Bündnis für Kita-Qualitätsgesetz: Jetzt die Weichen stellen!
geschrieben von Redakteur | Oktober 6, 2022
Bündnis stellt fest: „Bundesratsempfehlungen weichen Regierungsentwurf entscheidend auf“
Das Bündnis für ein „Kita-Qualitätsgesetz”, das der AWO-Bundesverband, der KTK-Bundesverband und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) tragen, stellt fest, dass die Empfehlungen zum Entwurf des Zweiten Kita-Qualitätsgesetzes (Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung) „weit hinter den Qualitätsanforderungen zurückbleiben“. Die Empfehlungen sollen nun im Bundesrat beraten werden. Der Ende August veröffentlichte Entwurf der Bundesregierung beinhalte hilfreiche Ansätze, um die Qualität in der Kindertagesbetreuung bundesweit zu verbessern. Er könne aber nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem echten Qualitätsgesetz sein. Die nun diskutierten Änderungsempfehlungen aus der Länderkammer „weichen das Regierungspapier entscheidend auf“.
GEW: Rückschritt im Qualitätsdialog
„Die Haltung einzelner Länder und Kommunen ist ein Rückschritt im Qualitätsdialog für eine zukunftsfähige frühkindliche Bildung”, sagt Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Donnerstag in Frankfurt a.M. „Seit Jahren hat das Qualitätsbündnis darauf gedrängt, den Fokus auf bildungspolitische Qualitätsaspekte zu legen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Bund in der kommenden Periode genau das in den Blick nehmen will”, so Siebernik weiter „Die Forderung der Länder, weiter auch in Beitragsfreiheit der Eltern statt in Maßnahmen in Handlungsfeldern von vorrangiger Bedeutung investieren zu dürfen, geht in die völlig falsche Richtung. Damit verabschieden sich einzelne Länder von der Qualitätsverbesserung.”
Unverständnis auch beim KTK
Auch Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des KTK-Bundesverbandes, äußert Unverständnis über die Stoßrichtung der Bundesrats-Empfehlungen. „Jetzt ist es dringend notwendig, an einem Strang zu ziehen und das System mit Investitionen in Struktur und Personal zu stabilisieren“, betont Bieber. „Und es kommt jetzt auf Hilfe an, die bei den Familien ankommt. Gerade eine bundesweit verpflichtende Staffelung der Kostenbeiträge für die Kindertagesbetreuung, wie im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen, würde viele Familien entlasten, die es in diesen Zeiten besonders nötig haben.“
Bundesrat muss zustimmen
„Wir fordern, dass der Bundesrat dem Gesetzesentwurf der Regierung zustimmt, ohne die Empfehlungen zu berücksichtigen”, unterstreicht Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes. „Der Entwurf ist bei weitem nicht perfekt. Es ist klar, dass wir in der frühen Bildung in einer außerordentlich kritischen Situation sind. Bis 2030 fehlen mehr als 100 000 Fachkräfte in den Kitas, der Rechtsanspruch auf den schulischen Ganztag zeichnet sich am Horizont ab und wir stellen ein enormes regionales Auseinanderklaffen in der quantitativen sowie qualitativen Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung fest. Genau deshalb müssen jetzt die Weichen für ein echtes Qualitätsentwicklungsgesetz gestellt werden”, sagt Naidu abschließend.
Quelle: Pressemitteilung GEW
50.000 Unterschriften für den Erhalt der Sprach-Kitas gesucht
geschrieben von Redakteur | Oktober 6, 2022
GEW: „Keine Einsparungen auf Kosten der frühkindlichen Bildung – mit Weitblick in die Zukunft investieren!“
„Wir machen uns gemeinsam für Erhalt und Ausbau des Programms stark, weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“, sagt Doreen Siebernik, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Tausende Fachkräfte, Kinder und Familien werden im Ungewissen gelassen und sind sehr besorgt. In den Kitas gibt es viel Unverständnis und Wut über die Prioritätensetzung der Bundesregierung. Es ist ein katastrophales Zeichen und eine bittere Enttäuschung für all jene, die Hoffnungen in die Ampel-Koalition gesetzt haben.“
„Der Spracherwerb ist das Grundgerüst für erfolgreiches Lernen.“
In den Bundesländern werde gerade hektisch versucht, gewachsene Strukturen aus Eigenmitteln zu retten. Jedoch fehle es an Geld. Die Folge: Die Mittel müssten an anderer Stelle eingespart werden. „Anstatt die frühkindliche Bildung zukunftsfähig zu machen, hat die Bundesregierung einen Verteilungskampf in Gang gesetzt“, betont Siebernik. Es sei kaum abzusehen, welchen enormen Schaden die Pläne anrichten und wie viele qualifizierte Fachkräfte das Arbeitsfeld perspektivisch verlassen werden. Es sei skandalös, so Siebernik, dass die Bundesregierung hunderttausenden Kindern die Startchancen in unserer Republik dramatisch verschlechtern wolle: „Der Spracherwerb ist das Grundgerüst für erfolgreiches Lernen.“
Noch im Koalitionsvertrag Weiterentwicklung angekündigt
Noch im Koalitionsvertrag hatten die Parteien der Ampelregierung angekündigt, das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ weiterzuentwickeln und zu verstetigen. Im Haushaltsentwurf für 2023 sind jedoch keine Gelder eingestellt. Damit würde das Programm Ende 2022 auslaufen.
Ziel sind 50 000 Unterschriften in vier Wochen, damit es im Bundestag eine öffentliche Anhörung gibt. Homepage zur Kampagnenseite: www.sprachkitas-retten.de
Informationen und Materialien zur Hygiene in Kitas
geschrieben von Redakteur | Oktober 6, 2022
Die wichtigsten Websites, Broschüren, Vorlagen für Kintertageseinrichtungen
Als Gemeinschaftseinrichtung mit Küche, Speiseraum und sanitären Anlagen sollte und muss die Einhaltung der Hygiene-Richtlinien eine Selbstverständlichkeit jede Kita sein. Hier finden Sie die wichtigsten kostenlosen Materialien, die Sie dabei unterstützen können.
Zum Umgang mit dem Coronavirus
5 Leitlinien für den Kita-Regelbetrieb in der Corona Zeit finden Sie hier. Die Empfehlungen sind nicht nur für die Kita gedacht, sondern auch für Eltern. Sie sollen ihnen helfen, den Kita-Regelbetrieb aufrecht zu erhalten.
Wie der Regelbetrieb in der Kindertagesbetreuung trotz Corona gelingen kann, dazu findet sich vieles auf der Website des Bundesfamilienministeriums „Frühe Bildung: Gleiche Chancen“. Hier finden Sie Ideen und Tipps für eine gute Zusammenarbeit mit Familien, zum Umgang mit Symptomen und zur Integration von Schutzmaßnahmen.
Hinweise für Eltern in der Corona Zeit gibt der Bundesverband für Kindertagespflege heraus . Das zweiseitige Informationsblatt bietet die wichtigsten Informationen. Es kann kostenlos downgeloadet und ausgedruckt werden.
Um die Schutzstandards in Kitas geht es in einer Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGV). Die Hinweise und Empfehlungen konkretisieren auf 14 Seiten die Arbeitsschutz-Standards für die Kindertagesbetreuung und bündeln die bisherigen Erkenntnisse im Umgang mit dem neuartigen Coronavirus. Sie werden auf der Grundlage von aktuellen wissenschaftlichen und politischen Entwicklungen ständig angepasst.
Der Deutsche Bildungsserver bietet einen Überblick für den Gesundheitsschutz, zur Hygiene und zum Arbeitsschutz in Corona-Zeiten. In dem Dossier finden Sie vor allem eine Zusammenstellung der Hygiene-Leitlinien und-Empfehlungen der Bundesländer für die Corona-Zeit in der Kita.
Zahlreiche Materialien und Medien zum Schutz vor dem Coronavirus für Kinder und Jugendliche sowie für Bildungseinrichtungen sind auf der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter der Domain www.infektionsschutz.de zu finden. Hier finden Sie auch eine Fülle von Materialien zum freien Download.
Rund ums Kind geht es auf der Website hygiene-tipps-fuer-kids.de. Das Angebot eignet sich für Familien wie für Kitas. Hier sind Informationen, Materialien, Bücher und Arbeitsblätter für den Alltag wie für das Krankenhaus zu finden.
Fragen und Antworten zur Gemeinschaftsverpflegung in Kitas und Schulen rund um das Coronavirus finden sich auf der Website des Nationalen Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule (NQZ). Für alle, die es ganz genau wissen wollen, hält die Website auch weitere Links zu Vernetzungsstellen Kitaverpflegung oder zu Vernetzungsstellen Schulverpflegung bereit.
Was das Coronavirus für die Bildungseinrichtungen bedeutet, damit beschäftigt sich ein Angebot der Gewerkschaft Bildung und Erziehung (GEW). Hier finden sich die wichtigsten Fragen und Antworten rund um das Thema „Corona“
Hygieneanforderungen – Ratgeber und Leitfäden
In unserem föderalen System hat jedes Bundesland seine eigenen Regeln zur Hygiene in Gemeinschafseinrichtungen, zu denen eben auch die Kitas zählen.
Ganze 234 Seiten ist der „Hygieneleitfaden für die Kindertagesbetreuung“ des LandesGesundheitsAmts Baden Württemberg lang. Er eignet sich perfekt als Nachschlagewerk und enthält sogar einen Musterhygieneplan. Hier geht es zum Download.
Einen dreiseitigen Elternbrief zu Speisen bei Festen bietet FIT KID auf seiner Website. FIT KID ist eine Aktion der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V..
Hinweise für pädagogische Fachkräfte zum Umgang mit abgepumpter Muttermilch in der Kita hält das Bundesinstitut für Risikobewertung bereit. Das Infoblatt enthält die wichtigsten Informationen zu den Themen Annahme, Aufbewahrung, Erwärmen, Auftauen und Reinigung.
Hygiene-Pläne
Jede Kita muss laut §36 IfSG einen Hygieneplan haben. Neben dem im Hygieneleitfaden enthaltenen Hygieneplan gibt es hier noch weitere Beispiele:
Ein Musterhygieneplan und einen Rahmenhygienenplan finden Sie beim Infoportal für Kita-MitarbeiterInnen, Kindertagesplfegepersonen & Eltern, eine Initiative des Bündnisses Kinder- und Jugendgesundheit. Beide Pläne sind recht ausführlich und können angepasst werden.
Was, wann, wie, womit und von wem in Sachen Hygiene in der Kindertageseinrichtung routinemäßig zu tun ist, hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zusammengefasst. Auch dieses Informationsblatt ist recht umfangreich geraten.
Mit Kindern zu backen oder Eltern selbstgemachte Speisen mitbringen zu lassen, ist in Kitas bewusst gelebter Alltag. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen erklärt, was Sie dabei beachten müssen. Die Information ist kurz und übersichtlich gehalten, enthält aber alles, was es zu beachten gibt.
FIT KID informiert ebenfalls über das Hygienerecht. Auch diese Website ist kurz und übersichtliche gehalten und eignet sich für einen guten Überblick.
Kostenlose Broschüre der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Mehr Sicherheit für Kinder e.V. hilft Eltern und pädagogischen Fachkräften
Kinder wollen laufen, klettern, hüpfen und springen, sie haben Freude daran, so richtig aus der Puste zu kommen. Wie wichtig es ist, dass sie sich ausreichend bewegen, zeigen die Folgen der Pandemie. Kontaktbeschränkungen, Lockdowns und Homeschooling haben viele Mädchen und Jungen in ihrem Bewegungsdrang eingeschränkt. „Je mehr sich die Jüngsten bewegen, desto sicherer können sie sich und ihre körperlichen Fähigkeiten einschätzen. Kinder, die sich häufig und regelmäßig bewegen, sind geschickter und routinierter in ihren Bewegungsabläufen. Das mindert das Risiko für Unfälle“, erläutert Prof. Stefanie Märzheuser, Präsidentin der BAG und Direktorin der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie, Universitätsmedizin Rostock.
Bewegungsdrang unterstützen
Durch die pandemiebedingten Probleme wird es noch dringender, die Bewegungsförderung in den Fokus zu rücken. Dabei spielen zwei Perspektiven eine entscheidende Rolle: Einerseits geht es darum, Eltern, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie die Öffentlichkeit zu motivieren, den kindlichen Spaß an Bewegung und Sport zu fördern und ihre körperliche Aktivität zu steigern. Andererseits können die Adressaten ihr Wissen über sichere Bewegungs- und Sportangebote vertiefen, um die Risiken für Unfälle zu verringern.
Immer mehr Kinder zeigen deutlich, dass es ihnen an Bewegung mangelt. Damit fehlt ihnen jedoch das wesentliche Element für Entwicklung und Wachstum. Deshalb stellen die zahlreichen Bewegungsübungen und -spiele in diesem Buch unserer bewegungsarmen und reizüberfluteten Welt etwas entgegen. Dafür realisierte Dr. Gabriela Falkenberg-Gurges mit ihren Student:innen ein Projekt. Die Resultate, erprobt und überarbeitet, stehen hier zur Verfügung. Die dabei entwickelten Bewegungsangebote bilden die Grundlage für die in diesem Buch vorgestellten Spiel- und Körpererfahrungen.
„Erstmals kennen wir die Zahlen: Eine von uns durchgeführte repräsentative Befragung ergab, dass sich über eine Million Kinder in zwölf Monaten bei Sport und Bewegung so schwer verletzten, dass sie ärztlich behandelt werden mussten. Das Verletzungsrisiko liegt damit in Deutschland höher als bei unseren deutschsprachigen Nachbarn. Rund 85 Prozent der Unfälle hätten sich vermeiden lassen, so eine weitere Erkenntnis unserer Studie. Vielfältige Bewegungserfahrungen in Kombination mit konkreten präventiven Maßnahmen, z. B. das Tragen von Schutzausrüstungen und die Entwicklung der Risikokompetenz können die Zahl der Verletzungen von Kindern deutlich senken“, sagt Claus Weingärtner, Vorstand der Stiftung „Sicherheit im Sport“.
Und für die Deutsche Turnerjugend erläutert Vorstandsmitglied Friederike Holfeld: „Regelmäßiges und vielfältiges Bewegen wirkt sich darüber hinaus positiv auf die gesamte körperliche, geistige und emotionale Entwicklung von Kindern aus. Durch das Herausbilden der motorischen Grundlagen lernen Kinder sich und ihre Umwelt besser kennen, wodurch ein sicheres und gesundes Aufwachsen ermöglicht wird.“
Kostenlose Broschüre „Bewegung und Sport – aber sicher!“
Gemeinsam mit beiden Partnern gibt die BAG die kostenlose Broschüre „Bewegung und Sport – aber sicher!“ für Eltern sowie Multiplikator:innen heraus. Sie kann hier bestellt werden und wird über Kinderarztpraxen vertrieben.
In Deutschland lebten im Jahr 2019 ca. 11,39 Millionen Kinder unter 15 Jahren, von denen ungefähr 1,88 Millionen bei einem Unfall so heftig verletzt wurden, dass sie einen Arzt aufsuchen mussten. Fast zwei Drittel der Unfälle waren Stürze. „Viele Unfälle können durch Bewegungssicherheit der Kinder vermieden werden. Der Kindersicherheitstag 2022 ist ein wichtiger Tag, um zusammen mit starken Partnern auf das Thema Bewegungsförderung und Unfallprävention aufmerksam zu machen“, erläutert Prof. Stefanie Märzheuser.
Über die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Mehr Sicherheit für Kinder e.V.
Die BAG Mehr Sicherheit für Kinder e.V. informiert über die Verhütung von Kinderunfällen, gibt zahlreiche Broschüren zur Kindersicherheit heraus und veranstaltet Fortbildungen. Unterstützt durch verschiedene Bundesministerien und weitere Institutionen setzt die BAG sich dafür ein, Kinderunfälle zu reduzieren und innovative Präventionsmaßnahmen für Heim und Freizeit sowie Kooperationen auf nationaler und internationaler Ebene voranzubringen.
Quelle: Karoline Becker/BAG Mehr Sicherheit für Kinder e.V.
Verwahrlosung, Stress und Erschöpfung in vielen Kitas
geschrieben von Redakteur | Oktober 6, 2022
Erziehungswissenschaftlerin und Kinderpsychiater fordern Politiker:innen dringend zum Handeln auf
Der Frage, ob Krippen bei den Kindern wie beabsichtigt Stimulation oder doch eher Stress erzeugen, ist Prof. Dr. Rahel Dreyer, Professorin für Pädagogik und Entwicklungspsychologie der ersten Lebensjahre an der ASH Berlin, bereits vor der Pandemie in einer Studie zum Wohlbefinden von Kindern im zweiten und dritten Lebensjahr in Kindertageseinrichtungen (StimtS) (https://www.ash-berlin.eu/forschung/forschungsprojekte-a-z/stimts/) nachgegangen. 20 Prozent der 140 Kinder aus 35 verschiedenen Berliner Kindertageseinrichtungen zeigten während der Beobachtungen im Kitaalltag deutliche Anzeichen von Anspannung, Teilnahmslosigkeit und Niedergeschlagenheit oder traten kaum in sozialen Kontakt mit den Fachkräften oder anderen Kindern. Dabei lag die formale Qualität fast aller teilnehmenden Einrichtungen sogar im mittleren bis guten Bereich.
Situation seit Corona drastisch schlechter
Seit der Pandemie hat sich die Situation dramatisch verschlechtert. Viele Fachkräfte sind aufgrund der durch Pandemie und Flüchtlingskrise weiter gestiegenen Belastungen emotional wie körperlich am Ende. Auch die Kinder zeigen zum Teil extreme Formen von Unwohlsein. Neben dem Personalmangel sind viele Gruppen überfüllt, was sowohl bei den Kindern als auch Fachkräften den Stresspegel steigen lässt und sichtbar zur Erschöpfung führt.
Viele pädagogische Fachkräfte in Not
Die Ergebnisse der aktuellen Kita-Studie des Paritätischen Gesamtverbands unterstreichen die alarmierende Situation in den Kitas. Die im Rahmen der Pandemie nochmals gestiegene Arbeitsbelastung, die verschlechterten Rahmenbedingungen und mangelhafte Ausstattung sowie der anhaltend eklatante Personalmangel verhindern es, angemessen auf die Bedürfnisse der Kinder zu reagieren. Dazu kommt, dass in vielen Regionen ein unzureichender Personalschlüssel in den Einrichtungen vorliegt. 60 Prozent der Befragten machen deutlich, dass sie in der derzeitigen Situation nicht ausreichend auf die kindlichen Bedürfnisse eingehen können. Mehr als ein Drittel der Befragten gibt außerdem an, dass die bereitgestellten Finanzmittel nicht ausreichen, für die Kinder eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten.
Wie kann ich meine eigenen Ressourcen entdecken und entwickeln? Wie kann ich sie in meinem Arbeitsalltag als Erzieherin oder Erzieher einsetzen und worauf sollte ich dabei achten? Diese Fragen und vor allem die Antworten darauf stehen im Mittelpunkt dieses Buches. Denn in unserem pädagogischen Arbeitsfeld geht es nicht darum, Konzepte für andere zu entwickeln. Es geht um das „Menschsein“ im Sinne von wohltuend, wirksam und entwicklungsförderlich für sich selbst, für andere Menschen, für unseren Lebensraum, für die Natur…
„Wir sorgen für einen denkbar schlechten Start unserer Kleinsten ins Leben“
„Wir sorgen für einen denkbar schlechten Start unserer Kleinsten ins Leben. Wir übersehen und übergehen die seelischen Bedürfnisse unserer Kinder. Das sind verwahrlosende Tendenzen, denen wir entschieden entgegentreten müssen!“ – so Prof. Dr. Michael Schulte-Markwort, Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Medical School Hamburg.
Besorgt zeigt sich Frau Prof. Dr. Dreyer auch um die Situation der Fachkräfte: „Viele stehen kurz vor einem Burnout, sie sind körperlich und emotional am Ende. Die desaströse Situation wird zu weiteren Personalausfällen führen.“
Das Wohl zu vieler Kinder scheint gefährdet
Es fehlt eine Lobby für die Kinder, die Vulnerabelsten in unserer Gesellschaft, und für die Fachkräfte, die beide – nicht erst seit der Pandemie – Schlusslicht in der gesellschaftlichen Diskussion sind. Dreyer und Schulte-Markwort sind sich einig: Das Wohl zu vieler Kinder scheint uns derzeit gefährdet.
Die Folgen für Kinder, Fachkräfte, Eltern und die gesamte Gesellschaft sind jetzt schon durch eine Zunahme psychischer Auffälligkeiten sowie einer wachsenden Bildungslücke insbesondere sozioökonomisch benachteiligter Kinder fast irreparabel.
Ein Plädoyer für mehr Musik und Tanz in Kindertagesstätten
Wer kennt das nicht: Wenn in der Öffentlichkeit – auf großen Plätzen oder in Einkaufsstraßen – Musiker:innen auf ihren Instrumenten spielen und dazu singen, beginnen Kinder, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen, erst vorsichtig und dann immer intensiver, bis die Bewegung in eine Tanzdarbietung übergeht, immer rhythmischer, immer lebendiger, stets mit einer stärker werdenden Innerlichkeit. Dabei scheinen Kinder ZEIT und RAUM um sich herum zu vergessen und manches Mal könnte man annehmen, Kinder befinden sich in einem leichten Trancezustand. Dasselbe kann auch im Kinderzimmer passieren, wenn Kinder ihre Lieblingsmusik hören und sie – wie von einem imaginären Zauberstab berührt – vom Stehen in eine Tanzbewegung hinübergleiten und den Liedtext mitsingen oder mitsummen bzw. ihren Mund so bewegen, als würden sie selbst den Originaltext hervorbringen.
Musik ist weitaus mehr als nur eine bloße Aneinanderreihung von Noten, eingebettet in bestimmte Takte. Musik setztEnergienfrei, die offensichtlich innere Impulse in Gang setzen, die das „reine Hören“ erweitern wollen, Emotionen ansprechen und vielfältige Ausdrucksformen aktivieren, die sich schließlich in sichtbare und rhythmische Bewegungsaktivitäten umsetzen.
Musik aktualisiert frühkindlichste Hörerlebnisse
Die Sinnesorgane ‚Ohren’ und das Hören sind bei Kindern als primärvorhandenerSinneskanal schon vor ihrer Geburt ‚auf Empfang’ ausgerichtet, so dass Neurobiologen bei sich entwickelnden Kindern schon im Mutterleib von „Ohrenmenschen“ sprechen. Pränatale Untersuchungen haben gezeigt, dass der Mutterleib als eindrucksvoller Klangraum bezeichnet werden kann, weil Kinder nicht nur die Vibrationen der Stimme wahrnehmen sondern auch schon auf Musik, Melodien und Gesänge reagieren. Dabei bildet der mütterliche Herzschlag den Grundrhythmus, der im Gleichklang (mit gewissen Veränderungen, je nach Höhe des Blutdrucks und einer sich leicht nach einer zu- bzw. abnehmenden Herzfrequenz) für eine rhythmischesErleben sorgt, das durch den Gleichklang für ein Gefühl einer emotionalen Sicherheit sorgt.
Howard Earl Gardner, Professor für Kognition und Pädagogik von der Harvard University, kommt bei seinen Forschungen zu der Erkenntnis, dass jeder Mensch mit umfangreichen Erfahrungen von Rhythmus geboren wird, primär durch den Herzschlag der Mutter und mit einem besonderen Musikinstrument: der Stimme!
Schon Säuglinge freuen sich daher auch über rhythmisch erklingende Klänge und Töne und es bereitet ihnen zusätzliche Freude, selber Laute und Töne zu produzieren. So erleben es beispielsweise schon Säuglinge und Kleinkinder als sehr angenehm, wenn Erwachsene alltägliche Pflegeaktivitäten mit Singen begleiten oder ältere Kinder rhythmische Ausdrucksweisen mit Trommeln, Stampfen, Klopfen oder Klatschen untermauern.
Ebenso geht es auch um Stilleerlebnisse, um beispielsweise das rhythmische Herzklopfen – bei sich selbst und bei anderen – wahrzunehmen. Auch die Natur hält beispielsweise rhythmische Klänge bereit – wie beim sorgsamen Lauschen der Vogelstimmen zu bemerken ist. In diesem Zusammenhang sei kurz erwähnt, dass analytisch orientierte Entwicklungspädagogen davon ausgehen, dass Jugendliche, die eine lautstarke und rhythmisch durchsetzte Musik bevorzugen, ihren Wunsch zum Ausdruck bringen, diesen „UrrhythmusdesLebens“ spüren zu wollen, um Ungewissheiten oder Irritationen zu kompensieren. In ähnlicher Weise setzt sich dieses Erlebenwollen von Annahme, Wärme, Sicherheit und Wohlbefinden vom Kindesalter bis ins hohe Alter fort.
Viele kennen Prof. Dr. Armin Krenz als Begründer des „Situationsorientieren Ansatzes“; andere aus seinen zahlreichen Fortbildungen. Zu seinen Kernthemen gehören unter anderem die Förderung der Professionalität und der Kompetenzen frühpädagogischer Fachkräfte. Bei Burckhardthaus sind dazu spannende Bücher erschienen.
Musik ist ein fester Bestandteil in den länderspezifischen Bildungsprogrammen
In den Bildungsprogrammen/ Bildungsgrundsätzen aller 16 Bundesländer finden sich neben den bekannten Bildungsbereichen – allerdings in unterschiedlicher Gewichtung und Ausführung – auch bedeutsame Informationen sowie Hinweise zur besonderen Bedeutung der MusikfüreineentwicklungsförderlichePädagogik. Die Praxis hingegen zeigt, dass dabei den Bildungsbereichen Bewegung/ Gesundheit, Sprachbildung, Schriftkultur/ Literacy, Medienkompetenz, mathematische/ naturwissenschaftliche/ technische Grunderfahrungen, bildnerisches Gestalten und Naturerfahrung eine häufig höhere Wertigkeit beigemessen wird und der Bildungsbereich ‚Musik’ somit ein Schattendasein führt.
Dieser Umstand bedarf einer deutlichen Korrektur, zumal Bildungswissenschaftler:innen, Neurobiolog:innen, Entwicklungspsycholog:innen und andere mit der Elementarpädagogik vernetzte Fachleute schon seit vielen Jahren auf die unersetzlicheBedeutung von Musik für den Auf-/ und Ausbau spezifischer Entwicklungsfelder hinweisen.
Es gibt Bereiche der Seele, die nur durch die Musik beleuchtet werden.
(Zoltán Kodály)
Musik ermöglicht bedeutsame und zudem nicht zu ersetzende Lernprozesse
Neurobiologen konnten nachweisen, dass spannende und für Kinder interessante Musikaktivitäten die beidenGehirnhälften des Menschen gemeinsam in Aktion treten lassen, wodurch ein sehr differenziertes und umfassendes neuronalesGesamtnetzwerk gebildet wird und damit vielfältige Auswirkungen mit sich bringt. Schaut man dabei in die vielfältigen Forschungsergebnisse, die sich mit der besonderen Wirkweise der Musik im Hinblick auf die Initiierung und Festigung bestimmter Lernereignisse, -vorgänge und Lernprozesse befassen, so kommt man aus dem Staunen nicht heraus, denn gerade Musik sorgt für weitreichendeTransfereffekte. Neben den Tatsachen, dass Musik tiefe Selbsterfahrungsmöglichkeiten bietet, indem sie durch ihre Melodien, Tonlagen, Klangfolgen, Rhythmen und Texte den Weg zur Innerlichkeit öffnet und später eine besonders tiefe Interaktions– und Teamfähigkeit unterstützt, fördert Musik auch ein aktives Zuhören und ein zunehmend vertieftes Lauschen, liefert Impulse für fortlaufende, immer neue Selbstauseinandersetzungen und Gespräche, regt eine wechselseitige Kommunikation an und fördert ein ästhetischesEmpfinden für Gleichklänge/ ästhetische Harmonien zwischen sich und der gegenständlichen Welt. Darüber hinaus bietet Musik auch die Möglichkeit, sich für eine kulturelleIdentifikation mit bestimmten, musikalischen Traditionen des Herkunftslandes oder des Kulturkreises zu beschäftigen, was gerade in multikulturellen Gemeinschaften von hoher Bedeutung ist.
Wenn einer mit Vergnügen zu einer Musik in Reih und Glied marschieren kann, dann hat er sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde.
(Albert Einstein)
Musik lässt – wie es sonst nur Märchen schaffen – besonders intensiveBilder in den Köpfen der Kinder entstehen, die Denkprozesse in Gang setzen und die wiederum immer weitergehende Gedanken provozieren, wodurch die Sprach– und Stimmbildung unterstützt wird. Dadurch, dass Musikstücke häufig eine Dynamik (laut + leise, langsam + schnell) in sich tragen, geschieht ein Wechsel von Spannung und Entspannung, wodurch einerseits die Sinnesensibilisiert werden und andererseits auch das für ein Lernen so wichtige „rhythmische Prinzip“ zum Tragen kommt. Musik öffnet somit immer wieder einen Gedankenhorizont, wodurch fantasievolle und kreativeEinfälle provoziert und hervorgebracht werden können, die sich dann nicht selten in szenischen Spielhandlungen oder bildnerischen Ausdrucksweisen fortsetzen, einschließlich einer Bewegungsvielfalt, die ein Körperbewusstsein auf-/ ausbaut, die gezielte Steuerung der Bewegungsenergie ermöglicht und die Körperkoordination und Synchronisation unterschiedlicher Bewegungsmöglichkeiten unterstützt. Zusammengefasst kann demnach gesagt werden: Musik sorgt für ein zunehmend positivesSelbstkonzept (ich bin …/ ich kann …./ ich habe vielfältige Kompetenzen) und stärkt ein selbstbildungsaktivesLernverhalten wie Lernfreude („was steckt noch alles in mir?“), Lernneugierde („was gibt es noch an unbekannten Dingen zu entdecken?“), Ausdauer, eine innere Ausgeglichenheit, Konzentrationsfertigkeit und Anstrengungsbereitschaft. Musik bringt schließlich immer wieder Abwechslung und Freude in die bekannte und unbekannte Erlebniswelt eines Kindes und hilft ihm, entwicklungshinderliche Grenzbereiche zu überwinden, um dann aus einer zunehmend emotionalen Stabilität eine sozialausgerichteteHaltung zu entwickeln. Dies hat beispielsweise schon vor über zwei Jahrzehnten die „Berliner Studie“ (Bastian 1996 bis 1999. In: MBJS Brandenburg, Potsdam 2004, S. 21 ff.) an Grundschulen sehr eindrucksvoll dokumentiert und nachgewiesen, dass Kinder mit vielfältigen Musikerlebnissen zum einen ein positiveres Bild von sich selbst entwickelten und sich darüber hinaus ihr sozialesVerhalten sehr zum Vorteil verändert hatte.
Sicherlich fällt es daher nicht schwer, der Aussage von Friedrich Nietzsche zuzustimmen:
Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum
Ein Aufruf an jede Kita
Jedes Musikerlebens, in welcher Form auch immer, beim Tanzen und ebenso beim Singen der Kinder schafft in erster Linie emotional-intrapersonale bzw. emotional-soziale Ausdruckserfahrungen, bei denen Kinder staunend auf neueAusdrucksmöglichkeiten stoßen oder alte, bekannte und bevorzugte Ausdrucksweisen immer wiederholen, weil sie dabei Freude und Selbstzustimmung erleben. Vor allem dann und dadurch, wenn sie in zunehmendem Maße die Erfahrung machen, dass einzelne Funktionsbereiche wie Sprache, Bewegung, Spiel, Rhythmus, Gestik, Malen, Naturerleben etc., die im Alltagserleben in der Regel voneinander getrennt sind, nun miteinander in eine sinnvolleBeziehung, in eine enge Verbindung treten können. Diese für Kinder überaus spannende Vernetzung wird aber nur dann einen weiterhin hohen Bedeutungswert haben, wenn es bei all’ diesen Aktivitäten zu keinem Drill, keinem Perfektionismus, keinem makellos vorzeigbaren Ergebnis führen muss.
Es geht, wie der Musikpädagoge G. Noll schon vor 50 Jahren sagte, im Wesentlichen bei einem aktiven Musikerleben in erster Linie stets um die Entfaltung einer kreativen Disposition in Kindern und daher ist es ein Prozess der zunehmenden Lebendigkeit und einer Lebensfreude: als Gegenpart zu den vielfältigen Einschränkungen, denen Kinder oftmals ausgesetzt waren/ sind (denken wir hierbei nur an die Coronamaßnahmen in Kindertagesstätten) oder an die zunehmenden, umweltspezifischen Herausforderungen, denen sich die zukünftigen Generationen noch stärker stellen müssen als es die gegenwärtige Generation schon in Ansätzen erleben muss. Gefragt sind daher kluge/ weise, weiterdenkende, gradlinige, mutige, authentische, verantwortungsbewusste, politikinteressierte und sozialkompetente Personen, die immer wieder nach kreativenProblemlösungen suchen. Und dazu brauchen sie ein hohes Maß an Angstfreiheit sowie ein positives Lebensgefühl: trotz mancher Umwelt- und Umfeldherausforderungen. Die MUSIK trägt dazu bei, diese Kompetenzen aufzubauen. Wer Kindern diese Erfahrungen vorenthält, raubt ihnen ein unersetzliches Lernfeld.
(Liedvorschlag „Ich bin klasse“: Musik: Reinhard Horn; Text: Susanne Brandt)
Reflexionsfragen
Wenn – wie zuvor beschrieben – Musik eine außergewöhnlich große Bedeutung für die Initiierung, Stabilisierung und Weiterentwicklung von unterschiedlichen Bildungsprozessen mit sich bringt, dann ist es sicherlich notwendig, dass Mitarbeiter:innen in Kindertagesstätten ihre Alltagspraxis daraufhin überprüfen, inwieweit ihre Musikpraxis auch einen hohen Stellenwert einnimmt. So ergeben sich beispielsweise folgende Reflexionsfragen:
Gibt es musikalisch dauerhafte Rituale im Kita-Alltag, die Kinder mit Freude annehmen?
Finden im Kita-Alltag immer wieder die Bereiche Musik und Tanz genügend Raum, um Kindern die Möglichkeit zu bieten, Musik- und Tanzerlebnisse kennenzulernen und wertschätzen zu können?
Stehen den Kindern ausreichende und unterschiedliche Musikinstrumente/ Materialien zur Verfügung, um Instrumente zu nutzen oder bauen zu können?
Werden, gemeinsam mit Kindern, Liedtexte entwickelt und vielleicht sogar eigene Melodien erstellt, Theaterstücke mit Liedern, Musikbegleitung und Tanz selbst kreiert und für mögliche, fröhliche Aufführungen vorbereitet?
Werden den Kindern reichliche Gelegenheiten geboten, eigene musikalische Fantasieimpulse zu entwickeln und in kreative Handlungsmöglichkeiten umzusetzen?
Sind die Musikstücke, Tänze und Bewegungsmöglichkeiten so ausgerichtet, dass Kinder ihre unterschiedlichen Primärgefühle (Freude/ Wut/ Angst/ Trauer) dynamisch und ausdrucksstark zur Entfaltung bringen können?
Singen/ Musizieren die Mitarbeiter:innen selber gerne? Beherrschen sie ein Musikinstrument und wenn nicht, wer von den Fachkräften setzt sich das Ziel, das Spielen eines Musikinstruments zu lernen?
Kennen alle Mitarbeiter:innen genügend Lieder/ Spiellieder/ Klanggeschichten und Klangspiele/ Sprachmelodien/ Klangspielzeuge und –materialien/ Liedgeschichten/ Kindertänze und wenn nicht, wie können sie ihr Repertoire erweitern?
Wird vor allem jedes Musikerlebnis als etwas Besonderes erfahren, das eine möglichst gezielte Beachtung verdient hat? Dabei haben ungezielt laufende CDs im Alltagsgeschehen als „Permanentberieselung“ (ein „Gedudel nebenbei“) keinen Platz; sie sorgen eher über Reizüberflutungen am laufenden Band.
Und nun, da Sie diesen Beitrag gelesen haben, gönnen Sie sich erst einmal ein besonderes Musikerlebnis mit dem Lied „Wunderfinder“ von Alexa Feser: https://www.youtube.com/watch?v=AFK-GYOf-MU .
Literaturhinweise (Praxis):
Erhard, Amelie/ Hiessl, Milena/ Sokoll, Lena: Kinder-Klang-Kiste. 140 musikalische Bausteine rund um das Kita-Jahr. Helbling Verlag 2018
Gulden, Elke + Scheer, Bettina: Singzwerge und Krabbelmäuse. Frühkindliche Entwicklung musikalisch fördern mit Liedern, Reimen, Bewegungs- und Tanzspielen für zu Hause … Ökotopia Verlag 2010 (12. Edition)
Horn, Reinhard: Das Krippenkinderliederbuch. (incl. CD). Kontakte Musikverlag 2016
Vahle, Frederik: Das Anne Kaffeekanne Liederbuch zum Singen, Spielen und Tanzen. Ellermann Verlag 2014 (3. Edition)
Literaturhinweise (Theorie):
Jenke, Monika: Die Bedeutung der Musik für Kinder in ihrer Entwicklung und in ihrem lebensweltlichen Kontext. GRIN Verlag 2014
Stadler Elmer, Stefanie: Kind und Musik. Das Entwicklungspotenzial erkennen und verstehen. Verlag Springer 2014
Tüpker, Rosemarie: Durch Musik zur Sprache. Books on Demand 2009
Walther, Emelie: Der Einfluss von Musik auf die kindliche Entwicklung. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur frühkindlichen Musikerziehung. Verlag Studylap 2018
Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor a.D., Wissenschaftsdozent für Elementar- und Entwicklungspädagogik/ Entwicklungspsychologie; Email: armin.krenz@web.de
Singend und spielend in die Welt einführen
geschrieben von Redakteur | Oktober 6, 2022
Altbekanntes mit neuen Texten neu erspielen – Spielerisch Bewegungsabläufe kennenlernen
Ein Großteil der verbreitetsten Kinderlieder stammt aus dem 20. Jahrhundert, manche Lieder sind noch früher entstanden oder es handelt sich um Neudichtungen auf noch ältere Melodien. Sie hatten und haben oft die Funktion, das Kind singend und spielend in die Welt einzuführen, die kindliche Motorik zu unterstützen und Gedächtnisabläufe einzuüben. Es handelt sich sehr oft um Spiel- und Tanzlieder, in denen verschiedene Berufe oder Tätigkeiten vorgestellt und mit entsprechenden Bewegungen begleitet werden. Kinder lernen auf diese Weise spielerisch Bewegungsabläufe kennen, die ihren Alltag betreffen.
Schön früher wurden Alte Melodien mit neuen Texten versehen
Heute lassen sich nur sehr schwer viele dieser alten Lieder nutzten, weil sich die Lebenszusammenhänge radikal verändert haben. Es lässt sich nicht mehr so leicht vom „Pflügen und Streuen“ singen oder fragen: „Wer will fleißige Handwerker sehn?“ Manche Berufsgruppen gibt es überhaupt nicht mehr, viele neue Tätigkeiten besonders im technischen Bereich sind schlecht oder gar nicht zu besingen.
Dennoch reizt es uns immer wieder, auch altbekannte Lieder den Kindern näherzubringen. Allerdings ist es nötig, dann auch Hintergründe zu erklären. Oft sind es besonders die Melodien, die im Ohr bleiben. Deshalb empfiehlt es sich, zu solchen „Ohrwürmern“ neue Texte zu machen, wie es unsere Vorfahren ebenso getan haben.
Kleben am Vorgegebenen ist hinderlich
Manchmal reicht es aus, zu solchen alten Liedern neue Bewegungen oder Spielmöglichkeiten zu erfinden. Wir können uns auch dabei auf die Fantasie der Kinder verlassen. Oft genug ist ja das Festkleben am Vorgegebenen eher hinderlich. Kinder aber gehen spielerisch auch mit Altem um, und es ist sinnvoll, ihre „Spinnereien“ miteinzubeziehen. Es gibt eine Fülle von Liedern, die veränderbar sind, nicht nur solche, bei denen es ausdrücklich heißt: weiterdichten.
Kommt, zieht mit uns
Die einfache Melodie vom Lied „Die Affen rasen durch den Wald“ eignet sich besonders gut für neue Texte. Die folgende Textfassung bietet neben dem neuen Text auch gleich ein kleines Bewegungsspiel.
Dieses Lied kann gut am Anfang als Aufforderung zum Mitspielen stehen.
1 Kommt, zieht mit uns durchs ganze Land, fasst links und rechts je eine Hand; singt laut und fröhlich unser Lied: Refrain: Wir machen alle mit und setzen Schritt vor Schritt, mal in die Mitte, mal zurück.
2 Kommt, haltet fest und schließt den Kreis, beim Laufen wird uns langsam heiß; klatscht laut, begleitet unser Lied: Refrain: Wir klatschen alle mit und setzen Schritt vor Schritt …
3 Kommt, baut ein schönes großes Haus, lasst alle ein und keinen aus; stampft mit den Füßen zu dem Lied: Refrain: Wir stampfen alle mit und setzen Schritt vor Schritt …
Die Spielanweisungen sind im Lied enthalten. Während sich die Kinder bei den Strophen im Kreis nach links und nach rechts bewegen, setzen sie beim Refrain „Schritt vor Schritt“ in die Kreismitte, bei der Wiederholung des Refrains gehen sie langsam wieder zurück.
Es liegt auf der Hand, dass hier weitergedichtet wird.
ARAMSAMSAM, OROMSOMSOM
Abgesehen von der Lautspielerei bietet dieses kleine bekannte Liedchen verschiedene Möglichkeiten. Nachdem alle die Melodie kennen, wird das Lied mit folgenden Bewegungen gesungen. Dabei stehen wir mit genügend Abstand im Kreis.
Aramsamsam Mit den Fäusten auf der Brust trommeln. Gulli, gulli Nach vorn beugen, schnell aufrichten und Ramsamsam wieder trommeln. A– Hände auf der Brust halten und bei ravi Arme breit auseinanderschwingen.
Wer Lust hat, kann auch folgende Textvarianten ausprobieren: Oromsomsom, gilligilli romsomsom, Orovi, orovi, gilli etc. Urumsumsum, galligalli rumsumsum, Uruvi, uruvi, galli etc.
Auch im Sitzen können wir uns dazu bewegen.
Aramsamsam Rhythmisch auf Oberschenkel schlagen. Gulli, gulli Auf die Brust klopfen und bei Ramsamsam wieder auf die Oberschenkel schlagen. Aravi Oberkörper strecken. Arme heben und weit nach vorn beugen, bis die Hände den Boden berühren, danach weiter wie gehabt.
Besonders lustig wird es, wenn wir das Lied jetzt als Kanon in zwei Gruppen singen. Dabei sitzen sich immer zwei unterschiedliche Partner gegenüber oder im Kreis nebeneinander.
Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Bei uns spielt die Musik Klangspiele und Spiellieder Eckart Bücken Burckhardthaus-Laetare ISBN 9783944548142 9,90 € Mehr dazu auf www.oberstebrink.de
GEW: „Die Fortschritts-Koalition hat den Rückwärtsgang eingelegt“
geschrieben von Redakteur | Oktober 6, 2022
Bildungsgewerkschaft zum geplanten Ende des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“
Die GEW hat die Pläne der Ampel-Koalition, das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ zu beenden, scharf kritisiert. „Auf Sonntagsreden heben die Politikerinnen und Politiker die Bedeutung der frühkindlichen Bildung hervor. Am nächsten Tag stellen sie keine Gelder mehr für hochwertige Förderprogramme bereit. Die Fachkräfte schütteln darüber frustriert den Kopf“, sagte Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Mittwoch in Frankfurt a.M.
Tausende Fachkräfte im Ungewissen
Nach 11 erfolgreichen Jahren bleibe bei den Kolleginnen und Kollegen in den Bildungseinrichtungen vor allem Frustration und Enttäuschung zurück. „Tausende Fachkräfte werden im Ungewissen gelassen. Sie wissen nicht, wie es mit ihrer Anstellung weitergeht“, sagte Siebernik. Die warf der Bundesregierung den Bruch des Koalitionsvertrages vor. Die Ampel-Koalition sei mit dem Versprechen gestartet, die Bildungsausgaben zu erhöhen und das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ weiterzuentwickeln und zu verstetigen. Nun werde einfach auf das sogenannte Gute-Kita-Gesetz verwiesen. Das Finanzvolumen im Gute-Kita-Gesetz berücksichtige dabei nicht die Förderung aus den dem Bundesprogramm ‚Sprach-Kitas‘. Dies sei ein Konstruktionsfehler. „Der Bund schiebt die Verantwortung für die sprachliche Bildung als festen Bestandteil in der Kindertagesbetreuung einfach den Ländern zu. Diese sollen nun abwägen, welchen Qualitätsbaustein sie umsetzen können und was gestrichen werden muss. Das gleicht einem Flickenteppich der Qualität in den Kitas.“ Gerade nach den Erfahrungen aus der Pandemie und den weltweiten Fluchtbewegungen grenze es an Realitätsverweigerung solch ein erfolgreiches Programm einzustellen, so die GEW-Kita-Expertin.
Wort halten!
Siebernik forderte Bundesfinanzminister Lindner dazu auf, Wort zu halten: „Von der Bundesregierung erwarten wir, dass die fehlenden knapp 240 Millionen Euro für die Unterstützung der Sprachbildung und Inklusion von Kindern in Kitas durch das Bundesprogramm, wie im Koalitionsvertrag beschlossen, verstetigt werden. Der Finanzminister ist Teil der sogenannten ‚Fortschrittskoalition‘ und muss jetzt im Interesse der Kinder liefern.“
Info: In einem Schreiben an die Einrichtungen hat das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) klargestellt, dass der aktuelle Entwurf des Bundeshaushaltes 2023 keine weiteren Mittel für das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ bereitstellt. Mit dem Programm förderte das Bundesfamilienministerium elf Jahre lang alltagsintegrierte sprachliche Bildung als festen Bestandteil in der Kindertagesbetreuung. Mehrere Tausend Fachkräfte in Kindertagesstätten sind davon betroffen.