Die Ablenkung durch Smartphones trübt das Eltern-Kind-Verhältnis

Aktuelle Untersuchungen aus der Westschweiz und den USA zeigen Problemlagen bei allen Familienmitgliedern

Durch Unterhaltungselektronik oder Smartphones abgelenkte Eltern riskieren eingetrübte Beziehungen zu ihren Kindern. „Wir konnten zeigen, dass Qualität und Quantität der Eltern-Kind-Interaktion beeinträchtigt werden, wenn die Eltern abgelenkt sind“, sagt Nevena Dimitrova von der Hochschule für angewandte Wissenschaften und Kunst der Westschweiz. Interaktionen würden häufig durch technologische Ablenkung unterbrochen. Das könne in Familien, in denen sich die Eltern nicht ablenken lassen, nicht beobachtet werden.

Smartphone als Problem

In den USA ist das Phänomen bereits in Zahlen festgehalten worden. In einer Umfrage haben sich 68 Prozent der Eltern dazu bekannt, dass die Beziehung zu ihren Kindern leidet, weil das Smartphone gewissermaßen dazwischenfunkt. Während sich viele Studien auf die Auswirkungen von Bildschirmen auf junge Menschen konzentrieren, wird immer deutlicher, dass auch Eltern zu viel Zeit mit ihren Smartphones verbringen.

In einer Umfrage des Pew Research Center haben 31 Prozent der befragten Eltern angegeben, dass sie sich während eines Gesprächs mit ihrem Nachwuchs oft vom Smartphone ablenken lassen. Mit 46 Prozent liegen Kinder nicht allzu weit davon entfernt. „Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Bildschirmzeit nicht nur ein Problem der Jugendlichen ist. Es ist ein Familienproblem. Wir wollten aufzeigen, wie Jugendliche und Eltern mit diesem Problem umgehen“, sagte Pew-Umfragenleiterin Colleen McClain.

Technoferenz nur ein Aspekt

Der zugehörige Fachbegriff heißt Technoferenz, was so viel bedeutet wie „Technologie-Interferenz“. Sie tritt auf, wenn die Interaktion und Kommunikation zwischen Eltern und Kind durch die Verwendung digitaler Geräte gestört wird. Wobei sich das Problem nicht auf digitale Ablenkung beschränkt. In einem Test haben die Forscher festgestellt, dass sich jede Art von Ablenkung störend auf das Eltern-Kind-Verhältnis auswirkt. Allerdings seien digitale Ablenkungen häufiger und allgegenwärtig.

Wolfgang Kempkens/pressetext




Stillen senkt das Risiko der Kinder für Multiple Sklerose

Laut NAKO Gesundheitsstudie erhöht Übergewicht in der Jugend das Risiko an MS zu erkranken

Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Die Ursachen der Krankheit sind noch weitgehend unbekannt. NAKO Forschende unter Federführung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) haben nun untersucht, welche Besonderheiten in Kindheit und Jugend das Erkrankungsrisiko beeinflussen könnten. Die Auswertung der Informationen von 204.273 Teilnehmenden der NAKO Gesundheitsstudie zeigte unter anderem, dass Übergewicht in der Jugend die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, an einer MS zu erkranken.

Deutschlandweit 337 von 100.000 Menschen von MS betroffen

Deutschlandweit waren schätzungsweise 337 von 100.000 Menschen im Jahre 2019 von Multipler Sklerose (MS) betroffen. Die Nervenkrankheit äußert sich durch verschiedene neurologische Symptome. Empfindungsstörungen, Sehstörungen und Muskellähmungen sind die häufigsten Frühzeichen. Für das Eintreten der Autoimmunkrankheit können nach aktuellem Stand genetische Faktoren aber auch Umwelt- und Lebensstilfaktoren, virale Infektionen sowie Vitamin D Mangel verantwortlich sein.

„Frühere Studien haben Hinweise geliefert, dass Einflüsse aus Kindheit und Jugend die Entstehung der MS begünstigen können. In unserer Publikation haben wir Angaben der NAKO Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Basisuntersuchung der NAKO Gesundheitsstudie zu Ereignissen und gesundheitlichen Besonderheiten in jungen Jahren analysiert. Dazu gehörten unter anderem das Geburtsgewicht, das Gewicht im Alter von zehn Jahren und im Jugendalter, die Art der Geburt, Stillzeit oder die Anzahl an Geschwistern“, berichtet Professor Dr. Heiko Becher vom Institut für Global Health am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD). Von den befragten 204.273 Personen der vorliegenden Studie hatten 858 vor der NAKO-Basisuntersuchung die Diagnose MS erhalten.

Geringeres Risiko für Stillkinder

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass Personen, die als Säuglinge gestillt wurden, später ein verringertes MS-Risiko haben im Vergleich zu denen, die nicht gestillt wurden. Übergewicht im Alter von 18 Jahren im Vergleich zu Normalgewicht war mit einem erhöhten Risiko für eine MS verbunden. Für die übrigen untersuchten Faktoren und geschlechtsspezifischen Analysen wurde kein Hinweis auf einen Zusammenhang mit dem MS-Risiko festgestellt.

Körperliche Aktivität spielt wohl ebenfalls eine große Rolle

„Unsere Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen Übergewicht im Jugendalter und einem erhöhten MS-Risiko decken sich mit den Erkenntnissen anderer Forschender. Wie bereits in früheren Studien beobachtet, haben auch wir keinen Effekt auf das MS-Risko von höherem Geburtsgewicht oder höherem Gewicht im Alter von zehn Jahren im Vergleich zum Durchschnittsgewicht festgestellt. Das lässt vermuten, dass auch der Zeitpunkt des Übergewichts einen Einfluss auf das MS-Risiko haben könnte. Die körperliche Aktivität der Kinder und Jugendlichen spielt dabei sicherlich ebenfalls eine wichtige Rolle und sollte in zukünftigen Studien genauer untersucht werden“, sagt Anja Holz, Erstautorin und Wissenschaftlerin am Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie am UKE.

Welt-MS-Tag

Am 30. Mai 2024 lenkt der Welt-MS-Tag zum 16. Mal die Aufmerksamkeit auf die weltweit 2,8 Millionen Menschen, die mit der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose leben. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) informiert, klärt unabhängig auf, räumt Vorurteile aus. Und sie fördert Verständnis und Unterstützung für Menschen mit MS und ihre Angehörigen.

Originalpublikation

Holz A, Obi N, Ahrens W et al. Childhood and adolescence factors and multiple sclerosis: results from the German National Cohort (NAKO) BMC Neurology (2024) 24:123 https://bmcneurol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12883-024-03620-4

Dr. Friederike Fellenberg, NAKO e.V. / NAKO Gesundheitsstudie




Verbotene Weichmacher in Kindersonnencreme

In sieben Kindersonnenschutzmitteln hat Öko-Test den verbotenen Weichmacher Di-n-hexylphthalat (DnHexP) entdeckt

 Öko-Test hat 25 Kindersonnenschutzmittel getestet, darunter drei in Naturkosmetikqualität. Die gute Nachricht: Acht Produkte im Test können die Verbrauchschützer mit „sehr gut“ empfehlen. Die schlechte: In sieben Produkten hat das beauftragte Labor den verbotenen Weichmacher Di-n-hexylphthalat (DnHexP) nachgewiesen – eine Substanz, die in der EU schon vor Jahren als „besonders besorgniserregend“ eingestuft wurde und die als Inhaltsstoff in kosmetischen Mitteln seit 2019 verboten ist. Bei den Funden handelt es sich nicht um einen Inhaltsstoff, sondern um eine Verunreinigung. In Verdacht steht der chemische UV-Filter DHHB, der mit dem Weichmacher verunreinigt sein kann.

Hersteller in der Verantwortung

„Natürlich hat ein verbotener Weichmacher nichts in Kindersonnencreme zu suchen und natürlich sehen wir die Hersteller in der Verantwortung, saubere Produkte anzubieten,“ sagt Annette Dohrmann, Öko-Test-Leiterin Magazin.  

In acht Sonnencremes im Test steckt zwar der UV-Filter DHHB, aber nicht der verbotene Weichmacher. Aus Öko-Test-Sicht geben die Befunde keinen Anlass zur Panik. Aber da es sich beim gefundenen Weichmacher um eine verbotene Substanz handelt, werten die Verbrauchschützer konsequent bereits Spurengehalte ab. 

Höchster Gehalt von DnHexP bei Bevola Kids

Der mit Abstand höchste Gehalt von DnHexP im Test steckt laut Öko-Test in der Bevola Kids Sonnencreme 50+ von Kaufland. Das Produkt fällt mit „mangelhaft“ durch. 

Nicht auf UV-Schutz verzichten

Öko-Test betont allerdings, dass Eltern in keinem Fall auf UV-Schutz verzichten sollten. „Wir verstehen, wenn Eltern jetzt besorgt sind“, sagt ÖKO-TEST-Projektleiterin Franziska Blaum. „Aber kein UV-Schutz ist keine Lösung. UV-Strahlung ist und bleibt die Hauptursache für Hautkrebs“. Im Test schneiden insgesamt acht Sonnencremes mit „sehr gut“ ab, die Eltern bedenkenlos verwenden können. 

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Juniausgabe des ÖKO-TEST-Magazins und unter: oekotest.de/14618

Quelle: Pressemitteilung Öko-Test




Eines von neun Kindern in den USA hat ADS

Laut großer Datenanalyse ist die Anzahl der Betroffenen seit 2016 um mehr als eine Million gestiegen

In den USA wurde 2022 bei rund einer Million Kindern zwischen drei und 17 Jahren ADHS diagnostiziert. Rund eines von neun Kindern hat eine entsprechende Diagnose erhalten. Das entspricht 11,4 Prozent oder 7,1 Mio. Kindern. Derzeit verfügen mit 10,5 Prozent etwa 6,5 Mio. Kinder über eine solche Diagnose. Von diesen Patienten leiden 58,1 Prozent an einer mittelschweren bis schweren und 77,9 Prozent zumindest an einer gleichzeitig auftretenden Erkrankung.

Mit 53,6 Prozent hat 2023 rund die Hälfte der Patienten mit einer bestehenden ADHS-Erkrankung eine Medikation erhalten. Mit 44,4 Prozent erhielt fast ein Drittel der Kinder in diesem Zeitraum eine Verhaltenstherapie. 30,1 Prozent erhielt keine für ADHS spezifische Behandlung, zeigt eine Analyse auf Basis von Zahlen der Centers for Disease Control and Prevention, dem Oak Ridge Institute for Science and Education sowie der Health Resources and Services Administration.

Beide Geschlechter betroffen

Die Daten der „National Survey of Children’s Health“ für das Jahr 2022 zeigen auch, dass die geschätzte Verbreitung von ADHS, basierend auf den Angaben der Eltern, in den USA größer ist als vergleichbare Daten aus anderen Ländern. Das Team geht davon aus, dass sich der Anstieg von ADHS teilweise soziodemografisch und durch die Charakteristika der Kinder erklären lässt. Zudem kann auch der gesellschaftliche Kontext zu diesem allgemeinen Trend bei der Diagnose dieser Krankheit beigetragen haben. Dazu gehört auch das Umfeld der psychischen Gesundheit des Kindes vor und nach der COVID-19-Pandemie.
Die Studienautoren betonen auch, dass sich die öffentliche Wahrnehmung von ADHS im Laufe der Zeit verändert hat. Historisch wurde diese Krankheit als externalisierende Störung mit einem Schwerpunkt auf leicht beobachtbare hyperaktive-impulsive Symptome angesehen, von der vor allem Jungen betroffen seien. Als mehr Aufmerksamkeit auf Symptome gelenkt wurde, die mit der Aufmerksamkeitsregulierung in Verbindung standen, wurde diese Krankheit zunehmend auch bei Mädchen, Heranwachsenden und Erwachsenen erkannt. Auch die Lücke der Diagnosen bei ethnischen Minderheiten hat sich, so die Studienautoren, mittlerweile verkleinert oder ist verschwunden.

COVID-19 verschlimmerte Lage

Die Begleitumstände der Pandemie dürften die Wahrscheinlichkeit erhöht haben, dass die ADHS-Symptome eines Kindes zur Beeinträchtigung geführt haben. Ist die gesamte Familie plötzlich längere Zeit zu Hause, können bisher handhabbare Symptome mehr Probleme verursachen oder bisher von den Eltern gar nicht wahrgenommene Symptome überhaupt erst bemerkt werden. Insgesamt wurden 45.483 Interviews sowie das Monitoring und Unterschiede bei den demografischen und klinischen Untergruppen analysiert. Die Eltern wurden dabei auch nach Details wie der Schwere der Erkrankung ihrer Kinder befragt.


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Die Studienergebnisse zeigen auch die Wirkung sozioökonomischer und geografischer Faktoren bei der Diagnose und dem Auftreten von ADHS. Bei Kindern mit asiatischen, hispanischen Vorfahren oder Vorfahren von Latinos wurde die Krankheit seltener diagnostiziert als bei weißen Kindern. Seltener trat sie auch in Familien mit einem höheren Bildungsgrad und einem besseren Einkommen auf. Kinder mit einer öffentlichen Krankenversicherung waren ebenfalls häufiger betroffen als Kinder mit einer privaten Krankenversicherung. Mehr Kinder erkrankten auch im Nordosten, im Mittleren Westen oder im Süden der USA.

ADHS trat zudem häufiger in Familien auf, die in ländlichen oder vorstädtischen Gebieten lebten als bei Familien in Städten. Weitere Unterschiede zeigen sich auch bei der Behandlung mit Medikamenten. Rein privat versicherte Kinder waren seltener davon betroffen. Patienten im Mittleren Westen und im Süden der USA nahmen häufiger entsprechende Medikamente ein als im Westen. Ähnliche Muster konnten beim Einsatz von auf das Verhalten abzielenden Therapien festgestellt werden. Diese Forschungsergebnisse wurden im Fachmagazin „Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology“ veröffentlicht.

Moritz Bergmann, pressetext




Bewegung und Musik entwickeln Körper und Gehirn

Eine Skizze über die Bedeutung von zwei Grundbedürfnissen und deren Auswirkungen im Kindheitsalltag

Unser Gehirn ist entstanden, damit wir uns bewegen können. Es ist die Schaltzentrale unseres Körpers und bekommt von diesem Impulse für seine Entwicklung. Das gehört heute zu den Binsenweisheiten der Neurobiologie. Das Schöne an Binsenweisheiten ist, dass sie nicht nur simpel, sondern einfach wahr sind. Die Notwendigkeit der Bewegung ist offensichtlich auch der Grund für den natürlichen Bewegungsdrang des Menschen, speziell der Kinder. So entwickeln sich Körper und Geist weiter. Und weil Kinder ebenso einen natürlichen Spieltrieb haben, lernen sie.

Kulturtechniken wachsen nicht auf Bäumen

Der Haken dabei ist, dass sie auf diesem Weg nicht automatisch Mathematik, Lesen oder Schreiben lernen. Denn das war vor rund 200.000 Jahren, als sich die Menschheit zum Homo sapiens sapiens, also zum „verstehenden, verständigen Menschen“ entwickelte, einfach noch nicht vorgesehen. Und in der freien Wildbahn, dem ersten und wichtigsten Lernraum des Menschen, kamen keine Differentialgleichungen oder komplexe Traktate vor. Schrift und Mathematik sind erst vor 5000 bzw. 3000 Jahren entstanden. Zu kurz, als dass sich unser Gehirn darauf einstellen konnte.

Bildung als Spiel und in der Schule

Dieser Umstand hat vor allem zu Zeiten der Industrialisierung und des freien Bürgertums im 18. und 19. Jahrhundert dahin geführt, möglichst allen Kinder mithilfe von Schulen die so genannten Kulturtechniken näher zu bringen. Ab welchem Alter und in welcher Form das geschehen sollte, ist seit jeher umstritten. Die meisten Generationen haben die frühe Kindheit davon ausgenommen, um die Jüngsten spielen und toben zu lassen. Auch der Begründer des Kindergartens, Friedrich Wilhelm Fröbel, baute seine Kindergartenpädagogik auf der Erkenntnis auf, dass Bildung im frühen Kindesalter vorrangig im Spiel und nicht durch Belehrungen erfolgt.

Mangel an Möglichkeiten

Ob es jemals eine Zeit gab, in der sich Kinder auf natürliche Art und Weise entwickeln konnten, ist nicht bekannt. Ganz sicher gehören unsere modernen Zeiten nicht dazu. Im Gegenteil: Säuglinge und Kleinkinder brennen geradezu darauf, ständig Neues zu entdecken und auszuprobieren. Dabei fehlen ihnen aber allzu oft die Möglichkeiten und oftmals lassen wir sie auch nicht. In den vergangenen Jahren sei es zu einem regelrechten Boom von Angeboten zur Frühförderung gekommen, erklärt die Entwicklungspsychologin Prof. Dr. Maria Klatte. In einem Beitrag zum Thema „Gehirnentwicklung und frühkindliches Lernen“ schreibt sie: „Aus Verunsicherung, Sorge oder auch übertriebenem elterlichen Ehrgeiz sind die Terminkalender mancher Kinder so gefüllt, dass für spontane, selbst-initiierte Aktivitäten kaum noch Raum bleibt.“ In vielen Kinderbetreuungseinrichtungen sieht die Situation nicht viel besser aus. Die zahlreichen Förderprogramme unterdrücken allzu oft den natürlichen Bewegungsdrang der Kinder und halten sie auf den Stühlen fest.

Mangel an Freiflächen

Daneben fehlt es zunehmend an Freiflächen, auf denen freie sportliche Aktivitäten oder einfach nur Toben möglich sind. Selbst auf den eigentlich gesetzlich geschützten Gehsteigen und in Parks können Eltern ihre Kinder kaum mehr unbeschwert laufen lassen, da diese zunehmend von Fahrrad- und E-Scooter-Fahrern okkupiert werden.

Wie viel Bewegung ein Kind braucht

Kein Wunder also, dass sich unsere Kinder zunehmend schlechter motorisch und kognitiv entwickeln. Schließlich geht beides Hand in Hand. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Kinder im Alter zwischen fünf und 17 Jahren 60 Minuten moderate bis intensive Bewegung täglich. An drei Tagen in der Woche sollten die Kinder und Jugendlichen so richtig ins Schwitzen kommen, mit aerober Aktivität von hoher Intensität, aber auch Aktivitäten, die Muskeln und Knochen stärken. Die im Sitzen verbrachte Zeit müsse zudem durch ausreichend Aktivität kompensiert werden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) empfiehlt sogar 90 Minuten tägliche Bewegung mit mittlerer bis hoher Beanspruchung.

Die Realität sieht anders aus. Laut der 2022 erschienenen internationalen Kinder- und Jugendgesundheitsstudie Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC), an der 51 Länder beteiligt sind, bewegt sich etwa nur jedes zehnte Mädchen, jeder fünfte Junge sowie jede:r achte der gender-diversen Heranwachsenden täglich mindestens 60 Minuten am Tag. Dieser Bewegungsmangel hat schlimme Folgen für die physische und psychische Gesundheit.

Alle Menschen brauchen Musik

Noch schlechter sieht es mit einem weiteren Grundbedürfnis des Menschen aus, der Musik. In ihrer Forschungsarbeit konnte Charlotte Großmann 2020 nachweisen, dass sich das Bedürfnis nach Musik bei allen Menschen wiederfinden und sich dieses auf unterschiedliche Weise befriedigen lässt.

Was Musik für Kinder bedeutet

Was Musik für Kinder bedeutet, ist unter anderem im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan festgehalten. „Kinder handeln von Geburt an musikalisch. Mit Neugier und Faszination begegnen sie der Welt der Musik. Sie haben Freude daran, den Geräuschen, Tönen und Klängen in ihrer Umgebung zu lauschen, diese selbst zu produzieren sowie die Klangeigenschaften von Materialien aktiv zu erforschen. Gehörte Musik setzen Kinder in der Regel spontan in Tanz und Bewegung um.“, ist hier zu lesen. Weiter ist hier zu lesen: „Die Vielfalt der Sinneswahrnehmungen durch das ,Spiel mit Musik‘ bietet in den ersten Lebensjahren grundlegende Anregungen. Neben ihrem ästhetischen Selbstwert verfügt sie über weit reichende entwicklungspsychologische Effekte. Der aktive Umgang mit Musik fordert und fördert die gesamte Persönlichkeit des Kindes.“

Wie Musik die Entwicklung des Menschen untersützt  

Die Autorinnen und Autoren stellen anschließend die Bedeutung der Musik für das Wohlbefinden, für Ausdruck, Fantasie und Kreativität, Sozialkompetenzen, kulturelle Identität und interkulturelle Kompetenz, Sprachkompetenz, aufmerksames Zuhören, kognitive Kompetenzen, Körperbewusstsein und motorische Kompetenz heraus. Nach diesem beeindruckenden Bekenntnis zur Bedeutung von Musik sollten wir eigentlich nun getrost davon ausgehen können, dass die bayerischen Kinder stetig mit dem Musikzieren und Tanzen beschäftigt sind.

Musik und Alltag

Die Realität sieht jedoch genauso trist aus, wie in zahlreichen anderen Bundesländern. Schlimmer noch! Im südlichen Bundesland legt man derzeit den Musik-, Kunst- und Werkunterricht in der Grundschule zusammen und kürzt den Stundenanteil auf vier Stunden pro Woche. Lesen, Schreiben und Rechnen werden laut dem Beschluss des Bayerischen Kabinetts dagegen ausgebaut. Man will eben fördern, was der Wirtschaft nutzt. Der Grund ist in den schlechten Ergebnissen bei IQB und PISA zu finden. Dabei gälte es doch, diese Ergebnisse deutlich zu hinterfragen. Liegt es an der Digitalisierung, dem Gemeinschaftsschulsystem oder dem geringen Migrantenanteil, dass Estland so viel besser abgeschlossen hat? Möglich das Südkorea vor allem deshalb so gut abschneidet, weil dort nur ausgewählte, hochmotivierte Schüler am PISA-Test teilnehmen durften, während hierzulande unsere 15-Jährigen keine Wahl hatten. Vielleicht reagieren auch Länder wie Schweden, Frankreich oder Neuseeland richtig, die auf die schlechteren Ergebnisse mit dem Rückbau der Digitalisierung reagieren?

Solche Überlegungen sind dem Bayerischen Kabinett offenbar fremd und die Ministerinnen und Minister wissen offenbar auch nichts von der Bedeutung von Musik für Kinder. Einen jämmerlichen Trost gibt es: Sie stehen damit nicht allein. Für die Wirtschaft ist das dennoch ein Bärendienst. Schließlich unterdrückt die Bayerische Staatsregierung auf diesem Weg zunehmend die Entwicklung der sozialen Fähigkeitenu und der Kreativität.

Musik ist Seelenproviant für Kinder

In seinem „Plädoyer für mehr Musik und Tanz in Kindertagesstätten“ schreibt Prof. Armin Krenz „Musik ist Seelenproviant für Kinder“. „Musik ist weitaus mehr als nur eine bloße Aneinanderreihung von Noten, eingebettet in bestimmte Takte. Musik setzt Energien frei, die offensichtlich innere Impulse in Gang setzen, die das ,reine Hören‘ erweitern wollen, Emotionen ansprechen und vielfältige Ausdrucksformen aktivieren, die sich schließlich in sichtbare und rhythmische Bewegungsaktivitäten umsetzen.“ Mit Blick auf die Bedeutung der Musik ruft er jede Kita dazu auf, das aktive Musikerleben stärker als bisher zu unterstützen und ihre Alltagspraxis daraufhin überprüfen, inwieweit ihre Musikpraxis auch einen hohen Stellenwert einnimmt.

Die Entfernung von den Grundbedürfnissen bedeutet Entfremdung vom Menschsein

Das Ergebnis dürfte für viele ernüchternd ausfallen. Vor allem im Zuge der zunehmenden Verschulung des Kindergartens nimmt man den Kindern ihre Kindheit. Während die Orff-Instrumente auf den Regalen verstauben, gibt es nun Sprachförderung auf dem Tablet. Dabei ließe sich Sprachförderung mit Instrumenten doch viel sinnlicher und sinnvoller gestalten. Bewegung und Musik sind Urbedürfnisse des Menschen. Indem wir Kinder darin einschränken, entfernen wir sie von sich selbst und verwehren ihnen grundlegende Erfahrungen. Es bleibt also zu hoffen, dass die Entwicklungen und Studien im internationalen Bereich auch hierzulande Früchte tragen.

Quellen:

Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen/Staatsinstitut für Frühpädagogik München: Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zu Einschulung, 5. Auflage, Cornelsen, 2012

Großmann, Charlotte: Die Bedeutung von Musik für den Menschen – Musizieren als Grundbedürfnis, Hochschule Darmstadt, 2020

Kinder- und Jugendgesundheitsstudie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) in Journal of Health Monitoring, Robert Koch Institut, 2024

Klatte, M. (2007). Gehirnentwicklung und frühkindliches Lernen. In: Brokmann-Nooren, Ch.; Gereke, I.; Kiper, H. & Renneberg, W. Bildung und Lernen für die Drei- bis Achtjährigen. S. 117-139. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Körner, Gernot: Bewegung bringt das Gehirn erst in Schwung – Warum körperliche Aktivität das Lernen fördert, spielen-und-lernene.online, 2023

Krenz, Armin: Musik ist Seelenproviant für Kinder – Ein Plädoyer für mehr Musik und Tanz in Kindertagesstätten, spielen-und-lernen.online, 2022

Gernot Körner




Kinderkrebs: 87 Prozent erkranken später stark

KIND-TEDDY

Zu geringes Wissen führt laut kanadischer Studie zu Nachlässigkeit bei Folgeuntersuchungen

Das Überleben von Kinderkrebs bedeutet nicht immer einen Persilschein für die spätere Gesundheit. Die gegen den Krebs durchgeführten Behandlungen können die Erwachsenen dem Risiko von neuen Krebserkrankungen und anderen ersthaften Problemen mit der Gesundheit aussetzen. Trotz des Bestehens von Richtlinien, die ein Screening auf Krebs bei Erwachsenen und andere Spätfolgen der Behandlung empfehlen, sind Kinderkrebs-Überlebende nur selten bei den empfohlenen Tests wirklich auf dem Laufenden, zeigt eine Studie des Hospital for Sick Children (SickKids) und des Women’s College Hospital.

Richtlinien für Follow-up

80 Prozent der Patienten, die als Kinder Krebs überlebt haben, werden an einer ernsten oder lebensbedrohlichen Folge erkranken. Dazu gehören im Alter von 45 Jahren eine Kardiomyopathie, kolorektaler Krebs und Brustkrebs. Bei dem kolorektalen Krebs ist das Risiko zwei bis drei Mal höher als bei der Allgemeinbevölkerung. Das Risiko von Patientinnen, bei denen eine Bestrahlung des Brustkorbs durchgeführt wurde, besteht ein ähnliches Risiko wie bei Frauen mit einer BRCA-Mutation. Laut Studienautorin Jennifer Shuldiner werden so viele Überlebende einem zu vermeidenden Risiko ausgesetzt.

Für die Studie haben die Forscher Daten von 3.241 überlebenden Patienten ausgewertet, bei denen zwischen 1984 und 2014 Krebs diagnostiziert worden war. Analysiert wurden Überlebende mit einem erhöhten Risiko bei Brustkrebs, kolorektalem Krebs oder einer Kardiomyopathie, das durch Strahlenbehandlungen oder spezifische Chemotherapien ausgelöst wurde. Bei 2.807 Personen, 87 Prozent, bestand das Risiko zumindest einer dieser Spätfolgen. Elf Prozent der Studienteilnehmer verfügten über ein erhöhtes Risiko von zwei Spätfolgen und drei Prozent von drei Spätfolgen. Die Children’s Oncology Group hat Richtlinien für ein langfristiges Follow-up von Erwachsenen entwickelt, die als Kinder an Krebs erkrankt waren.

Das Alter entscheidet mit

Die Anzahl der Überlebenden, die den Screening-Empfehlungen gefolgt ist, war jedoch gering. Diese Werte lagen respektive bei 13 Prozent, sechs Prozent und 53 Prozent bei kolorektalem Krebs, Brustkrebs und einer Kardiomyopathie. Patienten, die zum Zeitpunkt der Diagnose bereits älter waren, befolgten die Richtlinien bei Krebs eher. Ein niedrigeres Alter bei der Diagnose stand nur bei der Kardiomyopathie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit der Beachtung der Richtlinien in Zusammenhang.

Diese geringen Prozentsätze dürften auf einen Mangel an Kenntnis von den negativen Langzeitfolgen der Krebsbehandlung zurückzuführen sein. Auch bei Überlebenden, die von auf sie spezialisierten Kliniken behandelt wurden, war der Anteil der Screening-Teilnehmer gering. Die im „Canadian Medical Association Journal“ veröffentlichten Forschungsergebnisse zeigen daher die Notwendigkeit der Unterstützung von Patienten und Hausärzten.

Moritz Bergmann/pressetext




Wie Kinder das rhythmische Prinzip von Ruhe und Kraft erfahren

Tanzen

Drei Spielideen von Dr. Charmaine Liebertz für ein inneres Gleichgewicht

Ebenso wichtig wie Anspannung ist im Leben die Entspannung. Das rhythmische Prinzip von Ruhe und Kraft findet sich überall in unserem Alltag, sei es in der Musik, der Beobachtung von Naturphänomenen oder dem täglichen menschlichen Umgang. Kinder lernen hier spielend ein inneres Gleichgewicht kennen.

Chef-Vize

Die Kinder sitzen im Kreis, bestimmen einen Chef und einen Vize (Stellvertreter). Alle anderen Kinder zählen durch und merken sich ihre Zahl. Der Spielleiter erklärt nun die Firmenhierarchie: »Wir haben einen Chef, einen Vize und 20 Mitarbeiter. Die Mitarbeiter von 1 – 5 sind Topmanager, die Mitarbeiter von 6 – 15 gehören zum mittleren Management und die restlichen Mitarbeiter arbeiten im Versand oder als Putzkolonne. Aber keine Sorge, unser Unternehmen bietet große Aufstiegschancen: Von der Putzfrau zum Chef oder umgekehrt; das hängt nur von eurer Geschicklichkeit ab!« Nun führt der Spielleiter diesen Viererrhythmus vor:

  • Einmal mit beiden Handflächen auf die Oberschenkel schlagen,
  • einmal die Hände vor der Brust klatschen,
  • mit rechtem Daumen über die Schulter zeigen und dabei die
  • eigene Identität (Zahl, Chef oder Vize) nennen,
  • mit linkem Daumen über die Schulter zeigen und dabei die Person nennen (Zahl, Chef oder Vize), die das Spiel fortsetzen soll.

So geht es im rasanten Wechsel immer weiter: Jeder Genannte sagt erst seine Zahl (rechter Daumen über Schulter), nennt dann eine neue Zahl (linker Daumen über Schulter) und bestimmt somit den nächsten Mitspieler. Dabei sollten natürlich alle Mitspieler im Rhythmus bleiben. Wer einen Fehler (z. B. Stottern, Rhythmus nicht einhalten) macht, verlässt seinen Stuhl und setzt sich auf den letzten Platz der Firma. Alle anderen Mitspieler rücken bis zum frei gewordenen Stuhl nach und übernehmen die entsprechend neue Zahl. Und eh man sichs versieht, sitzt der Topmanager auf dem Putzfrauenstuhl!

  • Alter: 7 bis 99 Jahre
  • Zeit: 10 bis 20 Minuten
  • Sozialform: Gruppenspiel

Das Gewitter

Die Kinder sitzen im Stuhlkreis und schließen ihre Augen. Falls erforderlich, verbindet ihnen der Spielleiter die Augen. Nun erzählt er eine spannende Geschichte zum Wetterverlauf, der voller Sonne beginnt und mit einem heftigen Gewitter endet. Dabei werden seine Worte mit folgenden Geräuschen, die bei ihm starten und nacheinander von Kind zu Kind im Kreis weitergegeben werden, untermalt:

  1. Sonne ➟ Stille
  2. Nieselregen ➟ Hände fest aneinander reiben
  3. Kleine Regentropfen ➟ mit den Fingern schnippen
  4. Starker Regen ➟ fest in die Hände klatschen
  5. Prasselnder Regen ➟ mit den Händen auf die Oberschenkel schlagen
  6. Starkes Gewitter ➟ mit den Füßen trampeln

  • Alter: 4 bis 9 Jahre
  • Zeit: 10 Minuten
  • Sozialform: Gruppenspiel
  • Material: evtl. Augenbinde

Schiff ahoi!

Es ist nicht einfach, als großer Überseedampfer unbeschadet durch eine enge Einfahrt in den Hafen einzulaufen. Die Pfosten der Hafeneinfahrt spielen diesmal zwei Kinder, die sich ca. einen Meter entfernt gegenüberstehen. Viele solcher Paare stehen verteilt im Raum. Nun wird ein weiteres Kinderpaar für folgende Rollen ausgewählt: Ein Kind spielt mit verbundenen Augen den Überseedampfer, der jedoch, um unbeschadet in den Hafen einlaufen zu können, einen kleinen, erfahrenen Lotsen braucht.

Diesen spielt das zweite Kind, das den blinden Dampfer mit einem akustischen Signal (Klangschale, Klanghölzer, Triangel oder Pfeifzeichen) unbeschadet durch die Hafeneinfahrten, d. h. zwischen die Kinderpaare im Raum lotst.
Berührt der Dampfer dabei ein Kind, also die Kaimauer, so muss er ausscheiden. Nun versucht ein neues Dampfer-Lotse-Paar sein Glück.

  • Alter: 3 bis 8 Jahre
  • Zeit: 5 Minuten
  • Sozialform: Gruppenspiel
  • Material: 1 Augenbinde, 1 Klangsignal (z. B. zwei Klanghölzer oder Teelöffel, die sanft aneinander geschlagen werden)
kartei bewegung

Diese Spiele stammen aus folgender Spielekartei:

Die Spielekartei Bewegung und Rhythmus

Charmaine Liebertz
Burckhardthaus
ISBN: 9783944548203
14,95 €
Mehr unter: oberstebrink.de




Das Kind hat Fieber – was tun?

Die Stiftung Kindergesundheit informiert über Vor- und Nachteile von Hausmitteln und Medikamenten zur Behandlung erhöhter Temperaturen

Über die Bedeutung des Fiebers bei Kindern gehen die Ansichten von Ärzten, Ärztinnen und Eltern manchmal stark auseinander. Während Medizinerinnen und Mediziner in den vergangenen Jahrzehnten die heilsame Wirkung des Fiebers in der Bekämpfung von Bakterien und Viren schätzen gelernt haben, sind viele Eltern nach wie vor überzeugt, gestiegene Temperaturen bei ihrem Kind sofort und energisch bekämpfen zu müssen. Doch ein vorschneller Einsatz von fiebersenkenden Medikamenten kann dem Kind mehr schaden als nutzen, betont die Stiftung Kindergesundheit in ihrer aktuellen Stellungnahme: Fieber ist lediglich ein Symptom der beginnenden Erkrankung, ein Warnzeichen, das jedoch für sich allein genommen nicht gefährlich ist. Eine bewährte Faustregel von erfahrenen Kinder- und Jugendärzt*innen lautet deshalb: „Die Krankheit behandeln, nicht das Thermometer“.

Ab wann ein Kind Fieber hat

Deutlich erhöhte Temperaturen sind der häufigste Grund für die Vorstellung von Kindern in der Kinder- oder Hausarztpraxis.  Doch wann spricht man tatsächlich von Fieber? Je nach Tageszeit kann die Körpertemperatur schwanken, so ist diese z.B. abends meist etwas höher als morgens.

36,5°C bis 37,5°C: normale Körpertemperatur eines gesunden Kindes
37,6°C bis 38,4°C: erhöhte Temperatur
Ab 38,5°C: Fieber
Ab 39°C: hohes Fieber
Achtung: Bei Neugeborenen/jungen Säuglingen (0 bis 3 Monate) spricht man ab 38,0°C von Fieber!

Fühlt sich das Kind heiß an und erscheint es krank, so sollte die Körpertemperatur gemessen werden. Dies wird am besten im Po/After (rektal) mit einem digitalen Thermometer durchgeführt. Dabei sollten Eltern auf einen vorsichtigen Umgang mit dem Thermometer achten, damit die Messung schmerzfrei erfolgt. Eine Messung mit einem Infrarotthermometer im Ohr ist ebenfalls möglich, dies erfordert eine gewissenhafte Handhabung, um Fehlermeldungen oder Verfälschungen durch z.B. Ohrenschmalz zu verhindern. Auf eine Messung mit Stirnthermometern sollte verzichtet werden, da diese nicht sehr genau und zuverlässig sind.

Fieber steigert die Immunkräfte des Körpers

Die Notwendigkeit der Fieberbekämpfung mit Medikamenten wird von vielen Eltern als selbstverständlich vorausgesetzt. Diese weit verbreitete Annahme führt jedoch laut Stiftung Kindergesundheit häufig zu einer unverhältnismäßigen oder sogar schädlichen Anwendung von fiebersenkenden Medikamenten.

Fieber ist jedoch ein wichtiges Mittel des Organismus, sich selbst zu heilen, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit. Es treibt die Immunkräfte zu Hochleistungen an, um Krankheitserreger zu bekämpfen. Vor allem gegen Virus-Infektionen ist Fieber besonders wirksam. Die Ausbreitung zahlreicher Viren wird bei Temperaturen über 38,5 Grad deutlich gebremst. Da Kinder noch für viele Viren anfällig sind, gegen die Erwachsene längst eine Immunität entwickelt haben, setzt ihr Körper das Abwehrmittel Fieber häufig ein.

Eine Chance für die Selbstheilung

„Bei harmlosen Beschwerden wie leicht erhöhten Temperaturen sollten Eltern nicht sofort zu Fieberzäpfchen, Säften oder Tropfen greifen, sondern der Selbstheilung des kindlichen Organismus eine Chance geben und auch bewährte Hausmittel wie Wadenwickel oder ein Abkühlbad erwägen“, empfiehlt Kinder- und Jugendarzt Prof. Dr. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der in München ansässigen Stiftung Kindergesundheit.

Bei Kindern, die trotz erhöhter Temperatur munter sind und normal essen und trinken, müssen noch keine Maßnahmen ergriffen werden, betont der Stoffwechselexperte der Haunerschen Kinderklinik der Universität München. Steigt die Temperatur aber über 38,5 Grad an, kann der Allgemeinzustand eines Kindes beeinträchtigt werden: Es fühlt sich schlecht, hat Muskel- und Gliederschmerzen, ist appetitlos und quengelig. „Wenn ein Kind so offensichtlich leidet, ist es sinnvoll, das Fieber zu senken“, so Prof. Berthold Koletzko.

Solange sich ein Kind wohl fühlt, ist keine Fieberbehandlung nötig

Deshalb gilt: Solange sich das Kind nicht zu krank fühlt und auch sonst einen guten Allgemeineindruck macht, muss man gegen das Fieber nicht angehen. Nicht das Fieber macht das Kind krank, sondern der Erreger, der hinter der Infektion oder der Entzündung steckt. Die Suche nach der Ursache des Fiebers ist wichtiger als seine Senkung.

Kleine Kinder ertragen hohe Temperaturen oft besser

Kleine Kinder ertragen hohe Temperaturen überdies in aller Regel viel besser als Jugendliche oder Erwachsene. Selbst hohes Fieber über 40 Grad macht ihnen oft nichts aus. Nur dann, wenn das Kind durch das Fieber leidet, unruhig und quengelig ist, Trinken und Essen verweigert, nicht schlafen kann, verwirrt ist oder wenn es schon einmal einen Fieberkrampf hatte, sind Gegenmaßnahmen nötig. Für Neugeborene und Säuglinge gilt dies selbstverständlich nicht. Sie sollten immer von einer Kinderärztin oder einem Kinderarzt untersucht werden.

Ärztlichen Rat zum Einsatz von Fiebermedikamenten für Kinder einholen!

Obwohl Medikamente zur Fiebersenkung zu den am häufigsten angewandten Arzneimitteln der Welt gehören und auch in Deutschland schon lange ohne Rezept erhältlich sind, sollten Eltern sich wegen ihrer möglichen Nebenwirkungen zu ihrem Einsatz bei Kindern ärztlich beraten lassen, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit. Sie nennt die Gründe für eine vorsichtige und gezielte Verwendung:

Am häufigsten wurde bisher die Substanz Paracetamol eingesetzt, vorzugsweise in Form von Zäpfchen. Wird sie zu lange oder zu häufig mit insgesamt zu hoher Dosis angewendet, besteht die Gefahr von schweren Leberschäden. Aktuelle Studien weisen zudem auf die Möglichkeit nachteiliger Wirkungen auf Funktionen und Strukturen des Gehirns und die Entwicklung einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) hin.

In der Wirksamkeit gegen Fieber ist die Substanz Ibuprofen dem Paracetamol gleichwertig und zur gleichzeitigen Linderung von Schmerzen sogar besser geeignet. Sie hat sich so auch bei der Behandlung von Mittelohrentzündungen bewährt. Mögliche Nebenwirkungen sind jedoch Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung sowie Blutungen in Magen und Darm. Auch Störungen der Nierenfunktionen sind möglich.

Acetylsalizylsäure („Aspirin“), sollte wegen des sehr seltenen, aber gefährlichen Risikos eines „Reye-Syndroms“ (mit der Gefahr einer schweren Leber- und Gehirnschädigung) bei Kindern unter zwölf Jahren nicht verwendet werden.

Welche Hausmittel helfen am besten?

Kinder mit Fieber brauchen viel Flüssigkeit, um das durch Schwitzen verlorene Wasser zu ersetzen. Solange das Kind zu Beginn des Fieberanstiegs fröstelt, sollten die Eltern – am besten mit einer Wolldecke oder einer Wärmflasche – für Erwärmung sorgen. Abkühlungsmaßnahmen empfehlen sich erst dann, wenn sich nicht nur Gesicht und Stirn, sondern auch die Beine und der übrige Körper des Kindes warm anfühlen.

Die meisten Kinder baden gern, deshalb empfinden sie ein fiebersenkendes Abkühlungsbad als angenehm. Die ebenfalls bewährten Wadenwickel müssen nicht kalt sein: Es reicht völlig, wenn der Temperaturunterschied zehn Grad beträgt. Verwendet man zimmerwarmes (22 Grad) oder sogar bis zu 30 Grad warmes Wasser, vermeidet man überdies das Erschrecken des Kindes.

Auch das Abwaschen des nackten Körpers mit lauwarmem oder kühlem Wasser wird von vielen Kindern als angenehm empfunden. Eine „Erkältung“ ist dabei nicht zu befürchten: Die Ursachen des Fiebers sind nicht die Temperaturen, sondern die Krankheitserreger.

Wann soll im Zusammenhang mit Fieber ärztlicher Rat eingeholt werden?

  • Wenn ein Neugeborenes/junger Säugling (0 bis 3 Monate) eine Temperatur von 38°C und mehr hat bzw. bereits bei einer geringeren Körpertemperatur, wenn das Baby nicht trinkt, schlapp ist und/oder Hautveränderungen auftreten
  • Bei Kindern unter zwei Jahren: Wenn das Fieber länger als einen Tag andauert
  • Bei Kindern über zwei Jahren: Wenn das Fieber länger als drei Tage andauert 
  • Wenn das Fieber trotz fiebersenkender Mittel nicht sinkt
  • Wenn weitere Krankheitssymptome wie etwa Kopfschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Berührungsempfindlichkeit, Hautausschlag, „Nackensteife“, Teilnahmslosigkeit o.ä. auftreten
  • Wenn ein Kind trotz fiebersenkender Maßnahmen immer noch deutlich beeinträchtigt ist
  • Wenn das Kind bei Fieber nicht trinken will
  • Wenn die Eltern unsicher sind und nicht genau wissen, was Ihrem Kind fehlt

Weitere Informationen zum Thema Kindergesundheit und zur Stiftung finden Sie hier: www.kindergesundheit.de

Quelle: Stiftung Kindergesundheit