Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

umweltstudie

Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind mehrfach belastet

Die Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit (GerES) ist die bundesweit einzige bevölkerungsrepräsentative Erhebung von Schadstoffbelastungen in der Bevölkerung. Mit ihr wird seit fast 40 Jahren die Schadstoff-Belastung im Körper der Menschen und in ihrem Wohnumfeld erfasst.

Zwischen 2014 und 2017 untersuchte das Umweltbundesamt, wie stark Kinder und Jugendliche in Deutschland durch Umwelteinflüsse belastet sind. Zur Studie eingeladen wurden nach statistischen Kriterien ausgewählte Familien. Es wurden 2.294 Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 17 Jahren aus 167 Orten in ganz Deutschland untersucht.

Schwerpunkt des Untersuchungsprogramms bildete das Human-Biomonitoring (HBM) – die Untersuchung körpereigenen Materials. Es wurden Blut- und Urinproben der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf 107 unterschiedliche Umweltschadstoffe untersucht. Außerdem wurden die Umweltbelastungen der Teilnehmenden aus ihrem Wohnumfeld erfasst. Dazu wurden Trinkwasser, Hausstaub und die Innenraumluft untersucht sowie der Schallpegel im Wohnbereich gemessen.

Fazit: Ein Großteil der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen ist mit einer Vielzahl der untersuchten Schadstoffe belastet.

Diese Stoffe besitzen fast ausnahmslos toxikologisch bedenkliche Eigenschaften, daher ist die gleichzeitige Belastung mit mehreren Schadstoffen aufgrund möglicher Mischungseffekte besonders kritisch zu sehen. Die Effekte von Stoffen mit ähnlichen Wirkmechanismen können sich addieren, so dass in Summe eine kritische Belastung erreicht werden kann, auch wenn die Belastung mit den jeweiligen Einzelstoffen als unkritisch bewertet wird. Ein Beispiel hierfür sind die Phthalate BBzP, DnBP, DEHP und DiNP, die als Weichmacher in Kunststoffprodukten dienen. Sie sind als reproduktionstoxisch eingestuft und werden mit verschiedenen anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht. In nahezu allen Teilnehmenden wurden diese vier additiv wirkenden Phthalate gefunden. Darüber hinaus birgt auch die Belastung mit Schadstoffen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen Risiken aufgrund von Mischungseffekten, die jedoch noch nicht ausreichend untersucht worden sind.

31 Stoffe wurden in (fast) allen Teilnehmenden gefunden: Darunter sind Acrylamid, Benzol, Bisphenol A (BPA), Butylhydroxytoluol (BHT), Chlorphenole: 2-Monochlorphenol, 4-Monochlorphenol, 2,4-Dichlorphenol, 2,5-Dichlorphenol, Lysmeral (Butylphenyl Methylpropional), Metalle und Halbmetalle: Arsen, Blei, Quecksilber, Selen und vieles mehr.

Quelle: Umweltbundesamt

Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Studie gibt es hier zum kostenlosen Downoad.




ÖKO-TEST Zahncremes: Abends Elmex, morgens bloß kein Aronal 

Testergebnisse bei 19 von 48 Produkten alles andere als zufriedenstellend

ÖKO-TEST hat 48 Universalzahncremes untersucht und sieht bei 19 Produkten rot. Die Verbraucherschützer kritisieren, dass viele Zahncremes noch immer Titandioxid enthalten. Seit 2022 ist der Weißmacher in Lebensmitteln verboten, weil er eine möglicherweise erbgutverändernde Wirkung hat. In Zahnpasta ist er noch erlaubt. „Weil Zahnpasta verschluckt werden kann, hat Titandioxid in den Tuben aus unserer Sicht nichts mehr zu suchen“, kritisiert Kerstin Scheidecker, ÖKO-TEST-Chefredakteurin. 

Auch das aggressive Tensid  Natriumlaurylsulfat, das die Mundschleimhäute angreifen kann, soll laut ÖKO-TEST in keiner Zahncreme-Rezeptur enthalten sein. Bei den getesteten Naturkosmetikprodukten fehlt es einigen an Fluorid, das für einen wirksamen Kariesschutz wichtig ist. Gleichzeitig enthalten manche der fluoridfreien Pasten im Test das Schwermetall Blei, das sich im Körper anreichern und das Nervensystem schädigen kann. In der Terra Natura Biodent Basics, ohne Fluoride zeigen die Laborergebnisse sogar Arsen in einer Menge, die ÖKO-TEST alamiert. Arsen kann in anorganischer Form bereits in geringen Dosen Krebs auslösen und bei langfristiger Aufnahme Entwicklungs- und Nervenstörungen verursachen.

Nur neun von 48 getesteten Universalzahncremes sind aus ÖKO-TEST-Sicht „sehr gut“. Zu den Testsiegern gehören die Eurodont Zahncreme Coolfresh von Aldi und das Naturkosmetikprodukt Alverde 5 in 1 Zahncreme Nanaminze von Dm.

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Aprilausgabe des ÖKO-TEST Magazins und unter: oekotest.de/13634 .

Quelle: Öko Test




DAK-Studie: In der Pandemie hat sich die Mediensucht verdoppelt

Über 600.000 Jungen und Mädchen zeigen ein pathologisches Nutzungsverhalten

In der Pandemie hat sich laut einer Studie der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) zufolge die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen verdoppelt. Inzwischen wären demnach mehr als sechs Prozent der Minderjährigen abhängig von Computerspielen und sozialen Medien. Damit würden über 600.000 Jungen und Mädchen ein pathologisches Nutzungsverhalten zeigen. Auch die Medien-Nutzungszeiten sind seit 2019 um ein Drittel gestiegen.

Das zeigt eine aktuelle gemeinsame Längsschnittstudie der DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Der Vergleich der digitalen Mediennutzung von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern in bundesweit 1.200 Familien an fünf Messzeitpunkten der vergangenen vier Jahre gilt als weltweit einzigartig. Erstmals wurde jetzt auch das Suchtpotential beim Streaming und körperliche Probleme untersucht. DAK-Vorstandschef Andreas Storm und Mediziner sehen eine alarmierende Entwicklung und fordern mehr Prävention und Hilfsangebote für die Betroffenen.

Nach der aktuellen Studie von DAK-Gesundheit und UKE Hamburg stieg die Zahl abhängiger Kinder und Jugendlicher bei Computerspielen von 2,7 Prozent im Jahr 2019 auf 6,3 Prozent im Juni 2022. Hochgerechnet haben damit rund 330.000 Jungen und Mädchen nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine krankhafte Gaming-Nutzung mit schweren sozialen Folgen. Die aktuellen Ergebnisse Längsschnittstudie zeigen: Rund 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche nutzen Gaming, Social Media oder Streaming problematisch, das heißt sie sind von einer Sucht gefährdet oder bereits betroffen. Im Bereich Social Media verdoppelte sich die Mediensucht von 3,2 auf 6,7 Prozent mit rund 350.000 Betroffenen. Laut Studie zeigen rund 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche eine problematische Nutzung bei Computerspielen und oder sozialen Medien.

DAK-Chef Storm: Die Zukunft vieler junger Menschen ist bedroht

„Die aktuellen Zahlen und die Entwicklung in der Pandemie sind alarmierend“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird, rutschen immer Kinder und Jugendliche in die Mediensucht und der negative Trend kann nicht mehr gestoppt werden. So würden Familien zerstört und die Zukunft vieler junger Menschen bedroht.“ Als Reaktion müssten Prävention und Hilfsangebote ausgebaut werden und neue Akzente in der Bildungs- und Familienpolitik gesetzt werden. „Es ist eine neue Entwicklungsaufgabe von Politik und Gesellschaft, dass Kinder und Jugendliche lernen, die Risiken der Nutzung digitaler Medien einschätzen zu können und ihr Nutzungsverhalten zu reflektieren, damit sie die Möglichkeiten der digitalen Welt langfristig für ihr privates und berufliches Leben konstruktiv nutzen können.“ Ein richtiger Ansatz sei der Einsatz von Mental Health Coaches in Schulen, wie er von Bundesfamilienministerin Lisa Paus geplant sei.

Nutzungszeiten über Vor-Pandemie-Niveau

Laut Studie von DAK-Gesundheit und UKE-Hamburg sind Nutzungszeiten von Computerspielen und Social Media weiter angestiegen. Nach einer starken Zunahme im ersten Corona-Lockdown im April 2020 gab es zunächst einen Rückgang. Diese positive Entwicklung setzte sich jedoch nicht fort: Im Juni 2022 lagen die Nutzungszeiten beim Gaming mit 115 Minuten an Werktagen knapp 34 Prozent höher als im September 2019 vor der Pandemie. Einen ebenso deutlichen Anstieg gab es im gleichen Zeitraum bei den sozialen Medien mit 35,5 Prozent von 121 Minuten auf 164 Minuten täglich.

Körperliche Beschwerden durch exzessive Mediennutzung

Erstmals untersuchte die Studie auch die körperlichen Auswirkungen exzessiver Mediennutzung. Das Ergebnis: Ein Drittel der Befragten klagt nach mehrstündiger Nutzung von digitalen Geräten über Nackenschmerzen (32,1 Prozent). 23,4 Prozent haben trockene oder juckende Augen, 16,9 Prozent gaben an, Schmerzen im Unterarm oder der Hand zu haben.

Rückgang bei Streamingzeiten

Seit November 2020 untersucht die Studie auch das Streamingverhalten von Kindern und Jugendlichen. Hier zeigte sich einen Rückgang im Vergleich zum vorherigen Messzeitpunkt: Im Juni 2022 streamten die Befragten an einem durchschnittlichen Werktag 107 Minuten Videos und Serien. Die Zahlen liegen damit auf einem ähnlichen Niveau wie 2020 (104 Minuten) und deutlich niedriger als 2021 (170 Minuten). Insgesamt nutzten rund 733.000 Kinder und Jugendliche Streaming riskant, 2,4 Prozent zeigen ein pathologisches Nutzungsverhalten. Das entspricht rund 126.000 Betroffenen.

Große Schnittmengen bei problematischer Nutzung

Das Ausmaß der Gesamtproblematik wird insbesondere bei der Betrachtung der Schnittmengen deutlich: 5,1 Prozent aller Befragten zeigen eine problematische Nutzung von Gaming und Social Media, was rund 270.000 Betroffenen entspricht. 1,1 Prozent nutzt darüber hinaus auch Streaming-Angebote problematisch – 58.000 Kinder und Jugendliche wären damit von diesem riskanten Dreiklang betroffen.

Prof. Thomasius: Mediennutzung gegen Einsamkeit und Stress

„Die Ergebnisse unserer Studie machen erneut deutlich, dass die andauernde Covid-19-Pandemie unseren Umgang mit digitalen Medien nachhaltig verändert hat und dass insbesondere Kinder und Jugendliche unter den Einschränkungen litten“, sagt Prof. Dr. Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) im UKE. „Trotz zunehmender Lockerungen der Corona-Verordnungen bleiben digitale Medien weiterhin ein wichtiger Bestandteil in der Aufrechterhaltung von Kontakten, der Bekämpfung von Langeweile oder der Beschaffung von Informationen. Sie können bei manchen aber auch dazu dienen, Gefühle von Einsamkeit, sozialer Isolation und Kontrollverlust, aber auch Stress und andere negative Gefühle zu kompensieren. Diese Nutzerinnen und Nutzer sind besonders gefährdet, eine Sucht zu entwickeln.“ Nach Einschätzung des Suchtexperten Thomasius führt eine exzessive Mediennutzung oft zu Kontrollverlust mit weitreichenden Folgen. „Da persönliche, familiäre und schulische Ziele in den Hintergrund treten, werden alterstypische Entwicklungsaufgaben nicht angemessen gelöst“, erklärt er. „Ein Stillstand in der psychosozialen Reifung ist die Folge. Die Ergebnisse unserer Studie machen einmal mehr deutlich, wie wichtig Präventions- und Therapieangebote für Kinder und Eltern sind.“

Jungen häufiger von Sucht betroffen

Insgesamt sind Jungen häufiger suchtgefährdet oder bereits von einer Sucht betroffen als Mädchen – insbesondere beim Gaming. So zeigen 18,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen eine problematische Nutzung digitaler Spiele. Davon sind 68,4 Prozent Jungen. Bei den sozialen Medien, die 23,1 Prozent aller Befragten problematisch nutzen, ist die Verteilung mit 52,1 Prozent (Jungen) bzw. 47,9 Prozent (Mädchen) hingegen etwas ausgewogener. Im Hinblick auf die Altersstruktur zeigt sich, dass besonders ältere Jugendliche deutlich häufiger eine Abhängigkeit von digitalen Medien zeigen.

„Auch nach der Corona-Pandemie ist eine riskante Mediennutzung bei vielen Kindern und Jugendlichen Alltag“, sagt Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ). „Jetzt ist es wichtiger denn je, die Prävention zu stärken, allen voran im schulischen Bereich. Ebenso wichtig ist aber auch die Früherkennung von Mediensucht, beispielsweise durch ein Mediensuchtscreening in der Kinder- und Jugendarztpraxis.“

Weltweit einzigartige Untersuchung

Die repräsentative DAK-Längsschnittstudie zur Mediennutzung im Verlauf der Corona-Pandemie untersucht die Häufigkeiten pathologischer und riskanter Nutzung von Spielen, sozialen Medien und Streamingdiensten bei Kindern und Jugendlichen basierend auf den neuen ICD-11-Kriterien der WHO. Bundesweit wurden rund 1.200 Familien nach ihrem Medienverhalten befragt. Die DAK-Gesundheit führt dazu gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in mehreren Wellen Befragungen durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa durch. Dafür wird eine repräsentative Gruppe von Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zehn und 17 Jahren mit je einem Elternteil zu ihrem Umgang mit digitalen Medien an bisher fünf Messzeitpunkten befragt. Nach den Befragungen im September 2019, im April 2020, im November 2020 und im Mai 2021 spiegeln die aktuellen Erkenntnisse die Ergebnisse der jüngsten Befragung im Juni 2022 wider. Die Studie, die Zusammenhänge zwischen Nutzungsmustern, Nutzungsmotiven und familiären Nutzungsregeln über den Verlauf der Pandemie hinweg untersucht, ist weltweit einmalig.

Hotline und Online-Anlaufstelle

Für Kinder und Jugendliche, die ein problematisches Mediennutzungsverhalten haben, sowie für deren Eltern hat die DAK-Gesundheit gemeinsam mit dem DZSKJ eine Online-Anlaufstelle Mediensucht entwickelt: Auf www.mediensuchthilfe.info erhalten Betroffene und deren Angehörige Informationen und Hilfestellungen rund um die Themen Gaming-, Social-Media- und Streaming-Sucht. Am Mittwoch, den 29. März, stellt das DZSKJ darüber hinaus eine Hotline für betroffene Kinder und Jugendliche sowie deren Angehörige bereit. Unter der Telefonnummer 0800 2 800 200 geben Suchtexpertinnen und -experten des UKE von 9 bis 16 Uhr Antworten auf Fragen rund um das Thema Mediensucht. Das Serviceangebot ist kostenlos und steht Versicherten aller Kassen offen.

Quelle: Pressemitteilung, DAK




Heinz-Ketchup erhält die Testnote „ungenügend“

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ÖKO-TEST: Problem mit Schimmelpilzgiften und Transparenz

Jede Menge Schimmelpilzgifte und Zucker kaufen laut einem aktutellen Test des Magazins ÖKO-TEST Verbraucher mit dem Heinz Tomato Ketchup ein. Ausgerechnet der Marktführer fällt durch. Immerhin: Neun von 20 getesteten Produkten können die Verbraucherschützer empfehlen. 

Laut ÖKO-TEST überschreitet Heinz den EU-Richtwert für Alternariol-Schimmelpilzgifte und erreicht ein Vielfaches dieses Werts. Zell- und neuerdings auch Tierstudien weisen darauf hin, dass diese Toxine das Erbgut schädigen können. Den Richtwert hat die EU im Rahmen einer Empfehlung zur Überwachung von Alternaria-Toxinen in Lebensmitteln veröffentlicht. Außerdem überschreitet der Testverlierer die ÖKO-TEST-Zuckermarke: Der Heinz-Ketchup enthält mehr als 25 Gramm Zucker pro 100 Milliliter. Zur Einordnung: Mit einer 30-Milliliter-Portion dieses Ketchups hätte ein dreijähriges Kind bereits mehr als die Hälfte der Menge an Zucker intus, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für einen ganzen Tag empfiehlt. ÖKO-TEST kritisiert aber nicht nur den Inhalt der Flasche – Heinz fällt auch in Sachen Transparenz durch. „Dass ausgerechnet der Marktführer keinerlei Bereitschaft zeigt, Angaben zu Lieferketten, Herkunft der Tomaten, Arbeitsbedingungen oder Umweltbemühungen zu machen, ist ein Armutszeugnis“, sagt Kerstin Scheidecker, ÖKO-TEST-Chefredakteurin.

Tomaten sind weltweit ein gefragtes Lebensmittel. Der Kampf um einen niedrigen Preis geht oft auf Kosten von Umwelt und Arbeitsbedingungen. China ist mit Abstand der größte Tomatenproduzent weltweit und in Xinjiang, der Hauptanbauregion für Tomaten, arbeiten nach Angaben der vereinten Nationen auch Zwangsarbeiter auf den Feldern. Die Mehrzahl der Hersteller im Test bemüht sich um Transparenz und liefern Belege. Besonders vorbildlich sind dabei sechs Bio-Ketchup-Hersteller, die ÖKO-TEST den Weg ihrer Tomaten vom Feld bis zur Ketchupflasche offengelegt haben. In puncto ökologische und soziale Herstellungsbedingungen haben sie im Schnitt ebenfalls die Nase vorne.

Auch die Sensorik spielt eine Rolle im Ketchup-Test – mit dem Ergebnis: Guter Geschmack braucht keinen übermäßigen Zucker. Zwei Produkte überzeugen in allen Testkategorien und erreichen das Gesamturteil „sehr gut“: der Bio-Ketchup von Zwergenwiese und der günstige Penny Tomaten Ketchup.

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Märzausgabe des ÖKO-TEST Magazins und auf der Website oekotest.de/13517




Deutsches Kinderhilfswerk: Schluss mit Werbung für ungesunde Lebensmittel

Eine „Werbebeschränkung light“ würde ihr Ziel nur verfehlen

Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) begrüßt das Vorhaben von Bundesernährungsminister Cem Özdemir zur Regulierung des Kindermarketings für ungesunde Lebensmittel. Die Pläne sind aus Sicht der Kinderrechtsorganisation eine gute Grundlage, um die Gesundheit von Kindern durch eine Einschränkung von Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett oder Salz zu schützen. Damit ist das Vorhaben ein zentraler Baustein für mehr Kindergesundheit und ein wichtiger Schritt, um Familien dabei zu unterstützen, Kindern eine gesunde Ernährungsweise nahezubringen.

Kinderschutz muss Vorrang vor Interessen der Produzenten haben

„Die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet die Bundesregierung bei den anstehenden Regulierungsfragen sehr eindeutig: Der Schutz von Kindern muss hier Vorrang vor den Interessen der Produzenten ungesunder Lebensmittel haben. Gleichzeitig braucht es neben dem Verbot auch weitere Investitionen in die Medien- und Ernährungskompetenz der Kinder. Wir brauchen für den Bereich des Kindermarketings zum Schutz der Kinder und Jugendlichen eine umfassende Regelung, die nicht nur die klassische Werbung im Fernsehen umfasst. Wichtig sind beispielswiese auch Beschränkungen für Influencerinnen und Influencer in den sozialen Medien oder eine Bannmeile im Umkreis von Kitas, Schulen und Spielplätzen. Als Grundlage bei der Frage, welche Lebensmittel als ungesund gelten, sollten die Nährwertempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO dienen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des DKHW.

Eine ausgewogene Ernährung ist elementar für die Gesundheit

Eine ausgewogene Ernährung ist elementar für die Gesundheit, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Doch das aktuelle Ernährungsverhalten ist von starken Missverhältnissen geprägt: So verzehren Kinder und Jugendliche etwa doppelt so viele Süßwaren, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Auch der Fleisch- und Wurstverzehr ist deutlich zu hoch. Dabei beeinflusst Werbung nachweislich die Präferenzen und das Essverhalten von Kindern und Jugendlichen.

Eine „Werbebeschränkung light“, die lediglich im Umfeld klassischer Kindersendungen greift, würde laut DKHW ihr Ziel verfehlen. Deshalb sollte zukünftig Werbung für ungesunde Lebensmittel von 6 bis 23 Uhr im Fernsehen, Radio und in Streamingdiensten verboten sein. Influencerinnen und Influencer sollten grundsätzlich nur Werbung für gesunde Lebensmittel machen dürfen, wenn diese sich an Kinder richtet. Außerdem ist im Bereich der Außenwerbung eine 100-Meter-Bannmeile für Ungesundes um Schulen, Kitas und Spielplätze wichtig. 




Zucker in Kinderlebensmitteln

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ÖKO-Test: Dreiste Werbung auf viel zu süßen Kinderlebensmitteln

ÖKO-TEST hat 40 Kinderlebensmittel unter die Lupe genommen und hat Anlass zu scharfer Kritik: Viele Babybreie, Cerealien oder Milchprodukte werben mit bunten Comicfiguren und machen auf gesund. Dabei enthalten die meisten Produkte viel zu viel Zucker. Negativer Spitzenreiter im Test: die Kellogg’s Frosties mit 37 Prozent Zucker.

Immer mehr Kinder leiden an Übergewicht und Krankheiten wie Typ-2-Diabetes.

Das nimmt ÖKO-TEST zum Anlass, den Zuckergehalt in Kinderlebensmitteln sowie die Werbung auf den Verpackungen zu bewerten. Im Test: Babybreie, Quetschies, Baby- und Kinderkekse, Cerealien, Ketchups und Tomatensaucen sowie Milchprodukte. Fast alle Produkte sind für Eltern und Kinder besonders ansprechend gestaltet und vermitteln den Eindruck, speziell auf die Bedürfnisse der Kleinen zugeschnitten zu sein. Das Ergebnis zeigt, dass die Aufmachung täuscht: In 29 von 40 Produkten ist der Zuckergehalt aus ÖKO-TEST-Sicht „zu hoch“. Auf insgesamt 33 Produkten bewertet ÖKO-TEST die Werbung als „problematisch“. 

Häufig tricksen die Hersteller auf Kosten der Kinder.

Aussagen wie „weniger Zucker“, „ohne Zuckerzusatz“, „Süße nur aus Früchten“ oder „mit viel guter Milch“ sind aus Sicht der Verbraucherschützer angesichts der hohen Zuckergehalte völlig unangebracht. „Viele der getesteten Produkte sind alles andere als gesund, auch wenn etwas anderes suggeriert wird. Dass die Industrie Kinder in der Werbung mit kindgerecht gestalteten Zuckerbomben ansprechen darf – damit muss endlich Schluss sein“, sagt ÖKO-TEST Chefredakteurin Kerstin Scheidecker.

Die Frankfurter Verbraucherschützer orientieren sich bei ihrer Bewertung am Nährwertprofil-Modell der WHO-Europa, das unter anderem Zucker-Höchstgehalte für verschiedene Lebensmittelgruppen vorsieht und Kindermarketing im Falle einer Überschreitung missbilligt. Für Frühstückscerealien liegt die WHO-Kinder-Werbegrenze bei 15 Milligramm pro 100 Gramm. 

Die Kellogg’s Frosties mit dem freundlichen Tiger enthalten mehr als das Doppelte und damit mehr Zucker als alle anderen Testprodukte: 37 Gramm Zucker pro 100 Gramm Cerealien. Mit einer 40-Gramm-Portion Frosties haben Kinder zwischen 1 und 3 Jahren bereits 99 Prozent der Zuckermenge zu sich genommen, die die WHO für den ganzen Tag toleriert. Es geht aber auch anders: Das Dm Bio Knuspermüsli für Kinder enthält 8,5 Gramm Zucker pro 100 Gramm, was pro Portion 23 Prozent der täglich tolerierten Zuckermenge entspricht – „in Ordnung“ lautet hier das ÖKO-TEST-Urteil.

Eltern unterschätzen den Zuckergehalt

 Eine Studie des Max-Planck-Instituts von 2018 zeigt, dass Eltern den Zuckergehalt in den Lebensmitteln ihrer Kinder massiv unterschätzen. Laut der DONALD-Studie des Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE) decken sechs- bis zehnjährige Kinder ihre Energiezufuhr zu mehr als 17 Prozent über zugesetzten Zucker – höchstens zehn Prozent sind eigentlich empfohlen. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist es sogar noch mehr. Die Folge: 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gelten heute als übergewichtig, sechs Prozent sogar als fettleibig. 

Alle getesteten Kinderlebensmittel und weitere Informationen finden Sie in der Märzausgabe des ÖKO-TEST Magazins und auf der Website oekotest.de/13567




95 % der pflegenden Eltern fühlen sich überfordert

Neue Studie zur Kinderpflege zu Hause weist auf vielfältige Herausforderungen für Pflegende hin

2021 waren 271.838 Kinder in Deutschland pflegebedürftig ( BMG 2021). Für die Pflege schwerkranker und pflegebedürftiger Kinder bringen pflegende Eltern wöchentlich mehr als 40 Stunden auf – mehr als für einen durchschnittlichen Vollzeitjob in Deutschland. Das zeigt die neue pflege.de-Studie zur Kinderpflege zuhause. 95 Prozent pflegender Eltern fühlen sich zumindest teilweise mit der Pflege ihres Kindes überfordert. Wie die Studie zeigt, hat dies komplexe Gründe. Anlässlich der aktuell immer noch angespannten Situation in Kinderkliniken ist es umso wichtiger, die Aufmerksamkeit auf diese oft unsichtbare gesellschaftliche Gruppe zu richten.

pflege.de-Studie zeigt: Kinderpflege findet bei 92 Prozent zuhause statt und wird hauptsächlich von den Müttern übernommen

Die Pflegesituation von Kindern mit Pflegebedarf ist fast immer gleich: 92 Prozent der Kinder werden in den eigenen vier Wänden der Familie gepflegt. Die Kinderpflege übernehmen hauptsächlich die Mütter: 87 Prozent der Hauptpflegepersonen von pflegebedürftigen Kindern sind Mütter.

Ursache für die Pflegebedürftigkeit bei Kindern: Meist eine Behinderung von Geburt an

Die Gründe für eine Pflegebedürftigkeit bei Kindern sind vielfältig – oft kommen mehrere Faktoren zusammen. Bei 60 Prozent der Kinder aus der pflege.de-Studie ist der Pflegebedarf durch eine Behinderung von Geburt an bzw. eine Erbkrankheit oder einen Gendefekt begründet. 48 Prozent sind aufgrund einer psychischen oder neurologischen Störung oder Erkrankung pflegebedürftig. Eine chronische Erkrankung (23 Prozent) oder eine Krebserkrankung (14 Prozent) werden ebenfalls als Ursachen für die Pflegebedürftigkeit angegeben.

Vollzeitjob Kinderpflege: Eltern pflegen meist mehr als 40 Stunden pro Woche

Der zeitliche Aufwand für pflegende Eltern ist groß: 61 Prozent der Befragten bringen mehr als 40 Stunden wöchentlich für die Pflege ihres Kindes auf. Im Vergleich: Die gewöhnliche Wochenarbeitszeit von Erwerbstätigen in Deutschland beträgt 34,8 Stunden. Kein Wunder, dass 95 Prozent der Befragten angeben, zumindest teilweise mit der Kinderpflege überfordert zu sein.

Hauptbelastungsfaktor in der häuslichen Kinderpflege ist die Bürokratie

Anträge über Anträge: Wer sein Kind zuhause pflegt, muss sich mit einer Vielzahl an Anträgen und Papierkram auseinandersetzen. Für 81 Prozent ist genau das die größte Belastung bei der Kinderpflege – weit mehr als die körperliche Herausforderung, die die Pflege stellt (25 Prozent). Die mentale und emotionale Belastung (78 Prozent) wiegt hingegen fast ebenso schwer wie die Last, die durch den Versuch Familie, Beruf und Pflege zu vereinbaren, entsteht (76 Prozent). 59 Prozent der befragten Eltern wünschen sich deshalb mehr Entlastungsangebote.

Mehr dazu gibt’s im vollständigen Ergebnisbericht – inklusive grafisch aufbereiteter Studienergebnisse, fachlichen Ratschlägen aus der Kindermedizin sowie praktischen Tipps von drei pflegenden Müttern: https://www.pflege.de/pflegende…/pflegebeduerftige-kinder/




Die gesunde Entwicklung des Kindes begleiten und stärken

Gesundheit als Zustand, in dem Leib, Seele und Geist selbstregulierend zusammenwirken

Gesundheit ist nicht unbedingt nur eine Frage der naturwissenschaftlichen Definition, sondern unter anderem im anthroposophischen Sinne ein Zustand des einzelnen Menschen, in dem Leib, Seele und Geist in individueller Weise selbstregulierend zusammenwirken. Diesen Zustand kann jeder in sich finden und für sich selber gewinnen. Gesundheit ist höchst individuell wie das Erleben von Zufriedenheit, von innerer Übereinstimmung mit sich selbst und mit der Welt. Ein gesundes Leben ist nicht ein Leben ohne Krankheit, sondern vielmehr ein Leben mit den „Fähigkeiten, die Hindernisse, Störungen und Gefährdungen im Leben bewältigen zu können; die eigenen Werte und Ziele zu kennen und ihnen entsprechend zu leben“ (Treichler 2020, S. 44).

Zur gesunden Entwicklung in den ersten Jahren

Die waldorfpädagogische Methode betrachtet das sich entwickelnde Kind im Zusammenwirken von Körper, Seele und Geist (geistiger Individualität): das Leiblich-Physiologische und das Geistig-Seelische dürfen nicht getrennt gesehen werden, denn sie gehen ineinander über und bilden das Ganze der sich frei entwickelnden Individualität. Dies erfordert ein sensibles, ein feinfühlendes Wahrnehmen der individuell einzigartigen Entwicklung des Kindes, auf das die Waldorferzieherin situationsorientiert antwortet.

Für die ersten Lebensjahre bis zum Schuleintritt stehen ein gesundes körperliches Wachsen, also Leibbildung, im Zentrum, die grundlegend für die spätere Entwicklung der Vorstellungen und des Gedächtnisses ist. Eine Vorverlegung schulischer Lernprozesse in das Kindergartenalter würde diese ganzheitliche Entwicklung der Leibeskräfte beeinträchtigen. Der lebendige Organismus, der als Urphänomen des Lebendigen zu verstehen ist, entwickelt sich als Ganzheit, entfaltet eigenständig seine Potenziale und bringt so aus eigener Kraft seine leiblich-seelische Gestalt in rhythmisch gestalteter Selbstregulation hervor, die durch vorzeitiges Eingreifen und gezieltes einseitiges Fördern bestimmter Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht gestört werden darf. Wird dies nicht beachtet, dann kann es zu gesundheitlichen Fehlentwicklungen bis hin zu einer Vielzahl chronischen Erkrankungen führen (Soldner 2020, S. 45 ff.).

Die Waldorferzieherin folgt dem integrierten pädagogisch-medizinischen Konzept, das im gesundheitsfördernden (salutogenetischen) Ansatz zu finden ist und für die „resiliente Erziehung in Familie, Krippe, Kita und Grundschule“ näher erläutert wurde (Neuhäuser/Klein 2019, S. 111 ff.): Es geht um eine bewusste Gesundheits- und Resilienzförderung, um Entfaltungsspielräume für die Entwicklung eines gesunden Gedanken-, Gefühls- und Willenslebens, das am Beispiel des von der Waldorferzieherin Gabriele Scholz gestalteten integrativen Kindergartens in allen Einzelheiten veranschaulicht wird: Sie zeigt, wie das Wahrnehmen und Tätigsein des Kindes in überschaubare Lebenszusammenhänge einzubetten ist, damit es die Welt zunehmend als verstehbar, handhabbar und sinnhaft erlebt und sein Kohärenzgefühl stärkt (Kapitel 4).

Zur Gesundheitserziehung

Das moderne Konzept der Salutogenese (Salus, lat.: Heil, Ganz, Unversehrtheit, Glück; Genese, griech.: Entstehung, Entwicklung) geht nicht der Frage nach, warum Menschen krank werden. Es setzt positiv an, wechselt die Perspektive, fragt nach den Quellen der Gesundheit und zeigt, wie eine Stärkung der autonomen Kraft erfolgen kann. Salutogenese lässt das Krankheitsmodell, das pathogene, d. h. krankmachende Faktoren beschreibt, hinter sich und fragt nach den gesundheitserhaltenden und -fördernden Faktoren, nach den positiven personalen Ressourcen. Es versteht Gesundheit als Fähigkeit, sich mit Problemen sinnvoll auseinanderzusetzen und zur Lebenstüchtigkeit beizutragen (Glöckler 2003, S. 22).
Im salutogenetischen Verständnis ist also Gesundheit mehr als Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit ist ein dynamisches Geschehen, das mit folgenden Merkmalen beschrieben werden kann, die eng miteinander zusammenhängen und nur theoretisch unterschieden werden:

  • Körperliches Wohlbefinden,
  • eine positive Grundhaltung zur Welt,
  • ein hohes Selbstwertgefühl, das sich selbst akzeptiert und achtet, sich selbst als wertvoll erlebt,
  • Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Selbstwirksamkeit, sich zutrauen gestellte Aufgaben zu lösen, weil man sich der eigenen Kompetenz sicher ist,
  • sich bewusst sein, die gegebene und aufgegebene Situation durch eigenes Handeln beeinflussen zu können und in problematischen Situationen sich selbst helfen können oder bei anderen Menschen Hilfe suchen. Vertrauen in die eigene Belastbarkeit, sich zutrauen auftretende Probleme, Schwierigkeiten oder Belastungen auszuhalten. Dieses Selbstvertrauen geht mit dem Gefühl einher, die Ereignisse selbst kontrollieren zu können und die Bedrohungen als Herausforderungen zu betrachten.

Neben diesen Merkmalen steht das Kohärenzgefühl im Zentrum des salutogenetischen Prinzips, das als innere Einstellung und Haltung gegenüber der Welt und dem eigenen Leben beschrieben werden kann. Es entwickelt sich weitgehend in der frühen Kindheit. Daher kommt dieser Zeit die entscheidende Bedeutung für die Gesundheit im späteren Leben zu. Die Ausbildung des Kohärenzgefühls hängt im hohen Maße von Faktoren der Umgebung ab. Der entscheidende Protektivfaktor für eine gesunde Entwicklung ist das Befriedigen elementarer Bedürfnisse in den sozialen Beziehungen.
Die gesundheitserzieherische Aufgabe in der frühen Kindheit besteht darin, dem Kind sein individuelles Gefühl von Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit/Bedeutsamkeit sowie Handhabbarkeit/Bewältigbarkeit durch sensibles Begleiten entwickeln zu helfen (Neuhäuser/Klein 2019, S. 115).

Zu dieser Unterstützung gehören im Hinblick auf

  • Verstehbarkeit: Ein Gefühl von Verstehbarkeit bringt zum Ausdruck, dass der Mensch fähig ist, Reize als geordnete und strukturierte Informationen verarbeiten zu können und nicht mit Reizen konfrontiert zu sein, die chaotisch, willkürlich und unerklärlich sind.
  • Deshalb darf das Kind nicht mit Angeboten und Reizen überflutet und im „Reizchaos“ nicht allein gelassen werden. Vielmehr ist es einfühlsam und behutsam zu begleiten und die neuen Lernangebote sind situationsorientiert zu strukturieren und durchschaubar zu machen.
  • Sinnhaftigkeit/Bedeutsamkeit: Im Gefühl des Sinnhaften und Bedeutsamen drückt sich das Ausmaß aus, in dem der Mensch das Leben als emotional sinnvoll empfindet und sich den Anforderungen des Lebens als willkommenen Herausforderungen stellt. Das Kind erfahren lassen, dass eine positiv gestimmte Einstellung und Haltung zum Leben seine Kräfte und Energien zur Bewältigung der Aufgaben freisetzt. Es macht in den Übungs- und Lernfeldern die Grunderfahrung, dass sich Anstrengung lohnt und entdeckt den Sinn der anstrengenden und herausfordernden Arbeit. Hier übt und lernt das Kind gesundheitsbewusst.
  • Handhabbarkeit/Bewältigbarkeit: Dieses Gefühl entspricht der Überzeugung des Menschen, dass Schwierigkeiten und Probleme lösbar sind. Das Kind Selbstwirksamkeit erfahren lassen, es fühlen lassen, dass sich Mühen und Anstrengungen lohnen, damit es selbst durch sein Tun zur Lösung (Ergebnis, Ziel) kommt. Hier erlebt es seine eigenen Kompetenzen und Ressourcen. Und es erkennt, wenn es an seine Grenzen stößt und nicht weiterkann, dass es vertrauensvoll die Erzieherin um Hilfe bitten kann – ganz im Sinne von Montessoris Leitsatz „Hilf mir, es selbst zu tun“.

Das Kind ist als „ganzes Sinnesorgan“ mit der Welt verbunden

Die Waldorferzieherin achtet das körperliche, soziale und seelische Wohlbefinden in den ersten sieben Jahren (erstes Jahrsiebt), das für die individuellen Entwicklungs- und Lernprozesse in den folgenden Jahren entscheidend ist. Sie gestaltet die Umgebung so, dass jedes Kind seine Körperkräfte durch Pflege der leiblich-sinnlichen Wahrnehmungen und schöpferische Bewegungen stabilisiert und dadurch sein Ich stärkt.

Die Pflege beachtet vier grundlegende körperbezogene Sinne (Tastsinn, Lebens- und Vitalsinn, Bewegungssinn, Gleichgewichtssinn) durch die es seine bewegungserfüllten Sinnes- und Naturerfahrungen machen kann, die zu bleibenden Verknüpfungen (Synapsen) zwischen Nervenzellen und Gehirn führen. Durch diese ganzheitlichen Welterfahrungen, mit denen sich das Kind eng verbunden fühlt, formt es sein Ich, das nicht zwischen dem Innen- und Außenraum trennt.

Das Kind ist als „ganzes Sinnesorgan“ mit der Welt verbunden und befragt diese in immer wieder neuen Versuchen neugierig. Dadurch übt es auf seine ganz persönliche Art seine logische Denkweise aus und entwickelt sein Denken (kognitive Schemata) sinnbezogen weiter, was aber nichts mit dem Anstreben von Lernzielen zu tun hat. Es lebt in seinem Körper und bildet sein Selbst- und Welterleben.

Von diesen vielfältigen und phantasievollen Welt- und Selbsterfahrungen lässt sich die Waldorferzieherin inspirieren und antwortet dem Kind wie ein Spiegel auf Augenhöhe. Sie ist dem Kind nahe, lässt sich vom ihm führen, überwindet durch intuitives Mitgehen mit dem Kind das Herrschaftsverhältnis und wandelt es zu einem Dienstverhältnis. Dienst war der ursprüngliche Sinn von Erziehung: Erziehung ist dienen und nicht herrschen.

In diesem feinfühlend und vertrauensvoll gestalteten Erziehungsraum wird das Kind Subjekt seiner Bildung: Es kann das tun, was es will, und es kann auch in schier unlösbaren Situationen die Erzieherin fragen und um Hilfe bitten. Als autonom handelnde Persönlichkeit wird es „Baumeister seiner Selbst“ (Montessori) und die Erzieherin kann seinen Impulsen intuitiv nachspüren: Es erlebt sich in Freiheit mit der Umgebung und gestaltet sein phantasiereiches Handeln und Spielen (Freispiel).
Der Schlüsselbegriff der gesunden Entwicklung ist die Selbsttätigkeit des Kindes, das sich durch eigenes Handeln das aneignet, was in der Welt wirkt. Seine Sinneseindrücke werden nicht passiv aufgenommen, sondern innerlich nacherlebt (nachgebildet). Beim aufmerksamen Wahrnehmen (Sehen und Hören) macht sich das Kind sein Bild von der erlebten Welt und gestaltet diese auf seine Weise nach und beim Hören von Märchen, Liedern oder Reimen übt es das Gehörte ganz individuell.

Bei diesem Selbstaneignen der Welt kommt es nicht auf bereits schöne und eindeutige vorgefertigte Gegenstände an. Eine Puppe, die in voller Pracht da ist, gibt dem Kind keinen Spielraum mehr für eigenes schöpferisches Tun und es kann mit seiner Phantasie nicht mehr das gestalten, was es will. Sie ist ja bereits fertig. Hingegen eine Puppe, die mit einfachen Mitteln gefertigt ist, regt die „Bildungstätigkeit des Gehirns lebendig an“ (Steiner, zit. n. Ostkämper 2020, S. 23). Das Kind ergänzt durch „nachahmende Seelentätigkeit“ das Fehlende und belebt es mit seiner Phantasie. Es hat hier viel Spielraum. Je unstrukturierter, funktionsfreier und einfacher das Spielmaterial ist, desto kreativer kann es selbstbestimmend sein freies Spiel gestalten.

Weiterführung durch den „Situationsorientierten Ansatz“

Dieser nachhaltige Bildungsauftrag des Waldorfkindergartens schließt an die Klassiker der Pädagogik (Pestalozzi, Fröbel, Montessori, Korczak) an, wird heute besonders im Situationsorientierten Ansatz von Armin Krenz vertreten und durch die neurobiologische sowie kognitionspsychologische Forschung bestätigt
(Neuhäuser/Klein 2019, S. 149 ff.).
Für den Kindheitsforscher Armin Krenz entsteht die nachhaltige Bildung als Entwicklungsprozess im selbstaktiven Kind – und nicht durch programmierte Inhalte. Das Kind will selbstkonstruierend aus eigener Initiative am Werk sein. Es erwartet bei diesem Selbstbildungsprozess eine wertschätzende und Sicherheit gebende Unterstützung in einem einladenden Bildungsraum. Um diese „Kommunikationskultur und Entwicklungsatmosphäre“ auch wirklich zu pflegen, hat die Erzieherin durch Reflexionsbetrachtung ihre Biografie auf eigene Verhaltensmuster „zu analysieren, um entwicklungshinderliche Ausdrucksformen in entwicklungsförderliche Verhaltensweisen zu wandeln“
(Krenz 2021, S. 3).

Zur gefährdeten gesunden Entwicklung durch digitale Bildung

Doch diese Selbstwirksamkeit ist durch die so genannte „digitale Bildung“ gefährdet (Klein 2018, S. 128). Zwischen Computer und Mensch entstehen vielfältige Wechselbeziehungen. Wer immer die Software programmiert, greift direkt in unser Leben ein. Und wir werden schön eingebettet, wenn uns die Algorithmen die Entscheidungen abnehmen. Dieses perfekte System arbeitet ohne Gefühle, seine Ergebnisse sind alle mathematisch abgesichert. Hier bleibt kein Raum für persönliche Begegnungen, für eigene Erfahrungen, für phantasievolles Beschreiten neuer Wege, für das Gestalten des Lebens durch Versuch und Irrtum. Durch diese „digitale Bildung“, die im Grunde Selbstentmündigung ist, geht das freie Gestalten des Lebens und Lernens, das Selbstwirksamwerden verloren. Wie auch der Neurobiologe Gerald Hüther betont, hören die Kinder auf, selbst etwas zu entdecken, „sie spielen nicht mehr frei, hängen der Mama am Rockzipfel oder heute eher dem Handy am Knopf“. Ihre veranlagte Weltoffenheit, Entdeckerfreude und Gestaltungskunst schwinden und können das Unvorhersehbare ihres Lebens nicht mehr annehmen.

Die Kinder werden ängstlich und „verlieren ihren inneren Wegweiser in die Freiheit“

(Hüther 2020, S. 4).

Die Beziehung zwischen Erzieherin und Kind lässt sich nicht über den Bildschirm, der Informationen präsentiert, herstellen, denn der gestaltete Beziehungsraum hat immer eine leibliche-seelische Dimension (Körperhaltung, Begegnungen, Interaktionen). Geboten ist die Selbstwirksamkeit als Moment wechselseitigen geistigen Berührens und Berührtwerdens zu erfahren, etwa dann, wenn es der Erzieherin gelingt, die Neugier der Kinder zu wecken und ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Geboten ist, die Kinder rechtzeitig zur Medienkompetenz zu führen, die Eltern und Erzieherinnen im offenen Dialog herausfinden
(siehe http://www.medienratgeber-fuer-eltern.de).

Fazit

  • Nach den Erkenntnissen der Neurobiologie und Psychiatrie will sich das „Beziehungsorgan Gehirn“ von Beginn an in der Beziehung mit anderen Menschen und mit der Umwelt in geordneten Bahnen entwickeln und aus eigener Kraft sinnvolle Strukturen der Welt aneignen (Fuchs 2012). Notwendig ist ein Lebens- und Beziehungsraum, der von wechselseitiger Empathie geprägt ist (Klein 2018b, S. 90).
  • Kinder brauchen eine von der Erzieherin feinfühlend gestaltete Spiel- und Lernumgebung, in der sie mit allen Sinnen, vor allem mit den Händen, ihre authentischen Erfahrungen machen können, die ihnen helfen, selbstständig, unabhängig und sozial beteiligt das Leben zu spüren und zu erleben. Das kann aber nur gelingen, wenn die Erwachsenen sich der Perspektive des Kindes situationsorientiert zuwenden und damit aufhören, Kinder in die eigene Perspektive hineinzuziehen (Krenz 2014).
  • Waldorfpädagogik geht vom Menschen und seinem schöpferischen Potenzial aus. Der Einzelne kann aus der Tiefe seines Bewusstseins sein Ich hier und heute wahrnehmen und als Repräsentant des Göttlichen, das in der Welt wirkt, verstehen. Hier lernt er sich wirklich zu erkennen, was auch in Krisenzeiten den öffnenden Weg findet (Maturana 1994, Fuchs 2012).
  • Das grundlegende Element der waldorfpädagogischen Professionalität ist die Haltung der Erzieherin, die dem sich entwickelnden Kind die Entfaltung seiner Potenziale ermöglicht und seine geistige Individualität achtet. Gefragt ist die Qualität des Vorbildes, denn „das Kind gestaltet sein Wesen nach unserer Gesinnung, nach unserer Gedankenhaltung, Gefühlshaltung“ (Steiner, zit. n. Ostkämper 2020, S. 26).
  • Über diese Kernfrage hat die Erzieherin immer wieder bewusst zu reflektieren, denn im Handeln tritt ihre innere Haltung hervor, die ein Nachdenken über den Umgang mit sich selbst, mit dem Kind, mit den Mitmenschen und mit der Mitwelt vorurteilsbewusst einfordert.
  • Durch diese Erziehungskunst, die Theorie und Praxis als Einheit sieht, macht sich die Erzieherin auf ihren individuellen Weg der Selbsterziehung, von der auch der Begründer des Kindergartens Friedrich Fröbel sprach. Fröbel erkannte: „Erziehung ist Beispiel und Liebe, sonst nichts“ (zit. n. Klein 2017, S. 18). Und heute schreibt uns das der vielgefragte Neurobiologie Gerald Hüther ins Stammbuch „Jeder und jede kann mit dem Wandel bei sich selbst ganz einfach damit beginnen, indem er oder sie fortan etwas liebevoller mit sich umgeht“ (Hüther 2020, S. 40). So wird der Mensch wieder zum Subjekt, zum freien Gestalter seines Lebens, gewinnt seine Würde zurück und macht deshalb auch andere nicht mehr zum Objekt.

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch:

klein

Ferdinand Klein bringt Rudolf Steiners Gedanken über die Erziehungs- und Bildungspraxis ins Gespräch. Dabei geht es auch um Humanisierung und die Entschulung der Schulen und Kindergärten, um grundlegende Orientierung am sich entwickelnden Kinder in der Lebenswirklichkeit hier und heute. Denn alles Forschen, Lehren, Erziehen und Bilden dient einer Aufgabe: Das (auf)gegebene individuelle Kind auf seinem Entwicklungsweg mit Herz und Tatkraft zu begleiten und zu leiten.

Waldorfpädagogik in Krippe und Kita
Einblick in eine ganzheitliche Praxis, die jedem Kind seinen individuellen Lebensweg ermöglicht
Klein, Ferdinand
BurckhardtHaus
ISBN: 9783963046100
208 Seiten, 25 Euro
Empfohlen vom Internationalen Archiv für Heilpädagogik

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Literaturhinweise:

Fuchs, T. (2012): Das Gehirn als Beziehungsorgan. 4. Auflage. Stuttgart, Kohlhammer

Glöckler, M. (2003): Kindsein heute. Schicksalslandschaft aktiv gestalten. Umgang mit Widerständen – ein salutogenetischer Ansatz. Stuttgart/Berlin, Johannes M. Mayer

Hüther, G. (2020): Wege aus der Angst. Göttingen, Ruprecht & Vandenhoeck

Klein, F. (2017): Heilpädagogik im Dialog. Berlin, BHP

Klein, F. (2018b): Inklusive Erziehung in Krippe, Kita und Grundschule. Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Geiste Janusz Korczaks. München, BurckhardtHaus

Krenz, A. (2014): Der Situationsorientierte Ansatz – Auf einen Blick. Konkrete Praxishinweise zur Umsetzung. München, BurckhardtHaus

Krenz, A. (2021): Basale Grundlagen für eine nachhaltige Bildungsarbeit. In: Kita-Contest – kreative Ideenbörse. Kulmbach, Fachverlag, S. 1-6

Neuhäuser, G./Klein, F. (2019): Therapeutische Erziehung. Resiliente Erziehung in Familie, Krippe, Kita und Grundschule. München, BurckhardtHaus

Ostkämper, F. (2020): Bildungsverständnis der Elementarpädagogik im Elementarbereich. In: Wiehl, A. (Hrsg.): Studienbuch Waldorf-Kindheitspädagogik. Bad Heilbrunn, Klinkhardt, S. 17-28

Soldner, G. (2020): Resilienz in der Waldorf- Kindheitspädagogik. In: Wiehl, A. (Hrsg.) (2020): Studienbuch Waldorf-Kindheitspädagogik. Bad Heilbrunn, Klinkhardt, S. 45-57

Treichler, M. (2020): Gesundheit ist keine Frage der Definition. In: info3, 45. Jg. September, S. 43-44