Stiftung Kindergesundheit launcht Podcast zur Ernährungsbildung

„Hör dich fit!“ heißt der Podcast für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter

Nun hat auch die Stiftung Kindergesundheit einen Podcast publiziert. Unter dem Titel „Hör dich fit!“ sind zehn Folgen entstanden. Im Podcast sollen Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter alles Wissenswerte über gesunde Ernährung erfahren.

Im Podcast tauchen Lina und Milo mit ihrem Papa in geheimnisvolle Welten ein. Und sie erfahren dort vom schlauen Vitamin Corbi allerhand Interessantes, um fit in den Tag zu starten und auf Dauer gesund zu leben. Der Podcast bietet den jungen Zuhörer*innen hilfreiche Informationen. Und er gibt ihnen praktische Tipps, um die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung zu verstehen und in ihren Alltag einzubauen. Zum Beispiel erfahren sie wie man erkennt, ob ein Lebensmittel gesund ist oder nicht, oder warum Wassertrinken so enorm wichtig ist. Auch allgegenwärtigen Begriffe wie „Bio“ und der Zusammenhang von Klima und Ernährung nimmt Corbi genau unter die Lupe.

Die ersten drei Folgen des Podcast sind ab sofort auf allen gängigen Podcast-Plattformen verfügbar

Darunter sind Spotify, Apple Podcasts und Google Podcasts. Im Zeitraum von Juli bis Dezember werden dann die weiteren 7 Folgen veröffentlicht.

„Wir freuen uns sehr, wenn wir auf diesem Wege noch mehr Kinder erreichen können. Und ihnen auf unterhaltsame Weise die Grundlagen einer gesunden Ernährung vermitteln können“, sagt der Münchner Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Wir hoffen, dass der Podcast dazu beiträgt, die Gesundheitskompetenz von Kindern zu stärken.“

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Den Startschuss zur Entwicklung der Podcast-Serie legt die erfolgreiche Kooperation zwischen der Stiftung Kindergesundheit und der BNP Paribas Cardif. Gemeinsam engagierten sich beide Partner bereits 2022 gegen die Zunahme von Übergewicht und Fettleibigkeit mit zahlreichen Videoformaten zur Ernährungsbildung. „Wir sind sehr stolz, dass wir gemeinsam das Bewusstsein für dieses Thema schärfen. Und mit diesem Podcast nun ein weiteres Aufklärungsformat geschaffen haben“, sagt Nicolas Pöltl, CEO von BNP Paribas Cardif in Deutschland.

Alle Interessierten, Kinder und Eltern, sind herzlich eingeladen, den Podcast „Hör dich fit!“ gleich zu abonnieren, um keine der spannenden Folgen zu verpassen. Noch ein kleiner Tipp von Corbi: Der Podcast eignet sich auch sehr gut für Pädagog*innen zur Unterstützung ihrer Bildungsarbeit in Kita und Grundschule. Hier geht’s direkt zum Podcast „Hör dich fit!“.

Die Stiftung Kindergesundheit

Als gemeinnützige Organisation mit direkter Anbindung zur Ludwig-Maximilians-Universität München und der dortigen Kinderklinik und Kinderpoliklinik agiert die Stiftung Kindergesundheit an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie vernetzt wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischer Anwendung innerhalb ihrer Programme und Projekte. Mit ihren evidenzbasierten Programmen gestaltet sie zielgruppengerechte Prävention – von der Schwangerschaft über den Kindergarten, von der Grundschule bis hin zum Jugendlichen. Ziel ist es, Erkenntnisse aus der Wissenschaft für die Praxis nutzbar zu machen. Gegründet wurde die Stiftung 1997 von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Berthold Koletzko, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Tätigkeit am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist bis heute ihr Vorstandsvorsitzender.

Giulia Roggenkamp, Stiftung Kindergesundheit




Sonnencremes: Hersteller verzichten endlich auf bedenkliche UV-Filter

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ÖKO-TEST hat sensitive Sonnenschutzmittel getestet und empfiehlt mehr als die Hälfte

Eine richtig gute Nachricht: Bekannte bedenkliche UV-Filter haben die Hersteller der Testprodukte ganz aus der Rezeptur verbannt. Zwei teure Produkte fallen allerdings durch.  

ÖKO-TEST hat 21 Sonnencremes im Labor untersuchen lassen, die laut Hersteller für empfindliche Haut geeignet sind. Die Verbraucherschützer aus Frankfurt bewerten mehr als die Hälfte der Marken im Test mit „gut“ oder „sehr gut“. Zwei Produkte fallen aber durch – darunter die teure Hautallerliebst (Be) sensitive Sun Sonnencreme 30 von Haka Kunz, das ein umstrittenes Konservierungsmittel verwendet. Das ÖKO-TEST-Gesamturteil: „ungenügend“. Auch die ebenfalls teure Avène Mineralische Sonnencrème 50+ überzeugt die Tester nicht, sie kommt insgesamt auf ein „mangelhaft“.

Bedenkliche UV-Filter, die ÖKO-Test in der Vergangenheit häufig kritisiert hat, weil sie im Verdacht stehen, wie Hormone zu wirken, finden sich in keinem der Testprodukte.

Gänzlich vom Markt verschwunden sind Produkte mit bedenklichen UV-Filtern jedoch noch nicht. Vereinzelt gibt es sie noch. Die Verbraucherschützer raten beim Kauf einer Sonnencreme, auf die INCI-Liste mit den Inhaltsstoffen auf der Verpackung zu achten. Denn etliche chemische UV-Filter sind in den Verdacht geraten, hormonell wirksam zu sein. So beispielsweise Ethylhexylmethoxycinnamat, Octocrylen und Homosalat. Für letzteren gibt es sogar Hinweise aus Tierversuchen, dass er möglicherweise Nieren, Leber und Schilddrüse schädigt.

Drei Sonnencremes bewertet ÖKO-TEST mit der Bestnote „sehr gut“ – darunter auch eines der beiden günstigsten Produkte im Test mit 1,88 € pro 100 Milliliter: Sun D‘Or Sonnenmilch Sensitiv 30, erhältlich bei Budni, Netto und Edeka.

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Juniausgabe des ÖKO-TEST-Magazins und unter: oekotest.de/13801 

Die Haut von Babys und Kindern ist besonders dünn, und zu starke UV-Belastungen oder gar Sonnenbrände in der Kindheit erhöhen das Risiko, später Hauptkrebs zu bekommen. Daher ist Sonnenschutz unverzichtbar. Kinder brauchen nicht unbedingt eine spezielle Kindersonnencreme. Wichtig ist der hohe Lichtschutzfaktor.

Für das ÖKO-TEST Magazin 6/2022 wurden spezielle Kindersonnencremes getestet




Projekt „Clever in Sonne und Schatten“ stärkt die Hautkrebsprävention

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Klimawandel erfordert Anpassungsstrategien in Kitas

Auch in deutschen Kitas sind die Folgen des Klimawandels spürbar, durch Hitze und steigende Sonnenbrandgefahr. Um Hautkrebs langfristig vorzubeugen, müssen Kinder vor UV-Strahlen geschützt werden. Für Erzieherinnen und Erzieher in Kitas ist dies eine Herausforderung, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Das bundesweite Projekt „Clever in Sonne und Schatten“ der Deutschen Krebshilfe unterstützt Einrichtungen dabei, eine angepasste Sonnenschutzstrategie zu entwickeln. Umfassende Informationen stehen unter www.cleverinsonne.de/kita bereit.

Kostenfreies Projektpaket mit Materialien zu bestellen

Das Projektpaket umfasst Materialien für eine Projektwoche für Kinder im Alter von einem bis sechs Jahren. Dabei erlernen die Kinder gemeinsam mit dem SonnenschutzClown das richtige Verhalten zum Sonnenschutz und werden zu richtigen Sonnenschutz-Experten. Enthalten sind eine DVD mit zwei Filmen und ein Bilderbuch, welche die Kleinen mit in den Urlaub von Clown Zitzewitz nehmen.

Die Kinder können als Schatten-Detektive schattige Plätze im Kita-Garten suchen, als Sonnenkleidungs-Experten dem Clown beim Anziehen helfen und „Das Lied vom Sonnenschutz“ singen. Empfehlungen zur Umsetzung des Sonnenschutzes im Kita-Alltag erfahren Sie als ErzieherIinnen in der beiliegenden interaktiven Team-Weiterbildung sowie im Handbuch. Hier finden Sie auch zusätzliche Materialien für den U3-Bereich und die Vorschule und weitere Ideen für kleine und große Sonnenschutz-Experten und zur Information der Eltern.

Klimawandel und Krebsprävention

Die Folgen des Klimawandels in Deutschland sind mehr Sonnenscheinstunden und höhere Temperaturen. Der vergangene Sommer gehört laut Deutschem Wetterdienst mit einer durchschnittlichen Sonnenscheindauer von fast 820 Stunden zu den sonnenreichsten seit 1881. Zudem zählen die Jahre 2022, 2020, 2019 und 2018 zu den wärmsten seit Wetteraufzeichnungsbeginn. Der Klimawandel ist auch für die Krebsprävention relevant. Um Hautkrebs aktiv vorzubeugen wird richtiger UV-Schutz immer bedeutender.

Hitze und UV-Strahlung belasten Kita-Beschäftigte

Mehr als 4.000 pädagogische Fachkräfte nahmen Ende 2022 an der Online-Umfrage „Klimawandel und Gesundheit“ des Präventionszentrums am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden/Universitäts KrebsCentrum (NCT/UCC) teil. „In den letzten Jahren fühlten sich 71 Prozent der Befragten durch Hitze und 43 Prozent durch UV-Strahlung in ihrem Arbeitsalltag stark oder sehr stark belastet und nahmen vergleichbares auch bei ihren Kita-Kindern wahr“, berichtet Dr. Nadja Knauthe, Co-Leiterin des Präventionszentrums. „Auch Kitas müssen sich daher gegen die Folgen des Klimawandels wappnen. Ausreichend personelle Kapazitäten, finanzielle Mittel für bauliche Hitze- und UV-Schutzmaßnahmen, Aus- und Weiterbildungen für pädagogische Fachkräfte sowie das Programm ‚Clever in Sonne und Schatten‘ sind hierbei wichtige Ansätze.“

Präventionsprogramm „Clever in Sonne und Schatten“

Kinder sowie Erzieherinnen und Erzieher in ihrer Lebenswelt frühzeitig für richtigen UV-Schutz zu sensibilisieren und mit der Kita eine Umgebung zu schaffen, die sie ausreichend vor UV-Strahlung schützt, sind die Ziele des Präventions-Programms „Clever in Sonne und Schatten für Kitas“.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Krebshilfe




Psychisch kranke Kinder müssen lange auf einen Therapieplatz warten

Psychisch kranke Kinder

Stiftung Kindergesundheit: „Die Hilfesysteme sind überlastet“

Durchschnittlich 25 Wochen müssen psychisch auffällige Kinder auf einen Therapieplatz warten. Anlässlich der Europäischen Mental Health Week vom 22. bis 28. Mai 2023 fordert die Stiftung Kindergesundheit gemeinsam mit Expert*innen und ihrer Schirmherrin, Regisseurin Caroline Link, eine bessere Vernetzung der Systeme – und entschiedenes Handeln der Politik.

Zunahme von schweren Fällen und Kindeswohlgefährdungen

„Die Folgen der Pandemie zeigen sich immer noch gravierend bei den Kindern und Jugendlichen. In allen Bereichen sehen wir eine Zunahme von schweren Fällen und Kindeswohlgefährdungen. Gleichzeitig gibt es einen gravierenden Mangel an Fachkräften und an Therapieplätzen. Bildungssystem, Gesundheitssystem und Jugendhilfe – alle drei sind überlastet“, konstatiert Kinderärztin Dr. med. Monika Reincke, Leiterin des Arbeitskreises Seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen des Gesundheitsbeirats der Landeshauptstadt München.

Viel zu lange Wartezeiten

Das bestätigt auch Priv.-Doz. Dr. med Katharina Bühren, ärztliche Direktorin der kbo-Heckscher-Klinikum GmbH. „Das medizinische System ist sehr gefordert. Es entstehen viel zu lange Wartezeiten. Das birgt die Gefahr einer Chronifizierung. Im stationären Bereich sehen wir dann die schweren Fälle“. Bühren, Mitglied im Vorstand der Stiftung Kindergesundheit, ist es ein großes Anliegen ein gesellschaftliches Bewusstsein für die Not der Kinder und Jugendlichen zu schaffen.

Dramaserie „SAFE“ mit Caroline Link

Auch Caroline Link will dazu mit ihrer Dramaserie „SAFE“ beitragen. Sie zeigt, wie psychologische Therapie belasteten jungen Menschen helfen kann. Doch viele von ihnen suchen vergeblich nach Hilfe. In den vergangenen Jahren hat sich die Situation verschärft. „Was ist mit unserer Gesellschaft los?“ fragt sich die Regisseurin. „Ich sehe hier eine Problematik, die nicht allein in der Pandemie begründet ist. Kinder und Eltern stehen unter massivem Druck“. Kirstin Dawin, Leiterin des Kinderschutz-Zentrums München betont: „Viele Eltern sind hoch belastet. Wenn es ihnen nicht gut geht, können sie ihre Kinder nicht gut versorgen. Wir müssen die Eltern in ihrer Beziehungs- und Erziehungsfähigkeit stärken.“

Familien sind zunehmend belastet

Dass Familien zunehmend belastet sind, unterstreicht auch Dr. Dieter Reithmeier, ehemaliger Landesgeschäftsführer des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes. „Die Schule ist geprägt von einem Leistungsbegriff, der jeder Erkenntnis der Kinderpsychologie Hohn spricht. Die Schule ist die einzige Institution, wo alle Kinder über einen langen Zeitraum sind. Dieser Einrichtung müssen wir die maximalen Ressourcen zur Verfügung stellen. Doch es gibt zu wenige Schulpsychologen, zu wenige Lehrer.“, so Reithmeier weiter.

Aufklärung ist gefragt

„Wir müssen über psychische Krankheiten aufklären und Frühinterventionen stärken. Dafür ist es nötig, Ressourcen zu bündeln und Programme und Initiativen zu entwickeln, die dafür sorgen, Kinder und Jugendliche möglichst resilient zu machen“, ergänzt Kinder- und Jugendpsychiaterin Bühren. Prävention müsse niederschwellig da ansetzen, wo Kinder sind, darüber sind sich die Expert*innen einig. In der Schule, Kita, wohnortnah, niederschwellig in den Familien. In einer jeden Schule müsse es eine Anlaufstelle geben, an die sich Kinder in seelischer Not wenden können. Auch internetbasierte Programme, Gruppenprojekte und ähnliches könnten helfen. Letztlich müsse die Politik den Ernst der Lage erkennen und dauerhaft Mittel zur Verfügung stellen. 100 Millionen für „Gesundheits-Coaches“ könnten nur ein Anfang sein.

Weitere Empfehlungen der Stiftung Kindergesundheit zur Stärkung der seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen:

  • Rechtzeitige kinder- und jugendpsychiatrische beziehungsweise psychologisch/ psychotherapeutische Diagnostik und Intervention für psychisch auffällige Kinder und Jugendliche, um zu verhindern, dass sich ernsthafte psychische Störungen entwickeln
  • Förderung dauerhafter psychosozialer, psychotherapeutischer und psychiatrischer Angebote mit niedrigschwelliger schulischer Anbindung sowie erweiterter Jugendhilfemaßnahmen in besonders belasteten Wohnquartieren
  • Massive Investitionen in sozialpädagogische Fachkräfte und Schulpsycholog*innen. Die von der Bundesregierung vorgesehenen 10 Mio. Euro für „Mental Health Coaches“ sind für die mehr als 32.000 Schulen in Deutschland nicht ausreichend.
  • Ausbau evidenzbasierter Maßnahmen und Programme zur primären und sekundären Prävention psychischer Störungen und Erkrankungen
  • Verbesserung der Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen durch eine Behandlung des Themas „mentale Gesundheit” im Lehrplan.

Giulia Roggenkamp Stiftung Kindergesundheit




Schmetterlinge als Indikatoren für funktionierende Lebensräume

EU-„Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“ legt verbindliche Ziele für die Renaturierung fest

Die Diagnose klingt besorgniserregend: Mehr als 80 Prozent der Lebensräume in der EU gelten derzeit als geschädigt – mit entsprechenden Folgen für ihre Funktionsfähigkeit und die Leistungen, die sie für den Menschen erbringen. Um dem etwas entgegenzusetzen, hat die Europäische Kommission ein neues Regelwerk vorgeschlagen. Diese „Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“ ist eines der Schlüsselelemente der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, die im Mai veröffentlicht wurde. Sie sieht für die gesamte EU verbindliche Ziele für die Renaturierung verschiedener Ökosysteme und die Umkehr des Rückgangs von Bestäubern vor. Zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung müssen die Mitgliedsstaaten Pläne darüber vorlegen, wie sie diese Ziele erreichen wollen. Zudem müssen sie den Erfolg ihrer Maßnahmen dokumentieren.

Letzteres ist allerdings gar nicht so einfach. Denn es gibt bisher nur wenige Indikatoren, die den Zustand der Biodiversität zuverlässig anzeigen können. Für die meisten Tier- und Pflanzengruppen fehlt es an europaweit vergleichbaren Daten, an denen man die Entwicklung der Bestände ablesen könnte. Zu den wenigen Ausnahmen gehören Vögel, Fledermäuse und die Tagfalter unter den Schmetterlingen.

„Gerade Tagfalter sind ideale Bioindikatoren“, sagt der Agrarökologe Prof. Dr. Josef Settele vom UFZ. Denn diese Tiere kommen in einem breiten Spektrum von Lebensräumen vor und reagieren empfindlich auf Umweltveränderungen. Oft stehen sie mit ihren Ansprüchen zudem stellvertretend für viele andere Insekten. Und nicht zuletzt sind sie auffällig, attraktiv und populär. Entsprechend leicht lassen sich Freiwillige motivieren, bei wissenschaftlichen Schmetterlingszählungen mitzumachen.

Solche Aktionen werden immer beliebter. In Deutschland haben zum Beispiel das UFZ und die Gesellschaft für Schmetterlingsschutz (GfS) 2005 das Citizen-Science-Projekt „Tagfaltermonitoring Deutschland“ ins Leben gerufen. Bundesweit laufen Falter-Fans seither im Sommerhalbjahr regelmäßig festgelegte Strecken ab und zählen die dabei beobachteten Tiere. Ähnliche Monitoring-Programme gibt es inzwischen auch in den meisten anderen Ländern Europas. „Insgesamt machen jetzt rund 5.000 über ganz Europa verteilte Freiwillige mit, die alle nach der gleichen Methode arbeiten“, berichtet Josef Settele.

Die so erhobenen Daten werden in der zentralen Datenbank „European Butterfly Monitoring Scheme“ (eBMS) gesammelt und ausgewertet. Auf dieser Basis lässt sich dann zum Beispiel die Populationsentwicklung einzelner Arten verfolgen. Und es gibt die Möglichkeit, gemeinsame Trends für charakteristische Arten bestimmter Lebensräume zu erkennen.

Genau das ist die Idee hinter dem Tagfalter-Grünland-Indikator, der sich aus den Bestandsentwicklungen von 17 typischen Bewohnern von Wiesen und Weiden zusammensetzt. Wenn sich die positiven und negativen Trends bei diesen Arten etwa die Waage halten, bleibt der Indikator auf dem gleichen Niveau. Gehen mehr Arten zurück, als im gleichen Zeitraum zunehmen, sinkt der Wert – und umgekehrt. Niedrigere Werte deuten also auf größere Probleme bei den Grünlandbewohnern hin.

Die neusten Ergebnisse dieser Berechnungen, in die Daten aus den Jahren 1990 bis 2020 eingeflossen sind, lassen daher nichts Gutes befürchten. Die Analyse, die auch über das vom UFZ koordinierte EU-Projekt SPRING („Strengthening Pollinator Recovery through Indicators and monitoring”) mit-finanziert wurde, zeigt nur einen einzigen Gewinner: In den 27 Mitgliedsstaaten der EU kann lediglich der Aurorafalter (Anthocharis cardamines) eine Zunahme verzeichnen. Drei Arten sind stabil: der Rostfarbige Dickkopffalter Ochlodes sylvanus), der Kleine Feuerfalter (Lycaena phlaeas) und das Große Ochsenauge (Maniola jurtina). Fünf Arten – vom Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus) bis zum Mauerfuchs (Lasiommata megera) – aber weisen rückläufige Bestände auf. „Der größte Verlierer der letzten Jahre war dabei der Thymian-Ameisenbläuling (Phengaris arion), der in den Niederlanden zum Beispiel ganz verschwunden ist“, sagt Josef Settele. Für die übrigen der 17 untersuchten Grünlandbewohner gibt es entweder keinen klaren Trend oder zu wenig Daten.

Noch etwas ungünstiger wird das Bild, wenn man nicht nur die EU, sondern ganz Europa betrachtet. Dann findet sich gar keine Art im Aufwind, drei sind stabil. Sechs aber zeigen einen moderaten und eine sogar einen starken Rückgang.

Angesichts dieser Entwicklungen wundert es nicht, dass der Grünland-Indikator inzwischen auf deutlich niedrigerem Niveau liegt als früher. Allein in den letzten zehn Jahren ist der berechnete Wert für die EU um 32 Prozent, der für ganz Europa sogar um 36 Prozent zurückgegangen. Die Krise der Grünlandbewohner hat offenbar bereits den gesamten Kontinent erfasst. Das zeigt sich immer deutlicher, je mehr Informationen aus verschiedenen Ländern die freiwilligen Falterzählerinnen und -zähler liefern. „Die Rückgänge beschränken sich nicht auf den Nordwesten Europas“, betont Chris van Swaay von Butterfly Conservation Europe. „Allerdings schneiden einige Arten im Süden und Osten viel besser ab.“

Gründe für die schrumpfenden Faltervorkommen sehen er und seine Kolleginnen und Kollegen vor allem in der Landwirtschaft. So wirkt sich in Nordwesteuropa vor allem eine zu intensive Nutzung von Wiesen und Weiden ungünstig aus. Der starke Einsatz von Düngemitteln belastet dort oft auch angrenzende Schutzgebiete mit zu großen Stickstoff-Mengen. Im Rest des Kontinents ist dagegen die komplette Aufgabe der Bewirtschaftung das Hauptproblem. Denn auch damit kommen Grünland-Schmetterlinge schlecht zurecht.

Damit diese gerettet werden können, ist nach Einschätzung der Fachleute ein ganzes Bündel an Maßnahmen nötig. Es gelte, die nachhaltige Nutzung von Wiesen und Weiden zu fördern, neue wertvolle Lebensräume zu schaffen und die bestehenden besser miteinander zu vernetzen. Um dies zu erreichen ist eine Kooperation mit Landwirten wesentlich. Und auch von einer wirksamen Bekämpfung des Klimawandels würden die meisten Grünland-Schmetterlinge profitieren. „Trotz aller Bemühungen gehen diese Tiere in vielen Teilen Europas immer noch zurück“, sagt Chris van Swaay. „Wir hoffen, dass die kommende Verordnung zur Wiederherstellung der Natur und damit verbundene Maßnahmen diesen Rückgang stoppen können, damit sich auch unsere Kinder an Schmetterlingen auf blumenreichen Wiesen erfreuen können.“

Susanne Hufe, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ

Van Swaay, C.A.M. et al. (2022): European Grassland Butterfly Indicator 1990-2020 Technical report. Butterfly Conservation Europe & SPRING/eBMS (www.butterfly-monitoring.net) & Vlinderstichting report VS2022.039. https://assets.vlinderstichting.nl/docs/290cb16a-e90f-4c5b-a7df-9b954d511cfa.pdf




Wer 10 Minuten länger am Tisch sitzt, isst einen Apfel mehr

Kinder essen mehr Obst und Gemüse, wenn sich Familien mehr Zeit für ihre Mahlzeiten lassen

Kinder verzehren deutlich mehr Obst und Gemüse, wenn sie durchschnittlich nur zehn Minuten länger am Tisch saßen als sonst – also insgesamt 30 Minuten. Das konnten Prof. Dr. Jutta Mata von der Universität Mannheim und Prof. Dr. Ralph Hertwig, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungs­forschung in Berlin mit eienm Experiment nachweisen. Im Durchschnitt aßen die Kinder etwa 100 Gramm mehr Obst und Gemüse. Das entspricht etwa einer der fünf empfohlenen täglichen Portionen Obst und Gemüse und ist so viel wie ein kleiner Apfel oder eine kleine Paprika. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in der US-Fachzeitschrift JAMA Network Open veröffentlicht.

Täglich eine zusätzliche Portion Obst, senkt das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

„Diese Erkenntnis hat praktische Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, da eine zusätzliche Portion Obst und Gemüse täglich das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen um sechs bis sieben Prozent verringert“, erklärt Professorin Mata. „Für einen solchen Effekt muss natürlich genügend Obst und Gemüse auf dem Tisch vorhanden sein – am liebsten mundgerecht“, fügt die Gesundheitspsychologin hinzu.

50 Eltern und 50 Kinder nahmen an der Studie teil. Das Durchschnittsalter der Kinder lag bei acht und das der Eltern bei 43 Jahren. Es nahmen gleich viele Jungen und Mädchen an der Studie teil. Den Teilnehmenden wurde ein typisch deutsches Abendbrot mit Brotscheiben, Aufschnitt und Käse sowie mundgerechten Obst- und Gemüsestücken serviert.

Dauer der Mahlzeit ist eine der zentralen Kompetenten der Familienmahlzeit

„Die Dauer der Mahlzeit ist eine der zentralen Kompetenten der Familienmahlzeit, die Eltern variieren können, um die Ernährungsgesundheit ihrer Kinder zu steigern. Auf diesen Zusammenhang hatten wir bereits Hinweise in einer Metaanalyse gefunden, die Studien zusammenfasste, die qualitative Komponenten von gesunden Familienmahlzeiten untersuchten. Jetzt konnten wir diesen damals nur korrelativen Zusammenhang in dieser neuen experimentellen Studie eindeutig nachweisen,“ sagt Ralph Hertwig, Direktor des Forschungsbereichs Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Die Studie belegt zudem, dass längere Familienmahlzeiten nicht dazu führten, dass Kinder auch mehr zu Brot oder Aufschnitt griffen, sie nahmen auch nicht mehr Dessert. Die Forschenden vermuten, dass das in mundgerechte Stücke geschnittene Obst und Gemüse bequemer zu essen und daher verlockender war.

Hier geht es zur Originalpublikation

Link zur Metaanalyse

Linda Schädler




DANK: „Die Ernährungsindustrie bedient sich der Strategien der Tabaklobby“

Faktencheck zu Aussagen der Ernährungsindustrie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK)

Das Medizin- und Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) kritisiert die aktuelle Kampagne der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie (BVE) gegen eine Beschränkung der Lebensmittelwerbung als „irreführend auf allen Ebenen“. Die Ernährungsindustrie bediene sich eins zu eins der Strategien der Tabaklobby, so das Bündnis, dem 22 medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften und Gesundheitsverbände angehören. Der Lobbyverband BVE hat kürzlich eine Kampagne gegen die Pläne des Bundesernährungsministeriums für mehr Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung gestartet. In ganzseitigen Anzeigen in WELT und BILD warnte die BVE vor „Cem Özdemirs Verbotskatalog“.

Verantwortung auf andere abwälzen

Auf der Kampagnen-Webseite heißt es „Für diese Lebensmittel dürfte nicht mehr geworben werden“. Darunter sind unter anderem Maultaschen, Backwaren, Ananas aus der Dose, Gnocchi oder Früchtemüsli abgebildet und rot durchkreuzt. Zudem zweifelt die BVE die wissenschaftliche Evidenz für die Einführung von Werbeschranken an. Ein neuer DANK-Faktencheck zeigt, dass viele Aussagen der BVE einer Überprüfung nicht standhalten.
„Mit ihrer Kampagne versucht die Ernährungsindustrie das Problem zu verharmlosen, Zweifel an den Gegenmaßnahmen zu säen und Verantwortung auf andere abzulenken“, sagt Barbara Bitzer, Sprecherin der DANK und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Der Großteil der Werbeausgaben im Ernährungsbereich entfällt nicht auf Gnocchi, Dosenananas oder Maultaschen, sondern auf Süßwaren, Snacks oder Limonade. Das trägt nachweislich zum ungesunden Ernährungsverhalten der Kinder bei – auch wenn die Ernährungsindustrie es leugnet“, so Bitzer.

Huizinga: Kampagne ist irreführend

„Die Kampagne ist irreführend auf allen Ebenen, wie unser Faktencheck zeigt“, ergänzt Oliver Huizinga, politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). „Viele Argumente der Industrie sind längst widerlegt, von einem kategorischen Werbeverbot für die dargestellten Produkte kann keine Rede sein. Die Kampagne hält einer fachlichen Überprüfung nicht stand. Minister Özdemir sollte sich von dem unqualifizierten Getöse des Lobbyverbands nicht beirren lassen“, so Huizinga.


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Kochen und Backen mit Kindern

Ernährung ist die Grundlage unseres Lebens. Darüber wollen Kinder schon früh jede Menge erfahren. Beim gemeinsamen Zubereiten von Speisen, entsteht aus der Küche ein Spiel- und Lernort, der alle Sinne gleichzeitig anspricht. In diesem Buch finden Sie eine Fülle kindgerechter Rezepte. Hier können die Kinder richtig mitkochen.

Manon Sander
Kochen und Backen mit Kindern – Alles, was Kinder gerne essen und über Ernährung wissen sollten
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Bundesernährungsminister Cem Özdemir hatte Ende Februar seine Pläne für mehr Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung vorgestellt. Auf Grundlage der Nährwertkriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll in Medien und Formaten, die Kinder unter 14 Jahren erreichen, eine Beschränkung der Lebensmittelwerbung erfolgen. Zahlreiche Krankenkassen, Verbraucherschutzorganisationen, Elternverbände, Kinderrechtsorganisationen sowie medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften unterstützen das Vorhaben. Verbände der Lebensmittel- und Werbeindustrie laufen Sturm gegen die Pläne.

WHO-Nährwertmodell

Das WHO-Nährwertmodell wurde 2015 veröffentlicht und 2023 überarbeitet. Es soll Staaten dabei unterstützen, Regeln für Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung zu schaffen. Lidl Deutschland, Aldi Süd sowie mehrere Staaten (Portugal, Türkei, Slowenien) machen das Modell bereits zur Grundlage für freiwillige oder verbindliche Beschränkungen der Werbung für Lebensmittel, weitere Staaten wie Spanien planen es. Das WHO-Modell teilt Lebensmittel in 18 Gruppen ein und definiert kategorienspezifische Grenzwerte beispielsweise für Zucker, Fett, Salz oder Süßstoffe, um die Produkte mit einer hohen Nährwertqualität zu identifizieren. Für diese soll weiterhin uneingeschränkt geworben werden dürfen – auch im Kinderprogramm.

Christina Seddig, Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten




Studie: Methylphenidat auch bei ADHS-Langzeittherapie sicher

Wahrscheinlichkeit für Wachstumsstörungen, psychiatrische oder neurologische Nebenwirkungen nicht erhöht

Ein internationales Forscherteam hat festgestellt, dass das am häufigsten verschriebene Medikament zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen auch im Rahmen einer Langzeittherapie über zwei Jahre im Allgemeinen sicher ist und die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Wachstumsstörungen, psychiatrischen oder neurologischen Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen nicht erhöht.

Die Ergebnisse zeigten sich in einer naturalistischen, prospektiven, kontrollierten Längsschnittstudie, die Forscherinnen und Forscher des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Tobias Banaschewski (Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters und stellvertretender Direktor des ZI) zusammen mit einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Forschern der UCL School of Pharmacy und der Universität Hongkong (Dr. Kenneth Man und Prof. Ian Chi-Kei Wong) sowie Prof. David Coghill, Department of Paediatrics, University of Melbourne durchgeführt haben. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „The Lancet Psychiatry“ veröffentlicht.


Alles über ADS: Symptome, Ursachen, Folgen und Hilfen

Dr. Elisabeth Aust-Claus und Dr. Petra-Marina Hammer stellen mit Optimind ein Team-Konzept für die Betreuung von Kindern mit ADS vor: Wenn Eltern, Lehrer und Therapeuten zusammen arbeiten, kann die Lebensqualität der Kinder schnell verbessert werden!

  • Alles über ADS: Symptome, Ursachen und Folgen
  • Umfassende Hilfe für Kinder mit ADS: Das Optimind-Konzept
  • Individuell abgestimmte Leitfäden für Eltern, Lehrer:innen und Kinderärzte
  • Bist du ein Zappelphilipp oder ein Träumer? Kindgerechte Erklärung von ADS
  • Mit zahlreichen Fallbeispielen, Checklisten und Tipps für den Alltag mit ADS

Das ADS-Buch: Neue Konzentrationshilfen für Zappelphilippe und Träumer
Sotfcover, 320 Seiten, zahlreiche vierfarbige Abbildungen
ISBN: 978-3-96304-038-2
20 €
Mehr dazu


Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der häufigsten Entwicklungsstörungen. Weltweit sind etwa 7 Prozent aller Kinder und 2 Prozent aller Erwachsenen von ADHS betroffen. Unbehandelt geht ADHS unter anderem mit einem erhöhten Risiko für emotionale Probleme, schlechte schulische Leistungen, Schulausschlüsse, Schwierigkeiten bei der Arbeit und in Beziehungen sowie Kriminalität und Drogenmissbrauch einher.

Langfristige Sicherheit von Methylphenidat

Methylphenidat ist in vielen Ländern das am häufigsten verschriebene Medikament zur Behandlung von ADHS bei Kindern und Jugendlichen. Die kurzfristige Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit wurde durch zahlreiche randomisierte kontrollierte Studien belegt. Hingegen gab es nur wenige Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit einer langfristigen Behandlung mit Methylphenidat. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) lehnte daher die Aufnahme von Methylphenidat in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel ab und äußerte „Bedenken hinsichtlich der Qualität und der Grenzen der verfügbaren Nachweise in Bezug auf Nutzen und Schaden“.

Um die Bedenken hinsichtlich der langfristigen Sicherheit in der Behandlung mit Methylphenidat bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS auszuräumen, finanzierte die Europäische Union das Projekt ADDUCE (Attention Deficit Hyperactivity Disorder Drugs Use Chronic Effects). Im Rahmen des EU-Projektes wurde eine naturalistische Studie unter Beteiligung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim durchgeführt und die Auswirkungen einer Langzeitbehandlung mit Methylphenidat auf Wachstum und Entwicklung sowie auf psychiatrische, neurologische und kardiovaskuläre Gesundheitsfolgen bei Kindern und Jugendlichen untersucht.

Langfristige Einnahme von Methylphenidat führt nicht zu verlangsamtem Wachstum

Für die ADDUCE-Studie wurden 1410 Kinder und Jugendliche aus 27 europäischen Zentren für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Vereinigten Königreich, Deutschland, der Schweiz, Italien und Ungarn rekrutiert. Die Studie ist insofern einzigartig, als es sich um die erste prospektive Studie handelt, in der Kinder und Jugendliche mit ADHS, die eine Langzeitbehandlung mit Methylphenidat erhielten und solche, bei denen keine Pharmakotherapie erfolgte, direkt miteinander verglichen wurden.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die langfristige Einnahme von Methylphenidat nicht mit Beeinträchtigungen des Wachstums oder mit einem höheren Risiko für psychiatrische oder neurologische Symptome einherging. Tatsächlich zeigte sich bei der langfristigen Einnahme von Methylphenidat ein durchschnittlich sehr geringer Anstieg des Blutdrucks und der Pulsfrequenz, wenn man die Methylphenidat-Gruppe mit der Gruppe ohne Methylphenidat verglich. Diese Erhöhungen werden jedoch nicht als schwerwiegend oder gesundheitsschädlich angesehen. Frühere Untersuchungen aus dem ADDUCE-Projekt haben zudem gezeigt, dass die Behandlung mit Methylphenidat das Risiko für Suizidversuche nicht erhöht und das Risiko, Opfer von körperlicher Misshandlung zu werden, senken kann.


ADS – Das Erwachsenenbuch

Dieser ADS-Ratgeber bietet wichtige Hilfestellungen und praktische Tipps für Betroffene und klärt über Symptomatik und Umgang mit der Diagnose ADS im Er-wachsenenalter auf.

  • ADS erkennen: Typische Symptome von Erwachsenen
  • Wissenschaftliche Hintergründe zu ADS-Varianten mit und ohne Hyperaktivität
  • Konkrete Praxis-Tipps: So meistern Sie den Alltag mit ADS
  • ADS-Problematik in Beziehung und Familie: Was Sie als Angehörige wissen müs-sen
  • Therapie und Medikamente: Behandlungsmethoden für ADS bei Erwachsenen

Aufmerksamkeits-Defizit- Syndrom: Neue Konzentrations- und Organisationshilfen für Ihr Berufs- und Privatleben
Sotfcover, 352 Seiten, zahlreiche vierfarbige Abbildungen
ISBN: 978-3-934333-06-2
19,80 €
Mehr dazu:


„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Methylphenidat in der Langzeitbehandlung von Kindern mit ADHS im Allgemeinen sicher und gut verträglich ist. Allerdings sind in Einzelfällen auch stärkere Anstiege von Pulsfrequenz und Blutdruck möglich, so dass regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden sollten“, sagt Prof. Dr. Dr. Tobias Banaschewski, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters und stellvertretender Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit.

Die ADDUCE-Studie wurde durch das Siebte Rahmenprogramm der EU unterstützt. Die Originalstudie wurde in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht.

Torsten Lauer/Zentralinstitut für Seelische Gesundheit