Zahl der Kindeswohlgefährdungen erreicht neuen Höchststand

Das Statistische Bundesamt berichtet von 62.300 Kindeswohlgefährdung in 2022

Nach einem leichten Rückgang im Corona-Jahr 2021 hat die Zahl der Kindeswohlgefährdungen in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht: Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, haben die Jugendämter im Jahr 2022 bei fast 62.300 Kindern oder Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt festgestellt. Das waren rund 2.300 Fälle oder 4 % mehr als im Jahr zuvor. In weiteren 68.900 Fällen lag 2022 nach Einschätzung der Behörden zwar keine Kindeswohlgefährdung, aber ein erzieherischer Hilfebedarf vor (+2 %). Geprüft hatten die Jugendämter im Vorfeld insgesamt 203.700 Hinweismeldungen, bei denen der Verdacht auf eine mögliche Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen im Raum stand (+3 %).

Auch langfristig hat sich die Zahl der Kindeswohlgefährdungen erhöht: In den Jahren von 2012 bis 2022 betrug der Anstieg rund 24.000 Fälle beziehungsweise 63 %. Dabei nahmen die Fallzahlen von 2017 bis einschließlich dem ersten Corona-Jahr 2020 besonders kräftig zu -und zwar jährlich um 9 % bis 10 %. Im zweiten Corona-Jahr 2021 sanken sie dann leicht (‑1 %), um im Jahr 2022 mit 4 % wieder moderat zu wachsen.

2 % weniger latente, aber 10 % mehr akute Kindeswohlgefährdungen

Fachleute hatten im Zuge der Pandemie davor gewarnt, dass ein Teil der Kinderschutzfälle durch die Kontaktbeschränkungen unerkannt bleiben oder erst mit Verzögerung nach Ende der Pandemie auffallen könnte. Auch wenn die neuen Ergebnisse zunächst eher nicht auf einen solchen allgemeinen Nachholeffekt hindeuten, gibt es doch Auffälligkeiten: So gingen zwar die latenten Fälle -also jene, bei denen eine gegenwärtig vorliegende Gefahr nicht eindeutig bestätigt werden konnte, aber ein ernster Verdacht verblieb – im Jahr 2022 auf 28.900 zurück (‑2 %). Gleichzeitig sind aber insbesondere die akuten (eindeutigen) Fälle von Kindeswohlgefährdung mit 10 % vergleichsweise stark auf 33.400 Fälle gestiegen.

Etwa vier von fünf gefährdeten Kindern waren jünger als 14 Jahre

Etwa vier von fünf (79 %) aller 62 300 von einer Kindeswohlgefährdung betroffenen Kinder waren jünger als 14 Jahre, etwa jedes zweite sogar jünger als 8 Jahre (47 %). Während Jungen bis zum Alter von 11 Jahren etwas häufiger von einer Kindeswohlgefährdung betroffen waren, traf dies ab dem 12. Lebensjahr auf die Mädchen zu. Die meisten Minderjährigen wuchsen bei alleinerziehenden Müttern oder Vätern (42 %) oder bei beiden Eltern gemeinsam (38 %) auf, 10 % bei einem Elternteil in neuer Partnerschaft und weitere 9 % in einem Heim, bei Verwanden oder in einer anderen Konstellation. Knapp die Hälfte der betroffenen Jungen und Mädchen (47 %) nahm zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch, stand also schon in Kontakt zum Hilfesystem.

In 22 % aller Fälle lagen mehrere Arten von Vernachlässigung und Gewalt vor

In den meisten Fällen von Kindeswohlgefährdung (59 %) hatten die Behörden Anzeichen von Vernachlässigung festgestellt. In über einem Drittel (35 %) gab es Hinweise auf psychische Misshandlungen. In 27 % der Fälle wurden Indizien für körperliche Misshandlungen und in 5 % Anzeichen für sexuelle Gewalt gefunden. Den Jugendämtern zufolge gab es darunter auch Fälle, bei denen die Betroffenen mehrere dieser Gefährdungsarten -also Vernachlässigungen, psychische Misshandlungen, körperliche Misshandlungen oder sexuelle Gewalt gleichzeitig erlebt hatten. 2022 traf dies auf 22 % aller Fälle von Kindeswohlgefährdung zu. Dieser Anteil ist seit 2015 kontinuierlich gewachsen, damals hatte er noch bei 16 % gelegen.

Hinweise von Polizei und Justiz haben sich in zehn Jahren mehr als verdreifacht

Knapp ein Drittel (30 %) der rund 203.700 Gefährdungseinschätzungen wurden im Jahr 2022 von der Polizei oder den Justizbehörden angeregt. Rund ein Viertel (23 %) der Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung kam aus der Bevölkerung – also von Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder anonym. Dahinter folgten Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe, Erziehungshilfe u. a. (13 %). Jeweils etwa ein Zehntel der Hinweise auf die Gefährdungssituation gaben die Schulen (11 %) und die Familien selbst, also die betroffenen Minderjährigen (2 %) oder deren Eltern (7 %).

Eine abschließende Beurteilung, wie sich die Corona-Pandemie -etwa durch die allgemeinen Kontaktbeschränkungen, Lockdowns oder das Homeschooling -auf die Entwicklung der Kinderschutzfälle ausgewirkt hat, ist zurzeit noch schwierig. Gerade in  einer Ausnahmesituationen wie der Pandemie scheint aber das Meldeverhalten der Hinweisgeber eine besondere Rolle zu spielen: Zum Beispiel deuten die bisherigen Ergebnisse darauf hin, dass Schulen und Kitas infolge der Schul- und Kitaschließungen besonders im Jahr 2020 vorübergehend weniger Hinweise auf mögliche Kinderschutzfälle an die Jugendämter gegeben haben als zuvor und danach. Andererseits können Lockdowns und Homeoffice dazu beigetragen haben, dass bei den Behörden zeitweise deutlich mehr Meldungen aus der Bevölkerung eingegangen sind. In der Rückschau fällt auch hier das Jahr 2020 besonders auf.

Vergleichsweise stabil geblieben ist dagegen auch in Zeiten der Pandemie offensichtlich das Meldeverhalten von Polizei und Justizbehörden. Diese Hinweisgeber weisen auch im längerfristigen Vergleich eine beachtliche Entwicklung auf: 61 300 Gefährdungseinschätzungen wurden 2022 von Polizei und Justiz angeregt -gut dreimal so viele wie im Jahr 2012 (+234 %). Zum Vergleich: Im Durchschnitt hatte sich die Zahl der Gefährdungseinschätzungen im Zehnjahresvergleich in etwa verdoppelt (+91 %).

Methodische Hinweise:

Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kindes droht oder bereits eingetreten ist. In Verdachtsfällen sind die Jugendämter verpflichtet, durch eine Gefährdungseinschätzung (nach § 8a SGB VIII) das Gefährdungsrisiko und den Hilfebedarf abzuschätzen und einer Gefährdung entgegenzuwirken. Dazu zählen in der Regel auch ein Hausbesuch und die Erörterung der Problemsituation mit dem Kind und den Sorgeberechtigten – sofern dies dem Kinderschutz nicht entgegensteht.

Weitere Informationen:

Weitere Ergebnisse stehen in der Datenbank GENESIS-Online in der Tabelle 22518 bereit. Weiterführende Informationen zum Thema Kinderschutz und Kindeswohl befinden sich auf der Themenseite „Kinderschutz und Kindeswohl“.

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt




Ab wann Hitze auch für Kinder eine Gefahr ist

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Hitzeindex und Feuchtkugeltemperatur erklärt

Hitze kann sich für uns Menschen sehr unterschiedlich anfühlen: Dabei spielt vor allem die Luftfeuchtigkeit eine Rolle, aber auch wie lange wir den hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Im schlimmsten Fall kann Hitze sogar lebensgefährlich werden. Wenn es heiß ist, versucht unser Körper mit Schwitzen und der damit verbundenen Verdunstung Wärme abzugeben. Steigt die Luftfeuchte an, gerät unsere körpereigene Klimaanlage ins Stocken. Der Grund hierfür ist, dass in feuchter Luft weniger Wasser verdunsten kann.

Was sagt der Hitzeindex aus?

Um diesen Effekt in Zahlen auszudrücken, spricht man von der gefühlten Temperatur oder dem sogenannten Hitzeindex. Dieser liegt beispielsweise bei einer Lufttemperatur von 36 Grad und einer relativen Luftfeuchte von 30 Prozent bei 40 Grad. Steigt die Luftfeuchte auf 60 Prozent, liegt der Index schon bei 50 Grad. Der Hitzeindex ist für den Schatten angegeben, in der Sonne kann das Hitzeempfinden generell noch stärker sein. Am Mittelmeer wurden in diesem Sommer bereits gefühlte Temperaturen von mehr als 50 Grad erreicht.

Bei diesen Werten sollte jegliche körperliche Aktivität vermieden werden, sonst besteht die Gefahr eines Sonnenstichs oder Hitzschlags. Besonders gefährdet davon sind Menschen mit Vorerkrankungen des Herz-Kreislaufsystems oder der Atemwege, Menschen über 65 Jahre, Säuglinge und Kleinkinder sowie Schwangere.

Was ist die Feuchtkugeltemperatur?

Ein weiteres Maß, welches in diesem Zusammenhang oft verwendet wird, ist die sogenannte Feuchtkugeltemperatur. Im Gegensatz zum errechneten Hitzeindex wird die Feuchtkugeltemperatur mit einem speziellen Feuchtthermometer direkt gemessen. Dabei wird ein feuchtes Tuch über die Thermometerkugel gestülpt und belüftet. Durch die Verdunstungskälte stellt sich nach einiger Zeit die Feuchtkugeltemperatur ein. Sie beschreibt die niedrigste Temperatur, bis zu der es sich in einer Umgebung durch Verdunstung abkühlen kann.

Erreicht diese Feuchtkugeltemperatur eine kritische Schwelle, kann durch Schwitzen die Körpertemperatur nicht mehr reguliert werden und die Grenze der menschlichen Anpassungsfähigkeit an Hitze ist erreicht. Es wird daher auch von der Kühlgrenztemperatur gesprochen: Bislang ging die Forschung davon aus, dass diese Grenze bei 35 Grad liegt. Eine Studie aus dem vergangenen Jahr ergab allerdings, dass selbst junge und gesunde Menschen bereits bei einer Feuchtkugeltemperatur von 31 Grad an Überhitzung litten.

Hunderte Millionen Menschen gefährdet

Demnach wäre im Zuge des Klimawandels ein deutlich größerer Teil der Weltbevölkerung von lebensgefährlicher Hitze betroffen als zunächst angenommen. Laut dem aktuellen Bericht des Weltklimarats werden im Laufe des Jahrhunderts solche Bedingungen besonders in Indien und Pakistan entlang der Flüsse Indus und Ganges wahrscheinlicher.

Aber auch im Bereich sehr warmer Meere, wie zum Beispiel dem häufig mehr als 30 Grad warmen persischen Golf kann das Zusammenspiel aus Hitze und Luftfeuchtigkeit gefährlich werden. Im südlichen Iran wurde am 17. Juli 2023 ein Hitzeindex von fast 67 Grad registriert. Der Weltrekord für den höchsten Hitzeindex liegt bei 78 Grad und wurde am 8. Juli 2003 in Saudi-Arabien errechnet. Ohne Abkühlung in klimatisierten Räumen besteht bei solchen Werten akute Lebensgefahr.

Quelle: Pressemitteilung WetterOnline




Warum Kleinkinder ein unterschiedliches Schlafbedürfnis haben

Forscher stellen Zusammenhang zwischen Schlafhäufigkeit, geistiger Entwicklung und Sprachentwicklung fest

Babys und Kleinkinder, die häufiger ein Nickerchen machen, haben laut einer Studie der University of East Anglia meist einen kleineren Wortschatz und schlechtere kognitive Fähigkeiten als ihre Altersgenossen. Das Schlafbedürfnis der Kinder begründet sich aus Sicht des Forscherteams rund um die Psychologin Dr. Teodora Gliga darin, dass diese Kinder Informationen während des Schlafs weniger gut verarbeiten können und deshalb mehr schlafen müssten.

Viele Eltern sorgen sich in Bezug auf den Schlaf ihrer Kinder, dass sie nicht so viel schlafen, wie für ihr Alter erwartet wird – oder dass sie zu häufig und zu lange schlafen.“, sagt Dr. Gliga. „Unsere Forschung zeigt jedoch, dass die Häufigkeit des Mittagsschlafs eines Kindes seine individuellen kognitiven Bedürfnisse widerspiegelt. Manche Kinder können Informationen im Schlaf besser verarbeiten und schlafen daher seltener. Kleine Kinder schlafen von Natur aus so lange, wie sie brauchen, und das sollte man ihnen auch erlauben.“

Untersuchungsaufbau

Das Forschungsteam untersuchte 463 Kleinkinder im Alter zwischen acht Monaten und drei Jahren während der Schließung im Jahr 2020. Die Eltern wurden zu den Schlafgewohnheiten ihrer Kinder, ihrer Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, Informationen im Gedächtnis zu behalten, und der Anzahl der Wörter, die sie verstanden und sagen konnten, befragt. Außerdem wurden die Eltern zu ihrem sozioökonomischen Status befragt – einschließlich ihrer Postleitzahl, ihres Einkommens und ihrer Bildung – sowie zum Umfang der Bildschirmzeit und der Aktivitäten im Freien, denen ihr Kind nachgeht.

„Die Schließung gab uns die Möglichkeit, das intrinsische Schlafbedürfnis der Kinder zu untersuchen, denn wenn Kinder in der Kinderbetreuung sind, halten sie selten so viel Mittagsschlaf, wie sie brauchen.“, erläutert Dr. Gliga. „Wir haben festgestellt, dass die Struktur des Tagesschlafs ein Indikator für die kognitive Entwicklung ist. Kinder, die häufiger, aber kürzer schliefen als für ihr Alter erwartet, hatten einen kleineren Wortschatz und schlechtere kognitive Funktionen.“


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Die Ergebnisse stellen frühere Vorstellungen in Frage, wonach Erzieherinnen und Erzieher bei allen Kindern im Vorschulalter häufige Nickerchen fördern sollten. Stattdessen fordert das Forscherteam die individuellen Schlafbedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen.

Sozioökonomische Faktoren

Interessanterweise wurde in der Studie beobachtet, dass Kinder aus niedrigeren sozioökonomischen Verhältnissen während der Schließung eher einen schlechteren Schlaf hatten. Allerdings ließen sich die Unterschiede in den Schlafmustern nicht vollständig durch eine erhöhte Bildschirmzeit und weniger Aktivitäten im Freien erklären. Die Forscher fordern die Betreuer auf, bei der Bestimmung des Schlafbedarfs von Kindern deren geistiges Alter und nicht ihr chronologisches Alter zu berücksichtigen.

Die Forschung wurde in Zusammenarbeit zwischen der University of East Anglia, der University of Oxford, der Oxford Brookes University, der University of Leeds und der University of Warwick durchgeführt und vom Economic and Social Research Council (ESRC) finanziell unterstützt.

Sorgen müssen sich die Eltern von Kindern, die häufig schlafen, genauso wenig machen, wie sich die Eltern von Wenigschläfern entspannt zurücklehnen können. Kinder entwickeln sich einfach unterschiedlich. Entscheidend ist nur, dass Kinder ihre ganz individuellen, echten Bedüfnisse erfüllt bekommen.

Die Studie wurde in der Zeitschrift JCPP Advances veröffentlicht.




Baden-Württemberg: mehr Mädchen mit Depressionen im Krankenhaus

DAK-Kinder- und Jugendreport für Baden-Württemberg untersucht Krankenhausdaten

Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 89.000 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg versichert sind. Analysiert wurden Krankenhausdaten aus den Jahren 2018 bis 2022. Es ist die erste umfassende Analyse von Klinikbehandlungen für das vergangene Jahr. Besonders auffällig dabei ist die hohe Zahl an Mädchen, die 2022 mit der Diagnose Depression ins Krankenhaus kamen.

„Die massive Zunahme von schweren Ängsten und Depressionen bei Mädchen ist ein stiller Hilfeschrei, der uns wachrütteln muss“, sagt Siegfried Euerle, Landeschef der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg. „Die anhaltenden Krisen hinterlassen tiefe Spuren in den Seelen vieler junger Menschen. Wobei die aktuellen Krankenhausdaten nur die Spitze des Eisbergs sind. Wir müssen offen über die Entwicklung sprechen und den Betroffenen und ihren Familien Unterstützung und Hilfe anbieten. Insofern begrüßen und unterstützen wir das beschlossene Maßnahmenpaket der baden-württembergischen „Task Force zur psychischen Situation von Kindern und Jugendlichen infolge der Corona-Pandemie“, das auf eine Initiative des Sozialministeriums zurückgeht.“ Ziel sei es dabei ressortübergreifend Kinder, Jugendliche und Eltern bei der Bewältigung der psychischen Folgen der Pandemie zu unterstützen. „Wir dürfen Kinder und ihre Eltern nicht allein lassen“, sagt DAK-Landeschef Euerle.

Depressionen: jugendliche Mädchen besonders betroffen

Hochgerechnet auf alle Jugendlichen in der Altersgruppe 15 bis 17 kamen 2022 in Baden-Württemberg rund 2.200 Mädchen mit der Diagnose Depression ins Krankenhaus. Das entspricht einem Anstieg von 67 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019. Auch bei Angststörungen und Essstörungen nahmen die Krankenhausbehandlungen jugendlicher Mädchen zu: So stieg die Zahl der Klinikaufenthalte 2022 im Vergleich zu 2019 bei Angststörungen um 46 Prozent an. Bei Essstörungen nahmen die Behandlungszahlen um 33 Prozent zu.

„Wir befinden uns mitten in einer Mental-Health-Pandemie, deren Auswirkungen erst nach und nach sichtbar werden. Weltweit wird auch von der WHO ein deutlicher Anstieg von Depressionen und Angststörungen beschrieben. Folgen der Coronainfektionen, Sorge vor Erkrankung, aber auch die einschneidenden Beschränkungen in der Pandemie haben vor allem ohnehin besonders gefährdete Gruppen hart getroffen: Hochbetagte, Vorerkrankte, sozial Benachteiligte, und leider auch sehr deutlich Kinder und Jugendliche, die neben Angststörungen auch häufiger an Essstörungen erkrankten“, sagt Prof. Dr. Jan Steffen Jürgensen, Vorstandschef des Klinikum Stuttgart als Bewertung der neuen DAK-Sonderanalyse.

„Die Pandemiesituation hat nachhaltig negative Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit junger Menschen, die sich in Zukunftsangst manifestiert“, so Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „Hier wirken jedoch sicherlich Faktoren zusammen. Neben der Pandemie sind dies der Ukrainekrieg sowie die Angst um die wirtschaftliche Zukunft und um unseren Planeten Erde. Das muss der Politik klar sein. Es ist Aufgabe der Politik, junge Menschen durch verantwortliches Handeln wieder zukunftssicherer zu machen.“

Gender Gap: Warum leiden Mädchen besonders?

Die DAK-Sonderanalyse zeigt, dass Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren häufiger aufgrund psychischer Erkrankungen in Kliniken sind als Jungen. Drei Beispiele verdeutlichen diesen Gender Gap auch für Baden-Württemberg: Von hochgerechnet 1.050 Jugendlichen, die mit einer Angststörung stationär behandelt wurden, waren 850 Mädchen. 550 Jugendliche kamen mit einer Essstörung ins Krankenhaus – fast alle waren weiblich. Von 2.750 Jugendlichen mit einer stationären Behandlung aufgrund von Depressionen waren 2.200 Mädchen. Bei Schulkindern im Alter zwischen zehn und 14 Jahren zeigt sich ein ähnliches Bild.

„Mädchen neigen eher zu internalisierenden psychischen Störungen als Jungen. Sie ziehen sich beispielsweise mit Depressionen und Ängsten eher in sich zurück. Bei Jungen sind externalisierende Störungen häufiger zu beobachten. Jungen zeigen tendenziell häufiger ein Verhalten, das nach außen gerichtet ist, also zum Beispiel aggressive Verhaltensmuster. Dass dies durch die Pandemiesituation nochmals verstärkt worden ist, ist unbestritten,“ sagt BVKJ-Präsident Fischbach. „Depressionen, Angst- und Essstörungen sind häufig in stationärer Behandlung, während gerade die Verhaltens- und emotionalen Störungen im ambulanten Bereich versorgt werden.“

Weniger Klinikbehandlungen im vergangenen Jahr

Insgesamt wurden 2022 weniger Kinder und Jugendliche mit psychischen oder Verhaltensstörungen in Kliniken behandelt als vor der Corona-Pandemie. Werden alle sogenannten F-Diagnosen, also Diagnosen, die psychische und Verhaltensstörungen beschreiben, zusammengefasst, ergibt dies 2022 bei Jugendlichen im Südwesten einen Rückgang von 13 Prozent im Vergleich zu 2019. Damit liegt Baden-Württemberg im Bundestrend.

„Die Begründung für den Rückgang der Behandlungszahlen im Bereich psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen ist leider nur scheinbar eine gute Nachricht. Tatsächlich waren die Behandlungskapazitäten in baden-württembergischen Kliniken schlicht unzureichend“, sagt Prof. Jürgensen. „Während des Pandemie-Verlaufs wurden Bettenkapazitäten reduziert, Behandlungen akuter COVID-Infektionen priorisiert und gleichzeitig hohe Krankenstände sowohl in Praxen als auch den Klinik-Teams verzeichnet.

Das führte auch dazu, dass vorrangig schwerere Fälle stationär behandelt worden sind. Während andere verzögert diagnostiziert und verspätet therapiert werden konnten. Vor diesem Hintergrund ist der Anstieg von Angststörungen, Essstörungen und Depressionen als noch dramatischer zu bewerten.“ Die von der Landesregierung im Rahmen der Corona Task Force beschlossene Erhöhung um 120 stationäre Behandlungsplätze in Baden-Württemberg sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. „Die Kinder- und Jugendpsychiatrie im Klinikum Stuttgart hat auf dieser Basis bereits 2022 die erste Erweiterung um zwölf der neu einzurichtenden 28 stationären Behandlungsplätze vorgenommen. Weitere 16 Betten kommen in diesem Jahr hinzu. Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt Jürgensen.

Unterschiedliche Trends im Vergleich zu 2021: „Keine Entwarnung“

Die Sonderauswertung zeigt bei Klinikbehandlungen von Jugendlichen, also Mädchen und Jungen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren, immer noch ein hohes Niveau im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie. Werden aber die Jahre 2022 und 2021 betrachtet, sind unterschiedliche Trends auffallend: Während die Behandlungen von Angststörungen 2022 in Baden-Württemberg im Vergleich zu 2021 insgesamt weiter zugenommen haben (plus 17 %), stiegen sie auch leicht bei Depressionen (plus 4 %) und gingen aber bei Essstörungen (minus 15 %) zurück. Rückläufige Trends zeigen sich auch bei jugendlichen Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren. Im Vergleich 2022 zu 2021 sanken die Behandlungszahlen bei Angststörungen um drei Prozent, bei Essstörungen um 13 Prozent und bei Depressionen um fünf Prozent.

„Die Ergebnisse des Kinder- und Jugendreports zeigen sich im Klinikalltag. Auch wenn sinkende Trends bei einigen Erkrankungen zu erkennen sind: Es gibt keine Entwarnung und vorbeugende Gegenmaßnahmen sind wichtiger denn je“, sagt Prof. Jürgensen.

Quelle: Daniel Caroppo, Pressemitteilung DAK-Baden-Württemberg




Chicken und vegane Nuggets im Öko-Test

Besonders die Nuggets von Burger King und Iglo schneiden im Test schlecht ab

Die Chicken Nuggets von Burger King und Iglo sind Testverlierer beim Verbrauchermagazin Öko-Test. Sie überzeugen die Tester weder mit ihren Inhaltsstoffen noch in Sachen Tierwohl und Transparenz. „Ungenügend“ lautet deshalb ihr Gesamturteil. Der Öko-Test-Vergleich von Chicken Nuggets macht insgesamt einige Probleme deutlich:

  • Elf Chicken Nugget-Marken aus der Tiefkühlabteilung, darunter vier Bio-Produkte, hat Öko-Test unter die Lupe nehmen lassen. Mit dabei waren auch die Nuggets der drei Fast-Food-Ketten McDonald’s, KFC und Burger King.
  • Eingeschränkt empfiehlt Öko-Test drei Chicken-Nugget-Marken mit „gut“. Was das Tierwohl betrifft, sei aber Luft nach oben.
  • Für die meisten Anbieter im Test ist Haltungsstufe 2 anscheinend der Standard.
  • Bei den Inhaltsstoffen kritisieren die Tester vor allem Fettschadstoffe und einen antibiotikaresistenten Keim.
  • Burger King und Iglo sind die Testverlierer.

Dagegen sind vegane Nuggets frei von Tierleid. Die Inhaltsstoffe vieler Produkte im Test floppen allerdings. Etliche vegane Nuggets fallen aufgrund von enthaltenen Schadstoffbelastungen und umstrittenen Zusatzstoffen negativ auf. Vier Produkte sind immerhin mit „gut“ empfehlenswert. 

  • Im Test waren 17 vegane Nuggets auf Basis von Tofu, Reisflocken oder von Soja-, Weizen- Ackerbohnen- oder Erbseneiweiß, darunter tiefgekühlte und gekühlte aus Supermärkten und Discountern. Außerdem: fertig zubereitetes Fast Food von McDonald’s und Burger King.
  • Vier Produkte sind mit „gut“ empfehlenswert, sieben fallen mit „ungenügend“ durch.

Burger King und Iglo sind Testverlierer 

  • Bei den Chicken Nuggets gab Burger King die denkbar schlechteste Auskunft zum Thema Tierwohl: Als einziges Unternehmen im Test beantwortete die Fastfood-Kette die Fragebögen von Öko-Test offenbar gar nicht. Auch das Testergebnis Inhaltsstoffe der King Nuggets fällt „ungenügend“ aus.
  • Zweites Schlusslicht im Test: die Chicken Nuggets classic der beliebten Tiefkühlmarke Iglo. Wie in den King Nuggets fand das Labor auch darin Fettschadstoffe.

So steht es um Schadstoffe in Chicken Nuggets

In Sachen Schadstoffe stehen die meisten Chicken Nuggets ganz gut da. Anders als in vielen der veganen Produkte sind Mineralölbestandteile hier kein großes Thema. Die Nuggets von Burger King und Iglo fallen aber aus dem Rahmen.

Das beauftragte Labor hat darin Gehalte an 3-MCPD-Fettsäureestern ermittelt, die als „erhöht“ eingestuft wurden. Die Stoffe können sich in verarbeiteten Lebensmitteln, etwa in raffinierten pflanzlichen Ölen bilden. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat 3-MCPD als möglicherweise krebserregend für den Menschen eingestuft.

Da auch Kinder Chicken Nuggets lieben, hat Öko-Test für die Bewertung ein Kind mit 30 Kilogramm Körpergewicht zugrunde gelegt: Mit einer Portion von 150 Gramm würde es schon mehr als die Hälfte der täglich tolerierbaren Aufnahmemenge (TDI) ausschöpfen, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegt hat.

Manche Nuggets bestehen zu großem Teil aus Panade

Die Nuggets von Burger King und Iglo fielen auch durch ihren überproportional großen Anteil an Panade im Verhältnis zum Fleisch negativ auf. Dafür, dass sie zu mehr als 40 Prozent aus Panade bestehen, kritisieren die Tester auch weitere Chicken Nuggets im Test.

Bei Burger King kommt noch ein Phosphatzusatz hinzu, auf den Fertiglebensmittelhersteller aus unserer Sicht besser verzichten sollten, da zu viel Phosphat den Nieren schaden kann. Weiterer Kritikpunkt: Die Fast-Food-Kette hat keine komplette Zutatenliste auf ihre Internetseite gestellt.

Mineralöl in veganen Nuggets gefunden

Mehr als die Hälfte der Produkte im Test kritisieren die Tester, weil sie mit Mineralölbestandteilen verunreinigt sind. Genau gesagt, handelt es sich um gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH/MOSH-Analoge). Diese reichern sich im menschlichen Körper an und stellen dort die größte Verunreinigung dar. Die gesundheitlichen Folgen sind unklar.

Die aktuell getesteten Chicken Nuggets enthielten allenfalls Spuren von MOSH-Analogen. Sind Verunreinigungen mit Mineralöl also ein spezielles Problem von veganen Ersatzprodukten? Klares Nein. Auch in Butter oder in Grillwürsten aus Schweinefleisch fand Öko-Test Mineralölbestandteile.

Die Lebensmittelindustrie hat sich seit Längerem selbst verpflichtet, auch MOSH-Analoge in Lebensmitteln vorsorglich zu minimieren. Aus Sicht von Öko-Test sind die bisherigen Anstrengungen und Orientierungswerte aber nicht ambitioniert genug.

Was ist in den veganen Nuggets drin?

Die veganen Nuggets basieren auf Tofu, Reisflocken oder auf Soja-, Weizen- Ackerbohnen- oder Erbseneiweiß. Die Grundstoffe sind pflanzlich. Vegane Nuggets bleiben aber industriell hergestellte Fertigprodukte, zum Teil mit jeder Menge Zusatzstoffen.

Viele versuchen dem Produkt aus Huhn möglichst nahezukommen. Dafür setzen die Anbieter nicht nur auf Gemüse oder Getreide, sondern unter anderem auch auf Verdickungsmittel oder einzelne pflanzliche Fasern fürs entsprechende Mundgefühl.

Einige der Zusatzstoffe sehen die Tester kritisch. So taucht mit wenigen Ausnahmen in allen Zutatenlisten Aroma oder „natürliches Aroma“ auf. Statt auf geschmacksintensive leckerere Rohstoffe setzen die Hersteller auf die Trickkiste der Aromenindustrie. Dass einige damit den Geflügelfleischgeschmack nachahmen wollen, muss nicht sein.

Phosphatzusätze in einigen veganen Nuggets

Aromazusätze zeigen für Öko-Test klar das Problem dieser Produktkategorie: Offenbar schmecken die Rohstoffe nicht intensiv und lecker genug. Aus unserer Sicht schmälern Aromazusätze die Qualität eines Lebensmittels.

Was steckt außerdem in den veganen Nuggets? In einigen Produkten wurden Phosphatzusätze gefunden. Phosphate sind natürlicherweise besonders in tierischen Lebensmitteln, aber auch in Hülsenfrüchten enthalten.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat 2019 darauf hingewiesen, dass Kinder leicht mehr Phosphate aufnehmen können, als für sie gesundheitlich unbedenklich ist. Große Mengen an Phosphaten können den Nieren schaden.

Zwei Produkte sind mit Eisen (Eisendiphosphat) angereichert. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät von Eisenzusätzen in Lebensmitteln ab. Wer unter Eisenmangel leidet, nimmt besser mit ärztlicher Rücksprache die individuell richtige Dosis ein.

Geschmack

In der Prüfung von Aussehen, Geschmack und Geruch schlugen sich fast alle Chicken Nuggets „gut“ bis „sehr gut“ – bis auf wenige Produkte. Die Kritik der Experten: „außen nicht knusprig“, „innen zu weich“ oder „gummiartiger Kern und Panade“.

Echte Ausreißer nach unten in Geschmack, Aussehen und Mundgefühl gab es auch bei den veganen Nuggets nicht. Die geschulten Sensoriker notierten nur leichte Abweichungen wie „nicht knusprige Panaden“ oder einen vergleichsweise „faden Geschmack“. Am unangenehmsten war noch der „schwach muffige“ Geruch eines Produkts im Test.

Insgesamt müssen die veganen Nuggets sich im Testergebnis Sensorik nicht vor den Chicken-Nuggets verstecken.

Vegane Nuggets vs. Chicken Nuggets

  • Tierwohl: Für die veganen Nuggets leiden keine Tiere – für solche aus Huhn durchaus.
  • Klima: Hähnchen-Nuggets haben laut Ifeu-Institut einen Fußabdruck von 3,8 Kilogramm CO2-Äquivalenten pro Kilo Produkt. Im Vergleich mit Rindfleisch (13,8 Kilo) ist das wenig, aber viel im Vergleich mit den meisten pflanzlichen Lebensmitteln. Einen direkten Vergleichswert für vegane Nuggets hat das Institut nicht veröffentlicht, für andere vegane Fleischersatzprodukte liegen Werte von unter zwei Kilo vor.
  • Nährstoffe: Chicken- und auch viele vegane Nuggets liefern viel Eiweiß und kaum ungünstige gesättigte Fette. Trotzdem sind sie kein besonders gesundes Essen. 150 Gramm veganes Produkt im Test enthalten bis zu 458 Kilokalorien, die Chicken-Variante bis zu 374.

Mehr dazu finden Sie auf www.oekotest.de. Hier finden Sie auch die Tests zum kostenpflichtigen Download. Die aktuelle Ausgabe des Magazins zu weiteren Produkten wie Bodysprays, Fußbalsam, Vitaminpräparate für Schwangere, Babyfeuchttücher mit Parfüm und Lackfarben ist ab sofort im Handel erhältlich.

Quelle: Pressemitteilung Öko-Test




Zu viel Zucker, Fett und Salz in Kinderprodukten

Bundesernährungsminister Cem Özdemir stellt wissenschaftliches Produktmonitoring vor

In Fertigprodukten stecken noch immer zu viel Zucker, Fette und Salz. Dies gilt auch für Produkte mit Kinderoptik, die teilweise sogar mehr Zucker oder Fett enthalten als vergleichbare Produkte ohne Kinderoptik. Das ist das Ergebnis eines Sonderberichts zu Produkten mit Kinderoptik auf Grundlage der unabhängigen, wissenschaftlichen Untersuchungen des Max-Rubner-Instituts (MRI) der letzten Jahre sowie des Produktmonitorings 2022 für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), für das rund 7.000 Produkte untersucht wurden.

Wie das Produktmonitoring aus dem Herbst 2022 zeigt, sind die Zuckergehalte trotz Reduktionen bei bestimmten Lebensmitteln in gesüßten Milchprodukten, Frühstückscerealien und Erfrischungsgetränken sowie die Salz- und Fettgehalte in Suppen, Eintöpfen und Instantgerichten weiterhin hoch. Mit einem wissenschaftlichen Produktmonitoring dokumentiert das MRI regelmäßig die Veränderungen der Energie- und Nährstoffgehalte in den relevanten Lebensmittelgruppen und überprüft damit die Reduktionsbemühungen der Lebensmittelwirtschaft.

Zuckergehalt hat sich in den vergangenen fünf Jahren kaum verändert

Wie die vertiefte Auswertung des Zuckergehalts von gesüßten Erfrischungsgetränken mit Kinderoptik zeigt, hat sich in den vergangenen fünf Jahren kaum etwas verändert. Im Gegenteil: Die besonders zuckerhaltigen Kindergetränke sind sogar noch zuckriger geworden. Seit 2019 ist das obere Viertel der Zuckergehalte von 7,4 g/100ml auf 8,4 g/100ml gestiegen. Das entspricht umgerechnet fast sechs Zuckerwürfeln in einem üblichen 200ml-Trinkglas.

Frühstückscerealien für Kinder enthalten mit 17 g Zucker pro 100 g im Durchschnitt sogar mehr Zucker als der Durchschnitt aller Frühstückscerealien (14,7g/100g). So entspricht der durchschnittliche Zuckergehalt von Flakes mit Kinderoptik beispielsweise mehr als vier Zuckerwürfeln in 100 g. Die Daten des Max Rubner-Instituts zeigen darüber hinaus, dass deutlich weniger als die Hälfte der einbezogenen Produkte mit Kinderoptik die Kriterien des aktuellen Nährwertprofil-Modells der Weltgesundheitsorganisation erfüllen.

„Jedes Kind in Deutschland soll die Chance haben, gesund aufzuwachsen“

Dazu sagt Bundesernährungsminister Cem Özdemir: „Egal ob gesüßte Erfrischungsgetränke oder Frühstücksflocken: Der Zuckergehalt in Lebensmitteln für Kinder ist immer noch zu hoch. Bei den Getränken ist er sogar teilweise gestiegen. Gerade in den Flakes mit lustiger und bunter Kinderoptik steckt oft mehr Zucker als in vergleichbaren Produkten für Erwachsene. Und leider ist es auch so, dass die Produkte, die besonders viel Zucker, Fette und Salz enthalten, uns oftmals besonders gut schmecken – und auch dazu verleiten, mehr davon zu essen, als es gut für uns ist. Jedes Kind in Deutschland soll die Chance haben, gesund aufzuwachsen – und zwar unabhängig von dem Einkommen der Eltern, der Bildung oder der Herkunft. Deshalb kämpfe ich für einen besseren Kinderschutz und gute Ernährung. Gerade im Kindesalter wird das Ernährungsverhalten entscheidend für das weitere Leben geprägt.“

Prof. Pablo Steinberg, Präsident des Max Rubner-Instituts, ergänzt: „Von Beginn an stehen beim Produktmonitoring die Lebensmittel mit Kinderoptik im Fokus. Dies ist uns deshalb so wichtig, weil schon bei den Jüngsten durch ungünstige Ernährung die Grundlage für spätere ernährungsmitbedingte Erkrankungen gelegt wird.“

Sogar mehr Energie, Zucker oder Fett als in vergleichbaren Produkte

Für eine breite Datengrundlage zu an Kinder gerichteten Produkten wurden für eine Sonderauswertung auch frühere Erhebungen des Monitorings anderer Produktgruppen mit Kinderoptik erfasst. Hier zeigt sich, dass die erzielten Veränderungen bei den Energie- und Nährstoffgehalten bisher noch nicht ausreichen, um zu einer deutlichen Reduktion der durchschnittlichen Zucker-, Fett-, Salz- und Energieaufnahme bei Kindern beizutragen. In folgenden Fällen enthielten Produkte mit Kinderoptik sogar mehr Energie, Zucker oder Fett als vergleichbare Produkte ohne Kinderoptik bzw. die Gesamtstichprobe:

  • Kinder-Frühstückscerealien: Höherer medianer Zuckergehalt bei bestimmten Flakes und Knuspererzeugnissen (2022)
  • Kinder-Waffelgebäck: höchster medianer Fettgehalt (2021)
  • Müsliriegel für Kinder: Höherer medianer Zuckergehalt als bei allen anderen Müsliriegeln (2020)
  • Nudelsoßen für Kinder: höchster medianer Zuckergehalt unter den Nudelsoßen (2021)
  • panierte, vorgegarte Geflügelprodukte mit Kinderoptik: höherer medianer Energie- und Fettgehalt als bei den meisten vergleichbaren Produkten (2020)
  • Kinder-Salami: höherer medianer Energie- und Fettgehalt als bei allen anderen (außer Snack-Salami) (2020)
  • Reguläre Erfrischungsgetränke mit Kinderoptik: Höherer medianer Zuckergehalt als bei vergleichbaren Produkten (2022)

BundesernährungsministerCem Özdemir: „Fertigprodukte für Kinder und Erwachsene müssen gesünder werden. Wer viel davon isst, erhöht sein Risiko für schwerwiegende Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder Adipositas. Die Unternehmen haben es selbst in der Hand, Rezepturen zu verbessern. Mir ist wichtig, dass nun zügig wissenschaftlich fundierte Reduktionziele entwickelt werden.“

Wie hoch die Reduktionsziele in den einzelnen Lebensmittelgruppen ausfallen können, soll auf der Grundlage eines vom Max Rubner-Institut koordinierten Beteiligungsprozesses ermittelt werden. Hier soll zunächst mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft eine Methodik zur Ableitung von wissenschaftlich fundierten und auf Zielgruppen abgestimmten Reduktionszielen entwickelt werden. Anschließend werden möglichst konkrete Reduktionsziele erarbeitet.

Die Zusammenfassung des Sonderberichts zu Produkten mit Kinderoptik sowie Informationen zur Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten finden Sie hier.

Alle Ergebnisse des Produktmonitorings finden Sie detailliert unter diesem Link.




ÖKO-TEST: Hormongift in Dosentomaten nachgewiesen

Alle Tomaten in Dosen überschreiten die neue empfohlene Tageshöchstdosis

ÖKO-TEST hat geschälte Tomaten im Labor untersuchen lassen. Alle Anbieter der Tomaten in Konservendosen geben an, Dosen zu verwenden, für deren Innenlacke kein Bisphenol A zugefügt werde. Teilweise liegen sogar Zertifikate dazu vor. Und dennoch: Alle Dosentomaten überschreiten die neue empfohlene Tageshöchstdosis der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) laut der ÖKO-TEST-Ergebnisse um ein Mehrfaches. Zur Berechnung der täglichen Aufnahme hat ÖKO-TEST angenommen, dass ein 60 Kilogramm schwerer Mensch am Tag 50 Gramm Dosentomaten verzehrt – das sind gerade einmal 350 Gramm pro Woche. Nur zwei Produkte im Test sind sauber: die Tomaten aus dem Glas.

BPA ist toxisch, die EFSA hat die Grenzwerde abgesenkt

BPA kann unser Hormonsystem beeinflussen und ist seit 2016 offiziell als „vermutlich reproduktionstoxisch beim Menschen“ eingestuft. Es wird auch mit erhöhtem Brustkrebsrisiko, Übergewicht, neurologischen Schäden und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern in Zusammenhang gebracht.

Im April hat die EFSA (European Food Safety Authority) in einem Gutachten den „Tolerable Daily Intake“ (TDI) von Bisphenol A stark abgesenkt. Seither liegt die unbedenkliche Tagesdosis der Chemikalie, die über die gesamte Lebensspanne ohne Risiko aufgenommen werden könnte, bei nur noch 0,2 Nanogramm/Kilo (ng/kg) Körpergewicht – also 20.000-fach niedriger als der zuletzt 2015 festgelegte TDI.

Die Neubewertung von Bisphenol A durch die EFSA gründet auf neuen Erkenntnissen bezüglich der immunologischen Effekte, die die Industriechemikalie haben kann. Die maßgebliche Studie für die Erkenntnisse wurde an Mäusen durchgeführt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kritisiert den neuen Richtwert der EFSA unter anderem, weil wissenschaftlich noch nicht geklärt sei, inwieweit sich Daten an Mäusen auf den Menschen übertragen lassen.

Die Eintragswege von BPA in Lebensmittel sind vielfältig

Darauf weisen auch einige Hersteller im Test hin. Laut ÖKO-TEST ist eine plausible Erklärung, dass eine Kontamination der Dosen mit BPA im Laufe des Produktionsprozesses stattfindet. Für die Verbraucherschützer ist jedenfalls klar: Ein BPA-Verbot ist überfällig. „Auch wenn scharfe gesetzliche Regelungen auf sich warten lassen, müssen die Anbieter heute schon Verantwortung übernehmen. Wir appellieren an die Unternehmen, das Problem in den Griff zu bekommen. Produktionsprozesse können nicht einfach auf Kosten von Verbraucherinnen und Verbrauchern weiterlaufen. Und Alternativen wie Glas gibt es bereits“, sagt Kerstin Scheidecker, ÖKO-TEST Chefredakteurin.

Kein BPA in geschälten Tomaten im Glas entdeckt

Nur ein Produkt im Test kann ÖKO-TEST empfehlen: die Pomodorini Pelati der Bio-Marke La Selva im Glas. Sie überzeugen auch in Sachen soziale und ökologische Anbaubedingungen und erhalten das Gesamturteil „gut“.

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Juliausgabe des ÖKO-TEST-Magazins und unter: oekotest.de/13872

Quelle: Pressemitteilung Ökotest

Entwicklung der Grenzwerte für BPA

„Bis 2007 lag der Grenzwert für Bisphenol A bei 10 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht, dann wurde er von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auf 50 Mikrogramm angehoben. Eine Änderung, die von Experten als unverantwortlich bezeichnet wurde – auch vor dem Hintergrund, dass die Anhebung der BPA-Grenzwerte auf Angaben von der Chemieindustrie finanzierter Studien und teilweise nicht öffentlich zugänglichen Studien basierte. 2015 wurde der Wert auf 4 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag gesenkt. 2018 legte die EU-Kommission einen Migrationsgrenzwert von 0,05 mg BPA je Kilogramm Lebensmittel (mg/kg) fest.“ https://utopia.de/ratgeber/bisphenol-a-bpa-chemikalie-hormonelle-wirkung/

Bereits im Jahr 2017 hat der BUND auf die problematische Belastung von Konservendosen mit BPA hingewiesen.

https://www.bund.net/themen/chemie/hormonelle-schadstoffe/bisphenol-a/lebensmittelkonserven/




UKE-Studie belegt: Hitze erhöht das Risiko für späte Frühgeburten deutlich

Ab 35 Grad Celsius steigt das Risiko einer Frühgeburt um 45 Prozent

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben festgestellt, dass Temperaturen über 35 Grad Celsius das Risiko einer Frühgeburt um bis zu 45 Prozent steigern können. Aus mehr als 42.000 Patientinnenakten das Team um die Professorinnen Petra Arck und Anke Diemert aus der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des UKE anonymisierte Daten von Schwangeren, die in den vergangenen 20 Jahren im UKE entbunden haben, analysiert. Die Forschenden verglichen dabei die errechneten sowie tatsächlichen Geburtstermine mit den Klimatabellen des Hamburger Wetterdienstes.

Dabei konzentrierten sie sich auf die jährlichen Perioden zwischen März und September, in denen außergewöhnlich hohe Temperaturen herrschten. Demzufolge führt Hitzestress von 30 Grad Celsius zu einer Erhöhung des Frühgeburtsrisikos um 20 Prozent. Temperaturen über 35 Grad können das Risiko sogar um 45 Prozent steigern.

„Auffällig war, dass die werdenden Mütter ein bis zwei heiße Tage offensichtlich überbrücken konnten. Folgte aber ein dritter, vierter, fünfter Tag ohne Abkühlung, setzten vermehrt vorzeitige Wehen ein. Und zwar besonders dann, wenn eine hohe Luftfeuchtigkeit das gefühlte Wärmeempfinden noch erhöhte“, erläutert Studienleiterin Prof. Dr. Petra Arck, gleichzeitig Forschungsdekanin der Medizinischen Fakultät des UKE.

Aktuell sichtet das Forschungsteam die Klima-Prognosen der kommenden zehn Jahre. 2033 könnte aufgrund steigender Temperaturen annähernd jedes sechste Kind, rund 15 Prozent, zu früh geboren werden – doppelt so viele wie heute. Prof. Arck: „Welche Folgen das für die Gesundheit der Neugeborenen hat, ist bislang noch nicht absehbar.“

Jeder Tag zu früh ein Risiko für spätere Gesundheitsprobleme

Im medizinischen Sinne handelt es sich immer dann um eine Frühgeburt, wenn das Baby vor vollendeter 37. Schwangerschaftswoche geboren wird. Von einer späten Frühgeburt spricht man zwischen der 34. bis 37. Schwangerschaftswoche. „Etwa jedes zwölfte Kind kommt vor dem errechneten Termin zur Welt“, sagt Prof. Dr. Anke Diemert, die in der Klinik für Geburtshilfe schwangere Frauen betreut und den Studiengang Hebammenwissenschaft im UKE mit verantwortet. „Eine Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche geht mit einem erhöhten Risiko für gesundheitliche Probleme im späteren Leben einher. Hier zählt jeder Tag“, erklärt sie. So müssen unter anderem die Lungen, das Verdauungs- und Immunsystem noch reifen. Konzentrationsstörungen, schlechtere Schulleistungen, ein höheres Risiko für Infektionen, Allergien, Asthma und Übergewicht können Studien zufolge Konsequenzen einer Frühgeburt sein.

Hitze beeinträchtigt Versorgung des Ungeborenen mit Sauerstoff und Nährstoffen

Herrschen draußen tage- oder wochenlang extrem hohe Temperaturen, ist die Situation für die werdende Mutter extrem belastend: Weil der Bauch auf die Hauptvene drückt, kommt am Herzen nicht mehr so viel Blut an. Durch die Dauerhitze weiten sich die Blutgefäße und verstärken diesen Effekt. Eine solche hitzebedingte Gefäßerweiterung beobachten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch in der Gebärmutter, was die Versorgung des heranwachsenden Babys mit Sauerstoff und Nährstoffen beeinträchtigt.

In schwülen Nächten erhöht zudem fehlender Schlaf den Stress. Parallel sinken die Schwangerschaftshormone, der Cortisolspiegel steigt – und auch das Risiko einer Frühgeburt.

Was also tun bei Hitze-Stress? „Frauen, die sich zwischen der 34. und 38. Schwangerschaftswoche befinden, sollten bei anhaltend hohen Temperaturen möglichst die Sonne meiden, sich in klimatisierten Räumen aufhalten sowie viel Flüssigkeit zu sich nehmen“, lautet die Empfehlung von Prof. Arck.

PRINCE-Studie erforscht vorgeburtliche Prägung

Seine Forschungsergebnisse hat das Team unter anderem im Rahmen der Langzeitstudie PRINCE (Prenatal Identifiction of Children‘s Health) gewonnen. Seit 2011 wird im UKE erforscht, wie sich der Lebensstil einer werdenden Mutter auf die spätere Gesundheit ihres Kindes auswirkt. Mehr als 800 Schwangere haben bisher an den Untersuchungen zur vorgeburtlichen Prägung teilgenommen. Die ersten Kinder sind inzwischen zehn Jahre alt. Ziel ist es, molekulare Mechanismen zu entschlüsseln, mit denen bereits vor der Geburt die Grundlagen für mögliche spätere Erkrankungen gelegt werden. Aufbauend auf diese Erkenntnisse sollen dann Präventionsstrategien entwickelt werden. Weitere Infos: www.uke.de/prince.

Originalpublikation:

Dennis Yüzen et. al., Increased late preterm birth risk and altered uterine blood flow upon exposure to heat stress, EBIOMedicine, 2023. DOI: https://www.thelancet.com/journals/ebiom/article/PIIS2352-3964(23)00216-5/fulltext

Saskia Lemm, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf