Schulfähigkeit und Schulbereitschaft bei Kindern

Hinweise zur Erfassung und Beurteilung schulfähigkeitsrelevanter Merkmale

Kinder sind in ihrem Leben immer wieder mit Übergängen – so genannten Transitionen – konfrontiert. Der erste große Übergang aus dem Sicherheit bietenden Elternhaus erfolgt für viele Kinder durch einen Krippen- oder Kindergartenbesuch, der zweite Übergang ist die Aufnahme in die Grundschule und so folgen im weiteren Leben immer wieder neue Übergänge (der Wechsel von der Primar- zur Sekundarschule, von der Schule zur Ausbildungsstelle bzw. zum Studium, der Auszug aus dem Elternhaus in eine eigene Wohnung, spätere Wohnortwechsel ….). Gerade der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule besitzt dabei einen lebensbestimmenden Bedeutungswert.

Übergangssituationen sind Chancen und Gefahrenquellen

Übergänge sind ein fester Bestandteil des Lebens und mit jedem Beginn ist bereits ein Ende programmiert. Jeder Übergang beinhaltet einen Austritt aus bisher bekannten, sicherheitgebenden Umgebungsbedingungen und einen Eintritt in etwas Neues, eine für sich gesehen „unbekannte Welt“. Dabei bieten Übergänge auf der einen Seite immer wieder neue Chancen auf eine Weiterentwicklung, auf der anderen Seite bergen Übergänge aber auch Risiken.

Um Bilder zu gebrauchen: Übergänge können sichere Stahlbrücken sein aber auch schwankende Hängebrücken. Sie können einen gefährlichen Drahtseilakt darstellen oder auch auf sicheren Schienen mit spurgenauen Weichen von statten gehen. Ein Übergang bleibt allerdings im Leben vieler Menschen ein Balanceakt, der auch zu einem Absturz führen kann, weil bekannte Stabilisationsfaktoren der Vergangenheit verlassen werden müssen.

Der Übergang Kiga-Grundschule im Fokus

Der zweite, bedeutsame Übergang im Leben der Kinder ist nach dem Eintritt in eine Kindertagesstätte der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule. Um Kindern diesen Wechsel zu erleichtern, werden in vielen Kindergärten gezielte Aktivitäten mit Kindern unternommen, um sie mit der anstehenden neuen Situation schon rechtzeitig vertraut zu machen. In der Regel bezieht sich die „Vorbereitung auf die Schule“ auf zwei große Schwerpunktbereiche. Zum einen werden mit den „Schulkindern“, wie Kinder häufig im letzten Kindergartenjahr genannt werden, gezielte „Vorschulprogramme“ durchgeführt, zum anderen kommt es in den letzten zwölf Monaten des Kindergartenbesuchs zu Aktivitäten, die den Kindern die Institution Schule näherbringen soll. Dazu gehören etwa gemeinsame, regelmäßige Treffen der „Schulkinder“ in einem besonderen Raum zu einem festen Termin, wo Kinder mit „Schulmaterialien“ vertraut gemacht werden, ein erster Schulbesuch, gezielte Sprach- und erste Leseförderung, Verkehrserziehung für eine sichere Nutzung des Schulweges, gemeinsames Bilderbuchbetrachten zum Thema Schule, Hospitationen und eine zeitweilige Teilnahme am Unterricht, Abschiedsfeier mit Übernachtung im Kindergarten, „Basteln“ einer Schultüte und entsprechende Elterngespräche. Eine solche „direkte Schulvorbereitung“, um dem „Kindergartenkind“ den Übergang zum „Schulkind“ zu erleichtern, steht in vielen Kindertagesstätten im Mittelpunkt, ist allerdings gerade unter bildungswissenschaftlicher und neuro-biologischer Betrachtung im Sinne einer Nachhaltigkeit sehr umstritten.

Eltern fordern und „fördern“ ihr Kind

Die Frage nach dem Stand der Schulfähigkeit steht auch für viele Eltern – vor allem im letzten Kindergartenjahr – an erster Stelle, weil sie den anstehenden Schulbesuch ihres Kindes einerseits mit eigenen Schulerfahrungen verbinden und andererseits wünschen, dass ihre Kinder von Anfang an einen gelungenen Schulstart erleben. So suchen sie immer wieder das Gespräch mit den Erzieherinnen, um abzuklären, welche besonderen Programme zum gezielten Auf- und Ausbau der Schulfähigkeit in der Kindertagesstätte durchgeführt wurden bzw. werden und wie auch Eltern selbst die „Vorschularbeit“ zu Hause fortsetzen können.

Kann Schulfähigkeit direkt „gefördert“ werden?

Eine solche gezielte „Schulentwicklungsförderung“ sowohl durch Eltern als auch in einer altershomogenen Kleingruppe im Kindergarten ist allerdings ebenso wie die gezielte Zusammenführung der beiden Institutionen „Kindergarten und Schule“ im letzten Kindergartenjahr aus Sicht vieler Schulfähigkeits-/ Bildungswissenschaftler schon seit mehr als zwei Jahrzehnten sehr umstritten (Bronfenbrenner 1988; Hacker 1998; Helmke 1992; Klein 1999; Crain 2005; Krenz 2006; Gebauer 2007; Brandes 2008; Lilienfeld/ Lynn/ Ruscio/ Beyerstein 2011; Bergmann 2011; Textor 2012; Renz-Polster + Hüther, 2013) und hat vor allem durch neuere Erkenntnisse der Hirnforschung immer wieder für fachlichen Zündstoff gesorgt. Dabei geht es stets um die bedeutsame Frage, ob sich die„Schulfähigkeit“ eines Kindes aus einer zeitbegrenzten, direkten Vorbereitung ergibt oder ob sie sich nicht vielmehr als das Ergebnis einer gesamten entwicklungsförderlichen Lernunterstützung von Kindern in den ersten sechs Lebensjahren herausstellt. Darüber hinaus wird zwischen Praktikern und Schulfähigkeitsforschern immer wieder heftig darüber diskutiert, ob es bei der Schulfähigkeit um schulerwartete Fertigkeiten geht, die sogleich einen lerngesteuerten Anfangsunterricht möglich machen oder ob es sich bei der Schulfähigkeit eines Kindes eher um eine „allgemeine Schulbereitschaft“ handelt, in der entsprechende Persönlichkeitsmerkmale von Schulkindern im Vordergrund stehen und sich nicht durch funktionsorientierte Übungen erreichen lassen.

Bevor es daher um die Frage gehen kann, wie sich die Schulfähigkeit eines Kindes entwickelt und ob sie beispielsweise „gefördert“ werden kann, ist es zu allererst notwendig, sich dem Begriff „Schulfähigkeit“ selbst zuzuwenden.

Was ist eigentlich „Schulfähigkeit?“

Auch wenn es in den vergangenen Jahrzehnten sehr vielfältige Definitionen von „Schulfähigkeit“ gab, hat sich herausgestellt, dass die Betrachtungen von Prof. Gerhard Witzlack besonders geeignet ist, die vielfältigen Facetten zu betrachten, die mit diesem Begriff verbunden sind.

Witzlack bezeichnet die Schulfähigkeit von Kindern als „die Summe ganz bestimmter Verhaltensmerkmale und Leistungseigenschaften, die notwendig sind, um im Anfangsunterricht und der weiteren Schulzeit Lernimpulse wahrzunehmen, aufzugreifen und im Sinne einer aktiven Lernauseinandersetzung zu nutzen. Diese Verhaltensmerkmale bilden aus seiner Sicht die Grundlage dafür, persönlichkeitsbildende (im emotionalen, motorischen sowie sozialen Bereich) und inhaltliche Weiterentwicklungen (im kognitiven Bereich) selbstmotiviert anzunehmen und umzusetzen. Gleichzeitig betrachtet Witzlack die Schulfähigkeit als einen vernetzten Teil eines Ganzen: sie ist immer abhängig von den besonderen Rahmenbedingungen einer Schule und den Persönlichkeitsmerkmalen sowie den fachlichen Kompetenzen der dort tätigen Lehrkräfte.“ ( vgl. Witzlack, G. in Krenz, 5. Aufl. 2009, S. 63).

Schulfähigkeit wird heute noch mit „Schulreife“ gleichgesetzt

Um die vielen angesprochenen Facetten dieser Begriffsbeschreibung zu sehen, ist es sicherlich hilfreich, noch einmal die Aussagen im Einzelnen zu sehen. Zunächst geht es darum, dass Witzlack – wie auch andere Schulfähigkeitsforscher – von Schulfähigkeit und nicht von „Schulreife“ spricht.

Bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde angenommen, dass vor allem die körperliche Entwicklung eines Kindes parallel mit seiner geistigen Entwicklung verlaufe. Ausgangspunkt dafür war der jahrzehntelange Bezug auf die Aussagen, die der Schularzt Wolfgang Zeller seit 1936 bis in die Mitte der 50er Jahre vertrat. Für ihn war die körperliche Entwicklung durch den so genannten ersten Gestaltswandel (von der Kleinkind- zur Schulkindform) sowohl „reifebedingt“ als auch von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung einer „Schulreife“. Er ging davon aus, dass letztlich die körperliche Entwicklung des Kindes zugleich auch immer ein Anzeichen für seine kognitive und soziale Entwicklung sei:

„In diesem ersten Gestaltswandel wird auch die seelische Gestalt des Kindes gleichzeitig mit den körperlichen Vorgängen verwandelt. Die kleinkindhafte Seelenstruktur mit ihrem magischen Weltbild und der ganzheitlichen vorwiegend synthetischen Wahrnehmung, macht einer neuen seelischen Haltung Platz, deren wesentlicher Grundzug die Fähigkeit zu analysierenden Vorgängen ist.“ (Zeller, 1952, S. 36). Seiner Ansicht nach reiche eine körperliche Untersuchung, um aus den Befunden einen Rückschluss auf eine Schul(un)reife der Kinder zu ziehen.

Dieselbe Meinung vertrat die Psychologin Hildegard Hetzer: „Dem Gestaltwandel entspricht also ein Wandel der seelischen Struktur und die Zusammenhänge zwischen den körperlichen Veränderungen und dem seelischen Anderswerden sind deutlich zu erkennen.“ (1936, S. 21). Diese Aussagen verdeutlichen, dass Schulfähigkeit so gut wie ausschließlich als „Reifungsphänomen“ aufgefasst wurde und dadurch prägte sich das Wort Schul„reife“ aus. Doch hat sich diese über viele Jahrzehnte bestehende Annahme fachlich in keiner Weise als haltbar erwiesen.

Heute weiß man, dass es vor allem um „innerliche Bereitschaften“, so genannte „intrapersonale Dispositionen“ geht (vgl. Bellenberg 1999, Breuer 1993; Helmke 1992). Aus diesem Grunde wechselte man auch in der Sprache das Wort „Schulreife“ gegen den Begriff „Schulfähigkeit“ aus. Dennoch hat sich in den nach wie vor durchgeführten schulärztlichen Untersuchungen die Auffassung gehalten, dass diese individualmedizinische Begutachtung der Kinder nötig sei. So wird nach wie vor der körperliche Entwicklungsstand der Kinder erfasst, das Seh- und Hörvermögen diagnostiziert, der individuelle Entwicklungsstand mit den Schwerpunkten Wahrnehmung, Motorik, Wissen und Sprache festgestellt sowie ein möglicher medizinischer und gesundheitspräventiver Förderbedarf ermittelt.


Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik

In einer Zeit wirtschaftlicher und technologischer Wandlungen, veränderter Situationen des Wohnens und Zusammenlebens, in der mediale Konsumorientierung bereits das frühkindliche Leben mitprägt, sollten wir einmal einen Schritt zurücktreten und – ohne uns den modernen Möglichkeiten zu verweigern – darüber nachdenken, was unsere Kinder, seien es eigene oder im pädagogischen Rahmen anvertraute, zu einer positiven Selbstentwicklung wirklich brauchen. Armin Krenz behandelt fach- und sachkundig und stets praxisnah das Thema der frühkindlichen Entwicklung, sei es im Bereich der Sprache, der Motorik, der sozialen Persönlichkeit oder der Kognition.

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Schulfähigkeit umfasst bestimmte Verhaltenseigenschaften des Kindes

Wenn Witzlack darüber hinaus von einer „Summe ganz bestimmter Verhaltensmerkmale und Leistungseigenschaften“ spricht, dann ergeben sich daraus wiederum zwei Aspekte:

Zum einen können Schulfähigkeitsmerkmale nicht durch Schulen, Schulärzte oder Eltern subjektiv festgestellt oder gar individuell festgelegt werden, weil umfangreiche Auswertungen von Untersuchungsergebnissen vorliegen, die diese Besonderheiten exakt erfasst haben.
Zum anderen geht es bei diesen spezifischen Verhaltensmerkmalen und Leistungseigenschaften nicht um kognitive Fertigkeiten wie beispielsweise darum, bestimmte, dem Kind vorgelegte Bilder in eine logische Reihenfolge zu bringen, zu erzählten Geschichten auf bestimmte Bildkarten zu zeigen, Mengenverhältnisse zu erfassen, geometrische Figuren zu erkennen und richtig zu benennen, Zahlenreihen korrekt aufzusagen, den eigenen Vor- und Zunamen schreiben zu können, die eigene Wohnanschrift zu kennen und auf Auforderung zu nennen oder einen vollständigen Menschen mit möglichst allen Körperteilen aufzuzeichnen.

Lange Zeit wurden und werden noch bis in die heutige Zeit solche „Schulfähigkeitsuntersuchungen“ durchgeführt, obwohl schon in der Mitte der 1970er Jahre der „Deutsche Bildungsrat“ von solchen kognitiv orientierten Überprüfungen aus den oben genannten Erkenntnissen abgeraten hat. Hinzu kommt, dass sie sich nahezu ausschließlich auf die Testung von kognitiven Merkmalen beziehen und auch hier wiederum nur einen kleinen Ausschnitt aufgreifen, der letztlich von untergeordneter Bedeutung in der Beurteilung von Schulfähigkeit ist.

Gleichzeitig kommt die im späteren Unterricht so wichtige Kommunikationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu kurz, weil die testenden Personen Aufgabenstellungen aussprechen und die Kinder lediglich ausschnitthafte Äußerungen von sich geben sollen. Kreative Lösungen sind bei den Wissensfragen ebenso wenig gefragt wie phantasieorientierte Gespräche und der für die Schulfähigkeit so wichtige sozial-emotionale Bereich kann durch solche Aufgabenstellungen auch nicht im Ansatz erfasst werden. Schließlich gibt ein solches Testverfahren keinerlei Auskunft über die „Kinderfähigkeit der Schule/ Schulbedingungen“ und letztendlich bringen unterschiedliche Schulfähigkeitsverfahren bei denselben untersuchten Kindern immer wieder unterschiedliche Ergebnisse zu Tage. Das hat mit der Tagesform der Kinder ebenso zu tun wie mit dem Beziehungsverhältnis zwischen dem Testdurchführer und dem getesteten Kind.

Weiterhin bezieht Witzlack die Frage nach einer vorhandenen Schulfähigkeit nicht nur auf den Einschulungstermin bzw. die erste Klasse, sondern auch auf die gesamte weitere Schulzeit! Und dazu gehört vor allem die Fähigkeit, direkte und indirekte Lernherausforderungen von sich aus (also intrinsisch motiviert) zu bemerken, aufzunehmen und letztendlich zu nutzen. Hier steckt „das sich bildende Kind bzw. der sich bildende Schüler“ im Mittelpunkt, so dass es weniger um ein Lernen und Belehren geht als vielmehr um die Fähigkeit der Kinder, den Lernstoff als eine Herausforderung zu verstehen und mit Interesse sowie Anstrengungsbereitschaft für eigene Lernauseinandersetzungen zu verwerten. Es hat sich dabei herausgestellt, dass folgende 16 Schulfähigkeitsmerkmale von besonderer Bedeutung sind

Emotionale Schulfähigkeit Soziale Schulfähigkeit Motorische Schulfähigkeit Kognitive Schulfähigkeit
weitgehend frei sein von inneren Spannungen (Belastbarkeit besitzen), um sich wahrnehmungsoffen den gestellten Aufgaben zuwenden zu können; auch mit Enttäuschungen umgehen können, um sich bei Misserfolgen dennoch den weiteren Lernherausforde-rungen zu widmen; Zuversicht und Vertrauen in die eigene Person besitzen, um sich als Akteur in Lernsituationen zu begreifen; neue, unbekannte Situationen weitgehend angstfrei wahrnehmen, um sich ohne Angstblockaden neuen Lernherausforderungen zu stellen. sich in einer Gruppe angesprochen fühlen, ohne persönlich angesprochen zu werden  – hier geht es um allgemein formulierte Arbeitsanforderungen, die das Kind auch auf sich bezieht; sich von vertrauten Personen lösen können, um alleine und ohne Hilfe gestellte Aufgaben zu erledigen; zuhören können und andere aussprechen lassen, um etwa Aufgaben-stellungen zu verstehen; Regelbedeutungen zu erfassen und sozial bedeutsame Regeln weitgehend einhalten zu können, um selbstaktiv – auch in einer Gruppe – zu einer konstruktiven Kommunikation beizutragen. eine visomotorische Koordination sowie eine Finger- und Handgeschick-lichkeit besitzen, um gezielte und „flüssige“ Schreib-/ Zeichen-bewegungen ausführen zu können; eigeninitiatives Verhalten zeigen (das Lerninteresse und die Arbeitshaltung betreffend) – zur Übernahme selbst-ständig gestalteter Arbeits-aufgaben; Belastungen erkennen und selbstaktiv verändern können, um zu ergebnisorientierten Lösungen zu kommen; Gleichgewichtswahr-nehmung besitzen, um aus einer Innenwahrnehmung eine Konzentration auf eine Außenwahrnehmung zu richten. Konzentrationsfertigkeit und Ausdauer bei mittelschweren Aufgaben aufbringen (ca. 15 Minuten), um zielgerichtet arbeiten zu können; Aufmerksamkeit (Neugierdeverhalten) für Lernherausforderungen zeigen, um mit Selbstmotivation die eigene Lernfreude zu aktivieren; folgerichtiges Denken bei logischen Aufgaben an den Tag legen und Beziehungen / Gesetzmäßig-keiten in Abläufen erkennen, um logische Zusammenhänge zu erkennen; eine lernorien-tierte Merkfähigkeit besitzen (im auditiven und visuellen Bereich), um zurückliegende Lernereignisse mit gegenwärtigen Lernheraus-forderungen zu verknüpfen.

(Tab.:  Merkmale einer vorhandenen Schulfähigkeit, © Krenz)

Selbstverständlich handelt es sich bei diesen 16 so genannten Basisfaktoren einer Schulfähigkeit/Schulbereitschaft nicht um Merkmale, die jeweils eine 100%ige Qualitätserfüllung erfordern. Vielmehr beschreiben diese 16 Basisfaktoren die Merkmale, die im Ansatz – wenn auch deutlich – bei Kindern erkennbar sind und die sich durch alltagsorientierte Lebens- und Lernerfahrungen in bindungsstarken Beziehungen auf- und ausbauen.

Zugleich bezieht Witzlack – ebenso wie der Psychologe Prof. Dr. Karlheinz Barth -aber auch die gesamten Umfeldbedingungen in die Frage der Schulfähigkeit von Kindern mit ein. (Barth: „Aber Schulfähigkeit darf nicht ausschließlich auf Merkmale bzw. Lernvoraussetzungen des Kindes reduziert werden. Es besteht vielmehr eine Wechselwirkung zwischen schulischen Einflussgrößen und den individuellen Lernvoraussetzungen eines Kindes.“ 1992, S. 40)

Damit haben nicht nur Kinder eine so genannte „Bringschuld“ sondern gleichzeitig auch die Schulen selbst. (vgl. Portmann 1995, S. 12 ff.) Anders ausgedrückt: „Schulfähigkeit stellt sich somit als ein interaktionistisches Konzept verschiedener Einflussgrößen dar.“ (Barth, 1992, S. 41).So spielen selbstverständlich auch die Rahmenbedingungen – etwa die Größe der Schulklassen, die Zusammensetzung der Klassen, das Verhältnis von Jungen und Mädchen, die Klassenraumgestaltung, der festgelegte Stundenrhythmus, Unterrichtsmaterialen wie die gesamte Ausstattung mit Medien –  ebenso eine große Rolle wie die bindungs- und beziehungsorientierten Ausdrucksformen der Lehrkräfte (vgl. dazu auch Johannson, 2007, S. 28 ff.)., ihre eigene Lernbereitschaft und ihr persönliches Engagement sowie ihre Unterrichtsvorbereitung und -durchführung bzw. ihr methodisch/ didaktisches Know-how.

Da Deutschland aus einem föderalistischen Staatssystem besteht, in dem die 16 einzelnen Bundesländer eine jeweilige Bildungshoheit besitzen, ist die Frage der Einschulung je nach Bundesland sehr unterschiedlich geregelt. Es gibt Bundesländer, die die Einschulung der Kinder vom sechsten Lebensjahr schrittweise auf das fünfte Lebensjahr vorziehen (z.B. Nordrhein-Westfalen und Bayern), andere Bundesländer folgen (noch) nicht dieser Tendenz. Des Weiteren gibt es Bundesländer, die auf jedwede Form von Schulfähigkeitsuntersuchungen verzichten (z.B. Bremen) und zunächst alle Kinder im entsprechenden Alter in die Grundschulen aufnehmen. Hier steht die Annahme im Hintergrund, dass es wahrscheinlich für viele Kinder sehr hilfreich ist, vor allem in den ersten beiden Klassen entsprechende Schulfähigkeitsmerkmale aufzubauen(als Aufgabe der Schule und nicht des Elternhauses bzw. des Kindergartens) und diese demnach nicht als Bedingungen für eine Schulaufnahme vorauszusetzen.

Kernelemente einer „Bildungsarbeit aus II. Hand“

Bei einer genaueren Betrachtung der aktuellen „Bildungsarbeit“ (zur  so genannten Schulvorbereitung des Kindergartenkindes)  in vielen Kindertagesstätten kann festgestellt werden, dass „schulvorbereitende Bildung“

a) zu einer belehrenden Angebotspädagogik deformiert wurde, in der sich die Fachkräfte als Akteure/ Impulsgeber verstehen und Kinder in die Rolle von Reakteuren gedrängt werden;
b) in künstlich hergestellten Lernsituationen angeboten wird und Kinder von ihren alltagsweltlichen Erlebnis-/Erkenntnisinteressen immer stärker abgelenkt/ weggeführt werden;
c) in einer erwachsenengesteuerten Bildungssystematik mündet, die dem Denken/ Verstehen/ Handeln kindeigener Lernvorgänge in der Regel widerspricht;
d) als eine Summe didaktisierter Programme den Kindern vorgesetzt wird, in denen Bildungsbereiche aufgegliedert, zerteilt und zerrissen erscheinen;
e) vor allem als „kognitive Förderung“ verstanden wird, wobei die emotional-soziale Bildung deutlich in den Hintergrund gerät und damit den neurobiologischen Erkenntnissen des kindlichen Lernens nicht gerecht werden kann;
f) als Fächerkanon – wie in der Schulpädagogik – gestaltet wird und damit die Elementarpädagogik ihre – trotz der im KJHG zugesprochenen – Eigenständigkeit aufgibt und zunehmend verliert.

Daher ist es verständlich, wenn immer mehr Bildungs- und Bindungsforscher, Neurobiologen und Entwicklungspsychologen/ -pädagogen immer stärker und immer häufiger auf einen notwendigen Perspektivwechsel in dem elementarpädagogischen Bildungsverständnis hinweisen.

Eine alte chinesische Weisheit lautet: „Das Gras wächst nicht schneller indem man daran zieht.“      

Warum eine „Bildung aus I. Hand“ gerechtfertigt und notwendig ist

Kinder sind von Anfang an von sich aus aktiv, wollen die Welt (in sich und um sich herum) entdecken, erkunden, begreifen und entwickeln sich in einer anregungsreichen Umgebung und einer beziehungsorientierten Pädagogik aus sich selbst heraus. Sie sind dabei von einer großen Neugierde getrieben, ihr eigenes Leben und ihre Existenz in eine Beziehung zu ihrem erlebten Umfeld zu setzen. Dabei wählen sie selbst aufgrund ihrer biographischen Eindrücke und entwicklungspsychologisch geprägten Merkmale in selektiver Form aus, was ihnen bedeutsam und wichtig erscheint, um sich den intrinsisch vorhandenen Wahrnehmungsschwerpunkten zuzuwenden.

Alle Bildungsprozesse ergeben sich aus sinnstiftenden Fragen, die sich das Kind immer wieder stellt: wer bin ich, was kann ich, was habe ich an Gestaltungsmöglichkeiten, zu wem gehöre ich, wer sind die anderen und was passiert gerade jetzt um mich herum? Infofern geschieht Bildung in aktiv beteiligten und bindungsorientierten Interaktions- und Kommunikations-prozessen! Die intraindividuelle Individualität des Kindes, die es verbietet, von einem >idealtypischen Durchschnittskind< zu sprechen, sorgt dabei stets für einen ganz persönlichen Entwicklungsverlauf, der je nach Sättigung der unterschiedlichen seelisch-sozialen und körperlichen Grundbedürfnisse einen mehr oder weniger aktiv gestalteten Entwicklungsverlauf nimmt. In dem Maße, in dem nun dem Kind seine Selbstaktivität sowie seine subjektiv geprägte Wahrnehmungsorientierung genommen wird, kommt es immer stärker zu einer Einschränkung und zum Abbau seiner Selbstbildungskräfte, was wiederum für eine nachhaltige Bildungsentwicklung kontraproduktiv ist.

Janusz Korczak, der große Arztpädagoge, trat stets für die „Rechte des Kindes“ ein und kam in diesem Zusammenhang zu folgendem Schluss: „Ein Kind ist kein Lotterielos, um den ersten Preis zu gewinnen“.

Bildung ist Persönlichkeitsbildung

1996 hat die Europäische Union im >Amsterdamer Vertrag< den Richtwert einer nachhaltigen Bildung beschlossen und 2001 hat der Europarat in Göteborg ein langfristiges Nachhaltigkeitskonzept verabschiedet. Im so genannten „Delors-Bericht“ ist Bildung als der Kern der Persönlichkeitsentwicklung und der Gemeinschaft hervorgehoben, deren Aufgabe es ist, jeden Menschen – ohne Ausnahme – in die Lage zu versetzen, dass er all seine Talente zur vollen Entwicklung bringen und sein kreatives Potenzial, einschließlich der Verantwortung für das eigene Leben und der Erreichung persönlicher Ziele, ausschöpfen kann.

Hier geht es primär  nicht um eine „kognitiven Förderung“ sondern eine sozial-emotionale stabile Handlungskompetenz, die im Vordergrund steht. Vergleiche mit der weit verbreiteten, realisierten Elementarpädagogik in Deutschland zeigen dagegen eine deutlich andere Schwerpunktsetzung! Nachhaltige Bildung drückt sich beispielsweise in den personalen Kompetenzen aus, im Sinne einer lebenslangen Lernfreude sein Wissen ständig erweitern zu wollen, die eigene Handlungskompetenz auszubauen (statt über Ungerechtigkeiten oder Konflikte zu klagen), Verständnis für andere Menschen/ Kulturen und deren Geschichte, Interkulturalität, den Wert einer inklusiven Gesellschaft aufzubringen, mit einem guten Urteilsvermögen, einer hohen Eigenständigkeit und sozialen Verantwortung das Leben aktiv zu gestalten, Solidarität zu zeigen, Empathie und Partizipationswünsche zu entwickeln, Selbstbildungsarbeit auf sich zu nehmen, eine allsinnige Weltwahrnehmung an den Tag zu legen, Lernangelegenheiten und –herausforderungen anzunehmen sowie Vernetzungen aus unterschiedlichen Beobachtungen/ Ereignissen herzustellen und folgerichtige Entscheidungen zu treffen, aus Fehlern immer wieder zu lernen und bei Problemlagen nach Lösungen zu suchen.

Diese „elementare Bildung“ ist von grundlegender Bedeutung für die weitere Lebensgestaltung bzw. –planung eines jeden Menschen. Dabei haben Erwachsene für eine lernunterstützende „Bildungsatmosphäre“ zu sorgen. Bildung hat im originären Sinne nichts mit einem „schulischen“ Lernen zu tun und noch weniger mit einem „vorschulorientierten“ Arbeiten. Bildung orientiert sich nicht auf einen Wissenswettbewerb mit Siegern und Verlierern sondern auf Werteentwicklungen, Zeitlosigkeit, Kunst, Musik und die Schönheit einer sorgfältig gepflegten Sprache. Bildung kennt keine Hektik sondern schätzt gelebte Zeiten, Ruhe und Muße. Sie lässt sich nicht nach „Nutzen“ zweckentfremden sondern schenkt gerade den Kindern eine große Gedanken-, Handlungs- und Selbstentfaltungsfreiheit, um Widersprüche zu entdecken, quer zu denken, Gefühle zu erleben und dadurch immer wieder mit sich selbst konfrontiert zu werden.

Kinder brauchen statt einer Beschleunigung ihrer Kindheit eine Entschleunigung ihres Alltags-erlebens. 

Konsequenzen für eine nachhaltige „Bildungsarbeit aus I. Hand“ 

Um aus dem Dilemma einer zunehmend verplanten „Bildungskindheit“ und einer dogmatisierten Elementarpädagogik herauszukommen, bedarf es eines radikalen Perspektivwechsels, um Kindern eine „Bildung aus erster Hand“ (Gerd Schäfer) zu gewährleisten:  

  • (1) Erwachsene müssen sich von dem derzeit weit verbreiteten Bild verabschieden, Kinder seien schon in den ersten fünf oder sechs Lebensjahren zu einem „Schulkind“ bzw. möglichst gut entwickelten „Jungerwachsenen“ zu perfektionieren, wodurch zukunftsorientierte Erwartungen an Kinder zur Gegenwart erklärt werden;
  • (2) Erwachsene müssen die ersten sechs Lebensjahre von Kindern als einen eigenständigen Entwicklungszeitraum einer „Kindheit“ begreifen, der durch entwicklungspsychologische Besonderheiten gekennzeichnet ist und darauf entsprechend die gesamte Arbeit abstimmt werden muss;
  • (3) Kinder brauchen eine Lernumgebung im Innen- und Außenbereich, in der sie handgreiflich, unmittelbar, aktiv, mit allen Sinnen, innerlich beteiligt und engagiert Erfahrungen machen können, die ihnen helfen, das Leben selbstständig, unabhängig und sozial beteiligt zu spüren und selbstaktiv zu gestalten. Gleichzeitig muss dabei dem Spiel ein entsprechend großer Raum zugestanden werden.
  • (4) Kinder brauchen keine künstlichen, von Erwachsenen arrangierte Welten, die sie „bespaßen“ bzw. „belehren“ und von ihren ureigenen intrinsischen Handlungsinteressen immer weiter wegführen.
  • (5) Erwachsene müssen Kindern vielfältige, alltagsbedeutsame Herausforderungen zutrauen, die Kinder mit Mut und Engagement, Lebendigkeit und Stolz, Risikobereitschaften und Leistungserlebnissen ausfüllen können. Dazu ist eine risikobereite Einstellung der Fachkräfte ebenso notwendig wie eine Umgebung (innerhalb und außerhalb der Kindertagesstätte), in der viele unsinnige und überflüssige „Sicherheitsvorschriften“ außer Kraft gesetzt werden müssen.
  • (6) Träger und Gesetzgeber sind in dem Zusammenhang aufgefordert, entsprechende Sicherheitsvorschriften und Richtlinien zu entkernen, um den Kindern und zugleich den elementarpädagogischen Fachkräften wieder die Freiheit zu schenken, die für ein entdeckendes Erfahrungslernen unumgänglich ist.
  • (7) Erwachsene müssen mit Kindern leben, mit Kindern fühlen, mit ihnen planen, mit ihnen spielen und mit ihnen die Welt entdecken (und nicht „am Kind“ bzw. „für das Kind“ planen, Vorhaben vorstrukturieren, Vorgedachtes anbieten).
  • (8) Erwachsene müssen sich der Perspektive der Kinder zuwenden und damit aufhören, Kinder in die Perspektive der Erwachsenen zu zerren.
  • (9) Kinder brauchen weniger eine didaktische Vielfalt an Programmen als vielmehr feste Bezugspersonen, die sich selbst als entscheidenden didaktischen Mittelpunkt begreifen; sie brauchen zuverlässige Bindungserfahrungen und damit engagierte, lebendige, staunende, mitfühlende, wissende, handlungsaktive, mutige, risikobereite, zuverlässige Menschen um sich herum und keine besser wissenden Rollenträger(innen), die immer noch meinen, Belehrungen der Kinder mache Kinder klug.
  • (10) Erwachsene müssen sich als Bildungsvorbilder verstehen, weil es die Facetten ihrer eigenen Sprache, ihr Sprechen, ihre vielfältigen Interessensschwerpunkte, ihre unersättliche Neugierde, ihre vielen Lebens- und Umfeldfragen, ihre unterschiedlichsten Aktivitäten, ihre Gefühlskompetenzen, ihr eigener Forscherdrang, ihre ausgeprägte Lernfreude und ihre hohe Motivation zum Beruf sind, die Kinder fasziniert und die Kinder sich zu ihnen regelrecht hingezogen fühlen.
  • (11) Bildungsarbeit ergibt sich aus den Lebensthemen der Kinder und dabei ist es die Aufgabe der Fachkräfte, das sich bildende Kind zu begleiten.
  • (12) Weil Kinder ihr Leben und ihr Umfeld ganzheitlich verstehen, müssen alle Lernerfahrungen für Kinder auch sinnlich und entwicklungsvernetzt möglich sein.

Diese Konsequenzen ergeben sich nicht zuletzt aus dem klar formulierten Diskussionsbeitrag der Deutschen UNESCO-Kommission (2010) zu einer nachhaltigen Bildung im Kindergarten, in dem die wesentlichen Elemente einer zeitgemäßen Elementarpädagogik angemahnt werden (Stichworte: Situations-, Handlungs- und Partizipationsorientierung, Orientierung an Ganzheitlichkeit, Selbstorganisation, Kooperation; Kindergartenpädagogik respektiert den geschützten Raum der Kindheit; Schaffung eines Bezugs zur realen Lebenswelt; Einbettung der Sprachförderung in die Lebenswelt des Kindes; Schutz vor einer Überfrachtung mit den von Erwachsenen verantworteten Problemen nicht-nachhaltiger Entwicklungen). Kinder leben durch Erlebnisse und lernen aus bedeutsamen Erfahrungen, die >unter die Haut gehen< – sie lernen nicht durch ein vorgesetztes Kopfkino, das mehr und mehr einem Stopfkopf gleichkommt.
Erinnert sei in dem Zusammenhang an Maria Montessori, die die Forderung aufstellte: „Die Aufgabe der Umgebung ist es nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren.“

Damit ist per se eine Aufteilung der Bildungskompetenzen und Bildungsfelder/-fächer – wie in vielen Bildungs- und Orientierungsrichtlinien dargestellt und ausgeführt sowie in vielen Einrichtungen „stundenplanmäßig“ angeboten und abgearbeitet- unzulässig und für eine bindungsorientierte  Selbstbildungspraxis ausgeschlossen.

Fazit zur Notwendigkeit eines Wandels des Bildungsverständnisses:

Tanjev Schultz schrieb in der Süddeutschen Zeitung am 05.02.2008 einen vielbeachteten Artikel mit der Überschrift „Kinder als Stopfgänse“ und führte u.a.  Folgendes aus: „Das Stopfen von Gänsen ist in Deutschland verboten, weil es eine Quälerei ist. Es fügt den Tieren Prellungen zu, sie erleiden Knochenbrüche, Entzündungen und Organstörungen. Die Stopfleber ist das Produkt einer Pein. Genauso kann es Kindern ergehen, denen in großer Eile viel Stoff in die Köpfe gestopft wird.“

Eine elementare Bildung fragt zunächst danach, welche Lebensinteressen Kinder ausdrücken und sie sorgt dafür, dass Kinder auf gebildete Erwachsene treffen, die ihnen dabei behilflich sind, ihren eigenen Lebenswert zu erfassen, Lebensfreude (weiter) zu entwickeln und seelische/ lernunterstützende Grundbedürfnisse befriedigt zu bekommen. Das kann nur gelingen, wenn sich Erwachsene von der Vorstellung, Kinder belehren zu müssen und Kindern >Wissen beizubringen<, radikal und konsequent verabschieden, um für eine alltagsorientierte, lebendige,lernunterstützende Bildungsatmosphäre zu sorgen. Bildung hat im originären Sinne nichts mit einem „schulischen“ Lernen zu tun und noch weniger mit einem „vorschulorientierten“ Arbeiten.

All das setzt voraus, dass elementarpädagogische Fachkräfte engagiert und selbstinteressiert noch viel stärker als bisher über den eigentlichen Sinn der Bildung und ihr unterschiedliches Selbstverständnis, die Ziele von Bildungsergebnissen und deren Zweck sowie die Aufgaben einer persönlichkeitsbildenden Elementarpädagogik grundlegend nachdenken. Nur dadurch kann eine nachhaltige Bildung auf allen Seiten gelingen. Die aktuelle Bildungspraxis ist allerdings dabei, diesen Fragen immer stärker aus dem Wege zu gehen. Vielleicht ist es hilfreich, sich auf Artikel 32, Absatz 1 der UN-Charta „Rechte des Kindes“ (ratifiziert durch den Deutschen Bundestag) zu besinnen, in dem den Kindern „ein Recht auf Ruhe und Freizeit, auf Spiel und altersgemäße Erholung“ zugesprochen wird.

Erinnert sei auch an Galileo Galilei, den großen italienischen Philosophen, Mathematiker, Physiker und Astronom, der im 17. Jahrhundert den Satz ausgesprochen hat: „Man kann einen Menschen nichts lehren. Man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“  Derzeit hat sich die deutsche Elementarpädagogik meilenweit von dieser – auch durch viele heutige, belegte Studien aus dem Feld der Bildungsforschung und Neurobiologie – Erkenntnis verabschiedet. Entweder hat sich Galilei geirrt oder die heutige Elementarpädagogik hat einen Weg eingeschlagen, der eine Kehrtwendung notwendig macht.  

Fazit zum Selbstverständnis der Begriffe „Schulfähigkeit/ Schulbereitschaft“:

Alle bedeutsamen Ergebnisse im Hinblick auf die Entwicklung einer Schulbereitschaft machen auf folgenden Aspekt aufmerksam: der Aufbau einer Schulfähigkeit kann kein zeitbegrenztes Vorhaben oder eine von außen, bewusst initiierte und gesteuerte Menge von Funktionsübungen beinhalten, geht es doch um intrapersonale Fähigkeiten und nicht um kognitiv gesteuerte Fertigkeiten.(vgl.: Klein, 1999, S. 12) Gleichzeitig wird in jüngster Zeit verstärkt davor gewarnt, dass sowohl durch verfrühte Lernprogramme als auch durch die damit verbundene Vernachlässigung des Spiels der gesamte Zeitraum Kindheit aufs Spiel gesetzt wird – mit dramatischen Entwicklungsirritationen für das Kind. (Pohl, 2006) Ein schulfähiges Kind besitzt so genannte nachhaltige Lerntendenzen wie Lerninteresse, einen ausgeprägten Lernwillen, eine hohe Lernfreude und eine große Lernbereitschaft, die weder durch zielgerichtete Übungen noch zeitbegrenzte Belehrungen in Kindern aufgebaut werden können. Offensichtlich hat der Umstand, dass die Begriffe „Schulfähigkeit“ und „Intelligenz bzw. Begabung“ gleichgesetzt wurden bzw. werden, bis in die heutige Zeit dazu beigetragen, dass eine Schulfähigkeit des Kindes mit dem Ausprägungsgrad seiner kognitiven Kompetenz (also seines Wissens und seiner Denkfähigkeit) im Verhältnis 1:1 betrachtet wurde/ wird. Genau das ist ein so genannter Kardinalfehler mit dramatischen Folgen! Gut begabte Kinder müssen nicht automatisch schulfähig sein, doch schulfähiger Kinder zeichnen sich stets durch eine reichhaltige Spielfähigkeit sowie eine ungebremste Neugierde, durch Fragen, Interesse an ihrem Umfeld, Soziabilität und eine ständige Lernfreude aus. Das ist das, was Prof. Dr. Gerd Schäfer eine „Bildung aus 1. Hand“ nennt und in vielfältiger Form von der Neurobiologie bestätigt wird (vgl.: Prof. Dr. Gerald Hüther/ Dr. Karl Gebauer).  

Literaturtipps:

Bergmann, Wolfgang (2011): Lasst eure Kinder in Ruhe! Gegen den Förderwahn in der Erziehung. Kösel-Verlag, München

Brandes, Holger (2008): Selbstbildung in Kindergruppen. Die Ko-Konstruktion sozialer Beziehungen. Ernst Reinhardt Verlag, München

Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (DUK) (Hrsg.) (2010): Zukunftsfähigkeit im Kindergarten vermitteln: Kinder stärken, nachhaltige Entwicklung befördern. Bonn

Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (DUK) (Hrsg.) (1997): Lernfähigkeit – unser verborgener Reichtum. UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. (Delors-Bericht). Bonn

Dollase, Rainer (2006): Die Fünfjährigen einschulen – oder: Die Wiederbelebung einer gescheiterten Reform der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. In: KiTa aktuell NRW, Nr.1, Seite 11-12

Gaschke, Susanne (2011): Die verkaufte Kindheit. Pantheon Verlag, München 2. Aufl.

Hannaford, Carla (2008): Bewegung – das Tor zum Lernen. VAK Verlag, Kirchzarten (7. Aufl.)  

Holt, John, (2003): Wie kleine Kinder schlau werden. Selbstständiges Lernen im Alltag. Weinheim: Beltz Verlag

Jackel, Birgit (2008): Lernen, wie das Gehirn es mag. VAK, Kirchzarten

Krenz, Armin (2018): Ist mein Kind schulfähig? KöselVerlag, München10. Aufl.

Lee, Jeffrey (2004): Abenteuer für eine echte Kindheit. Die Anleitung. München: Piper Verlag

Lilienfeld, Scott O. et al. (2011): Warum Mozart Babys nicht schlauer macht. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Primus Verlag), Darmstadt

Markova, Dawna (2005): Wie Kinder lernen. Eine Entdeckungsreise für Eltern und Lehrer. VAK, Kirchzarten

Renz-Polster, Herbert + Hüther, Gerald (2013): Wie Kinder heute wachsen. Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. Beltz-Verlag, Weinheim

Renz-Polster, Herbert (2014): DIE KINDHEIT IST UNANTASTBAR. Warum Eltern ihr Recht auf Erziehung zurückfordern müssen. Beltz-Verlag, Weinheim

Textor, Martin R. (2012): Zukunftsorientierte Pädagogik: Erziehen und Bilden für die Welt von morgen. Wie Kinder in Familie, Kita und Schule zukunftsfähig werden. Books on Demand, Norderstedt

Timm, Adolf (2009): Die Gesetze des Schulerfolgs. Kallmeyer in Verbindung mit Klett, Seelze-Velber

Zimpel, André Frank (2011): Lasst unsere Kinder spielen! Der Schlüssel zum Erfolg. Vandenhoeck + Ruprecht, Göttingen

Zimpel, André Frank (2014): Spielen macht schlau! Gräfe und Unzer, München

Zimpel, André Frank (2010): Zwischen Neurobiologie und Bildung. Vandenhoeck + Ruprecht, Göttingen

Armin Krenz, Prof. h.c. et  Dr. h.c., Honorarprofessor i. R., Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik




Ergebnisse der Corona-KiTa-Studie: Mehr Förderbedarf als vor der Pandemie

corona

7. Quartalsbericht der Corona-KiTa-Studie

In den vergangen zwei Jahren wechselten sich in Kindertageseinrichtungen Phasen mit eingeschränktem Betrieb und einer schrittweisen Rückkehr zum Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen ab. Aktuelle Ergebnisse einer Leitungsbefragung in Kitas sowie viele weitere Themen erläutern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Jugendinstituts (DJI) und des Robert Koch-Instituts (RKI) im 7. Quartalsbericht (II/2022) der Corona-KiTa-Studie.

Förderbedarfe von Kindern aus Sicht der Kita-Leitungen

Trotz großem Engagement gelang es Kindertageseinrichtungen unter den schwierigen Rahmenbedingungen seit Beginn der Pandemie zunehmend weniger, den pädagogischen Kernaufgaben der sprachlichen, sozio-emotionalen und motorischen Förderung nachzukommen. Während im Oktober 2020 35 Prozent der Kita-Leitungen einen Anstieg an Kindern mit Förderbedarf in der sprachlichen Entwicklung sahen, waren es im Zeitraum von April bis Juni 2021 43 Prozent und im Frühsommer 2021 über die Hälfte (53 Prozent). Auch bei der sozio-emotionalen Förderung gaben im Frühsommer 2021 mit 62 Prozent knapp zwei Drittel der KiTa-Leitungen an, dass mehr Kinder Förderbedarf aufweisen als vor der Pandemie.

Quelle: https://corona-kita-studie.de/ergebnisse#dashboard

Kindertageseinrichtungen mit einem höheren Anteil an Mädchen und Jungen mit schwachem sozioökonomischem Hintergrund haben bei der Befragung des Leitungspersonals schlechter abgeschnitten. „Weisen mehr als 30 Prozent der Kinder einer Einrichtung einen niedrigen sozioökonomischen Status auf, so schätzten die Leitungen dieser Einrichtungen die Zunahme an Kindern mit Förderbedarfen entsprechend höher ein“, sagt Dr. Susanne Kuger, Projektleiterin der Corona-KiTa-Studie am DJI. Diese Einrichtungen berichten nicht nur von einer Zunahme, sondern waren auch vor der Pandemie mit größeren Förderbedarfen der Kinder konfrontiert. Dies deute darauf hin, dass sich pandemiebedingte Förderbedarfe für bestimmte Bevölkerungsgruppen vergrößert haben. Kinder, die ohnehin geringere Entwicklungsstände aufwiesen, haben durch die Pandemie zusätzliche Bedarfe entwickelt und benötigen Unterstützung, um keine langfristigen Nachteile in ihrer Entwicklung und zukünftigen Bildungsbiografie zu erleiden.

Kontaktbeschränkung in Kindertageseinrichtungen wirkten sich auf die soziale Interaktion aus

Die Befunde der Corona-KiTa-Studie deuten zudem darauf hin, dass sich die pandemiebedingten Einschränkungen der Bewegungs- und Kontaktmöglichkeiten in der Kita allgemein negativ auf die Qualität der Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind, den Kindern untereinander sowie zwischen Kita und Familie ausgewirkt haben. Als günstige Bedingungen für die pädagogische Beziehung erwiesen sich eine mittlere Auslastung der Einrichtung mit nicht zu vielen anwesenden Kindern sowie kleinere Kitas, außerdem die stabile Zuordnung von pädagogischem Personal zu den Gruppen, der Verzicht auf das Distanzhalten sowie die Umsetzung vieler (beispielsweise sprachlicher oder motorischer) pädagogischer Förderaktivitäten.

https://corona-kita-studie.de/ergebnisse#dashboard

KiTa-Register dokumentiert die Betreuungskapazitäten von Kitas und Kindertagespflege

Trotz hoher Infektionszahlen wurden die Kindertageseinrichtungen seit Beginn der Omikron-Welle größtenteils offengehalten. Die Auslastung der Kitas lag von Dezember 2021 bis März 2022 bundesweit bei 84 Prozent. Trotz des drastischen Anstiegs der Infektionen und der hohen lokalen 7-Tage-Inzidenzen blieb die Inanspruchnahmequote relativ konstant. Die Werte beim Personaleinsatz blieben dabei stabil – wenn auch auf niedrigem Niveau. „Dies spricht für eine hohe Einsatzbereitschaft in den KiTas und einen routinierten Umgang mit den Herausforderungen der Pandemie“, erklärt Susanne Kuger. „Allerdings zeigt sich beim Stimmungsbild eine deutliche Verschlechterung: Der Unmut erreichte einen nie dagewesenen Höchstwert.“

https://corona-kita-studie.de/ergebnisse#dashboard

Auch in der Kindertagespflege stieg die Auslastung etwas. Sie erreichte im April 2022 bundesweit einen Wert von 93 Prozent. Die gemeldeten SARS-CoV-2-Infektions- und Verdachtsfälle stiegen stark an, sowohl bei der Kindertagespflegeperson selbst, Mitgliedern ihres Haushaltes, als auch bei den betreuten Kindern oder deren Eltern. Im März 2022, während der fünften Pandemiewelle, wurde mit 25 Prozent der Tagespflegestellen mit Infektionsfällen ein neuer Höchststand erreicht. Knapp 10 Prozent Kindertagespflegestellen waren geschlossen.

Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Jugendinstituts




Klare Strukturen, Transparenz und Feedback fördern die Arbeitszufriedenheit

Team

Studie an der Fachhochschule Bielefeld zur Motivation von Kita-Fachkräften

Kindertageseinrichtungen haben in den vergangenen 15 Jahren einen regelrechten Boom erlebt und noch immer entstehen weitere Kitas. Schließlich wurde die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren ebenso ausgebaut wie die Ganztagesbetreuung. Auch qualitativ sind die Anforderungen an die Bildungseinrichtung Kita gestiegen – zum einen durch den gewachsenen Anspruch an Bildung, aber auch durch Inklusion, Integration und die Zusammenarbeit mit den Eltern. Aufgrund des Mangels an pädagogischen Fachkräften kommt es oftmals zu einem Berg an Überstunden.

Auswirkungen von Aufgabenflut und Fachkräftemangel

Aber wie wirkt sich die gestiegene Vielfalt an Aufgaben und der Fachkräftemangel auf die Arbeitszufriedenheit aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich Anne Ruppert, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Die Diplom-Pädagogin war selbst Führungskraft in einer Kita und hat danach mehrere Jahre als selbstständige Trainerin viele Kita-Teams in Arbeits- und Teamprozessen begleitet. „Mir fiel auf, dass die Fluktuation beim pädagogischen Personal sehr hoch ist, und ich habe mich gefragt, woran das liegt. Dabei gibt es auch Kindertageseinrichtungen, in denen Teams seit Jahren zusammenarbeiten. Sie scheinen den erhöhten Anforderungen gerecht zu werden, die Fluktuation ist gering“, berichtet Ruppert. „Es scheint, als würde hier eine Balance zwischen den gestiegenen quantitativen wie qualitativen Anforderungen und der erbrachten Arbeitsleistung der Fachkräfte vorliegen.“

Was Teams zusammenhält

Doch was hält langlebige Teams zusammen? Ruppert stellt fest, dass Partizipation zwar wichtig ist. Aber von besonders großer Bedeutung sind Strukturen und Transparenz, also ein klarer Rahmen, in dem Partizipation stattfindet.

Anne Ruppert hat pädagogische Fachkräfte, Kita-Leitungen sowie Vertreterinnen verschiedener Träger in leitfadengestützten Interviews befragt. „Die Leitungen sind von selbst auf mich zugekommen, als sie hörten, dass ich die pädagogischen Fachkräfte befrage, weil sie ebenfalls daran interessiert sind, wie man eine hohe Arbeitszufriedenheit schaffen kann“, erläutert Anne Ruppert. Ähnliche Rückmeldungen bekam sie von den Trägern, und so ist auch diese Gruppe befragt worden. Insgesamt zwölf Leitfadeninterviews hat sie durchgeführt.

Transparenz und Struktur geben Sicherheit

Die Befragungen unter den pädagogischen Fachkräften zeigen: Es ist nicht die Partizipation allein. Ein festgelegter Rahmen, in dem die Mitbestimmung stattfinden kann, ist allen Beteiligten wichtig. Transparenz wird von den Befragten als wichtiger erachtet, als die Durchsetzung der eigenen Meinung. ‚Ich muss nicht immer alles mitbestimmen‘, habe Ruppert oft gehört. Wichtiger sei es für die Fachkräfte, dass Meinungen gehört und wahrgenommen werden, und dass es transparente Verantwortungsbereiche gibt. „Klare Zuständigkeiten geben Sicherheit – und Sicherheit ist die Grundlage für Partizipation und Arbeitszufriedenheit“, so Ruppert. „Wenn sich Prozesse und Gewohnheiten einschleichen und beispielsweise bestimmte Personen immer bestimmte Aufgaben übernehmen, ‚weil sie die schon immer gemacht haben‘, das Ganze aber gar nicht hinterfragt wird, kann das zu Unzufriedenheit führen“, erklärt die Pädagogin. Eine hohe Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Kita entsteht, wenn die Fachkräfte das System, in dem sie arbeiten, überblicken können, weil Arbeit und Organisation strukturiert und transparent sind.

Problematisch sei hingegen, wenn die Fachkräfte sich allein gelassen fühlen und keine oder nicht genügend Resonanz von Seiten der Leitung oder des Trägers erfahren, wie Ruppert erklärt: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten Transparenz und Feedback, sei es positiv oder negativ – Hauptsache sie bekommen überhaupt eine Rückmeldung. Sie möchten gesehen und eingebunden werden. Kein Feedback zu bekommen, führt zu Unsicherheit, dabei will man Rückhalt und Sicherheit, in dem was man tut.“

Anne Ruppert geht davon aus, dass diese Faktoren sich nicht nur positiv auf die Arbeitszufriedenheit auswirken, sondern damit auch auf die pädagogische Arbeit. „Wer klar in seinen Aufgaben und Zuständigkeiten ist, kann sich auch auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich die Arbeit mit den Kindern.“

Befragungen als erster Schritt für Kitaleitungen und Träger

Was können nun Kitaleitungen und die Träger tun, um zu mehr Arbeitszufriedenheit beizutragen? Anne Ruppert sieht in einer Befragung der Beschäftigten eine Chance: „Oft haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich in den Strukturen arbeiten, eine Vorstellung davon, wo Abläufe optimiert werden können. Eine Befragung könnte ein erster Schritt sein, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und eine neue Perspektive auf Strukturen zu gewinnen.“ Für das Überarbeiten von Strukturen sei es jedoch ratsam, so Ruppert, sich externe Unterstützung zu holen: „Zum einen, um blinde Flecken ausfindig zu machen, und zum anderen, um Ressourcen zu erkennen, die man selbst nicht oder nicht mehr sieht.“

Quelle: Presseinformation Fachhochschule Bielefeld




Geflüchtete Kinder in der Kita integrieren

Service-Portal Integration soll mit Praxistipps, Experteninterviews und Ideen helfen

Rund zwei Millionen Kinder mussten bisher aus den Kriegsgebieten der Ukraine fliehen, schätzt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Allein in Berlin stehen laut Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse bis zu 5.000 Kitaplätze für diese Kinder zur Verfügung. Um den Erzieherinnen und Erziehern in Kitas bei der Integration geflüchteter Kinder zu helfen, hat die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ das Service-Portal Integration (http://hdkf.de/integration) ins Leben gerufen.

Es bietet Praxistipps, Experteninterviews sowie Beispiele und Ideen für den Alltag mit geflüchteten Kindern in den Bildungseinrichtungen.

Service-Portal als zentrale Anlaufstelle für Fragen rund um das Thema Integration in Kitas

Die Pädagoginnen und Pädagogen in Kitas stehen aktuell vor großen Herausforderungen. Sie haben viele Fragen, wenn es gilt, geflüchtete Kinder in die Einrichtung zu integrieren: Wie gehe ich mit traumatischen Fluchterfahrungen, Trauer oder Furcht um? Wie kann die Einbindung in die Gruppe trotz sprachlicher Unterschiede gelingen? Was ist bei der Kommunikation mit den Eltern zu beachten?

Das Service-Portal Integration bietet als zentrale Anlaufstelle den pädagogischen Fachkräften erste Antworten, Praxistipps, Beispiele und Ideen für den Alltag in den Bildungseinrichtungen sowie Experteninterviews, Hintergrundartikel und Reportagen zum Thema Integration. Kita-Mitarbeitende finden zu den Themengebieten Ankommen, Sprachförderung, Forschendes Lernen, Trauma sowie Interkulturalität und Elternarbeit zahlreiche alltagsnahe Angebote, wie Erfahrungsberichte aus der Praxis, Hintergrundartikel, Reportagen und Beispiele für eine gelungene Integration.

Der Vorstand der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“, Michael Fritz: „Viele Erzieherinnen und Erzieher berichten uns, dass ihnen die Corona-Pandemie viel abverlangt hat. Trotzdem möchten sie die Kinder, die aus der Ukraine bei uns in Deutschland ankommen, gut in ihre Gruppen aufnehmen und ihnen ein sicheres und kindgerechtes Umfeld bieten. Wir als Stiftung unterstützen sie dabei. Das digitale Angebot Service-Portal Integration ist eine Anlaufstelle bei allen Fragen rund um das Thema ‚Integration geflüchteter Kinder in der Kita‘.“

Das Service-Portal Integration entstand zwischen 2016 und 2019 („Flüchtlingskrise in Deutschland“) durch Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Aktuell wird es durch die Robert Bosch Stiftung und den Fröbel e.V unterstützt.

Quelle: Pressemitteilung der Stiftung Haus der kleinen Forscher




Öffentlichkeitsarbeit: Tue Gutes und zeige es den anderen!

Public Relations als notwendiger Teilbereich einer professionellen Kita-Pädagogik

Über viele Jahrzehnte führte die Kindertagesstättenpädagogik ein eher unspektakuläres Dasein – bis neue pädagogische Arbeitsansätze ab den 70er und 80ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, eine Qualitätsdiskussion ab den 90er Jahren, eine Bildungsdiskussion mit Beginn des neuen Jahrhunderts und vor allem eine Fokussierung auf die Neurobiologie und die Bindungsforschung ab Mitte des ersten Jahrzehnts dieser Zeit für neue Zielrichtungen und klar formulierte Aufgaben sorgten.

Gleichzeitig hat sich aber in der breiten Öffentlichkeit immer noch nicht deutlich genug herumgesprochen, dass Kindertageseinrichtungen eigenständige FACHINSTITUTIONEN und die dort tätigen Mitarbeiter/innen FACHKRÄFTE weder liebevolle „Kinderbeschäftigungskräfte“ noch als Hilfskraft eingesetzte „Vorschullehrer/innen“ sind. Das kann viele unterschiedliche Hintergründe haben. Vielleicht liegt es daran, dass Erzieher/innen bisher zu wenig für eine breit angelegte und offensiv gestaltete Öffentlichkeitsarbeit beigetragen haben. Umso bedeutsamer ist es daher, dass Kindertageseinrichtungen ihr eigenständiges, unverwechselbares Profil, ihren überaus bedeutsamen Beitrag für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung, ihre nicht zu ersetzende Wertigkeit im Hinblick auf die Persönlichkeits- und Schulentwicklung der Kinder sowie ihren Anspruch auf Wertschätzung zum Ausdruck bringen: klar formuliert, deutlich, unmissverständlich, kontinuierlich und aussagestark.

Öffentlichkeitsarbeit orientiert sich an Zielen

Öffentlichkeitsarbeit hat grundsätzlich immer drei Aufgaben zu erfüllen:

1.) Herstellung einer Transparenz der Aufgaben und Ansprüche,
2.) Steigerung des Ansehens der Einrichtung in der Öffentlichkeit und
3.) Aufbau, Ausbau und Pflege eines Vertrauens zur Öffentlichkeit.

Jede Art von Institution – egal, um welche Einrichtung es sich handelt und mit welchem Schwerpunkt diese Einrichtung verbunden ist – hat sich im Laufe ihrer Existenz – beabsichtigt oder unbeabsichtigt sei einmal dahingestellt – ein ganz bestimmtes „IMAGE“ erworben. Dabei kann es passieren, dass Personen, deren Meinung über diese betreffende Institution gefragt ist, im ersten Augenblick ihrer Einschätzung die Nase rümpfen, voller Hochachtung gute oder sogar beste Bewertungen abgeben oder achselzuckend ihre Schultern heben und überrascht sind, dass diese Institution überhaupt einen bestimmten Schwerpunkt verfolgt.

Öffentlichkeitsarbeit ergibt sich immer aus einer bipolaren Zielorientierung:

Wenn eine qualitätsgeprägte und professionell gestaltete Öffentlichkeitsarbeit wirklich erfolgreich sein möchte, dann muss der Blick aller MitarbeiterInnen stets in zwei Richtungen verlaufen:

a) nach innen – in das Zentrum der Einrichtung selbst, die unterschiedlichen und vielfältigen Aufgaben, die bisherigen Stärken und Schwächen sowie ihre unverwechselbaren Besonderheiten und
b) nach außen – ausgerichtet auf die vielen Ansprechpartner, die Ziele und die ständig neuen Aufgaben, die sich durch die Weiterentwicklung einer ständig neuartigen Realität ergeben.

Ziele leiten sich dabei aus einer sorgsamen Analyse bisheriger Erfahrungen, eigenen und fremden Erwartungen, besonderen Bedürfnissen und aktuellen Notwendigkeiten ab, die eine entsprechende Weiterentwicklung bestimmter Arbeitsbereiche erforderlich macht.

Damit die für eine qualitätsorientierte Öffentlichkeitsarbeit notwendigen  Merkmale immer stärker zu einer neuen Praxis werden können, sollen elementarpädagogische Fachkräfte ihre bisherige Öffentlichkeitsarbeit einmal sorgsam betrachten. Diese

* helfen dabei, diffuse Visionen für eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit in konstruktive, praktisch gestaltete Bahnen zu lenken,

* differenzieren die einzelnen, unterschiedlichen Aufgabenfelder, um Arbeitsanfängen und Weiterführungen eine (neue) Struktur zu geben und

* unterstützen Mitarbeiter/innen schließlich dabei, notwendige Planungsvorhaben in konstruktive und vor allem nachhaltige Arbeitsschritte zu wandeln.

Vor jeder Neugestaltung bzw. Weiterführung der bisherigen Öffentlichkeitsarbeit steht eine Ist-Analyse, um Stärken zu entdecken und Schwächen zu orten. Folgende Checkliste kann dabei hilfreich sein:        

Bestandsaufnahme zur aktuellen Situation der Öffentlichkeitsarbeit

Zielgruppe:   IST-Situation: Beispiele, die die >Stärken< herausstellen IST-Situation: Situationsbeschrei-bungen, die die >Schwächen< offenlegen
Eltern      
Lehrer/innen der Grundschule    
Kinderärzte      
Logopäden      
Ergotherapeuten      
Motopäden      
Beratungsstellen      
frei praktizierende Psychologen    
Jugendämter      
örtliche Presse      
überregionale Presseorgane    
Nachbarschaft      
Regionale TV-Sender    
Sponsoren      
Politische Mandatsträger    
(über)örtliche Firmen/ Gesellschaften    
(über)örtliche Vereine    
andere Kindertagesstätten    
Fach(hoch)schulen      
………..      

Wenn auf der einen Seite von Mitarbeiterinnen des öfteren der Umstand beklagt wird, dass der Kindergarten in der Öffentlichkeit entweder noch immer als „Aufbewahrungsstätte/ Beschäftigungsort für Kinder “ angesehen   o d e r  mit einer „frühpädagogischen Kaderschule für besonders effektives Lernen“ verwechselt wird , wenn elementarpädagogische Fachkräfte  – auch heute noch-  von politischen Mandatsträgern und einem großen Teil der Presse immer noch als „Kindergärtnerinnen“ bezeichnet werden,
und der Kindergarten im Vergleich zum „Bildungssystem Schule“ entweder einen untergeordneten Wert oder eine „Zuarbeiteraufgabe für die Grundschule“ zugeschoben bekommt, dann hat es die Elementarpädagogik noch nicht geschafft, ihrer Aufgaben und ihren eigenständigen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag kompetent nach außen zu tragen. Daher geht es um die Transparenz!


Unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Elementarpädagogik

Was bedeutet es ErzieherIn zu sein – in Bezug auf Kinder, Eltern und Träger? Was sind die täglichen Aufgaben? Welche Werte und welches Bild der pädagogischen Arbeit sollen nach außen getragen werden? Armin Krenz gibt auf Fragen nach produktiver Selbstreflektion, optimierter Teambildung, effizienter Öffentlichkeitsarbeit, nach zielorientierter Gesprächsführung, sei es mit Fachkollegen oder Eltern, fachlich fundierte und doch leicht verständliche, praktische Antworten,
Armin Krenz
Grundlagen der Elementarpädagogik – unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Frühpädagogik
Klappenbroschur, 192 Seiten
ISBN: 978-3-944548-03-6
24,95 €


Wenn – sicherlich eher vereinzelt – manche Eltern von den ErzieherInnen annehmen, dass es in der Pädagogik eher um die unreflektierte Fortsetzung einer begonnenen Familienerziehung gehe und dafür keine besondere Ausbildung nötig sei (Aussage einer Mutter: „Das könnte ich auch, hier mit Kindern spielen!“), dann wird dem Kindergarten keine Professionalität zugestanden. Gleichzeitig wird auch der Kindergarten wenig oder gar nichts dazu beigetragen haben, dass ein Mindestmaß an Professionalität zu erkennen war.

Kindergärten und Kindertagesstätten sind eine bedeutsame Institutionalisierung professioneller Pädagogik, allerdings nur dann, wenn fachkompetent an einem eigenständigen und unverwechselbaren Profil gearbeitet wird. Öffentlichkeitsarbeit kann dabei helfen, diese Situation zu verändern. Daher geht es um die Steigerung des Ansehens!

Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit wird sicherlich nur dann erreicht, wenn bestimmte Aktionen auffallen und damit der Öffentlichkeit deutlich ins Auge springen. Doch wissen wir aus der Kommunikationspsychologie, dass auf der einen Seite zwar die Inhalte bedeutsam sind, auf der anderen Seite aber auch die Beziehungsebene nicht unterschätzt werden darf. Wenn Ziele erreicht werden sollen, muss gewissermaßen auch das Herz angesprochen sein. Zum anderen geht es in der Öffentlichkeitsarbeit nicht um irgendwelche punktuellen „Spots“, bei denen nur dann die Öffentlichkeit gesucht
wird, wenn aktuelle Notwendigkeiten dazu drängen, bestimmte Kontakte aufzunehmen oder Arbeitsschwerpunkte urplötzlich zu installieren. Öffentlichkeitsarbeit lebt aus einer qualitätsgeprägten Kontinuität heraus – fachlich begründet und beziehungsfreundlich in die Öffentlichkeit transportiert. Daher geht es um den Aufbau und die Pflege eines Vertrauens zur Öffentlichkeit mit langfristigen Wirkungen!

Öffentlichkeitsarbeit dient nicht zur Rechtfertigung

  • Öffentlichkeitsarbeit leitet sich nicht aus einem Selbstzweck, der in sich selbst begründet ist oder einer notwendigen Rechtfertigung ab, die sich lediglich aus der Vollständigkeit eines elementarpädagogischen Qualitätsinventariums ergibt.
  • Öffentlichkeitsarbeit ist auch nicht deswegen ein bedeutsames Arbeitsfeld der Elementar- oder Primarpädagogik, weil irgendwelche Menschen der Überzeugung waren bzw. sind, dass diese Tätigkeit mit einer professionellen Pädagogik verknüpft sein muss.
  • Öffentlichkeitsarbeit gehört vielmehr zur Elementarpädagogik, weil es berufspolitisch sinnvoll und gesellschaftspolitisch erforderlich ist, diese einzigartige Pädagogik in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
  • Öffentlichkeitsarbeit ergibt sich also aus dem Zusammenhang notwendiger Erfordernisse.
  • Öffentlichkeitsarbeit fordert dabei alle Beteiligten auf, sich mit sich und den eigenen (In)kompetenzen auseinanderzusetzen, getreu dem Motto:
  • Wer etwas öffentlich erreichen möchte, muss zunächst sich selbst erreichen.
  • Wer der Öffentlichkeit nahe sein will, muss sich selbst nahe sein.
  • Wer von der Öffentlichkeit etwas verlangt, muss sich selbst einen Arbeiteinsatz abverlangen.
  • Wer von der Öffentlichkeit etwas erwartet, muss zunächst Erwartungen an sich selbst stellen und auch erfüllen.
  • Wer Öffentlichkeit informieren will, muss selbst sehr viele fachliche und aktuelle Informationen besitzen.
  • Wer Verantwortung für „die gute Sache“ delegiert, muss eigene Verantwortung für sein eigenes Tun und Nichtstun übernehmen.
  • Und wer Öffentlichkeit für etwas motivieren will, muss selbst viel Motivation in sich tragen.

Kindergärten und andere sozialpädagogische Einrichtungen, die ein Interesse daran haben,

  • ihr fachliches Interesse, verbunden mit einer persönlichen Überzeugung zu verdeutlichen,
  • ihr Berufsbild zu stärken,
  • als Interessenvertreterinnen für Kinder zu wirken,
  • ihrer Einrichtung zu einem (noch) deutlich(er)en Profil zu verhelfen,
  • ihre Arbeit und Aufgaben, Schwerpunkte und Ziele transparent öffentlich nachvollziehbar zu machen,
  • ihre Zusammenarbeit mit anderen Personen und Institutionen zu verbessern und
  • ihre Einrichtung konstruktiv in eine öffentliche Beachtung und Diskussion zu bringen, wählen vielfältige, aktive Formen der Öffentlichkeitsarbeit, die auch tatsächlich eine breite Außenwirkung in Gang setzen wird.

Unverwechselbare Merkmale einer qualitätsgeprägten, offensiven Öffentlichkeitsarbeit:

  • Öffentlichkeitsarbeit muss Neugierde und Interesse wecken!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss interessant und lebendig gestaltet sein!
  • Öffentlichkeitsarbeit sollte eine Diskussion in Gang setzen!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss durch Kontinuität gekennzeichnet sein!
  • Öffentlichkeitsarbeit verlangt vom Anbieter Einsatz und inneres Engagement!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss ein hohes Maß an Aktualität besitzen!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss sowohl gegenwartsorientiert als auch perspektivisch ausgerichtet sein!
  • Öffentlichkeitsarbeit dient weder der persönlichen Eitelkeit noch einem privaten Interesse!
  • Öffentlichkeitsarbeit ist ein aktiver (agierender), kein passiver (reagierender) Prozess!
  • Öffentlichkeitsarbeit ist stets ein geplanter und strukturierter Vorgang!
  • Öffentlichkeitsarbeit bedient sich zielorientierter Methoden und wählt situationsorientiert angemessene Formen!
  • Öffentlichkeitsarbeit will Einfluss nehmen und Meinungen gestalten!
  • Öffentlichkeitsarbeit ist immer eine Kombination aus einer Sach- und Beziehungspflege!
  • Öffentlichkeitsarbeit baut gezielt Berührungsängste ab!
  • Öffentlichkeitsarbeit trägt zu einer niveauvollen Streitkultur bei!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss ein fester Bestandteil der Elementarpädagogik sein!

Öffentlichkeitsarbeit zeigt sich in einer breiten Vielfalt

In einer Vielzahl von Kindertagesstätten gibt es eine häufig zu beobachtende Haltung der Mitarbeiter/innen, die entweder durch eine traditionell gepflegte „stille Kleinkindpädagogik“ (mit einem reaktiven Charakter, getreu dem Motto „Nur nicht auffallen“) charakterisiert werden kann  o d e r  in der es darum geht, permanent und ohne Unterlass in der Öffentlichkeit aufzutreten (getreu dem Motto: „Springe auf jeden neumodischen Zug auf, lasse dich auf jeden aktuellen Trend ein und zeige der Öffentlichkeit, dass du mit deiner Pädagogik stets und immer „up to date“ bist.

Beide Grundsatzhaltungen bzw. Einstellungen sind für eine professionell gestaltete Öffentlichkeitsarbeit weder hilfreich noch akzeptabel.

Eine aussagekräftige Elementarpädagogik verfolgt stattdessen ihr Ziel, den eigenständigen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag mit vielfältigen Dokumentationsbelegen transparent zu machen und ihr unverwechselbares Profil nach außen zu transportieren. Dabei nutzen die elementarpädagogischen Fachkräfte möglichst viele, unterschiedliche Formen der Öffentlichkeitsarbeit, um die hohe Bedeutung der pädagogischen Arbeit für die Entwicklung der Kinder (und deren Familien) sowie ihre gesellschaftspolitische Wertigkeit zu dokumentieren. Kindertagesstätten präsentieren dabei ihre konzeptionellen Grundsätze/ Richtlinien und ihre aktuelle, schriftlich fixierte Konzeption, ihre regelmäßigen Projektdokumentationen und ihre neuesten Jahresberichte. Sie arbeiten an Fachpublikationen mit und sorgen durch ihr öffentliches Engagement auch auf politischer Ebene für ein kinderfreundliches (entwicklungsförderliches) Umfeld. Ihre Teilnahme an Fachsymposien und Kongressen, ihre Kontaktpflege mit den Ausbildungsstätten (Fach-/hochschulen) und die vielfältigen, öffentlichen Darstellungen (Ausstellungen/ Mitwirkungen bei Aktionen), die Außenpräsentanz bei Projekten und die Mitwirkung bei kommunalen/ gemeindlichen Aktionen  prägen ein Bild von der Institution, die ihr professionelles Selbstverständnis klar, nachvollziehbar und offensiv auf den Punkt zu bringen versucht. Nicht zuletzt dadurch schaffen es die Fachkräfte, das traditionell geprägte Bild einer „Kindergärtnerin“ aufzuheben und das einer professionellen Fachkraft mit einem hohen Fachwissen und einer gut ausgeprägten Handlungskompetenz zu stabilisieren. Öffentlichkeitsarbeit ist stets spannend, lebendig und aufregend. Sie schafft gezielt und aktiv Situationen, die in der Öffentlichkeit mit einer interessierten Spannung wahrgenommen werden und dazu reizen, mehr in Erfahrung bringen zu wollen.

Schlussbemerkung

Die Elementarpädagogik ist in einem ständigen Entwicklungsprozess begriffen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse fordern zum Überdenken bisheriger Positionen auf. Die Öffentlichkeit hat einen berechtigten Anspruch darauf, an diesen Veränderungen teilzuhaben. Wenn es  die Elementarpädagogik schafft, selbst in Bewegung zu bleiben, starre Mechanismen zu verändern und neue Strukturen zu bilden, dann besteht bei den elementarpädagogischen Fachkräften auch der Wunsch, andere an dieser spannenden Entwicklung zu beteiligen. Und damit ist die wesentliche Grundlage für eine qualifizierte Öffentlichkeitsarbeit gelegt, getreu dem Motto: „Wer sich nicht bewegt, kann auch nichts bewegen.“ Oder noch präziser formuliert: „Tue Gutes und transportiere es in die Außenwelt.“

Literatur:

Franck, Norbert: Praxiswissen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Leitfaden für Verbände, Vereine und Institutionen. Wiesbaden 3. Aufl. 2017
Krenz, Armin: Professionelle Öffentlichkeitsarbeit in Kindertagesstätten. SCHUBI Lernmedien AG, Schaffhausen 3. Aufl.  2013,
Puttenat, Daniela: Praxishandbuch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Der kleine PR-Coach. Springer Verlag, Wiesbaden 2. Aufl. 2012

Autor: Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor a.D., Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Entwicklungspädagogik




Erziehungspartnerschaft statt Elternbelehrung – ein schwerer, doch lohnender Weg!

In einer Erziehungspartnerschaft heißt das Ziel: gemeinsam das Kindeswohl unterstützen

Vielleicht kennen elementarpädagogische Fachkräfte, sofern sie Eltern sind und ihre eigenen Kinder in einer Kindertagesstätte untergebracht hatten bzw. haben, bestimmte Situationen, die ihnen wenig angenehm waren. Gespräche mit den Erzieher*innen waren eher belehrend aufgebaut, häufig war ein erhobener Zeigefinger zu spüren, Erwartungen wurden formuliert, ohne dass die individuelle Lebenssituation bekannt war oder berücksichtigt wurde. Und so hatte man als Elternteil fast schon ein schlechtes Gewissen, wenn die Leitungskraft um ein Elterngespräch bat. Eine Erziehungspartnerschaft fordert ein Paradigmenwechsel: vom Monolog zum Dialog und von einer einseitigen Belehrung hin zu einem gemeinsamen, zugewandten Gespräch, gekennzeichnet durch ein gegenseitiges Informationsinteresse. 

KindheitspädagogInnen und Eltern tragen zur Entwicklung des Kindes bei!

Kinder – das ist bekannt – entwickeln schon in ihrem pränatalen Stadium und weiter  in den ersten Lebensjahren ihre individuelle Persönlichkeitsstruktur. Dabei läuft ihre Entwicklung nicht nur nach einer stringenten, inneren Abfolge von dispositionalen, vorgegebenen Entwicklungsschritten ab. Vielmehr wirkt sich die von ihnen erlebte Umgebung mit den ungezählten Einflussfaktoren auf die Art und Weise der ‚Formung’/ Ausprägung ihrer Entwicklungsprozesse aus, wobei sowohl die familiären, kulturellen und  wohnortspezifischen Einflüsse und die Einflüsse der Institution „Kindertagesstätte“ mit ihren besonderen Struktur- und Prozessbedingungen als auch die EntwicklungsbegleiterInnen (= KindheitspädagogInnen) in beiderseitiger Größe einen Einfluss auf das Entwicklungsgeschehen der Kinder haben.

Von der Elternbelehrung hin zur Erziehungspartnerschaft

Auf der einen Seite bestimmt der gesetzlich verankerte, eigenständige Erziehungs-, Betreuungs- und Bildungsauftrag“ für Kindertageseinrichtungen (in Verbindung mit den länderspezifischen Kindertagesgesetzen, Bildungsgrundsätzen und  trägerspezifischen Richtlinien/ Verordnungen etc.), welche Ziele und Aufgaben KindheitspädagogInnen zu leisten haben, auf der anderen Seite bringen die Familien, die ihr(e) Kind(er) in die Kita bringen, ihre einmalige, ganz persönliche Biographie mit und so treffen auf diese Weise – von Anfang an – zwei „Welten“ aufeinander, die es zu verbinden gilt. Eine solche Verbindung kann aber nur geschehen und von Erfolg gekrönt sein, wenn KindheitspädagogInnen die innerlich verankerte Bereitschaft an den Tag legen, (a) sich selbst als permanent Lernende zu verstehen, (b) ein großes Interesse an den Lebensverhältnissen der Familien zeigen, (c) Professionalität und Humanität im Alltagsgeschehen und dies im Umgang mit den Familien sowie den Kindern miteinander verbinden, (d) Partizipation der Familien und der Kinder zu einem festen Bestandteil ihrer Interaktion erklären, (e) ihre Arbeitsweise, Aufgaben und Ziele transparent machen sowie (f) ihr profundes Wissen aus den Bereichen der Entwicklungspsychologie/ -pädagogik, Bindungsforschung und Bildungswissenschaft gleichzeitig in eine zugewandte Gesprächsführung einbauen, so dass Familien die gepflegte Kommunikation als eine Bereicherung erleben können.

Damit stellt eine Erziehungspartnerschaft ein hohes Gut für beide Seiten dar, von denen das Kind im Mittelpunkt gleichermaßen profitiert.


Der Kindergarten als Lebensraum

Der Kindergarten als Lebensraum unterliegt immer der großen Gefahr, sich durch verschiedene Programme/Ansätze bildungspolitischer Strömungen allzu schnell von einem Lebensraum zu entfernen. Dabei gibt das Wort LEBENSRAUM schon die Grundlage vor: L wie Lust und Lebendigkeit, E wie Eigenständigkeit und ernstnehmend, B wie bunt und begreifen, E wie einfühlend und erfrischend, N wie neugierig und normal, S wie spannend und sorgsam, R wie reich an Erfahrungen und raumnutzend, A wie ausdauernd und akzeptierend, U wie umfassend und ursachenorientiert, M wie menschenorientiert und marginal.

Armin Krenz
Elementarpädagogik und Professionalität – Lebens- und Konfliktraum Kindergarten
Klappenbroschur, 192 Seiten
ISBN: 978-3-944548-00-5
24.95 €


Erziehungspartnerschaft verzichtet auf Überlegenheit und bedingungslose Akzeptanz

Kam es in einer funktional gestalteten Elternarbeit, wie sie in vergangener Zeit (und teilweise auch heute noch) üblich war bzw. ist, zu einer Erwartungskollision, weil den Elternteilen institutionelle/pädagogische Ziele vorgestellt und ihnen damit existierende Erwartungen übergestülpt wurden, geht eine Erziehungspartnerschaft einen anderen Weg. Durch das intensive und damit authentisch vorhandene Interesse der KindheitspädagogInnen, (a) Familien an ihren ziel- und aufgabenorientierten Schwerpunkten teilhaben zu lassen, (b) ihnen den besonderen Bedeutungswert ihres beruflichen Selbstverständnisses sowie (c) ihre kurz-, mittel- und langfristigen Aufgaben zu verdeutlichen und mit Zeit/ in Ruhe vorzustellen, dann entspricht es einer partnerschaftlichen Sichtweise, Familien genügend Raum und Platz zu lassen, den geäußerten Überlegungen beizupflichten oder selbstverständlich auch Kritik zu äußern, (Nach)Fragen zu stellen, eigene Überlegungen einzubringen, neue Vorschläge (beispielsweise bei einer Zielfindung) zu unterbreiten, selbstverständlich auch Unmut zu äußern oder ihr Unverständnis über bestimmte Tatsachen auszudrücken. Hier liegt es eindeutig auf der Seite der KindheitspädagogIn, immer wieder für eine entspannte Kommunikationsatmosphäre zu sorgen, die es auch ermöglicht, aus einem schwierigen, verhärteten, festgefahrenen oder konfrontativen Interaktionsprozess erneut zu einem zielführenden Gesprächsverlauf zurückzufinden, um letztlich ergebnisorientiert voranzukommen.

Bisherige, sehr oft genannte Merkmale eines erziehungspartnerschaftlichen Umgangs sind häufig nur ungenau bzw. missverständlich benannt

Schaut man in bisherige Buchinhalte und Fachartikel zur Erziehungspartnerschaft, trifft man einerseits auf immer dieselben Begriffe, in denen es nahezu plakativ (d.h. lediglich stichwortartig und damit nicht ausführlich genug) um solche Aussagen wie „Prozessorientierung ist der Weg“/ „Toleranz zeigen“/ „Gleichberechtigung realisieren“/ „Eltern müssen ernst genommen werden“/ „Radikalen Respekt für Verschiedenheit aufbringen“/  usw. geht. Nun: Eine Prozessorientierung kann ohne eine klare Zieldefinition sehr schnell auf einen Nebenweg mit einem anderen Ziel führen. Solche Aussage ähnelt der einer Selbsterfahrungsteilnehmerin, die nach ihrem aktuellen Entwicklungsvorhaben gefragt wurde und mit der Aussage: „Das kann ich nicht genau sagen: ich befinde mich nämlich gerade in einem Prozess.“ geantwortet hat.

Das Wort ‚Toleranz’ kommt aus dem lateinischen ‚tolerare’ und bedeutet übersetzt so viel wie ‚ertragen’. Dabei wird oftmals übersehen, dass etwas ertragen immer mit einem eigenen Unmut, mit einer offenen oder unterdrückten Zurückhaltung zu tun hat und im Widerspruch zur ‚Akzeptanz’ (der authentischen Annahme) steht. Eine ‚Gleichberechtigung’ kann es zwischen KindheitspädagogInnen und Familienmitgliedern nicht geben, denn das würde beispielsweise bedeuten, dass auch Familienmitglieder die Art und Weise der Arbeit, die konzeptionelle Ausrichtung, die Bildungsinhalte oder pädagogischen Vorhaben gleichberechtigt mitbestimmen könnten, auch im Gegensatz zu bestehenden Richtlinien oder ggf. humanistisch geprägten Werten. Und worin läge beispielsweise der Bedeutungswert einer qualifizierten Ausbildung von Kindheitspädagog*innen, wenn Familien die Ausrichtung der Arbeit vorgeben könnten?  So ist stattdessen der Begriff „Gleichwertigkeit als Person“ sicherlich weitaus angebrachter, weil eine Erziehungspartnerschaft durch eine Kommunikation auf „gleicher Augenhöhe“ gekennzeichnet ist.

Dass „Eltern ernst genommen werden müssen“ ist doch eine Selbstverständlichkeit – wer dies als Kennzeichen einer ‚Erziehungspartnerschaft’ hervorhebt, drückt damit auch aus, dass dies bei einer ‚Elternarbeit’ offensichtlich nicht stattgefunden hat. An dieser Stelle würden elementarpädagogische Fachkräfte, die bisher eine solche qualitätsorientiert umgesetzt haben, sicherlich (auch zu Recht) protestieren. Die Forderung nach einem „radikalen Respekt für Verschiedenheit“ ist in dieser generellen Formulierung nur schwer bzw. gar nicht nachzuvollziehen. Hätten Sie einen ‚radikalen Respekt’ vor Elternteilen oder Fachkräften, die Kinder schlagen, zum Essen zwingen, der Lächerlichkeit preisgeben, in Ohnmachtssituationen bringen, mit einem Bildungsangebot nach dem anderen konfrontieren oder in großen Gefahrensituationen alleine lassen, um sie auf diese Weise stark zu machen?

Doch eine immer wiederkehrende Aussage darf (und muss!) mehr als deutlich in Frage gestellt werden, wenn es immerzu heißt: „Eltern sind Experten für ihre Kinder“ bzw. „… sind Erziehungsexperten.“ Nun: Experten, egal welcher Ausrichtung, haben immer eine langjährige Ausbildung, haben diverse Zusatzqualifikationen erfolgreich absolviert, haben (bezogen auf die Bereiche Pädagogik/ Psychologie) Selbsterfahrung auf sich genommen und eine permanente Persönlichkeitsreflexion zum festen Bestandteil ihrer Professionalität erklärt. All’ dies haben Erziehungsberechtigte nicht. Insofern trifft die Aussage besser zu, dass diese durch eine kindeswohlorientierte, dauerhaft gepflegte Erziehungspartnerschaft mit ihren sehr unterschiedlichen Begleitformen immer stärker zu Experten einer/ einem kindorientierten und förderlichen Entwicklungsbegleiter*in werden.

Merkmale einer lebendigen, authentisch gelebten Erziehungspartnerschaft

Kindheitspädagog*innen, deren Ziel es ist, eine gelebte Erziehungspartnerschaft herzustellen bzw. weiterhin zu pflegen, können dies nur erreichen, wenn sie vor allem folgende Qualitätsmerkmale in ihrer Alltagspädagogik umsetzen:

  • Zunächst geht es um eine für alle positiv erlebte Atmosphäre, die sich durch Freundlichkeit, Zugewandtheit, Aufmerksamkeit, Interesse an den Freuden/ Ängsten/ Sorgen und Nöten der Menschen auszeichnet. Das fängt mit der täglichen Begrüßung der Team-/ Familienmitglieder und des Kindes an und endet mit der persönlichen Verabschiedung aller. Dadurch erleben und erfahren Kolleg*innen und Eltern einen besonderen Bedeutungswert, der ihnen zeigt, dass sie in der Kita eine gewichtige Rolle innehaben.
  • KindheitspädagogInnen haben sich als Motor der Beziehungspflege zu verstehen und können diese Aufgabe nicht von Familienangehörigen erwarten. Schuldelegationen wie „Die Eltern wollen gar nicht kommen“ oder „Die Eltern haben kein Interesse an unserer Arbeit“ müssen in die Fragestellung umgedeutet werden wie beispielsweise: „Was müssen wir tun und was haben wir in der Vergangenheit übersehen, dass sich Eltern nicht willkommen gefühlt haben, fern bleiben oder mit Konfrontationen reagieren?“
  • Professionelles Verhalten – angefangen von einer qualitätsorientierten Gesprächsführung (bestenfalls mit einer Weiterbildung in ‚Beratungspsychologie’) über eine vorhandene Konfliktkompetenz bis zu einem profunden Fachwissen, eingebettet in eine freundliche Umgangskultur – ist die Grundlage, um eine bisherige ‚Elternarbeit’ in eine Erziehungspartnerschaft zu wandeln bzw. eine solche zu pflegen.
  • Der ‚Dreiklang’ einer Erziehungspartnerschaft (die Familie – das Kind mit seinen Entwicklungsrechten und Grundbedürfnissen – die KindheitspädagogIn als ImpulsgeberIn, BeraterIn, UnterstützerIn) – setzt voraus, dass KindheitspädagogInnen sowohl eine Sensibilität für aktuelle Elternbedürfnisse als auch für ein situationsorientiertes Handeln besitzen, um möglichst punktgenaue Aktivitäten zu planen und umzusetzen.
  • Zur Umsetzung eines erziehungspartnerschaftlichen Umgangs miteinander gehört eine breite Kenntnis der Lebensbedingungen der Familie, ihrer Werte und Normen, ihrer Weltsichtweise sowie ihrer Erziehungsvorstellungen, um diese zu verstehen und bei der Beziehungspflege zu berücksichtigen.
  • Eine Erziehungspartnerschaft zeigt sich u.a. durch – zumindest kurze – freundlich geführte Tür- und Angelgespräche, lebendige und spannende Elternabende, interessante Elternbriefe, gemeinsame Feiern, ein offenes Ohr für Beschwerden, einen periodisch stattfindenden Elternstammtisch, wenn möglich ein Elterncafe (z.B. bei fehlenden Räumlichkeiten in einem geschmackvoll eingerichteten Bauwagen für Elterntreffs), gemeinsame Aktivitäten (auch mit Kindern) in der Kita, gemeinsamen Aktionen (auch außerhalb der Kita), dem Besprechen von Beobachtungen und Entwicklungsberichten sowie in einer Unterstützung bei besonderen Fragestellungen und – falls nötig und erwünscht – Hinweisen auf weiterführende Hilfen aus.
  • Einmal pro Jahr ausgelegte, anonymisierte Fragebögen zu bestimmten Bereichen (z.B. die Eigenbeteiligungsmöglichkeit betreffend, die Mitsprache, die erlebte Atmosphäre, das Aufgreifen von Ideen und Vorschlägen, die Weitergabe von Informationen, die Transparenz der Arbeit, eine ausreichende Zeit für Gespräche, Gestaltung der Räume, Engagement der Kindheitspädagog*innen …) und zum Grad einer (Un)Zufriedenheit geben Eltern die zusätzliche Möglichkeit, ihre Meinung kund zu tun und Veränderungswünsche zu formulieren.                             

Literatur:

Albers, Timm + Ritter, Eva: Zusammenarbeit mit Eltern und Familien in der Kita. Reinhardt Verlag, 2015

Dusolt, Hans: Elternarbeit als Erziehungspartnerschaft. Ein Leitfaden für den Vor- und Grundschulbereich. Beltz Verlag, 4. Aufl. 2018

Gerth, Andrea: Auf dem Weg zur Erziehungspartnerschaft. Lern- und Arbeitsbuch für Kindergartenteams. Verlag das netz, 2007

Schlösser, Elke: Zusammenarbeit mit Eltern – interkulturell. Informationen und Methoden zur Kooperation mit Eltern mit und ohne Migrationserfahrung in Kita, Grundschule und Familienbildung. Ökotopia Verlag, 4. Edition 2017

Textor, Martin: Bildungs- und Erziehungspartnerschaft in Kindertageseinrichtungen. Books on Demand, 2. Edition 2014

Woll, Rita: Partner für das Kind. Erziehungspartnerschaften zwischen Eltern, Kindergarten und Schule. Vandenhoeck & Ruprecht, 2008

Armin Krenz, Prof. h.c. et Dr. h.c., Honorarprofessor a.D., Wissenschaftsdozent für Elementar- und Entwicklungspädagogik/ Entwicklungspsychologie; Email: armin.krenz@web.de 




Personalunterdeckung in der frühkindlichen Bildung alarmierend!

DKLK-Studie 2022: Umfrage unter 4.827 Kitaleitungen

„Schätzungsweise 9.000 Kitas haben in Deutschland im zurückliegenden Jahr in über der Hälfte der Zeit in aufsichtspflichtrelevanter Personalunterdeckung gearbeitet. Das sind mehr als doppelt so viele Kitas wie ein Jahr zuvor. Übersetzt heißt das: Diese Einrichtungen konnten den Betrieb im Durchschnitt an mehr als jedem zweiten Tag nur unter Gefährdung der Sicherheit der zu betreuenden Kinder aufrechterhalten! Am anderen Ende der Skala waren es nicht einmal 7 Prozent der Kitas, die in den zurückliegenden 12 Monaten mit einer durchgehend ausreichenden Personalausstattung arbeiten konnten. Vor einem Jahr konnten dies zumindest noch annähernd doppelt so viele Einrichtungen. Das sind die Einschätzungen von bundesweit über 4.000 Kitaleitungen und das ist mit Blick auf die enorme Bedeutung des frühkindlichen Bildungsbereichs für die gesamte Bildungsbiografie von Kindern eine Katastrophe“, kommentiert Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), anlässlich der Veröffentlichung der DKLK-Studie 2022 im Rahmen des Deutschen Kitaleitungskongresses in Düsseldorf.

Anhaltend dramatische Entwicklung

„Dass 84 Prozent der Kitaleitungen angeben, dass sich der Personalmangel in den vergangenen 12 Monaten nochmals verschärft hat, – ein Jahr zuvor sagten das noch 72 Prozent, – unterstreicht die anhaltend dramatische Entwicklung. Bedenkt man, was das pädagogische Fachpersonal an Kitas in Zeiten einer andauernden Coronapandemie bereits geleistet hat und infolge zusätzlicher Herausforderungen durch die bestmögliche Integration oftmals traumatisierter Kinder aus der Ukraine künftig leisten muss, verstärkt sich der Handlungsdruck massiv. Die Politik muss ohne Wenn und Aber alles tun, was möglich ist, um diesen Zustand jetzt zu verbessern. Ein Verschieben auf Morgen wäre unterlassene Hilfeleistung. Wenn politisch Verantwortliche gegenüber Kitaleitungen sagen ‚Wir wissen, dass Sie es schwer haben, aber wir können leider nichts dagegen tun‘, ist es das Bekenntnis politischen Versagens“, so Beckmann weiter.

Schlechte Fachkraft-Kind-Relation

Der dramatische Personalmangel an Kitas trifft dabei Fachkräfte und Kinder gleichermaßen. Bei mindestens 57 Prozent (U3-Bereich) und mindestens 74 Prozent (Ü3-Bereich) der Kitaleitungen ist die angegebene tatsächliche Fachkraft-Kind-Relation laut DKLK-Studie 2022 schlechter als wissenschaftlich empfohlen (U3-Bereich: 1:3; Ü3-Bereich: 1:7,5). Im U3-Bereich hat sich das Verhältnis seit 2020 weiter verschlechtert. Ein weiterhin existenter Missstand bei Kitaleitungen: Trotz leichter Verbessrungen geben immer noch 45 Prozent der Befragten an, dass ihre tatsächliche Leitungszeit über der vertraglichen Leitungszeit liegt.

Fokus Gesundheit und Gesundheitsprävention

Das Thema Gesundheit bildet den Schwerpunkt der DKLK-Studie 2022. „Angesichts der enormen Belastungen, denen das Fachpersonal an Kitas gegenübersteht, sind gesundheitserhaltende und -fördernde Maßnahmen umso wichtiger. Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse der Studie doppelt alarmierend“, erläutert Beckmann. Denn:

  • 82 Prozent der Befragten fühlen sich durch ihre Tätigkeit psychisch belastet.
  • 87 Prozent der Kitaleitungen betrachten den Verwaltungsaufwand an Kitas als gesundheitsgefährdend.
  • Jede vierte Kitaleitung ist in den letzten 12 Monaten zwischen 10 und 20 Tagen zur Arbeit gegangen, obwohl sie sich aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeitsfähig gefühlt hat.
  • 93 Prozent der Kitaleitungen stimmen der Aussage zu, dass die hohe Arbeitsbelastung der pädagogischen Fachkräfte zu höheren Fehlzeiten und Krankschreibungen führt.
  • 7 von 10 Kitaleitungen geben an, dass es für ihre Kita kein Konzept zum Thema Gesundheit/Gesundheitsprävention für das pädagogische Fachpersonal gibt.
  • 94 Prozent der Befragten sagen, ein Angebot zu Gesundheits- und Stressmanagement wäre nützlich, aber nur 14 Prozent haben hierzu Zugang.

„Das, was wir an Kitas nicht erst seit gestern erleben, ist ein sich selbst verstärkender Teufelskreis. Der Personalmangel führt zu zusätzlichen Belastungen bei den Erzieherinnen und Erziehern, die im System sind. Höhere Krankenstände sind zwangsläufig die Folge, wenn Menschen sich über ihre Belastungsgrenze hinaus aufopfern. Das erhöht wiederum zusätzlich die Arbeitsbelastung der verbleibenden Fachkräfte und gefährdet deren Gesundheit zusätzlich. Auf der anderen Seite brauchen Kinder für ihre Entwicklung – gerade in den ersten drei Lebensjahren – eine verlässlich verfügbare Bezugsperson“, so Beckmann.

„Neben der akuten Überlastung der engagierten Fachkräfte an Kitas ist die zu verzeichnende Entwicklung auch ein verheerendes Signal an den dringend benötigten Nachwuchs. Es ist alarmierend, wenn sich gerade jüngere Leitungskräfte in ihrer Tätigkeit nochmals weniger wertschätzt erleben, als es Kitaleitungen ohnehin insgesamt tun. Mehr als 4 von 5 der unter 30-jährigen Kitaleitungen stimmen der folgenden Aussage zu: Das Vorurteil ‚Wir spielen, basteln und betreuen die Kinder nur‘ hält sich hartnäckig in den Köpfen der Gesellschaft. In den kommenden Jahren ist ein großer Teil der Leitungspositionen in Deutschland neu zu besetzen, der Ganztagsanspruch verstärkt den Personalbedarf zusätzlich. Entschiedene Maßnahmen der Politik zur Personalgewinnung und -bindung sind deshalb alternativlos“, folgert Beckmann.

Der VBE fordert:

  • Aufeinander abgestimmte, flächendeckende Investitionen im Rahmen einer bundesweit abgestimmten Fachkräfteoffensive, ergänzt um regional angepasste Maßnahmen. Diese müssen die Ausweitung der Ausbildungskapazitäten an Fach- und Hochschulen, das Angebot adäquater Entwicklungsperspektiven für ausgebildete Fachkräfte und die leichtere Anerkennung europäischer Abschlüsse einbeziehen. Die Ausbildung im frühpädagogischen Bereich darf dabei qualitativ nicht ausgedünnt werden.
  • Unmittelbare Maßnahmen zur Beseitigung aufsichtspflichtrelevanter Personalunterdeckungen.
  • Nachhaltige Investitionen in eine wahrnehmbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf mehreren Ebenen, vor allem bei Personalausstattung, Bezahlung, Einführung einer grundsätzlich vergüteten Ausbildung, Fort- und Weiterbildungen sowie räumlicher und sächlicher Ausstattung, um die Attraktivität des Berufsbildes dauerhaft zu stärken. Vor dem Hintergrund dieser zwingend notwendigen Anpassungen ist die Verweigerungshaltung der kommunalen Arbeitgeber in den aktuellen Tarifverhandlungen für den Sozial- und Erziehungsdienst indiskutabel und ein verheerendes Signal.
  • Eine Anpassung der vertraglich fixierten Leitungszeit an den tatsächlichen Bedarf.
  • Eine Entlastung von Kitaleitungen bei Verwaltungsaufgaben durch eine Verbesserung der digitalen Infrastruktur.
  • Den unterstützenden Aufbau multiprofessioneller Teams (Therapeutinnen, Psychologinnen, med. Fachpersonal, Sozialpädagoginnen), um Inklusion, Integration, Partizipation und insgesamt immer höhere Anforderungen an das System Kita bewältigen zu können. Zur Entlastung bei nicht-pädagogischen Ausgaben sind zudem Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte einzubeziehen.
  • Systematischer Aufbau und Zugang zu Angeboten der Gesundheitsprävention und -förderung.

Die DKLK-Studie 2022 ist eine Umfrage von FLEET Education Events in Kooperation mit dem VBE Bundesverband sowie den drei VBE Landesverbänden, dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), dem VBE Baden-Württemberg und dem VBE Nordrhein-Westfalen, unter wissenschaftlicher Leitung von Dr. Andy Schieler von der Hochschule Koblenz. An der Umfrage, welche zum sechsten Mal erhoben wurde, haben 4.827 Kitaleitungen teilgenommen, so viele wie nie zuvor. Der Deutsche Kitaleitungskongress ist eine gemeinsame Veranstaltung von FLEET Education Events, dem VBE Bundesverband, den drei VBE Landesverbänden – Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), VBE Baden-Württemberg und VBE Nordrhein-Westfalen – sowie der AOK.

Quelle: Pressemitteilung Verband Bildung und Erziehung (VBE)




Häufige externe Kleinkindbetreuung kann das kindliche Verhalten beeinflussen

Studie: Je mehr Zeit Kleinkinder in der Tagesbetreuung verbringen, desto eher zeigen sie auffällige Verhaltensweisen

Wie wirkt sich die außerfamiliäre Betreuung auf die Entwicklung vom Kindes- bis ins Jugendalter aus? Forschende der Universität Zürich befragten dazu rund 1.300 Zürcher Schulkinder, ihre Eltern und Lehrpersonen. Das Ergebnis: Je mehr Zeit in Krippen oder bei Tagesmüttern verbracht wurde, desto eher zeigten sich auffallende Verhaltensweisen, die nach dem Primarschulalter allerdings wieder verschwanden.

Das Jacobs Center for Productive Youth Development der Universität Zürich hat untersucht, wie die externe Kinderbetreuung die Entwicklung des Kindes bis ins Erwachsenenalter beeinflusst. Die analysierten Daten wurden im Rahmen des Zürcher Projektes zur sozialen Entwicklung von der Kindheit ins Erwachsenenalter (z-proso) erhoben und umfassen rund 1.300 Stadtzürcher Schulkinder von sieben Jahren bis zum Alter von 20 Jahren.

Auswirkungen im Primarschulalter

Rund 67 Prozent dieser Kinder wurden vor dem Kindergartenalter fremd betreut. Davon besuchten 32 Prozent eine Kindertagesstätte, 22 Prozent eine Spielgruppe. Weitere 22 Prozent waren zeitweise bei Familienmitgliedern, drei Prozent bei Bekannten oder Nachbarn, zwölf Prozent bei Tagesmüttern. Die Forschenden befragten die Kinder wie auch die Eltern und Lehrpersonen zu auffallend extrovertiertem oder introvertiertem Verhalten, zu Straffälligkeit und Drogenkonsum. Dabei zeigte sich, dass sich die im Primarschulalter beobachteten Verhaltensweisen je nach Auskunftspersonen und je nach besuchter externer Betreuung unterschieden.

Nach Einschätzung der Eltern zeigten die Primarschülerinnen und Primarschüler mehr Aggressivität, ADHS-Symptome, aber auch Ängstlichkeit und Depressivität je mehr Zeit sie im Vorschulalter in einer Krippe verbrachte hatten. Die Angaben der Kinder selbst weisen teilweise in dieselbe Richtung.

Laut den Lehrpersonen sind Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmerksamkeitsprobleme oder aggressives Verhalten eher bei denjenigen Schülerinnen und Schülern zu beobachten, die mehr als zwei Tage pro Woche bei einer Tagesmutter verbracht oder an mindestens drei Tagen pro Woche eine Spielgruppe besucht hatten.

Auffallende Verhaltensweisen verschwinden meist wieder

Wie lassen sich diese Befunde erklären? „Einerseits ist es möglich, dass eine externe Kinderbetreuung zu einer weniger sicheren Bindung und Interaktion zwischen Eltern und Kindern führen kann“, sagt Erstautorin Margit Averdijk. Andererseits könnten Kinder in Krippen und Spielgruppen das Problemverhalten von Gleichaltrigen nachahmen und es teilweise auch einsetzen, um von den Betreuungspersonen Aufmerksamkeit zu erhalten.

„Obwohl wir nicht direkt prüfen konnten, welche dieser Mechanismen unsere Ergebnisse am wahrscheinlichsten erklären, unterstützen beide unsere Ergebnisse“, erklärt die Forscherin. Die gute Nachricht: Die in der Primarschule beobachteten Verhaltensauffälligkeiten nehmen mit der Zeit ab und verschwinden ab dem 13. Altersjahr weitgehend. Nur die Symptome von ADHS halten sich etwas hartnäckiger.

Kein genereller Zusammenhang mit Substanzkonsum im Jugendalter

Die Forschenden fanden auch keine Hinweise darauf, dass externe Kinderbetreuung generell mit Delinquenz und Substanzkonsum im Jugendalter zusammenhängt. Einzig bei Kindern aus prekären Verhältnissen geht eine häufige Krippenbetreuung im Vorschulalter mit mehr Substanzkonsum im Jugendalter einher. „Es scheint, dass solche Kinder mit zunehmendem Alter auch eher zu Ängsten oder depressiven Symptomen neigen. Diese können sich aufgrund der Abwesenheit ihrer Eltern weiter verstärken“, erklärt Averdijk.

Vorsicht bei der Interpretation

„Unsere Studie beleuchtet mögliche ungünstige Zusammenhänge zwischen externer Kinderbetreuung und der kindlichen und späteren Entwicklung“, fasst Letztautor Manuel Eisner zusammen. Der Soziologieprofessor warnt jedoch davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Zwar entspräche die Studie höchsten wissenschaftlichen Qualitätsstandards, basiere aber auf Beobachtungs- und Befragungsdaten, mit denen sich Rückschlüsse auf ursächliche Zusammenhänge nicht immer klar ziehen ließen. Auch konnte die Qualität der außerfamiliären Betreuung in der Studie nicht berücksichtigt werden.

Literatur:

Margit Averdijk, Denis Ribeaud, and Manuel Eisner. External childcare and socio-behavioral development in Switzerland: Long-term relations from childhood into young adulthood. PLOS ONE, 9 March. DOI: 10.1371/journal.pone.0263571

Hier der Link: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0263571

Quelle: Mitteilung der Universität Zürich