Seelische Belastung: Mädchen leiden anders als Jungen

Neuer Gesundheitsbericht der Stiftung Kindergesundheit informiert über aktuelle Gesundheitsrisiken von Jugendlichen

Wenn es um die Gesundheit geht, haben Mädchen fast immer bessere Karten als Jungen, berichtet die Stiftung Kindergesundheit. Mädchen erweisen sich bereits in ihrer frühen Kindheit als weniger anfällig gegenüber vielen Krankheiten und sind beispielsweise von fast allen Infektionskrankheiten seltener betroffen als Jungen. Auch chronische Leiden kommen bei Mädchen seltener vor als bei Jungen. Das alles schlägt sich auch in der Lebenserwartung nieder: Ein heute neugeborenes Mädchen darf mit einer durchschnittlichen Lebensdauer von 82 Jahren und neun Monaten rechnen, während es bei neugeborenen Jungen nur 78 Jahre sind.

Mädchen psychisch stärker belastet

Nun aber die weniger gute Nachricht: Die mehr als 30 Monate andauernde COVID-19-Pandemie hat Mädchen in Deutschland psychisch stärker belastet als Jungen, ermittelte die Stiftung Kindergesundheit in ihrem Kindergesundheitsbericht 2023: Mädchen sind auch nach dem Ende der meisten corona-bedingten Einschränkungen deutlich häufiger als Jungen wegen psychischer Auffälligkeiten auf kinder- und jugendpsychiatrische und psychotherapeutische Hilfe angewiesen.

Lockdowns haben schwere Spuren hinterlassen

„Seit der Veröffentlichung des ersten Kindergesundheitsberichts der Stiftung Kindergesundheit im September 2022 hat sich die Situation weiterzugespitzt“, berichtet die Münchner Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie Priv.-Doz. Dr. med. Katharina Bühren, ärztliche Direktorin des kbo-Heckscher-Klinikums und Vorstandsmitglied der Stiftung Kindergesundheit. „Die Lockdowns sind zwar vorbei, aber die Belastungen durch Corona haben bei vielen Kindern und Jugendlichen schwere Spuren hinterlassen. Die von unserer Stiftung schon 2022 befürchtete Zunahme von psychischen Problemen hat sich leider bewahrheitet: Die psychische Gesundheit von vielen Kindern und Jugendlichen hat sich während der Pandemie weiter deutlich verschlechtert. Heute müssen Kinder und Jugendliche weit häufiger als zuvor wegen psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen ambulant behandelt oder sogar stationär aufgenommen werden“.

Zunahme der Krankenhausbehandlungen wegen emotionaler Störungen

Daten der Krankenkasse DAK zeigen im Jahr 2021 im Vergleich zu 2020 eine Zunahme der Krankenhausbehandlungen wegen emotionaler Störungen um 42%, der Behandlungen wegen depressiver Episoden um 18% und derjenigen wegen Essstörungen um 17%.

Dabei werden bei Mädchen häufig andere Störungsbilder diagnostiziert als bei Jungen, heißt es im soeben vorgestellten Kindergesundheitsbericht 2023 der Stiftung Kindergesundheit. Bei den Jungen dominieren die Diagnosen von Sprach- und Entwicklungsstörungen, bei den bei den Mädchen sind es dagegen Depressionen, Belastungs- und Angststörungen sowie Essstörungen.

Depressionen und Essstörungen

Priv.-Doz. Dr. Katharina Bühren: „Mädchen entwickeln eher introversive, also nach innen gerichtete Störungen wie Depressionen oder Essstörungen. So erkranken zum Beispiel weibliche Teenager zwölfmal so häufig an einer Magersucht wie männliche Jugendliche. Jungen zeigen dagegen eher extroversive, also nach außen gerichtete psychische Reaktionen wie Störungen des Sozialverhaltens“.

Die Hilfesysteme sind chronisch überlastet

Der aktuelle Kindergesundheitsbericht der Stiftung Kindergesundheit benennt auch die Schwachstellen des Versorgungssystems bei psychischen Problemen von Kindern und Jugendlichen. Priv.-Doz. Dr. Katharina Bühren: „Das Problem ist leider: Die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung ist deutschlandweit unzureichend. Das war schon vor der Pandemie so. Bildungssystem, Gesundheitssystem und Jugendhilfe – alle drei Hilfesysteme sind seit Jahren chronisch überlastet. Es gibt einen gravierenden Mangel an Fachkräften und an Therapieplätzen. So entstehen viel zu lange Wartezeiten. Je länger sich aber die adäquate Behandlung psychischer Störungen verzögert, desto schwerer sind sie in den Griff zu bekommen“.

Die Expertinnen und Experten der Stiftung Kindergesundheit halten zur Verbesserung der brennenden Probleme folgende Maßnahmen für dringlich:

– Förderung breit zugänglicher psychosozialer, psychotherapeutischer und psychiatrischer Angebote mit niedrigschwelliger schulischer Anbindung sowie erweiterte Jugendhilfemaßnamen in besonders belasteten Wohnquartieren.
– Massive Investitionen in sozialpädiatrische Fachkräfte und Schulpsycholog*innen.
– Stärkung der Beteiligung von Jugendlichen bei Entscheidungen zu ihrer Gesundheitsversorgung
– Verbesserung der Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen durch die Behandlung des Themas „mentale Gesundheit“ im Unterricht.
– Verstärkte Qualifizierung von Lehrkräften und Erzieher*innen über Fortbildungen zu Fragestellungen der mentalen Gesundheit.

Psychische Krankheiten nicht diskriminieren!

Mit großem Nachdruck wendet sich die Stiftung Kindergesundheit in ihrem Kindergesundheitsbericht 2023 gegen die Stigmatisierung psychischer Störungen. Katharina Bühren betont: „Psychische Erkrankungen sollten genauso als normal wahrgenommen werden wie körperliche Erkrankungen. Stigmatisierung und Diskriminierung führen dazu, dass sich viele Betroffene aus Scham und mangelndem Selbstwertgefühl zu spät oder gar nicht um Hilfe bemühen. Eine Depression, eine Essstörung oder eine Phobie sollten genauso als normale Krankheiten akzeptiert werden, wie Rückenschmerzen, eine Erkältung oder ein gebrochenes Bein es schon heute sind. Dies würde vielen Betroffenen und vor allem den Jugendlichen helfen, sich ohne Angst vor negativen Folgen Hilfe zu suchen und offener über ihre Probleme zu reden“.

Der Kindergesundheitsbericht 2023 steht unter https://www.kindergesundheit.de/kindergesundheitsbericht/ zum Download zur Verfügung.

Giulia Roggenkamp/Stiftung Kindergesundheit




Wie viel Bildschirmzeit ist für Kinder angemessen?

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Neue Leitlinie, unter Beteiligung der Uni Witten/Herdecke

Mit konkreten Tipps wollen Fachleute helfen, die Bildschirmzeit von Kindern zu begrenzen. Für Kinder und Jugendliche sei es umso besser, je weniger Zeit sie vor Bildschirmen verbringen, heißt es in einer Leitlinie die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und mit Beteiligung der Uni Witten/Herdecke entstanden ist. Darin geht es darum, einer Suchtentwicklung vorzubeugen.

Die empfohlene gesamte Bildschirmzeit vom Fernsehen über das Spielen am Computer bis zur Internetnutzung per Smartphone:

  • Unter 3 Jahren: Die Allerkleinsten sollten von jeglicher passiven und aktiven Nutzung von Bildschirmmedien ferngehalten werden, wie die Autoren schreiben. Das bedeutet, dass vor ihren Augen zum Beispiel möglichst auch die Eltern nicht ständig aufs Handy schauen sollten.
  • 3 bis 6 Jahre: Geraten wird zu höchstens 30 Minuten an einzelnen Tagen zum Heranführen an solche Medien. Lassen Sie das Kind dabei nicht allein. Die Nutzung einer Sand- oder Stoppuhr könne helfen zu begreifen, wie schnell die Zeit vor dem Bildschirm verfliegt.
  • 6 bis 9 Jahre: höchstens 30 bis 45 Minuten an einzelnen Tagen, außerhalb der Hausaufgaben am Bildschirm.
  • 9 bis 12 Jahre: höchstens 45 bis 60 Minuten in der Freizeit vor einem Bildschirm und nur beaufsichtigter Internetzugang.
  • 12 bis 16 Jahre: maximal ein bis zwei Stunden täglich in der Freizeit und spätestens bis 21.00 Uhr. Weiterhin mit inhaltlicher Begleitung und beschränktem Internetzugang.
  • 16 bis 18 Jahre: Die Zeit durch Regeln festlegen, als ein Orientierungswert werden zwei Stunden Nutzung in der Freizeit pro Tag angegeben.

Insgesamt umfasst die Leitlinie 55 verhaltenspräventive Empfehlungen zur Nutzung von Bildschirmmedien. Darüber hinaus beschreibt sie Möglichkeiten, wie Eltern und Ärzt:innen mit übermäßiger Nutzung umgehen können, und geht auf präventive Maßnahmen in Zeiten von digitalem Fernunterricht ein.

Prävention leistet einen wichtigen Beitrag für eine gesunde Entwicklung des Kindes

„Obwohl inzwischen viele gesundheitliche Risiken des übermäßigen Medienkonsums bei Kindern bekannt sind, wird noch viel zu wenig über Präventionsmaßnahmen gesprochen – sowohl in der Gesellschaft als auch in der Medizin“, sagt Prof. Dr. David Martin, Inhaber des Lehrstuhls für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin an der UW/H. „Wenn wir einem übermäßigen Medienkonsum in Kindheit und Jugend vorbeugen, können wir einen wichtigen Beitrag für eine gesunde seelische, geistige und körperliche Entwicklung leisten.“

Erarbeitet wurde die Handreichung unter der Leitung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. Die Universität Witten/Herdecke hat dazu eine Expert:innenkommission gebildet und koordiniert.

Die Leitlinie AWMF S2k richtet sich an Familien sowie an Mediziner:innen, Ärzt:innen und Psychiater:innen, die Kinder und Jugendliche behandeln. Zudem soll sie übergeordneten Organisationen wie Krankenkassen, Schulen, Kindergärten, Jugend-, Schul- und Versorgungsämtern, Erziehungsberatungsstellen oder anderen Personen und Einrichtungen, die sich mit Fragen zu Kindergesundheit und Kindeswohl auseinandersetzen, Orientierung geben. Neben der Langversion für das Fachpublikum fasst eine Kurzversion die wichtigsten Punkte für Erziehungsberechtigte zusammen. Beide Versionen stehen auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Verfügung:

https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/027-075

Bis drei: Bildschirmfrei!

Hier können Sie die Kurzversion direkt downloaden

Keine kausalen Zusammenhänge

Die Rechtfertigung jener, die die Warnun der Mediziner:innen in den Wind schlagen und selbst Kleinkinder vor den Bildschirm bringen wollen, besteht zumeist darin, dass der Wirkungszusammenhang zwischen Bildschirmnutzung und psychischer wie physischer Schädigungen nicht eindeutig nachgewiesen wurde.

Das ist zwar einerseits richtig, andererseits ist ein solcher ist ein Versuchsaufbau, der einen kausalen Zusammenhang nachweist auch nicht möglich. Dies würde letztlich bedeuten eine repräsentative Gruppe von Säuglingen aus ihrer normalen Umgebung zu reißen, in zwei Gruppen aufzuteilen und die einen über Jahre hinweg von Bildschirmen auszusetzen, während die anderen dem vermeintlich schädigenden Einfluss ausgesetzt werden.

Insofern trägt die Forderung nach der Herstellung von kausalen Zusammenhängen auch etwas zutiefst Menschenverachtendes in sich. Wem die zahlreichen Studien, die auf die schwere Gesundheitsschädigung von Kindern hinweisen, nicht ausreicht, der sei in seinem Bestreben, Kinder und vor allem Kleinkinder vor den Bildschirm zu setzen mit dem Argument gebremst, dass doch alles zu seiner Zeit stattfinden sollte.

Etwas mehr Entspannung bitte!

Die Vehemenz und Verbissenheit, mit der so manche und so mancher darauf pocht, dass schon Kleinkinder im Krippenalter mit Bildschirmen konfrontiert werden sollten, ist völlig unangebracht. Einerseits ist das Risiko für eine gesundheitliche Schädigung der Kinder hoch, andererseits verpassen sie nichts. Denn schließlich bieten die Empfehlungen der Ärzteschaft genügend Raum dafür, wenn die Kinder etwas älter sind. Wer dagegen eine latente Körperverletzung von Schutzbefohlenen in Kauf nehmen will, dem seien die Worte von Prof. Norbert Neuß in Erinnerung gerufen, der vor einiger Zeit im Interview mit dem Kindergartenträger Fröbel erklärt hat, dass er von Schwarzmalerei und Dämonisierung der Medien zwar nichts halte. Die berechtigte Skepsis und pädagogische Sorge der Kritiker jedoch ernst zu nehmen ist. Schließlich war es der Namensgeber des Unternehmens, Friedrich Wilhelm Fröbel der bei der Gründung des ersten Kindergartens vor rund 180 Jahren auch den Zusammenhang von spielen und lernen erkannte. Der tatsächliche Nachweis konnte allerdings erst vor 25 Jahren mit den bildgebenden Verfahren der Hirnforschung geliefert werden.

Wer also lieber 150 Jahre auf neue Möglichkeiten der Wissenschaft warten möchte, kausale Zusammenhänge herzustellen, um dann festzustellen, dass sein Verhalten den Kindern wohl eher geschadet als genutzt hat, sollte vielleicht schon heute seine Verhaltens- und Denkweise dringend hinterfragen. Niemand verpasst etwas, wenn die Kinder erst ab einem Alter von drei Jahren die ersten vorsichtigen Schritte in die Welt der digitalen Medien machen.

Quelle: Pressemitteilung Universität Witten/Herdecke (UW/H), Mitteilung: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.

Unsere Artikel von 2021 zum Thema




Schadstoffe in Gummistiefeln für Kinder

ÖKO-TEST hat 20 Paar Kindergummistiefel untersucht – sieben fallen durch

20 Kindergummistiefel hat sich ÖKO-TEST näher angesehen. Sieben sind sehr gut. Sieben fallen durch.

Testverlierer sind Aigle, Bisgaard und Ernsting’s Family (Topolino) mit dem Gesamturteil „ungenügend“. Laut ÖKO-TEST enthält der Aigle Lolly Pop 2 unter anderem Naphthalin. Der krebsverdächtige Stoff kann über die Haut in den menschlichen Körper gelangen. Im Kindergummistiefel Bisgaard Fashion II – dem teuersten Produkt im Test – steckt wiederum unter anderem Pyren, das sowohl die Atemwege, die Augen als auch die Haut reizen kann. Auch im Topolino-Stiefel von Ernsting‘s family macht ÖKO-TEST einen kritischen Fund: Er enthält unter anderem DecaBDE in einer Konzentration, die über dem in der EU-Verordnung für persistente organische Stoffe festgelegten Grenzwert liegt. Das bromierte Flammschutzmittel ist schwer biologisch abbaubar und reichert sich in Lebewesen an. „Für uns ist ganz klar: Möglicherweise krebserregende oder organschädigende Stoffe haben in Stiefeln für Kinder rein gar nichts zu suchen“, sagt Kerstin Scheidecker, ÖKO-TEST Chefredakteurin.

Vier Produkte mit der Bestnote „sehr gut“ bewertert, drei mit „gut“

Aber es gibt auch gute Nachrichten aus dem Test. Erstmals in einem Gummistiefel-Test bewerten die Verbraucherschützer vier Produkte mit der Bestnote „sehr gut“: die Gummistiefel der Marken Celavi, Crocs, En Fant und TCM (Tchibo). Drei weitere schneiden mit „gut“ ab. „Das zeigt uns ganz klar: Es geht. Man kann Gummistiefel für Kinder ohne Schadstoffe herstellen – jetzt müssen die Hersteller der durchgefallenen Produkte dringend nachbessern“, fordert Scheidecker. ÖKO-TEST rät grundsätzlich dazu, dass Kinder in Gummistiefeln immer Socken und lange Hosen tragen, um Hautkontakt zu den Materialien zu vermeiden.

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Oktoberausgabe des ÖKO-TEST-Magazins und unter: oekotest.de/14108




Kartoffelchips voller Schadstoffe – vor allem die Bios

ÖKO-TEST hat 20 Kartoffelchips mit der Geschmacksrichtung Paprika getestet

ÖKO-TEST hat 20 Kartoffelchips mit der Geschmacksrichtung Paprika getestet – darunter sieben Bio-Produkte. Die Bio-Chips von Dennree sind laut ÖKO-TEST „sehr gut“, während die restlichen Bio-Chips wegen jeder Menge Schadstoffe mit „ungenügend“ durchfallen. Auch bei drei konventionellen Anbietern sieht ÖKO-TEST rot. Acrylamid, Mineralölverunreinigungen und Glycidol sind die großen Probleme im Test. Allerdings: Alle drei Schadstoffe kommen vor allem in den Bio-Produkten in Mengen vor, die ÖKO-TEST abwertet. 

Acrylamid und Mineralölkohlenwasserstoffe

Acrylamid ist als krebserzeugend eingestuft. Der Stoff, der beim Erhitzen stärkehaltiger Lebensmittel entstehen kann, ist zwar in allen Testprodukten nachweisbar, die gemessenen Gehalte sind jedoch in den Bio-Produkten im Schnitt höher als in den Chips konventioneller Anbieter. Auch Mineralbestandteile hat das Labor in allen Chips nachgewiesen. Dabei stecken ausgerechnet in drei Bio-Chips-Sorten aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH), unter denen krebserregende Verbindungen sein können.

Das Bio-Produkt Flor De Sal d’Es Trenc Kartoffel-Chips Paprika überschreitet sogar den MOAH-Richtwert, den die Europäische Kommission beschlossen hat, um die Verunreinigung von Lebensmitteln mit MOAH einzudämmen. In vier Bio-Produkten haben die Labore Glycidyl-Fettsäureester nachgewiesen, in den Trafo Paprika Potato Chipssogar in Gehalten, die ÖKO-TEST als „stark erhöht“ einordnet. Das Problem: Im Körper können sie in Glycidol umgewandelt werden. Dieses wiederum gilt als krebsverdächtig und erbgutschädigend.

Am besten die Finger davon lassen

„Wir wussten, dass Chips nicht gerade gesund sind, aber dass sie teilweise so voller Schadstoffe stecken, erschreckt auch uns – gerade bei den Bio-Produkten. Bis die Hersteller hier nicht nachbessern, sollten aus unserer Sicht Verbraucherinnen und Verbraucher von einigen Produkten die Finger lassen“, sagt Kerstin Scheidecker, ÖKO-TEST Chefredakteurin. 

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Oktoberausgabe des ÖKO-TEST-Magazins und unter: oekotest.de/14106

Quelle: Pressemitteilung Öko-Test




Brain-Drain-Effekt: enorme Herausforderung für die Pädagogik

22 Studien und ein Ergebnis: Gedächtnisleistungen und Aufmerksamkeit sind stark negativ beeinflusst

Ein Blick in die Parlamente zeigt: viele Abgeordnete hören nicht zu, sondern wischen, was das Zeug hält. Selbst auf der Regierungsbank ist diese Haltung weit verbreitet, was Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im Herbst 2022 dazu bewogen hat, eine „Handy-Enthaltsamkeit“ im Deutschen Bundestag anzumahnen. Solch ein Verhalten schade der Außenwirkung der Demokratie, so Bas.

Erste Studie von Adrian F. Ward

Viel schwerwiegender als der unkontrollierte Gebrauch ist jedoch ein Effekt, der in der Forschung als Brain-Drain-Effekt bezeichnet wird. Klaus Zierer, Lehrstuhlinhaber für Schulpädagogik, erläutert: „Der Brain-Drain-Effekt geht zurück auf die gleichnamige Studie von Adrian F. Ward und Kollegen aus dem Jahr 2017, die als erstes belegten, dass alleine die Anwesenheit des Smartphones sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Gedächtnisleistung reduziert.“

Wie so oft in der psychologischen Forschung konnten diese Ergebnisse nicht Eins zu Eins repliziert werden, so dass sich die Frage stellt, ob es den Brain-Drain-Effekt nun wirklich gibt oder nicht. Dieser Forschungsfrage geht deshalb eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Zierer in einer kürzlich veröffentlichten Meta-Analyse „Does the Brain Drain Effect Really Exist?“ nach.

Gedächtnisleistungen und Aufmerksamkeit sind stärker betroffen

Hierfür suchten sie internationale Studien, die sich mit diesem Effekt befassten. Sie fanden 22 solcher Studien, die im Ergebnis bestätigen, was Ward und Kollegen bereits 2017 festgestellt hatten: Die bloße physische Präsenz des Smartphones beeinflusst die kognitive Leistungsfähigkeit ihrer Besitzerinnen und Besitzer, wenn auch unterschiedlich: Gedächtnisleistungen und Aufmerksamkeit sind stärker betroffen als das Erledigen einfacher Leistungstests, beispielsweise Buchstabieren. Interessant ist auch, dass kulturelle Unterschiede in den Studien festzustellen sind. In Asien beispielsweise sind die negativen Effekte noch stärker ausgeprägt als in Nordamerika und Europa. Ein Grund für divergierende Ergebnisse sieht Zierer in sich immer mehr anbahnenden und ausbreitenden Abhängigkeitsmechanismen: „Menschen, die bereits viel Zeit mit ihrem Smartphone verbringen, sind von der Abwesenheit des Smartphones mittlerweile sogar mehr gestresst als von der Anwesenheit.“

Der Gebrauch digitaler Medien muss reguliert, kontrolliert und begleitet werden

Dieses Ergebnis ist vor allem für Bildung und Erziehung hochrelevant, da Kinder und Jugendliche Smartphones besonders intensiv nutzen. Die Augsburger Forscher der Meta-Analyse, Tobias Böttger, Michael Poschik und Klaus Zierer, kommen in dieser Frage zu einer klaren Empfehlung: Der Gebrauch digitaler Medien muss aus pädagogischen Gründen reguliert, kontrolliert und begleitet werden. Medienerziehung müsse deshalb zwei Perspektiven umfassen: „Zum einen müssen insbesondere Kinder vor einer inhaltlich und zeitlich unkontrollierten Nutzung von Smartphones geschützt werden.“

Dafür seien auch generelle Verbote insbesondere in Schulen hilfreich, wie es zuletzt die UNESCO in ihrem Global Education Monitoring Report (2023) angesprochen habe. Hierbei sei vor allem an die Grundschule, aber auch an die Unterstufen der weiterführenden Schulen zu denken. „Zum anderen müssen schulische Konzepte entwickelt werden“, argumentiert die Augsburger Forschergruppe in ihrem Artikel, „die Jugendliche an die Nutzung von Smartphones mit Augenmaß heranführen und dabei ein hohes Maß an Selbstreflexion und Eigenverantwortung in den Mittelpunkt stellen.“ Dies erfordere auch seitens der Lehrpersonen nicht nur technische Kenntnisse, sondern vor allem auch Wissen über das Ablenkungspotenzial von Smartphones und deren Einfluss auf Gedächtnis, Aufmerksamkeit und allgemeine kognitive Leistungen. „Es wäre unverantwortlich, die naive Nutzung digitaler Medien unreflektiert in pädagogische Kontexte zu übertragen“, betont Zierer.

Originalpublikation:

Böttger, T.; Poschik, M.; Zierer, K. Does the Brain Drain Effect Really Exist? A Meta-Analysis. Behav. Sci. 2023, 13, 751. https://doi.org/10.3390/bs13090751

Michael Hallermeyer/Universität Augsburg




Verkaufsstopps nach Reis-Test: Norma und Rapunzel reißen Grenzwerte

Ausgerechnet zwei Bio-Produkte übersteigen die Grenzwerte für Schadstoffe

ÖKO-TEST hat je sieben Mal Naturreis, Basmatireis und Risottoreis getestet. Ausgerechnet zwei der Bio-Produkte im Test reißen Schadstoff-Grenzwerte: der Naturreis der Norma-Marke Bio Sonne für das Biozid Dichlorethan, und der Rapunzel Langkorn Spitzenreis natur für das Schwermetall Cadmium. Das Schädlingsbekämpfungsmittel 1,2-Dichlorethan ist in der EU seit Langem verboten. Laut CLP-Verordnung ist es als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft und steht in der EU-Chemikalienverordnung REACH auf der Liste der besonders besorgniserregenden Substanzen.

„Eine geballte Ladung giftiger Schadstoffe auf dem Teller“

Cadmium wiederum ist ein sehr giftiges Schwermetall, das sich im Körper anreichert und zu Nieren- und Knochenschäden führen kann. Der im Labor gemessene Cadmiumgehalt im Rapunzel-Reis übersteigt den EU-Grenzwert sogar um mehr als das Doppelte. Beide Hersteller stoppen den Verkauf der Produkte und erhalten das ÖKO-TEST-Urteil „ungenügend“. „Eine geballte Ladung giftiger Schadstoffe darf bei niemandem auf dem Teller landen. Die Hersteller müssen viel früher ansetzen und bessere Kontrollen etablieren“, sagt Kerstin Scheidecker, ÖKO-TEST-Chefredakteurin. 

Zu viel Arsen und Mineralöl in manchen Produkten

Doch das sind nicht die einzigen Testverlierer mit einer „ungenügenden“ Bewertung: Sowohl der Tegut Naturreis als auch die bekannte Marke Oryza fallen durch, unter anderem wegen Mineralölbestandteilen und zu hohen Arsen-Gehalten in den Testprodukten. Arsen ist in häufiges Problem in Reis – besonders bei Vollkornreis, da es sich in der Schale anreichert. Das krebserregende Schwermetall kommt, genau wie Cadmium, natürlicherweise in Böden vor. Über das Grundwasser gelangt es in die Pflanzen. Im häufig angewandten Nassanbau stehen die Pflanzen für längere Zeit auf gefluteten Feldern und nehmen dadurch besonders viel Arsen auf. 

Drei Risotto Reise mit „sehr gut“ bewertet

Im Test erhalten ein Basmati-Reis und drei Risotto-Reise ein „sehr gutes“ Gesamturteil – darunter auch der italienische Arborio-Reis der Marke Rewe Beste Wahl, der als einziger Reis im Test im klimaschonenderen Trockenanbau kultiviert wurde. 

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Oktoberausgabe des ÖKO-TEST-Magazins und unter oekotest.de/14105

Quelle: Pressemitteilung ÖKO-TEST




In Zeiten der Klimakrise psychisch gesund bleiben

Klimaschutz ist Kinderschutz: Stellungnahme und Einladung zum zweiten digitalen Fachforum Kinder- und Jugendpsychologie

Der Klimawandel schreitet voran, und insbesondere Kinder und Jugendliche sind mit der Bedrohung und den unumkehrbaren Folgen der vom Menschen mit verursachten Klimakrise konfrontiert. Viele Folgen sind bereits beobachtbar und werden mit hoher Wahrscheinlichkeit häufiger auftreten. Auch Kinder und Jugendliche reagieren mit Besorgnis und Angst beim Blick in die Zukunft. „Wir wollen mit unserer Stellungnahme und dem digitalen Fachforum die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen für eine psychisch gesunde Entwicklung anstoßen“, erklärt Prof. Dr. Julia Asbrand, Professorin für Kinder- und Jugendpsychologie an der Universität Jena und Mitbegründerin des digitalen Fachforums Kinder- und Jugendpsychologie. „Dazu gehört auch, mögliche Ursachen der Belastung sowie konkrete Lösungen zu diskutieren, wie zum Beispiel auf individueller Ebene die Stärkung von belasteten Kindern und aus systemischer Perspektive die Neustrukturierung von Schulen.“

Forderungen an die Politik

Aus Sicht der Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und ihrer Interessengruppe Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und -psychotherapie sind insbesondere diese unterstützenden Maßnahmen sinnvoll:

1. Transparente, öffentliche und konsistente Kommunikation der Krise
2. Anpassung an Klimafolgen auf allen Ebenen mit Blick auf Planetary Health: Die physische Infrastruktur (Gebäude, Stadtplanung etc.) sollte mit blick auf Extremwetterereignissen und längerfristigen Veränderungen ausgebaut werden, um deren somatische wie auch klinisch-psychologische Folgen einzudämmen.
3. Ausbau des Angebots der psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung im lokalen Umfeld von Kindern, Jugendlichen und Familien (z. B. Schulen)
4. Stärkung der Forschung zu Auswirkungen der Klimakrise auf die psychische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Familien
5. Substantieller Ausbau des politischen Einbezugs von Kindern, Jugendlichen und Familien

Eine ausführliche Beschreibung der vorgeschlagenen Maßnahmen kann in der Stellungnahme abgerufen werden.

Einladung zum zweiten digitalen Fachforum Klinische Kinder- und Jugendpsychologie

Intensiven Austausch zum Thema soll auch das zweite digitale Fachforum „In Zeiten der Klimakrise psychisch gesund bleiben? Neue Ideen für Kindheit und Jugend wagen“ bieten. Das digitale Fachforum findet am Donnerstag, dem 28.09.2023 von 15:00 – 17:00 Uhr statt.

In kurzen Impulsvorträgen werden vier Vortragende zur Auswirkung von Klimawandel und Klimakrise auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sowie deren gesundes Aufwachsen sprechen. Für Bezugspersonen und Institutionen wie zum Beispiel die Schule sollen Handlungsimpulse vermittelt werden. Das Fachforum richtet sich damit explizit nicht nur an ein Fachpublikum, sondern an alle am Thema interessierten Menschen.

Weiterführende Informationen und Anmeldung zum Fachforum: https://www.dgps.de/schwerpunkte/fachforum-klinische-kinder-und-jugendpsychologie

Dr. Anne Klostermann, Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs)




ADHS als Risikofaktor für andere psychische Erkrankungen

Studie der Universität Augsburg weist auf möglichen Zusammenhang zu psychischen Erkrankungen hin

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neuronale Entwicklungsstörung, die vor allem bei Kindern und Jugendlichen auftritt und in bis zu zwei Dritteln der Fälle bis ins Erwachsenenalter reicht. Weltweit wird die Prävalenz auf etwa fünf Prozent bei Kindern/Jugendlichen und 2,5 Prozent bei Erwachsenen geschätzt. Eine gerade veröffentlichte Studie des Lehrstuhls für Epidemiologie der Universität Augsburg in der renommierten Zeitschrift BMJ Mental Health konnte zeigen, dass ADHS mit schweren Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen, der Essstörung Anorexia nervosa und Selbstmordversuchen in Verbindung steht.

Auf der Suche nach genetischen Beweisen

„In Beobachtungsstudien wurde ADHS mit Stimmungs- und Angststörungen in Verbindung gebracht, aber bisher ist nicht bekannt, ob es in einem kausalen Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen steht“ erklärt Prof. Christine Meisinger, Wissenschaftlerin am Lehrstuhl für Epidemiologie und Erstautorin der Studie. Um dies herauszufinden, verwendeten die Forschenden die Mendelsche Randomisierung, eine Technik, bei der genetische Varianten als Stellvertreter für einen bestimmten Risikofaktor, in diesem Fall ADHS, verwendet werden, um genetische Beweise für ein bestimmtes Ergebnis zu erhalten – in dieser Studie für sieben häufige psychische Erkrankungen: schwere klinische Depression, bipolare Störung, Angststörung, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörung (PTSD), Anorexia nervosa sowie Suizidalität.


Advertorial

Hilfe für Kinder mit ADS oder ADHS

Elisabeth Aust-Claus und Petra-Marina Hammer stellen mit Optimind ein Team-Konzept für die Betreuung von Kindern mit ADS vor: Wenn Eltern, Lehrer und Therapeuten zusammen arbeiten, kann die Lebensqualität der Kinder schnell ver-bessert werden!

  • Alles über ADS: Symptome, Ursachen und Folgen
  • Umfassende Hilfe für Kinder mit ADS: Das Optimind-Konzept
  • Individuell abgestimmte Leitfäden für Eltern, Lehrer:innen und Kinderärzte
  • Bist du ein Zappelphilipp oder ein Träumer? Kindgerechte Erklärung von ADS
  • Mit zahlreichen Fallbeispielen, Checklisten und Tipps für den Alltag mit ADS

Elisabeth Aust-Claus, Marina Hammer: Das ADS-Buch, Neue Konzentrationshilfen für Zappelphilippe und Träumer. 320 Seiten, ISBN: 978-3-96304-038-2, 20 €.


Erkenntnisse über das komplexe Beziehungsgeflecht

„Unsere Studie liefert neue Erkenntnisse über das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen psychiatrischen Störungen, die im Zusammenhang mit ADHS stehen. So gibt es Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen ADHS und einer schweren klinischen Depression. Beide psychischen Störungen können einzeln und gemeinsam das Risiko für eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. einen Suizidversuch vergrößern. Ein erhöhtes Risiko für Anorexia nervosa kann jedoch ausschließlich auf ADHS zurückgeführt werden. Auf der anderen Seite gab es keine Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen ADHS und bipolaren Störungen, Angstzuständen sowie Schizophrenie,“ erklärt Dr. Dennis Freuer, verantwortlich für die statistischen Analysen und Ko-Autor der Studie.

Mendelsche Randomisierung weist methodische Limitationen auf

Auch wenn die Mendelsche Randomisierung methodische Limitationen aufweist, ist sie doch so aussagekräftig, dass die Ergebnisse der aktuellen Studie Klinikerinnen und Kliniker ermutigen sollten, bei der Behandlung von Menschen mit ADHS proaktiver vorzugehen, sagen Meisinger und Freuer. „Diese Studie eröffnet neue Einblicke in die Wege zwischen psychiatrischen Störungen. Daher sollten Patientinnen und Patienten mit ADHS in der klinischen Praxis auf die in dieser Studie untersuchten psychiatrischen Störungen überwacht und gegebenenfalls Präventivmaßnahmen eingeleitet werden“, erklären die beiden Autoren.

Originalpublikation:

Understanding the causal relationships of attentiondeficit/hyperactivity disorder with mental disorders and suicide attempt: a network Mendelian randomisation study, BMJ Mental Health 2023: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37669871/

Corina Härning, Universität Augsburg