sowie geistige und körperliche Gesundheit untersuchen“, so Skirbekk. „Darüber hinaus sollten künftige Studien die möglichen Auswirkungen von Kinderlosigkeit oder einem Kind auf die Kognition im späteren Leben untersuchen. Wir brauchen auch mehr Informationen über die Art der Interaktionen, Unterstützungen und Konflikte zwischen Eltern und Kindern, die die kognitiven Ergebnisse beeinflussen können“.

Die Studie wurde vom Lehrstuhl für Gesundheit unterstützt – einer gemeinsamen Initiative von PSL, der Université Paris-Dauphine, ENSAE, MGEN und ISTYA unter der Schirmherrschaft der Fondation du Risque (FDR).

Quelle: „Does Childbearing Affect Cognitive Health in Later Life? Evidence From an Instrumental Variable Approach” von Eric Bonsang und Vegard Skirbekk, 1. Juni 2022, Demography.




Armutsquote erreicht Allzeithoch: 13,8 Millionen von Armut betroffen

Laut Armutsbericht 2022 ist die Armutsquote mittlerweile auf 16,6 Prozent gestiegen

13,8 Millionen Menschen mussten hierzulande 2021 zu den Armen gerechnet werden, 600.000 mehr als vor der Pandemie. Das ist die Kernaussage des Armutsberichts des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Damit ist die Armutsquote in unserem reichen Land auf 16,6 Prozent gestiegen. Mehr als jede:r Sechste lebt also derzeit in Armut.

Weitere Verschärfung erwartet

Der Verband rechnet angesichts der aktuellen Inflation mit einer weiteren Verschärfung der Lage und appelliert an die Bundesregierung, umgehend ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen, das bei den fürsorgerischen Maßnahmen ansetzt: Grundsicherung, Wohngeld und BAföG seien bedarfsgerecht anzuheben und deutlich auszuweiten, um zielgerichtet und wirksam Hilfe für einkommensarme Haushalte zu gewährleisten.

Historisch höchster Wert auf Basis des amtlichen Mikrozensus

„Die Befunde sind erschütternd, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie schlagen inzwischen voll durch. Noch nie wurde auf der Basis des amtlichen Mikrozensus ein höherer Wert gemessen und noch nie hat sich die Armut in jüngerer Zeit so rasant ausgebreitet wie während der Pandemie”, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Während 2020 noch die verschiedenen Schutzschilde und Sofortmaßnahmen der Bundesregierung und der Länder dafür sorgten, dass die Armut trotz des wirtschaftlichen Einbruchs und des rapiden Anstiegs der Arbeitslosigkeit nur relativ moderat anstieg, seien die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie 2021 offenbar voll auf die Armutsentwicklung durchgeschlagen, so die Ergebnisse der Studie.

Starker Zuwachs der Armut unter den Erwerbstätigen

Auffallend sei ein ungewöhnlicher Zuwachs der Armut unter Erwerbstätigen, insbesondere Selbständiger (von neun auf 13,1 Prozent), die während der Pandemie in großer Zahl finanzielle Einbußen zu erleiden hatten. Armutshöchststände verzeichnen auch Rentner:innen (17,9 Prozent) sowie Kinder und Jugendliche (20,8 Prozent).

Brennpunkt Ruhrgebiet

Bezüglich der regionalen Armutsentwicklung zeigt sich Deutschland nach dem aktuellen Armutsbericht tief gespalten: Während sich Schleswig-Holstein, Brandenburg, Baden-Württemberg und vor allem Bayern positiv absetzen, weisen fünf Bundesländer überdurchschnittlich hohe Armutsquoten auf: Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und das Schlusslicht Bremen, weit abgeschlagen mit einer Armutsquote von 28 Prozent. Armutspolitische Problemregion Nr. 1 bleibt dabei das Ruhrgebiet, mit 5,8 Millionen Einwohner:innen der größte Ballungsraum Deutschlands. Mehr als jede:r Fünfte dort lebt in Armut. In einem Länderranking würde das Ruhrgebiet mit einer Armutsquote von 21,1 Prozent gerade noch vor Bremen auf dem vorletzten Platz liegen.

„Ungerecht und unzureichend“

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert insbesondere das jüngste Entlastungspaket als ungerecht und unzureichend. Die seit Herbst 2021 steigenden Lebenshaltungskosten führten zu einer dramatischen Vertiefung der Armut und verlangten entschlossene Hilfsmaßnahmen. „Pandemie und Inflation treffen eben nicht alle gleich. Wir haben keinerlei Verständnis dafür, wenn die Bundesregierung wie mit der Gießkanne übers Land zieht, Unterstützung dort leistet, wo sie überhaupt nicht gebraucht wird und Hilfe dort nur völlig unzulänglich gestaltet, wo sie dringend erforderlich wäre”, so Schneider. Nur zwei Milliarden Euro des insgesamt 29 Milliarden-Euro-schweren Entlastungspaket seien als gezielte Hilfen ausschließlich einkommensarmen Menschen zugekommen, kritisiert der Verband. Dazu würden die Einmalzahlungen durch die Inflation „aufgefressen”, noch bevor sie überhaupt ausgezahlt sind.

Neues Maßnahmenpaket gefordert

Der Paritätische fordert umgehend ein neues Maßnahmenpaket, das bei den fürsorgerischen Leistungen ansetzen müsse, konkret den Regelsätzen in der Grundsicherung, bei Wohngeld und BAföG. “Wir brauchen dringend ein weiteres Entlastungspaket, eines das zielgerichtet ist, wirksam und nachhaltig”, fordert Ulrich Schneider. “Grundsicherung, Wohngeld und BAföG sind nach unserer Auffassung die wirksamsten Hebel um schnell zu einer Entlastung unterer Einkommen zu gelangen, die nachhaltig wirkt und nicht nach kurzer Zeit wieder verpufft. Es geht darum unsere letzten Netze sozialer Sicherung wieder höher zu hängen.”

Den Armutsbericht 2022 können Sie hier downloaden.

Quelle: Pressemitteilung Paritätischer Wohlfahrtsverband




Trotz Kita-Ausbau: Oma und Opa weiter dringend gefragt

Neue Broschüre des BiB und des DIW Berlin zur Kinderbetreuung durch die Großeltern

Großeltern spielen bei der Betreuung von Kindern eine große Rolle – und das hat sich auch durch den Kita-Ausbau in Deutschland kaum verändert, wie eine eben in Berlin vorgestellte Studie zeigt. Das zweijährige Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weist auf der Basis repräsentativer Daten nach, dass Oma und Opa ein wichtiger Bestandteil und eine Hilfe im Leben von jungen Familien sind. Der Anteil der Jungen und Mädchen unter sechs Jahren, deren Großeltern nach Bedarf oder regelmäßig an der Betreuung beteiligt sind, liegt in Deutschland bei über 50 Prozent. Regelmäßig werden in einer normalen Woche zwischen 20 und 40 Prozent der Mädchen und Jungen unter 10 Jahren von den Großeltern beaufsichtigt.

Wichtige Komponente im Leben von jungen Familien

Oma und Opa werden nicht nur aus emotionalen, sondern auch aus ganz praktischen Gründen gebraucht: Zwar besuchen neun von zehn Vorschul-Kindern in Deutschland eine Kita, dennoch kümmern sich Großeltern – größtenteils Großmütter – zusätzlich um jedes zweite Klein- und Vorschulkind. „Großelternbetreuung ist in den letzten Jahren trotz Kita-Ausbau weitgehend konstant geblieben, sie ist eine wichtige Komponente im Leben von jungen Familien, und hilft den Eltern“, erläutert Professorin C. Katharina Spieß, die mit ihrem Team seit Juni 2020 am Projekt „Oma und Opa gefragt?“ geforscht hat. Eltern, die dazu keine Möglichkeit hätten, wünschten sich in großem Maß eine stärkere Einbindung von Oma und Opa – das äußerten rund zwei Drittel der im Panel abgebildeten Familien.

Im Westen Deutschlands sind die Großeltern am Nachmittag neben den Eltern bei jungen Kindern sogar die Hauptbetreuungsform, im Osten werden sie am Nachmittag dabei sehr häufig mit der Kita kombiniert, beispielsweise um die (Randzeiten-) Umsorgung der unter 10-Jährigen sicherzustellen.

Augenmerk auf „Betreuungs-Patchwork“

Allerdings zeigt die Studie auch: Wenn Oma- und Opa-Betreuung in Kombination mit zu vielen Bezugspersonen – ganztags Kita, danach Großeltern und dann Eltern – genutzt wird, können sich negative Effekte im sozio-emotionalen Bereich ergeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder zwischen drei und fünf Jahren sozio-emotional instabiler sind, erhöht sich um 36 Prozent, wenn Mädchen und Jungen „im Ganztag“ sind und zusätzlich von den Großeltern betreut werden. Diese Effekte sind für Kinder, die nur halbtags eine Kita besuchen, nicht zu beobachten.

„Die Familien- und Bildungspolitik muss sich der Frage stellen, wie eine stabile und damit qualitativ gute Betreuungsumwelt in Kitas und dem schulischen Ganztag bei einer Kombination mehrerer Betreuungsformen gesichert werden kann“, so Johannes Hauenstein, Vorstand der Stiftung Ravensburger Verlag, die das Forschungsprojekt gefördert hat. Etwa den Wechsel der Fachkräfte in den Kitas auf ein notwendiges Maß reduzieren, indem das Arbeitsumfeld so attraktiv gemacht wird, dass die Pädagoginnen und Pädagogen hier über einen längeren Zeitraum arbeiten und das aus Sicht der Kita-Kinder idealerweise in Vollzeit.

Zufriedene Mütter haben sozio-emotional stabilere Kinder

Wissenschaftlich bis jetzt selten belegt, konnten die Forscherinnen nun empirisch messbar nachweisen: Helfen Großeltern mit, unterstützt das vor allem die Mütter, die nach wie vor die Hauptbetreuungsperson sind. Zwei Effekte kann man beobachten: Die Mütter sind zufriedener mit ihrer Kinderbetreuungs-Situation und mit ihrer eigenen Freizeit. Erstere steigt um elf Prozent, die Zufriedenheit mit der Freizeit erhöht sich sogar um 14 Prozent. Diese Effekte sind besonders groß in Haushalten mit Kindern bis sechs Jahren.

Bei den Vätern sind die Effekte auf die Zufriedenheit nicht so groß. Diese Zahlen zeigen, wie Oma und Opa die Entwicklung der Mädchen und Jungen entscheidend mitprägen, so Spieß: „Die Steigerung der mütterlichen Zufriedenheit hat einen direkten Zusammenhang mit der kindlichen Entwicklung. Salopp gesagt: Zufriedene Mütter haben sozio-emotional stabilere Kinder.“

Handlungsempfehlungen

„Um Einbußen in der Betreuungsqualität und damit Belastungen der Kinder zu verhindern, ist es unerlässlich, in Kitas oder dem schulischen Ganztag eine stabile Betreuungsumwelt zu bieten,“ folgern die Wissenschaftler:innen. Ein wichtiger Faktor dafür sei, dass Kinder so oft wie möglich von denselben pädagogischen Fachkräften betreut würden – an einem Betreuungstag, aber auch über die Kita-Zeit hinweg. Dies wiederum setze für die Fachkräfte ein so attraktives Arbeitsumfeld voraus, dass sie über einen längeren Zeitraum darin verbleiben möchten. Da nicht alle Familien auf Großeltern zurückgreifen können, sollte es zudem möglich sein, mithilfe der Unterstützung von ehrenamtlichen oder professionellen „Großelterndiensten“ Ausgleich zu schaffen.

Die Befunde der Studie zur Großelternbetreuung machen insgesamt deutlich, dass Eltern vor großen Herausforderungen stehen – auch wenn Kitas weiter ausgebaut werden.

Die Analysen basieren auf Daten des pairfam-Panels, des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und der DJI-Kinderbetreuungsstudie KiBS. Diese Daten wurden in Abhängigkeit der Fragestellung und der Verfügbarkeit für die Jahre 1997-2020 ausgewertet.

Quelle: Presseabteilung Stiftung Ravensburger und BiB




GEW: „Ungleiches ungleich behandeln!“

Abschlusspressekonferenz des außerordentlichen Gewerkschaftstages der Bildungsgewerkschaft

„Ungleiches muss ungleich behandelt werden! Wir müssen endlich dafür sorgen, dass die Gelder da ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden: in benachteiligten Stadtvierteln und Regionen. Dafür haben wir einen neuen Verteilungsschlüssel entwickelt, der für mehr Chancengleichheit sorgt“, sagte GEW-Vorsitzende Maike Finnern während der Abschlusspressekonferenz des außerordentlichen Gewerkschaftstages der Bildungsgewerkschaft am Freitag in Leipzig. Dieser Schlüssel nehme die unterschiedliche Wirtschaftskraft der Länder in den Blick. Er berücksichtige die Kriterien Finanzleistung, soziale Bedürftigkeit sowie Bildungsstand der Menschen und Bevölkerungsstruktur. Die Berechnung der Verteilung der Mittel erfolge bundesweit und könne bis auf die lokale Ebene heruntergebrochen werden. „Es ist nicht akzeptabel, dass Bildungserfolg und Lebenschancen der Menschen von der Postleitzahl abhängen“, betonte Finnern.

Königsteiner Schlüssel lenkt Gelder in falsche Kanäle

Sie erläuterte, dass der „Königsteiner Schlüssel“, nach dem zurzeit Bundesmittel verteilt werden, Gelder in die falschen Kanäle lenke. „Aktuell gilt das Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Die Folge: Schülerinnen und Schüler erhalten in Bayern im Schnitt 910 Euro für digitale Endgeräte, in Bremen mit viel mehr ärmeren Familien aber nur 228 Euro“, unterstrich die GEW-Vorsitzende. Der Grund: Der „Königsteiner Schlüssel“ verteile die Bundesmittel zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl an die Länder. „Wir mahnen Bund und Länder, unverzüglich Verhandlungen zu einem sozial gerechten Verteilungsmodus aufzunehmen und den ‚Königsteiner Schlüssel‘ einzumotten. Dafür stellen wir unsere Studie mit Vorschlägen für einen anderen Verteilungsschlüssel gerne als Grundlage zur Verfügung“, hob Finnern hervor. Sie forderte die Ampelregierung auf, die Bundesmittel für die – im Koalitionsvertrag vereinbarte – finanzielle Förderung von mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildenden Schulen nach einem gerechten, sozial-indizierten Verteilungsschlüssel an die Länder auszuzahlen.

Integration geflüchteter Kinder

„Bildung kann nicht warten“, stellte Uschi Kruse, Vorsitzende der GEW Sachsen, mit Blick auf die Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher in die Bildungseinrichtungen in Deutschland fest. „Unsere Kitas und Schulen müssen ein sicherer Zufluchtsort für alle Geflüchteten sein. Gerade traumatisierte Kinder brauchen besonders gut ausgestattete Bildungseinrichtungen. Bund und Länder müssen die Voraussetzungen schaffen, damit alle geflüchteten Kinder und jungen Menschen so schnell wie möglich in Kitas, Schulen, Hochschulen oder eine berufliche Qualifizierung aufgenommen werden können.“

Die Lehrenden sind nach gut zwei Jahren Corona-Pandemie vor dem Hintergrund eines dramatischen Fachkräftemangels am Limit. Für ihr weiteres Engagement brauchen sie dringend zusätzliche Unterstützung. „Wir erwarten, dass über 400.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in Schulen und Kitas integriert werden sollen, schon jetzt sind weit über 100.000 in der Bundesrepublik angekommen“, sagte Kruse. Deshalb benötigten die Bildungseinrichtungen dringend mehr finanzielle Mittel für Fachkräfte, Räume und Ausstattung, um ein gutes Bildungs- und Betreuungsangebot anzubieten. An Schulen würden vor allem Lehrkräfte für Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache (DaZ), Sozialarbeitende, Schulpsychologinnen und -psychologen, Fachkräfte für Traumata sowie Dolmetscherinnen und Dolmetscher gebraucht.

Für den Einstieg der Schülerinnen und Schüler müssten ausreichend Willkommens-, Intensiv- oder Vorbereitungsklassen eingerichtet werden. Allerdings müsse dafür gesorgt werden, so die GEW-Landesvorsitzende, dass die Lernenden möglichst schnell am Regelunterricht teilnehmen können. Wichtig sei, dass ihnen von Anfang an Deutsch als Zweitsprache angeboten wird.

„Geflüchtete Lehrerinnen und Lehrer sowie pädagogische Fachkräfte müssen schnell und niedrigschwellig an Schulen und Kitas einen Arbeitsplatz bekommen. Dabei müssen ihre Qualifikationen unbürokratisch anerkannt und mögliche (Nach-)Qualifizierungen angeboten werden“, betonte Kruse. Dazu gehörten kostenfreie, berufsspezifische Sprachkurse für Pädagoginnen und Pädagogen.

Quelle: Pressemitteilung GEW




GEW: „Fachkräftemangel dramatisch“

Bildungsgewerkschaft zum „Nationalen Bildungsbericht“: „Warnung vor Personalkollaps“ 

In vielen Schulen sei der Ausfall von Unterricht zur Regel geworden, so die GEW Vorsitzende Finnern. Lehrkräfte und Schulleitungen kämpften gegen den teils dramatischen Lehrkräftemangel, Erzieherinnen gegen den Fachkräftemangel in der frühkindlichen Bildung. „Der Handlungsbedarf an den Schulen, aber auch Kitas ist riesig“, sagte Finnern. Sie verwies auf eine mittlerweile dramatisch angewachsene Lücke beim Fachpersonal. Die Corona-Pandemie, die Integration der geflüchteten Kinder und Jugendlichen und die Unterfinanzierung des Bildungssystems stellten die Lehrenden vor große Herausforderungen.

Mit Teilzeit gegen Überbelastung

„Viele Beschäftigte im Bildungsbereich gehen in Teilzeitarbeit, um der persönlichen Überlastung zu entkommen“, unterstrich die GEW-Vorsitzende. „Das System befindet sich in einem Teufelskreis aus Überlastung durch Fachkräftemangel und Fachkräftemangel durch Überlastung. Es droht ein Personalkollaps.“ Die Länder müssten endlich die Ausbildungskapazitäten in Studium und Referendariat signifikant erhöhen. Zudem liege die Zahl der Abbrecherinnen und Abbrecher in manchen Lehramtsstudiengängen bei fast 50 Prozent, das weise auf erhebliche Mängel in den Studiengängen hin: „Das Studium muss studierbar werden, sonst verlieren wir während der Ausbildung viel zu viele junge Menschen.“ Außerdem müsse der Numerus clausus (NC), den es noch immer für viele Lehramtsausbildungen gebe, endlich fallen.

Forderung nach gemeinsamen Gesprächen

Finnern begrüßte in diesem Zusammenhang den Vorstoß der neuen Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi. Diese hatte bei der Eröffnungsveranstaltung des GEW-Gewerkschaftstages „Bildung. Weiter denken!“ an den Dresdner Bildungsgipfel von 2008 erinnert. Es sei höchste Zeit, alle verantwortlichen Akteurinnen und Akteure erneut an einen Tisch zu holen und Bund und Länder zu verpflichten, ihr damaliges Versprechen einzulösen, zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Bildung und Forschung zu investieren.

Quelle Pressemitteilung GEW




Bildungssystem? Und es bewegt sich doch!

Nationaler Bildungsbericht widmet sich dem Schwerpunkt Bildungspersonal

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, Karin Prien, und die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, haben gemeinsam mit dem Sprecher der Autorengruppe, Prof. Dr. Kai Maaz (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation), den Bericht „Bildung in Deutschland 2022“ vorgestellt. Der nunmehr neunte Bildungsbericht beschreibt die Gesamtentwicklung des deutschen Bildungswesens und widmet sich in seinem Schwerpunkt dem Bildungspersonal. Der Bildungsbericht erscheint alle zwei Jahre.

Der aktuelle Bericht bestätigt die positiven Entwicklungen im deutschen Bildungssystem:

  • Die Ausgaben für Bildung, Forschung und Wissenschaft betrugen im Jahr 2020 241 Milliarden Euro. Das entspricht 7,2 % am BIP und einer Steigerung von 0,5 Prozentpunkten gegenüber 2019. Die Ausgaben je Schülerin bzw. Schüler liegen mit 14.200 US-Dollar über dem OECD-Durchschnitt von 11.800 US-Dollar.
  • Die Zahl der Bildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer stieg gegenüber 2010 um 4 % (das entspricht 600.000 Personen). Dieser Zuwachs lässt sich auf vorübergehend hohe Geburtenzahlen, Zuzüge aus dem Ausland sowie dem Trend zum lebenslangen Lernen zurückführen.
  • Der Anstieg in der Bildungsbeteiligung geht 2020 mit einer Zunahme formaler Bildungseinrichtungen um 4 % (entspricht + 4.000 Einrichtungen) gegenüber 2010 einher. Dieser Ausbau erfolgt insbesondere im Bereich der Kindertagesbetreuung und der Hochschulstandorte.
  • Der langfristige Trend zur Höherqualifizierung setzt sich fort: Im Jahr 2020 verfügten 26 % der Bevölkerung über einen höheren beruflichen oder akademischen Abschluss (+ 5 Prozentpunkte gegenüber 2010).
  • Eine besondere Herausforderung für das Bildungssystem stellt nach wie vor der Anteil Erwachsener ohne beruflichen Abschluss oder Hochschulreife in der Bevölkerung dar. Dieser ist insbesondere bei Menschen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich hoch. Der Bericht zeigt hier jedoch auch, dass es den meisten dieser Menschen gelingt, einen Abschluss nachzuholen: Unter den 20-Jährigen sind nur 1,5% ohne Abschluss.
  • Die Zahl der Kinder, die in der Kindertagesbetreuung waren, lag 2021 in der Gruppe der 3- bis unter 6-Jährigen bei rund 92 %. In der Altersgruppe der unter 3-Jährigen ist die Beteiligungsquote in den letzten 10 Jahren um etwa 10 Prozentpunkte auf 34 % gestiegen.
  • Die zunehmende Bedeutung der Frühen Bildung zeigte sich insbesondere während der pandemiebedingten Einschränkungen der Betreuungsmöglichkeiten. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Bildungsungleichheit durch den teilweisen Ausfall der frühen institutionellen Bildung verstärkt hat. In besonderem Maß betrifft dies die Sprachbildungs- und Fördermaßnahmen von Kindern, die in Familien mit nichtdeutscher Familiensprache aufwachsen.
  • Sowohl das Angebot der Ganztagsbetreuung als auch deren Inanspruchnahme nehmen deutlich zu. Im Schuljahr 2020/21 sind 71 % aller Schulen Ganztagsschulen. Im Jahr 2005/06 traf dies lediglich auf 28 % aller Schulen zu. Über die Hälfte aller Grundschulkinder (1,62 Millionen) nutzten im Schuljahr 2020/21 Ganztagsbetreuung in Schulen. Zugleich ist davon auszugehen, dass der Bedarf an Ganztagsangeboten weiter steigt und in den nächsten 10 Jahren mehr als 500.000 zusätzliche Plätze (insbesondere in den alten Bundesländern) benötigt werden.
  • Herausforderungen in der beruflichen Ausbildung bestehen derzeit insbesondere durch fehlende Fachkräfte, Passungsprobleme und eine höhere Abbruchquote bei bestimmten sozialen Gruppen, aber auch durch die gestiegenen Unsicherheiten beim Berufseinstieg.
  • Die hohe Studiennachfrage hält weiter an. Nach vorläufigen Berechnungen lag die Anzahl der Studienanfängerinnen und -anfänger im Jahr 2020 zum siebten Mal in Folge über einer halben Million.
  • Bildungsverläufe in Deutschland sind sehr heterogen. Die Flexibilisierung und Öffnung des Bildungssystems ermöglichen vielfältige Bildungsbiografien. Die Flexibilisierung und die Öffnung des Bildungssystems schaffen neue Möglichkeiten zum Wechsel der Schulart sowie Nachholen von Abschlüssen. Dies ermöglicht eine stärkere individuelle Lebensgestaltung. Bei Bildungswegen und -übergängen zeigen sich dennoch migrationsspezifische sowie soziale Disparitäten.
  • Geschlechtsspezifische Disparitäten am Arbeitsmarkt bleiben bestehen: Trotz der verbesserten Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der gestiegenen Nachfrage in frauendominierten Berufen (z. B. im Gesundheits- und Sozialbereich), liegt die Erwerbsbeteiligung von Frauen unter der von Männern. Dies betrifft insbesondere Frauen mit niedrigem Bildungsabschluss.

Das Schwerpunktkapitel zum Bildungspersonal kommt zu folgenden zentralen Befunden:

  • Die Zahl der im Bildungswesen Beschäftigten hat seit 2010 kontinuierlich zugenommen (+ 20 %). Der größte Zuwachs bis zum Jahr 2020 ist in der Frühen Bildung (+ 75 %) und an den Hochschulen (+25 %) zu verzeichnen. Diese Entwicklung geht mit einer zunehmenden Bildungsbeteiligung einher. Der Personalzuwachs stabilisiert so die Betreuungsrelation.
  • Personalgewinnung und Personalqualifizierung als vordringliche Aufgabe zur Sicherung qualitativ hochwertiger Bildungsangebote: In den Bereichen Frühe Bildung, Schule und Ganztagsangebote im Grundschulbereich wird bis 2025 zusätzliches Fachpersonal benötigt. Im Bereich Frühe Bildung werden bis zu 72.500 und in den Schulen etwa 30.000 Fachkräfte benötigt. Zur Umsetzung des Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung wird der Bedarf bis 2030 auf bis zu 65.600 zusätzliche Fachkräfte geschätzt.
  • Ein hoher Anteil an wissenschaftlichem oder künstlerischem Personal ist befristet beschäftigt, knapp jeder oder jede zweite wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter (47 %) arbeitet in Teilzeit, Weiterbildnerinnen und Weiterbildner sind überwiegend auf Honorarbasis im Nebenerwerb tätig.

Der Bericht zeigt auch Entwicklungen und Problemlagen im Kontext der Corona-Pandemie auf:

  • Die Programme von Bund und Ländern (z.B. DigitalPakt Schule) haben den Ausbau digital unterstützter Bildungsangebote deutlich beschleunigt. Positive Entwicklungen beim Ausbau digitaler Bildungsangebote zeigen sich insbesondere an den Hochschulen.
  • Angebote der beruflichen Aus- und Weiterbildung sind durch wirtschaftliche Unsicherheiten von Unternehmen und Dienstleistungsanbietern sowie durch Einschränkungen bei der Durchführung beruflicher Ausbildungen stark rückläufig. Die Weiterbildungsteilnahme hingegen bleibt trotz kurzzeitiger Einbrüche durch die Teilnahme an digitalen Angeboten hoch.
  • Erste Schulleistungsstudien deuten darauf hin, dass die Kompetenzen von Grundschülerinnen und -schülern im Jahr 2021 im Vergleich zu Gleichaltrigen der Vorjahre gesunken sind.  
  • Das Belastungserleben von Schülerinnen und Schülern im Alter von 11 bis 17 Jahren ist während der Pandemie stark gestiegen. Fast jedes dritte Kind verzeichnet psychische Auffälligkeiten (vor der Pandemie betraf dies jedes fünfte Kind).

Karin Prien, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein:
„Der Bericht zeigt sehr klar, dass die Kultusministerien in Deutschland den richtigen Weg eingeschlagen haben. Wir arbeiten auf Grundlage einer verlässlichen, empirischen Erhebung und entscheiden auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und nicht von Ideologie. Unsere Maßnahmen zeigen erste Erfolge: Die Zahl derjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, sinkt. Besonders erfreulich ist, dass selbst diejenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, oft den Schulabschluss noch nachholen. Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen hängen aber nach wie vor stark vom sozialen Hintergrund des Elternhauses ab. Die Pandemie hat diese Entwicklung leider weiter verschärft. Deshalb haben Länder wie zum Beispiel Schleswig-Holstein sehr erfolgreich Programme wie unser Perspektivschulprogramm für Schulen in besonders fordernden Lagen aufgelegt, die sehr gute Ergebnisse zeigen. Der wesentliche Faktor für den Lernerfolg unserer Schülerinnen und Schüler sind gut ausgebildete Lehrkräfte. Es geht um Qualität und Quantität. Wir sind mit einem wachsenden Bedarf an pädagogischem Personal in Schulen und Kindertageseinrichtungen konfrontiert.

Dieses Problem haben die Länder erkannt und handeln, indem sie sich verstärkt auf die Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftequalifizierung konzentrieren. Wir brauchen kreative Ideen, um junge Menschen für den Beruf als Lehrerin und Lehrer zu gewinnen und neue Studienmodelle, um diese Bedarfe zu decken. Dazu gehören auch flexiblere Modelle des Einstiegs in den Lehrerberuf und des Umstiegs während des Studiums. Auch die Anzahl der Studienabbrecher beschäftigt uns: Gemeinsam mit Universitäten arbeiten wir daran, Maßnahmen zu etablieren, damit mehr junge Menschen ihr Lehramtsstudium erfolgreich abschließen. Die damit verbundene große Herausforderung hat die KMK erkannt und bereits auf der Sitzung in Lübeck im März dieses Jahres beschlossen, neben der zentralen Rolle der Quantität von Studienplätzen die Gestaltung der Ausbildung, Werbung für den Beruf, Quer- und Seiteneinstieg, multiprofessionelle Teams sowie die Sicherung von Qualität und Qualifikation in den Vordergrund zu stellen. Auf unserer gegenwärtigen 378. Plenarsitzung werden wir den entsprechenden Themenkatalog für eine Erarbeitung der Ständigen Wissenschaftliche Kommission beschließen.“

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger:
„Der Bildungsbericht zeigt einmal mehr: Unser Bildungssystem muss besser werden. Es muss den Einzelnen bestmöglich fördern und dafür den Herausforderungen der Zeit gewachsen sein. Wir brauchen eine schnellere Digitalisierung der Bildung, eine bessere Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen und vor allem mehr Chancengerechtigkeit. Das alles wird jedoch nur im guten Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen gelingen. Der Digitalpakt oder das Corona-Aufholprogramm verdeutlichen das. Wir sollten künftig noch ehrgeiziger sein, um jungen Menschen Chancen zu eröffnen und das Aufstiegsversprechen zu erneuern. Davon profitiert jeder Einzelne und auch die Gesellschaft als Ganzes. Schließlich fehlen uns schon heute Fachkräfte, die Wachstum und Wohlstand sichern. Mit dem Startchancen-Programm wollen wir besonders sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler unterstützen. Denn der Bildungserfolg hängt nach wie vor stark von der sozialen Herkunft ab. Corona hat die Lage noch einmal verschärft. Das kann uns nicht ruhen lassen. Deshalb sind wir darüber bereits im intensiven Austausch mit den Ländern. Unser Ziel ist es, ein nachhaltiges Programm aufzusetzen, das bis zu 4000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit besserer Infrastruktur, einem Chancenbudget und mehr Sozialarbeitern ausstattet. Die vergangenen zwei Jahre haben Kindern und Jugendlichen und auch dem Bildungs- und Betreuungspersonal viel abverlangt. Sie alle waren großen Belastungen ausgesetzt, die durch den Krieg in der Ukraine nicht weniger geworden sind. In dieser außergewöhnlichen Zeit wurde und wird Enormes geleistet. Das verdient Dank und Anerkennung.“

Zur Anlage des Bildungsberichts

Den seit 2006 alle zwei Jahre erscheinenden Bildungsbericht hat eine unabhängige Wissenschaftlergruppe unter Federführung des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation erarbeitet. Beteiligt sind das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. (DIE), das Deutsche Jugendinstitut (DJI), das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), das Soziologische Forschungsinstitut an der Universität Göttingen (SOFI) sowie das Statistische Bundesamt (Destatis) und die Statistischen Ämter der Länder (StLÄ).
Die besondere Bedeutung des Bildungsberichts liegt darin, die verschiedenen Bildungsbereiche von Bildung im Lebenslauf in ihrem Zusammenhang und indikatorengestützt über größere Zeiträume darzustellen und so übergreifende Herausforderungen im deutschen Bildungssystem vergleichbar und sichtbar zu machen.

Den Bericht sowie weiterführende Materialien und Informationen finden Sie im Internet unter www.bildungsbericht.de

Quelle: Pressemitteilung Bundesregierung