Was heißt da eigentlich „Familie“?

Dan Yaccarinos Bilderbuch „Der längste Sturm“

Als Lagerkoller lässt sich das bezeichnen, was die drei Kinder mit ihrem Vater in Dan Yaccarios Bilderbuch „Der längste Sturm“ erleben. Die Situation ist auch richtig schlimm. Ein Sturm hält die ganze Familie im Haus fest und schränkt das Leben auf relativ engen Raum ein. Nichts ist mehr, wie es war. Jetzt müssen alle ständig miteinander auskommen. Und dann passiert, was kommen muss. Keiner kann den anderen mehr ausstehen. Klasse, dass die Familie über ein ganzes Haus verfügt. Immerhin können sich alle gegenseitig aus dem Weg gehen.

Aber ist das die Lösung? Schließlich geht es um Familie. Letztlich kommt der Zufall zur Hilfe.

Klarer, moderner und ansprechender Stil

Der amerikanische Künstler Dan Yaccarino ist hierzulande nur wenig bekannt, während er in den Vereinigten Staaten zu den wirklich Großen der Kinderbuchszene und -animation zählt. Sein Illustrationsstil ist reduziert, beschränkt sich auf das Wesentliche in warmen Tönen. Im Gegensatz zu vielen anderen so genannten „Künstlern“ gestaltet er diese jedoch klar verständlich auch für kleinere Kinder. Und er schätzt kleine, aber wichtige Details. Mit wenigen Strichen gelingt es ihm, Dynamik in seine Bilder zu bringen und klare Stimmungen in seinen Figuren zum Ausdruck zu bringen. Alle Protagonisten stehen durch ihre Körperhaltung und den Gesichtsausdruck immer zueinander in Beziehung, so dass neben den Texten eine weitere klare nonverbale Kommunikation zwischen den Figuren vorhanden ist. Selbst der Familienhund leidet mit.

Ein Bilderbuch für kleinere Kinder

Yaccarinos „Der längste Sturm“ ist eine liebevoll erzählte Familiengeschichte um zahlreiche emotionale Themen wie Zusammengehörigkeit, Streiten, Vertragen, Verständnis, Schutz, Liebe und eben Familie. Durch den klaren Ausdruck und die geringe Textmenge ist das Bilderbuch auch sehr gut für die gemeinsame Lektüre mit kleineren Kindern geeignet, für die die Geschichte richtig spannend ist. Dabei lässt sich viel entdecken und jede Menge Gesprächsanlass erzeugen. Besonders die Frage, was Familie eigentlich bedeutet, dürfte hier vielfach Thema sein. Hoffentlich gibt es bald noch weitere Bücher von Yaccarino hierzulande zu sehen.

Gernot Körner

Bibliographie

Dan Yaccarino
Der längste Sturm
minedition AG
Cellophanierter Pappband, 48 Seiten
Ab 4 Jahren
ISBN: 978-3-03934-010-1
Preis: 20 € / 20,60 [A]




Wenn Eltern ihre Kinder in die Sklaverei verkaufen

Ulrike Burfeind schreibt über eine oftmals verdrängte Realität

Bakus Familie ist arm. Oft gibt es nichts zu essen, Baku und seine kleine Schwester Suri müssen fast täglich hungern. Ihr Vater hat nach einem Arbeitsunfall seine Beschäftigung verloren, spielt und trinkt. Das Geld der Gelegenheitsjobs kommt bei der Mutter, die für das Haus und was darin geschieht zuständig ist, so gut wie nie an. Eines Abends kommt ein Mann vorbei. Sofort haben alle ein schlechtes Gefühl, nur der Vater hört ihm zu. Ein paar Tage später ist Baku verkauft worden, sitzt in einem Zug in die Großstadt. Nur die Legende vom weißen Elefanten erinnert ihn noch an seine Heimat.

Er findet sich wieder in einer Fabrik, in der Kinder Näharbeiten verrichten müssen. Sie bekommen nur wenig zu Essen, immer wieder gibt es Schläge vom sadistischen Vorarbeiter. Baku findet einen Freund; mit einem Trick schaffen sie es, dass Baku von nun an einem alten Obstverkäufer auf dem Markt hilft. Nebenan hat der örtliche Heiler seinen Stand und Baku beginnt eine Lehre bei ihm. Irgendwann sieht er den weißen Stoffelefanten. Das heißt: Seine Schwester ist auch verkauft worden.

Nun beginnt eine Odyssee, Flucht oder wie immer man es nennen will. Die Mission: Die Schwester retten und nach Hause bringen. Dabei helfen alle Freunde, nicht nur die vom Markt, auch die Kinder aus der Fabrik und sogar die Tochter vom Oberboss. In die hat sich Baku selbstverständlich verliebt. Und es geht gut aus. Muss ja, ist ja ein Kinderbuch.

Sklaverei hat System

Ja, ein sehr wichtiges Thema. Ja, für jüngere Kinder müssen manchmal die Charaktere märchenhaft einseitig und holzschnittartig gezeichnet sein, damit Gut und Böse klar erkennbar sind. Aber hier ist das ein wenig zu viel. Warum reicht es nicht, dass die Familie arm ist und nicht weiß, wie alle über die Runden kommen sollen, um den Gedanken an den Verkauf mindestens eines Kindes zu hegen? Das System der Kindersklaverei beruht auf der Kasten- bzw. Klassengesellschaft. Warum muss der Vater auch noch saufen, spielen und behindert sein? So wird ein gesellschaftliches Problem individualisiert, zumindest werden hinter den individuellen Problemen die gesellschaftlichen Zwänge nicht sichtbar. Das ist schade.

Außerdem führt diese Sichtweise zu einer übertriebenen Sozialromantik. Die armen Menschen auf dem Markt haben immer gute Gedanken, sie helfen einander, unterstützen sich. Die Kinder passen immer aufeinander auf und schließen diejenigen, die sich für die falsche Seite – die Besitzenden – entscheiden, aus. Das widerspricht jeglicher Erfahrung, auch von hiesigen Schulkindern. Denn Mobbing kennen sie aus ihrer eigenen Schule und von ihren sozialen Kontakten im Internet. Und das fühlt sich ganz sicher nicht gut und solidarisch an.

Wenn man diese Aspekte im Blick hat und mit den Kindern bei der Lektüre darüber spricht, kann „Baku und der weiße Elefant“ ein bereicherndes Leseerlebnis bieten. Das Buch kann helfen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir hier im reichen Deutschland gerade mal ein Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. Und dass die Probleme, die wir hier haben, in ärmeren Ländern wesentlich brutaler zutage treten.

Ralf Ruhl

Bibliographie:

Ulrike Burfeind:
Baku und der weiße Elefant. Ueberreuter 2021
www.ueberreuter.de
ISBN 978-3-7641-5231-0
218 Seiten
ab 8 Jahre
14,95 Euro
Pro Buch geht 1 Euro als Spende an UNICEF




Vater und Sohn im Abenteuerwunderland

Teddy-ist-weg

Coole Papa-Sohn-Tour mit überraschendem Ende – ein ungewöhnlich kreatives Bilderbuch von Antje Damm

Das Auto ist gepackt, Vater, Sohn und Teddy sind angeschnallt und los geht’s! Ab in den Wald. Hier bauen Papa und Flo erst einmal das Zelt auf. Das ist ja schon ein Abenteuer an sich. Teddy sitzt natürlich daneben. Aber dann wird alles Notwendige im Rucksack verstaut – klar, Teddy schaut oben heraus – und eine Wanderung beginnt. Über Stock und Stein, bis zum Gipfel. Und natürlich zurück. Puuh, ganz schön anstrengend. Aber dann haben alle Hunger, Teddy will Futter, und ein Lagerfeuer wird entfacht. Stockbrot gibt’s und Ravioli aus der Dose. Jetzt noch bio frisch kochen wäre auch echt zu viel. Und danach – Gute-Nacht-Geschichte und schlafen.

Papa erzählt immer so gut. Am besten kann er Gruselgeschichten. Das passt ja auch zum Wald. Obwohl der gar nicht so bedrohlich dunkel ist. Teddy sitzt draußen vor dem Zelt und hält Wache. Oder?

Jedenfalls gibt es da einen Waldbewohner, der nur zu Träumen, Märchen und Gruselgeschichten passt. Und als Flo aufwacht, ist Teddy weg. (Achtung, wer das Ende noch nicht erfahren will, bitte den Rest dieses Absatzes überspringen!) Dafür ist ein anderer Teddy da. Viel größer. Und irgendwie noch toller. Er ist gewachsen. Wie Flo. Nicht nur im Traum, sondern überhaupt auf dieser Papa-Sohn-Tour.

So machen Väter ihre Kinder stark

Wanderung, Zelten, Lagerfeuer, Gruselgeschichten – das sind klassische Inhalte eines Vater-Kind-Wochenendes. Damit wächst die Seele. Und dieses innere Wachstum, das ist es, was Kinder von solchen Tagen mit Papa haben können. Wenn der sein Kind kennt, zugewandt ist, es nicht überfordert, ihm Aufgaben gibt, die es bewältigen kann und Nähe, Wärme und Sicherheit ausstrahlt. Das hält lange an und ist später für Vater und Kind eine klassische „weißt-du-noch“-Geschichte. So wird die Bindung gefestigt, die Familie gestärkt – und Mama hat ein freies Wochenende.

Genau das fängt Antje Damm in ihrem Bilderbuch wunderbar ein. Mit knappen, fast ein wenig spröden Texten. Und vor allem äußerst kreativen Bildern. Der Wald sieht eher still aus als unheimlich. Das liegt daran, dass fast alle Teile der Bilder aus Wellpappe gebastelt, angemalt und ausgeschnitten wurden. Und zwar nicht perfekt, sondern fast ein wenig grob. Man kann sich vorstellen, dass im Kindergarten ähnliche Bäume, Zelte, Autos und Teddys entstehen. Als Träume, Wünsche und Ideen für die nächste Papa-Sohn-Tour!

Ralf Ruhl

Bibliographie:

Antje Damm
Teddy ist weg!
Moritz Verlag www.moritzverlag.de
32 Seiten
ISBN 978-3-89565-411-4
ab 3 Jahre
12,95 Euro




Spiele, die alle bewegen

222spiele

222 neue Spiele für die Kinder- und Jugendarbeit

Der Philosoph Friedrich Nietzsche wusste, wie wichtig Bewegung ist: „So wenig als möglich sitzen; keinem Gedanken Glauben schenken, der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung, in dem nicht auch die Muskeln ein Fest feiern!“

Viele Kinder und auch Erwachsene bewegen sich heute zu wenig und spielen nicht genug. Dabei ist wissenschaftlich erwiesen, wie wichtig beides für den Menschen und seine Entwicklung ist.

Das Spielebuch schafft Gelegenheit für beides. Es bietet Anleitungen für 222 Gruppenspiele, zum Kennenlernen, um die Wahrnehmung zu schulen, mit und ohne digitale Medien und vieles mehr.

Nach den unterschiedlichen Gelegenheiten und Möglichkeiten aufgeteilt, für welche die Spiele geeignet sind, finden hier GruppenleiterInnen eine Fülle von neuen Spieleanleitungen. Bei jedem Spiel gibt es eine Altersangabe, die jedoch nur einen groben Anhaltspunkt geben kann. Einige der Spiele finden sicher noch bei Menschen bis 99 Anklang.

Im Kapitel „Medien – Digital-fiktive und analog-reale Spielewelten“ lautet die Devise: Gestalten, hinterfragen, kreativ werden. Es geht hier um die fantasievolle und spielerische Nutzung von Smartphones oder Tablets.

Das Buch bietet eine umfangreiche Sammlung an neuen, interessanten Spielen, die allein zu lesen schon Laune auf Aktionen machen. Es richtet sich an Lehrkräfte in der Grundschule und Sekundarstufe I und an PädagogInnen in der Ganztagsbetreuung sowie in der Kinder- und Jugendarbeit.

(Anja Lusch)

222 spiele

U. Baer, G. Knecht, M. Waschk (Hrsg.)

Spiele, die alle bewegen

222 neue Spiele für die Kinder- und Jugendarbeit

Softcover, 272 Seiten,

ISBN: 978-3-7727-1556-3

17,95 Euro

Über die HerausgeberInnen

Ulrich Baer, Dipl.-Pädagoge und Spielautor, ist Begründer einer praxisorientierten Spielpädagogik und Autor diverser Publikationen zu den Themen Kreativität und Kulturpädagogik; Dozent und Studienleiter der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW i.R.; Gründer und langjähriger Herausgeber der Zeitschrift gruppe & spiel.

Gerhard Knecht ist Dipl.-Pädagoge und seit vielen Jahren in der Spielbusarbeit tätig. Er entwickelte spiel- und kulturpädagogische Projekte bei der Pädagogischen Aktion München, war Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Spielmobile e.V. und Leiter des Fachbereichs Spielpädagogik an der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift GRUPPE & SPIEL, Redakteur der Fachzeitschrift Spielmobilszene und entwickelt Projekte bei Spiellandschaft Stadt e.V..

Marietheres Waschk ist Dipl.-Sozialpädagogin und Dozentin für Spielpädagogik an der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW. Sie betreut Spiel- und kulturpädagogische Projekte am Bauspielplatz Friedenspark Köln und ist Mitherausgeberin der Zeitschrift gruppe & spiel.




Wenn Puzzleteile aus dem Gedächtnis fallen

Matti, Oma Rose und die Dingse – Ein Bilderbuch über Demenz

Mittwoch ist Matti-Tag. Für Oma Rose. Und Oma-Rose-Tag für Matti. Dabei ist sie nicht seine richtige Oma, sondern eine „Nenn-Oma“: eine freundliche Nachbarin, die gern auf den Fünfjährigen aufpasst, wenn seine Eltern arbeiten. Wie eine richtige Bilderbuchoma liest sie vor, erzählt Geschichten, spielt mit ihm und gemeinsam backen sie Zimtwaffeln.

Aber langsam fehlen ihr die Worte für, ääh, ja eben, die Dingse. Und das immer häufiger. Der Illustrator hat das wunderbar umgesetzt: In seinen Bildern sind auf einmal puzzleähnliche Leerstellen. Wie in Oma Roses Gedächtnis. Aber dann meint sie, ihre Kette sei gestohlen worden – Matti findet sie in der Zuckerdose. Und als es aus der Küche angebrannt riecht wird es im wahrsten Sinne des Wortes brenzlig. Gerade noch rechtzeitig kann Mama den Herd ausschalten.

Abends erklärt sie Matti, dass Oma Rose jetzt nicht mehr auf ihn aufpassen kann, sondern selbst Hilfe braucht. Dann wird der Sohn der Nachbarin angerufen und schon eine Woche später lebt sie im Heim. Das ist schick, sauber und alle sind freundlich, nicht nur die Bewohner, auch das Personal. Selbstverständlich ist Oma Roses erster Besucher – na klar, Matti. Und er bringt Zimtwaffeln mit. Fast ganz selbst gemacht.

Ja, so sollte es sein. Familien sollten in einem schönen Haus leben, am besten mit Garten. Die Nachbarschaft sollte aufeinander achten, die Menschen sollten sich kennen und einander unterstützen. Es sollte Wohnstätten für alte Menschen geben, die nicht mehr allein oder mit nachbarschaftlicher Hilfe zurechtkommen. Die sollten bezahlbar sein, sauber, freundlich, hell und ganz schnell zur Verfügung stehen.

Doch die Verhältnisse, die sind nicht so. Und nicht erst seit gestern. Ich hoffe, dass Eltern, Erzieher und Erzieherinnen beim Vorlesen auch auf diese Seite der Demenz und der Heimunterbringung eingehen. Dann macht das Kindern auch keine Angst, sondern bereitet sie vor auf etwas, was sie sehr wahrscheinlich in unserer alternden Gesellschaft erleben werden: den Umgang mit dementen Menschen.

Ralf Ruhl

Bibliographie:

Brigitte Endres (Text), Marc-Alexander Schulze (Bild)
Matti, Oma Rose und die Dingse – Ein Bilderbuch über Demenz
32 Seiten, gebunden, durchgehend vierfarbig
Format 22.5 x 27.5 cm
€ 14.00 (D); € 14.50 (A); CHF 18.00 (CH)
ab 5 Jahren
ISBN 978-3-907114-20-9




Beobachten und dokumentieren im Kindergarten

Armin Krenz: Beobachtung und Entwicklungsdokumentation im Elementarbereich

Eine regelmäßige, professionell geplante und konzipierte Beobachtung von Kindern sowie die Erstellung von Entwicklungsdokumentationen gehört zum festen Bestandteil einer qualitätsgeprägten Elementarpädagogik. Nachdem die 1. Auflage für eine längere Zeit vergriffen war, liegt nun allen KindheitspädagogInnen die zweite aktualisierte und um ca. 85 Seiten erweiterte Neuauflage des Buches „Beobachtung und Entwicklungsdokumentation im Elementarbereich“ vor.

Im Mittelpunkt steht das einzelne Kind

Prof. Dr. Armin Krenz geht in seiner Publikation auf acht Schwerpunkte (Kapitel) ein. Zunächst benennt er die grundlegenden Aufgaben und Ziele einer professionell gestalteten Elementarpädagogik ein. Diese ergibt sich aus dem Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsauftrag. Es folgen die daraus abgeleiteten Anforderungen an eine individualisierte Pädagogik. Bei dieser steht das einzelne Kind mit seinen vielfältigen Entwicklungsressourcen im Mittelpunkt. Im Anschluss daran werden die Aufgaben, Ziele und Formen der unterschiedlichen Möglichkeiten an Verhaltensbeobachtungen deutlich auf den Punkt gebracht. Besondere Berücksichtigung finden dabei häufige Wahrnehmungs- und Beobachtungsfehler, die es zu vermeiden gilt.

Mit Beobachtungs- und Entwicklungsbögen

Das darauffolgende Kapitel stellt je nach Aufgabenstellung viele, unterschiedliche, anlassspezifische Beobachtungs- und Entwicklungsbögen vor. Im weiteren Verlauf erläutert Krenz sehr konkret und praktisch, wie die gewonnenen Beobachtungsergebnisse zusätzlich abgesichert oder auch überprüft und wie Entwicklungsberichte gegliedert, konzipiert und verfasst werden können.

Anschließend werden bei psychologischen oder medizinischen Untersuchungen gebräuchliche, angewandte Testverfahren in Kürze in einem Überblick vorgestellt. Das Buch endet mit Begriffserklärungen aus dem Feld der Entwicklungs- und Wahrnehmungspsychologie sowie der Entwicklungspädagogik und sehr umfangreichen Literatur- und Linkangaben.

Bedeutung der Bildungsqualität

Zuletzt darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Autor in dieser zweiten Auflage einige sehr hilfreiche Ausführungen zu den Erfassungsmerkmalen der Schulfähigkeit, zur Bedeutung der Bindungsqualität, zu Erscheinungsformen eines erwartungswidrigen Verhaltens und zur Bedeutung einer Teamqualität in Verbindung zu kindeigenen Ausdrucksformen vorgenommen hat. Darüber hinaus ist auch ein besonderer Schwerpunkt zur Selbstbeobachtung der Fachkräfte vorgesehen, damit persönliche Problematiken nicht zum Problem für Kinder gemacht werden.

Praktisch orientiertes Lehr- und Handbuch

Dieses Buch kann uneingeschränkt als ein überaus praktisch orientiertes Lehr- und Handbuch eingestuft werden, das sich sowohl für Studierende als auch für praktisch tätige KindheitspädagogInnen zur zielgerichteten Beobachtung von Kindern im Krippen-/Kindergartenalter und zum Erstellen von ressourcenorientierten Entwicklungsdokumentationen eignet.

Kathrin Nürge

Armin Krenz
Beobachtung und Entwicklungsdokumentation im Elementarbereich
Verlag Mediengruppe Oberfranken
2. aktualisierte und erweiterte Auflage 2019
Taschenbuch, 326 Seiten
ISBN: 978-3-96474-198-1
22,90 €




Lernen ist ein natürlicher Fluss

Ezra Jack Keats: Peter lernt pfeifen

Eine Neuerscheinung, die jung geblieben ist: Bereits 1964, als die amerikanische Bürgerrechtsbewegung große Demonstrationen organisierte, schrieb und zeichnete Ezra Jack Keats „Whistle for Willie“. Das war etwas Besonderes, denn ein weißer alter Mann stellte eine Familie schwarzer Hautfarbe in den Mittelpunkt seines Kinderbuches. Und zwar als ganz normale Mittelstandsfamilie. Keine Sozialromantik, keine edlen Unterdrückten, keine brutalen, sensationsheischenden Szenen von Diskriminierung oder Brutalität.

Sondern ein ganz normaler Junge, der im Sommer in kurzen Hosen draußen herumläuft. Allein. Was heute für ständig im pädagogischen Dauerbeobachtungsstress steckende Eltern fast widernatürlich klingt. Und Peter bläst die Backen. Nicht, weil er wütend ist. Sondern weil er etwas können will. Pfeifen. Denn dann würde sein Hund Willi auf ihn hören und tun, was er von ihm will.

Und Peter lernt. Ohne ständige Begleitung, ohne den Rat von anderen. Er probiert einfach aus. Ganz viel atmen, sich im Kreis drehen, in einem Pappkarton sitzen. Nebenbei spielt er auch noch andere Dinge, zeichnet mit Kreide, verkleidet sich und schlüpft in die Rolle von Papa und Mama.

Auf einmal klappt es. Stolz ist er. Zeigt seine neue Fähigkeit seinen Eltern. Die freuen sich darüber. Kein „oh super, toll, was du alles kannst“. Sondern einfach Freude.

So einfach kann Lernen sein. Motivation, ausprobieren, üben, zwischendurch sich mit Anderem beschäftigen, wieder auf das Thema zurückkommen. Und es anderen präsentieren. Das braucht Zeit, das braucht Vertrauen. Vor allem Vertrauen der Pädagogen und Pädagoginnen, dass die Kinder lernen wollen und ganz natürlich an ihren Themen dran bleiben. Peter zeigt, wie es geht!

Ralf Ruhl

Bibliographie:

Ezra Jack Keats
Peter lernt pfeifen
Carl Auer Kids 2021
32 Seiten, ab 3 Jahre
www.carl-auer.de
ISBN 9783968430171
19,95 Euro




Spielerisch lernen mit praktischen Aufgaben

medein bilden werte

Michael Dietrich / Björn Friedrich / Sebastian Ring (Hrsg.): Medien bilden Werte

Ob neue Medien oder Holz: Kinder und Erwachsene haben erst echtes Interesse an einem Material, wenn sie selbst dazu in der Lage sind, daraus nach ihren eigenen Plänen und Wünschen etwas zu gestalten. Dazu müssen sie Material und Möglichkeiten kennen lernen, die Instrumente handhaben können. Seit 25 Jahren engagiert sich Interaktiv, das Münchner Netzwerk Medienkompetenz im Bereich Medien dafür.

Spielerisch mit Medien umgehen

Schon vor 25 Jahren hatte Wolfgang Zacharias Visionen für die Medienkindheit 2000. Nach seiner Aussage durchdringt der Multimediakomplex alle Lebensbereiche: „Eine prinzipielle Begrenzung auf sparten- oder bereichsspezifische Kultur- oder Pädagogikfelder macht eigentlich keinen Sinn mehr.“ Diese Aussage hat sich nach 25 Jahren bestätigt und gefestigt. Damals durften in seinen Projekten Kinder spielerisch die „neuen“ Medien Kassettenrecorder und Video ausprobieren, eigene Hörspiele produzieren, eigenen Filme herstellen und so nebenbei Funktion, Vor- und Nachteile der bei manchen damals als gefährlich angesehenen Medien kennenlernen.

Wertevermittlung im digitalen Zeitalter

Im Laufe der Zeit veränderten sich die Materialen. Im Buch berichten viele AutorInnen von unterschiedlichen Projekten. Die Idee und die Wertevermittlung bleiben ähnlich. Das Internet und die neuen Medien sind weder gut noch böse. Wenn wir die Welt gestalten wollen, brauchen wir eine innere Wertehaltung, die es zu vermitteln gilt, um eine lebenswerte Gesellschaft zu gestalten oder spannende Spiele zu bauen.

Theorie und praktische Anregungen

Das Buch liefert nicht nur viel Theorie dazu, in einen weiteren Teil finden sich praktische Anregungen für den Spielmobilalltag. Covid 19 kam einigen der Aktionen dazwischen, aber Spielmobiler sind ja kreativ und konnten ihre Aktionen anpassen und ins Netz verlagern. Problematisch bleibt wie auch bei anderen Dingen die Teilhabe für Kinder aus ärmeren Familien, die keinen Internetzugang haben und keine digitalen Endgeräte. Die Frage, die an alle Interviewten ging, ob die Welt heute besser ist, dank der Digitalisierung wurde in der Summe positiv beantwortet, wenn die Menschen in der Lage sind die Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Da besteht noch Bedarf, beim Ausbau der Strukturen, Fortbildungsbedarf bei Kindern und bei einigen Erwachsenen, die durch die plötzlichen Anforderungen der Coronakrise ins digitale kalte Wasser geworfen wurden. Offen bleibt jedoch die Frage, abe welchem Alter das sinnvoll und für die Kinder in ihrer Entiwcklung angebracht ist.

Anja Lusch

Michael Dietrich / Björn Friedrich / Sebastian Ring (Hrsg.)
MEDIEN BILDEN WERTE
Digitalisierung als pädagogische Aufgabe
Kopaed, München 2020,
340 Seiten
ISBN 978-3-96848-010-7
20,00 EUR

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