Kinder sind Zeitreisende

Annette Drüner: Kinder bis drei – geborgen und frei. Dialogisch arbeiten in der Frühpädagogik

Um es gleich vorweg zu sagen: Annette Drüner hat eines der besten Bücher im Bereich Frühpädagogik geschrieben, das in den letzten Jahren erschienen ist! Warum? Weil es am Krippenalltag ansetzt. Und dabei sowohl die Erfahrungen der Erzieherinnen, die strukturellen Gegebenheiten der Betreuung und vor allem die Bedürfnisse und Entwicklungsaufgaben der Kinder im Blick hat.

Grundlegend dafür ist das Verständnis von Zeit. Kleine Kinder haben nicht unseren linearen Zeitbegriff, können sich nicht am abstrakten „16 Uhr“ orientieren. Das ist ihnen aus Gründen der Hirnentwicklung gar nicht möglich. Sie daran gewöhnen zu wollen ist also bestenfalls vergebene Mühe – schlimmstenfalls ein brutales Pressen in eine für sie nicht nachvollziehbare Struktur.

„Wann kommt Mama wieder?“ Eine Antwort, die Zweijährige verstehen können, wäre also zum Beispiel „nach dem Mittagsschlaf“ oder „nach dem Snack“. Das ist konkret, an den sich immer wiederholenden Abläufen des Tages orientiert.

Womit schon einige von Drüners Grundprinzipien dargestellt sind: Die Erzieherin wendet sich dem Kind zu. Sie gibt eine Antwort, die seiner Entwicklung und seinen Bedürfnissen gerecht wird. Sie gibt Sicherheit durch die Wiederholung der Tagesstruktur. Sie ist also mit dem Kind im Dialog.

Mit Krippenkindern im Dialog

Dialog? Hä? Mit Kindern, die gerade mal Zweiwortsätze schaffen? Ja, auch. Aber wesentlich ist die Haltung: Das ganze Kind sehen. Seinen Körperausdruck, seine Mimik, seine Bewegung. Darauf antworten wir alle, auch wir Erwachsenen, ständig. Aber meist ist uns das nicht bewusst. Ein zur Seite gedrehter Kopf signalisiert „da ist jemand nicht wirklich interessiert, nicht wirklich für mich da“. Das Kind nimmt das wahr. Wird nach einigen Wiederholungen die Erzieherin nicht als offen für seine Bedürfnisse einschätzen. Was nicht gerade förderlich für die Beziehung ist.

Ein wesentliches Dialoginstrument für die Erzieherin, gerade in Stressmomenten, sind die Hände. Offene Hände, vor dem Körper nach außen gedreht, vermitteln: Ich habe Zeit und Aufmerksamkeit für dich. Ich setze dich nicht unter Druck, fordere nichts von dir. Bin aber da, um dich zu unterstützen.

Ja, das klappt. Sogar beim Anziehen für den Spielplatz. Wenn ein Kind langsamer ist – warum sollten die anderen nicht schneller vor die Tür gehen? Dann kann die Erzieherin sich allein mit dem Kind zur Garderobe bewegen, sich von ihm den Haken zeigen lassen und fragen, womit es anfangen möchte. Mit den Schuhen? Die weitergehende Frage „oder mit der Jacke?“ würde ein Zweijähriges überfordern. Ein Lächeln reicht als Antwort. „Soll ich dir auch mit der Jacke helfen?“ Vielleicht gibt das Kind von sich aus der Erzieherin das Kleidungsstück, oder es nickt. Bei all dem begibt sich die Erzieherin auf „Kinderhöhe“ und hält bei den Fragen die Hände offen vor sich. Sie gibt kein Tempo vor – „los jetzt, die anderen sind schon längst fertig!“ – sondern lässt sich auf den Rhythmus des Kindes ein. Und schafft damit eine wunderbare Lernsituation, in der das Kind nach mehreren Wiederholungen nicht nur die Technik des Anziehens versteht, sondern auch die Beziehung zur Erzieherin festigt und Demokratie lebt.

Demokratie leben in der Krippe

Demokratie? Ja! Denn das bedeutet nicht, im Stuhlkreis die Hand heben, wenn man etwas sagen will. Sondern Teilhabe im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. Für die Langsamen und die Schnellen. Für die Jüngeren und die Älteren. Demokratie heißt auch, eigene Entscheidungen treffen und die von anderen respektieren. Genau das hat die Erzieherin in diesem Beispiel getan. Und somit beispielhaft gewirkt. .

Drüner gibt in ihrem Buch sehr viele praktische Beispiele, wie mit und auch für die Kinder der Alltag gestaltet werden kann. Sie macht Mut, sich von eingespielten Ritualen zu befreien, wenn sie nur alle stressen. Ankommen, ausziehen, spielen, essen, anziehen, rausgehen – das ist für viele kleine Kinder zu viel. Muss nicht sein, lässt sich anders machen. Hier sind Ideen und kollegiales Miteinander gefragt. das gilt insbesondere für „heilige Kühe“ wie den Morgenkreis. Warum sollen alle auf Kommando singen und Fingerspiele machen und dabei still auf dem Po sitzen? Wenn sie doch gerade Bewegungsdrang haben? Das lässt sich anders lösen – auch hier gibt sie viele Beispiele, die dem Alltag der Krippe entstammen.

Wesentliche Kapitel von Drüners Buch sind der Bewegung gewidmet, der Einrichtung der Krippe, dem Vorbereiten von Spielsituationen. Wichtig ist dabei immer: Die Kinder beobachten. Wohin geht ihre Aufmerksamkeit, womit sind sie innerlich beschäftigt? Sie plädiert außerdem dafür, Pflegesituationen als Lernsituationen zu begreifen. Denn sie machen etwa 80 Prozent der Tätigkeit der Erzieher und Erzieherinnen aus! Und Kinder lernen viel, wenn die Windel gewechselt und der Po eingecremt wird: Nähe und Berührung zulassen und damit spielen, eigene Entscheidungen treffen und sehen, dass sie respektiert werden, Bewegung auf weichem und festem Boden und Vieles mehr. Drüner streut in allen Kapiteln selbstreflektierende Fragen ein, bietet immer wieder Übungen, um die Einfühlung in die Kinder zu stärken.

Gibt es auch was zu meckern? Ja. Das geht allerdings an den Verlag. Denn leider wird immer stärker an der redaktionellen Durchsicht eines Manuskripts gespart. Und die hätte dieses Buch sicher noch besser gemacht. Denn einige sprachliche Mängel sind schon vorhanden, der innere Aufbau einiger Kapitel ist nicht zwingend und manche Zitate unnötig, unwichtig oder, was manche Untersuchungen und Studien angeht, schlichtweg zu alt.

Zum Schluss muss ich mich allerdings wiederholen: Es ist eines der besten Bücher zur Frühpädagogik, das in den letzten Jahren erschienen ist!

Ralf Ruhl




Hoffnung für kleine Elefanten

Elefant

Claudia Gliemann, Ann Cathrin Raab: Papa Elefant – sind wir bald da?

Lang ist der Weg. Verdammt lang. Mit kleinen grünen Strichen ist er auf allen Seiten des Buches aufgezeichnet. Mal kreuz und quer, mal in Schleifen, mal vorwärts, mal zurück – nur selten geradlinig. Und da sind Papa Elefant und sein Kind unterwegs. Wohin? Hmm. Das ist nicht so klar. Aber irgendwohin. Wo es schön ist. Und wo das Leben Spaß macht. Aber das ist anstrengend. Verdammt anstrengend. Und dauert. Lang, länger, immer länger. Er führt über Berge, durch Wüsten durch Wälder, sogar durch einen Fluss.

Das macht mal Spaß, ist manchmal ok, meist aber beschwerlich. Äußerst beschwerlich. Weil es soooo lange dauert. Klar, dass der kleine Elefant immer wieder fragt: „Sind wir bald da?“ Und Papa antwortet immer wieder: „Leider noch nicht. Nur noch…“ Und dann geht es wieder über Berge und durch Täler. Immer wieder fragt der Kleine, wird ungeduldiger, erschöpft immer mehr. Wird traurig, wütend, brüllt, bricht zusammen.

Der Papa reagiert geduldig, aufbauend, gibt Sicherheit, Beständigkeit. Was gute Papas eben so tun. Er spielt mit ihm, schwimmt mit ihm, versteckt sich mit ihm. Hält die Wut aus, die Verzweiflung. Ist einfach da. So wie gute Papas das eben tun. Bis sie endlich ankommen. Am Meer. Spielen, sich freuen, sich gegenseitig nass spritzen. Und sich sagen, wie stolz sie aufeinander sind.

Gute Papas sind einfach da

Ein Durchhalte-Buch, ja. Für Krisen, insbesondere die Corona-Krise. Denn die dauert so lange, wie keine für Kinder direkt erlebbare Krise der letzten Jahrzehnte in Deutschland. Und es zeigt, was Kinder brauchen: Eltern, die da sind. Die verlässlich sind. Die aushalten. Nicht zusammenbrechen. Die zeigen: ja, es dauert, ja, es ist anstrengend, auch für mich. Also sichtbar sind. Aber da sind. Und damit stark. Dann ist auch die Freude wieder da. Gemeinsam.

Diese Beständigkeit, dieses Durchhalten – das sind Qualitäten, die gemeinhin Vätern zugesprochen werden. Obwohl in den meisten Veröffentlichungen zu Familien in Krisen die Mütter als höchst belastet dargestellt werden. Väter sind aber nicht nur Anhängsel, sie sind gleichberechtigte und gleichstarke Eltern. Deshalb freut es mich sehr, dass der Papa hier so eine wichtige, tragende Rolle für sein Kind spielt. Denn auch die Eltern, auch die Väter brauchen Wertschätzung in dieser Krisenzeit für ihre Leistung für ihre Kinder – und damit für die ganze Gesellschaft.

„Papa Elefant“ entstand im Rahmen der Initiative HopeLit. Literaten und Literatinnen wollen Hoffnung geben. Und stellen dafür Inhalte kostenlos zur Verfügung: Geschichten, Videos, Kreativideen. Auf https://hopelit.de gibt es auch eine Anleitung, wie sich nach dem Ausdrucken aus der Geschichte von Papa Elefant ein kleines Buch binden lässt. Tolle Idee!

Ralf Ruhl

Bibliographie:

Claudia Gliemann (Text), Ann Cathrin Raab (Illustration)

Papa Elefant – sind wir bald da?

Monterosa 2021
ab 3 Jahren
www.monterosa-verlag.de
ISBN: 978-3-942640-13-8
13 Euro

Oder kostenlos als Download auf https://hopelit.de/papa-elefant




Wo ist Papa? Auf der Suche nach Identität

Anja Fröhlich/Betina Gotzen-Beck: Mops und Fidel suchen ihren Papa

Väter sind Schweine… also Wildschweinväter natürlich. Und faul dazu, behauptet Mama. Also fast wie bei den Menschen. Jedenfalls will Mama partout keine Pilzburger mitbringen und so beschließen die Jungs Mops und Fidel, dass sie es vielleicht bei Papa besser haben könnten. Sofort machen sie sich im Wald auf die Suche.

Aber – wie findet man einen Vater? Da muss es ja eine Ähnlichkeit geben. Die Streifen vielleicht? Aber das Streifenhörnchen lacht sich über diese Idee kaputt. Das Grunzen? Also der Bär brüllt und grunzt nicht, noch dazu macht er den beiden Vatersuchern Angst.

Da steht er auf einmal hinter ihnen. Groß und breit, mit mächtigen Hauern. Und er ist natürlich der Stärkste von allen und verspricht seinen Söhnen, sie immer zu beschützen, immer da zu sein, wenn sie ihn brauchen. Merkwürdigerweise schläft er dann sogar bei Mama im Nest…

Ja, vaterlose Kinder, Jungen wie Mädchen, machen sich auf die Suche nach dem Mann, der mit ihrer Mutter zusammen war. Weil sie wissen wollen, woher sie kommen. Denn das ist für ihr Identitätsempfinden in unserer Kultur wichtig. Gut, wenn der Vater dann auftaucht. Denn sonst machen sie sich nur Fantasien über die wunderbaren oder oberüblen Männer. Eben weil sie nicht da sind, aus welchem Grund auch immer.

Die Vatersuche der Wildschweinboys ist witzig geschrieben, mit viel Humor illustriert und absolut passend für die Altersgruppe. Ob allerdings solch heftige Geschlechterklischees dabei bemüht werden müssen, möchte ich doch in Frage stellen.

Ralf Ruhl

Bibliographie:

Anja Fröhlich/ Betina Gotzen-Beck
Mops und Fidel suchen ihren Papa
Hummelburg 2021
www.hummelburg.de
ISBN 978-3-7478-0031-7
32 Seiten, ab 4 Jahre
14,99 Euro




Kurze Pause im Gehirn

Christine Jüngling: Träumst Du, Leon? Ein Kinderfachbuch über Epilepsie

Leon hält in der Schule ein Referat. Das ist ja heute schon für die Jüngsten normal. Das Thema: Hunde. Denn das sind seine Lieblingstiere. Aber auf einmal stockt er. Ist weg. Innerlich. Kein Wort kommt aus seinem Mund. Und nach wenigen Augenblicken macht er weiter, als wäre nichts gewesen, an der gleichen Stelle wie vorher. Von diesem Aussetzer hat er selbst nichts mitbekommen. Nur über die Reaktionen seiner Lehrerin und der MitschülerInnen ist er irritiert und traurig. Vor allem darüber, dass er nicht mehr als Torwart beim Fußball mitmachen darf. Ja, wer will schon einen Keeper, der gar nicht mitbekommt, dass ein Ball auf sein Tor fliegt?

Solche Aussetzer häufen sich. Die Lehrerin ruft die Mutter an. Und schon sitzen sie beim Kinderarzt. Die Diagnose: Epilepsie, genauer Absence-Epilepsie. Die tritt meist im Alter zwischen fünf und acht Jahren zutage, Mädchen sind etwas häufiger betroffen als Jungen. Bei einem Drittel hören die Absencen – Abwesenheiten – innerhalb weniger Jahre auf, bei einem Drittel reichen sie bis ins Jugendalter und ein Drittel leidet noch als Erwachsene darunter. Die gute Nachricht: Die Betroffenen lassen sich meist gut medikamentös einstellen, sodass sie nicht mehr oder nur minimal unter den Anfällen leiden. Auch Schule oder Ausbildung müssen deshalb nicht abgebrochen werden.

Nach ein paar Wochen hält Leon sein Referat. Erst erzählt er über seine Krankheit. Kurz und verständlich. Und ohne jedes Stocken. Dann über Hunde. Denn jetzt hat er selbst einen zu Hause. Übrigens – Fußballspielen ist überhaupt kein Problem mehr. Schließlich ist Leon ein guter Torwart. Unüberwindlich wie Manuel Neuer. Naja, fast…

Kindern ermöglichen, ihr Erleben zu zeigen

Der Fachteil des Buches wendet sich an die Betreuungspersonen und Eltern. Hier werden die verschiedenen Formen der Epilepsie kurz vorgestellt, die Diagnoseformen, sowie – für ErzieherInnen besonders wichtig – die Erste-Hilfe-Maßnahmen. Die sollen vor allem durch den Anfall bedingte Verletzungen vermeiden oder verringern.

Seit über zehn Jahren bringt der Mabuse-Verlag Kinderfachbücher heraus, die sich mit Krankheiten und psychischen Krisen im Erleben von Kindern beschäftigen. Da geht es z.B. um Angststörungen, das Leben im Altenheim, Schlaganfall, den Tod eines Elternteils. Harte Themen, die Kinder betreffen – sei es direkt oder über Freunde in Schule oder Kita. Die Bücher helfen Eltern und ErzieherInnen, mit dem Kind über solche schwierigen Themen ins Gespräch zu kommen und gemeinsam einen Umgang damit zu finden. Denn Kinder brauchen eine Möglichkeit, ihr Erleben mitzuteilen. Oft gelingt das zunächst nicht verbal. Dann sind Feinfühligkeit und Behutsamkeit der Erwachsenen gefragt. Hierbei helfen die Kinderfachbücher. Und zwar richtig gut!

Ralf Ruhl

Bibliographie:

Christine Jüngling
Träumst Du, Leon?
Ein Kinderfachbuch über Epilepsie
Mabuse 2020
www.mabuse-verlag.de
ISBN 9783863214548
59 Seiten, ab 6 Jahre
16,95 Euro




Wohin mit der Wut?

Sibylle Rieckhoff: Kommissar Maus löst jeden Fall: Alarmstufe Wut

Chaos im Kinderzimmer! Alle Bausteine liegen verstreut, die Puzzleteile auch, Emma schreit wie am Spieß und Paul hat sich unter dem Bett verkrochen. Klassische Polizeirecherche führt Kommissar Maus zu folgendem zu konstatierendem Sachverhalt: Emma ist wütend. Ist einfach ausgerastet. Aber schon ziemlich lange. Auf der schnell hervorgezauberten Wutmessanzeige steht der Zeiger auf mega-wütend. Also voll rot, roter geht’s gar nicht.

Was steckt dahinter? Hier forscht der Kommissar nicht etwa in der Familiengeschichte oder bei Erlebnissen des Tages, die Emmas Emotion erklären könnten. Nein, die Zwerge sind an der Arbeit. Der Glückszwerg ist sauer geworden, der Wutzwerg hat sich eingeklinkt und das Kommando übernommen. Eine wunderbar einfache Erklärung, die dem Kind hilft. Denn es nimmt die Schuld. Wen die Zwerge am Rumoren sind, ist das Kind an sich nicht böse oder schlecht. Eine sehr wichtige Botschaft!

Aber alles kaputt hauen geht natürlich nicht! Also müssen Regeln her. Die Ampel (gelb gibt es allerdings nicht) zeigt, was erlaubt ist und was nicht. Woraufhin Emma und Paul voll erlaubt ihre Emotionen an Sofakissen rauslassen. Kissenschlacht! Danach sind sie wieder gut drauf, vertragen sich und spielen miteinander.

Hmm. Ganz so einfach ist es meist nicht mit der Wut, dem Rauslassen derselben, dem Vertragen und der Ursachenforschung. Was implizit deutlich wird: Wer sich daneben benimmt, wer uns ärgert, nervt und stört, braucht Zuwendung. Und die gibt Emma Kommissar Maus. Und er zeigt eine sehr erwachsene Seite: Er übernimmt das Kommando, sagt, was geht und was nicht. Das ist es, was der Elternjob ist: Leitwolf sein, so hat es der dänische Erziehungsexperte Jesper Juul genannt. Mit Zuwendung Orientierung geben. Dann hat die Wut einen Rahmen, in dem sie sein darf und alle anderen sind geschützt. Aufgeräumt werden muss hinterher natürlich trotzdem…

Dieses Buch hilft in Kita und Familie, gemeinsam Regeln für den Umgang mit „negativen“ Emotionen zu finden. Wobei die „Wutpolizei“ nicht zum Denunzieren auffordern und die Regeln in den Mittelpunkt stellen sollte. Denn die Zuwendung ist mindestens genauso wichtig.

Ralf Ruhl

Bibliographie

Sibylle Rieckhoff
Kommissar Maus löst jeden Fall: Alarmstufe Wut!
Ab 3 Jahren
Hardcover, 32 Seiten
ISBN 978-3-86914-316-3
Euro 12,95

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Eine Vision von Liebe und Vertrauen

Oliver Jeffers: Was wir bauen. Pläne für unsere Zukunft

Was braucht man zum Bauen? Klare Sache: Hammer, Säge, Nägel. Und einen Papa! Der weiß, wie man den Werkzeugkasten öffnet und schief eingeschlagene Nägel wieder aus dem Holz bekommt. So weit, so bekannt und echt nix Neues. Denn Väter und Werkzeug, das war schon vor 40 Jahren im Kindergarten der Renner.

Aber dieser Papa zeigt nicht nur, wie das mit Schraubenzieher und Pinsel funktioniert. Er hat eine Vision. Und die teilt er mit seiner Tochter. Da sprudelt die Fantasie nur so aus ihnen heraus. Sie reimen sich sozusagen gegenseitig an. Schaffen kleine Gedichte und damit Bilder. Eben ihre Vision der Welt. Die bauen sie gemeinsam. Die Welt, die Zukunft.

Und beileibe nicht nur rosarot. Da gibt es auch das Böse. Das gehört dazu, denn auch die bösen Menschen gehören dazu. Wie Hexe, Wikinger und Pirat. Und sie werden hineingelassen. Dann sitzen alle an einem Tisch. Sagen „Entschuldigung“ und bauen gemeinsam weiter an der Welt. Mit der Vision von Liebe und einem Papa, der sein Kind in den Schlaf singt und mit ihm Vertrauen in die Welt baut.

Der Text ist altersgerecht illustriert, die Bilder schaffen ein Gefühl von Weite wie von Nähe, von Zugehörigkeit und Wärme. Und die erleben Papas mit ihren Kindern jeden Tag. Beim Bauen und beim Vorlesen.

Ralf Ruhl

Oliver Jeffers
Was wir bauen. Pläne für unsere Zukunft
Übersetzt von Anna Schaub
Durchgehend farbig illustriert
Hardcover, 24 x 28 cm, 48 Seiten
ab 4 Jahren
ISBN: 978-3-314-10563-0
D 16,00 € / A 16,50 € / CHF 20.90 CHF




Ein Buch über das Liebhaben und Füreinander-da-sein

Margarita del Mazo: Kleiner Bär, großer Bär und ich:

Bärenstark, dieses Bilderbuch! Wegen der Geschichte. Und natürlich wegen der Bären. Von denen gibt es zwei. Einen kleinen, kuscheligen, der immer getragen wird oder hinterhergezogen. Manchmal auch durch den Schnee oder den Matsch. Der ist richtig niedlich, hat süße Knopfaugen und sagt nicht viel. Eigentlich gar nix. Weil er ein Kuschelteddy ist. Aber: total wichtig!

Vor allem, um Freunde zu finden. Da sitzt er mit seinem Frauchen, dem kleinen Mädchen mit der roten Jacke und der grünen Bommelmütze, im Schnee. Zwei Vögel auf seinem Kopf. Und der Fuchs kommt und leckt ihm übers Gesicht. Das sind die Freunde. Wichtig natürlich auch zum Kuscheln. Wenn es kalt ist. Oder müde. Oder so.

Der große Bär ist richtig groß. Mindestens doppelt so groß wie das Mädchen. Klar, weiß man von Anfang an, das ist sein Papa. Schwarze Mütze, rote Handschuhe, blaue Stiefel. Der guckt mit dem Mädchen die Fische an. Die gucken aus dem Eisloch und spucken. Dabei passt der große Bär auf, dass nichts passiert. Also zum Beispiel reinfallen oder so. Und beim Schlittensausen (fahren wäre ja viel zu langweilig) passt er auch auf. Natürlich hat er auch seinen Spaß. Aber das Wichtigste: Er ist immer da und gibt genau die Sicherheit, die Kindergartenkinder von ihren Vätern brauchen! Ach ja: Kuscheln kann man auch mit ihm. Jedenfalls am Ende eines Tages und eines Bilderbuchs.

Eine Bärenmama wird nicht erwähnt. Das ist gut so. Denn es gibt auch ein Kinderleben ohne Mama! Nur mit Papa! Und es hilft, nicht gleich „Geschlechterklischee“ zu rufen, wenn der Papa stark und groß ist. Denn das passiert sofort, wenn die Bärenmama warmen Kakao serviert, sobald alle nach Hause kommen. Diese Klippe umschifft dieses richtig nette Bilderbuch bravourös. Oder besser: bärenstark!

Ralf Ruhl

Bibliographie:

Margarita del Mazo
Kleiner Bär, großer Bär und ich
annette betz 2019
36 Seiten, ab 4 Jahren
ISBN: 978-3-219-11812-4
14,95 Euro




So geht das mit den Geschwisterchen

Ein-Baby-wird-geboren

Pauline Oud: Ein Baby wird geboren

In Mamas Bauch wächst ein Baby und Hanna wird bald große Schwester. Wie kommt das Baby da hinein? Und was macht es da drin? Alle wichtigen Fragen um Schwangerschaft und Geburt beantwortet dieses Bilderbuch alltagsnah und mit einem sanften Lächeln.

Es gibt Torte! Hanna freut sich natürlich. Aber was ist der Grund zum Feiern? Papa – das ist der mit dem merkwürdigen Bart – und Mama – das ist die mit dem seligen Lächeln – erzählen es ihr: Sie bekommt ein Geschwisterchen. Natürlich hat Hanna viele Fragen. Vor allem: Wie kommt das Baby da hinein?

Papa ist ganz stolz: „Dafür habe ich gesorgt“, sagt er. Und Mama relativiert sofort: „Dabei habe ich auch mitgeholfen.“ Es folgt, sehr kindgerecht mit knappen Worten beschrieben und mit angenehm klaren Bildern illustriert, die Geschichte mit den Eiern und den Samen. Selbstverständlich muss Hanna das sofort in der Kita erzählen und es ergeben sich sofort noch mehr Fragen: Wie hat der Papa das gemacht? Also den Samen in die Mama hineingekriegt? Mit einer Operation? Der Arztkoffer wird herbeigeholt und ein lustiges Doktorspiel entspinnt sich.

Mit sehr viel Witz erklärt Pauline Oud in diesem sehr freundlichen Bilderbuch, wie sich das Baby im Bauch entwickelt, ob Männer auch Kinder kriegen können, ob Oma und Opa auch schwanger sind (wegen Opas dickem Bauch) und wie zwei Männer oder zwei Frauen ein Baby bekommen können. Alles wird anhand typischer Kinderfragen beantwortet, in kurzen Abschnitten, ohne eher an Eltern gerichtete Vorträge. Auf der letzten Doppelseite ist noch einmal der gesamte Schwangerschaftsablauf in Bildern dargestellt.

Ein klasse Buch für die jüngeren Kita-Kinder, das sich wunderbar zum Einstieg in Gespräche zu allen Themen rund um Körper und Gefühle eignet. Nur dem Papa hätte ich eine etwas größere Rolle gewünscht. Also außer der Geschichte mit dem Samen und dem Wickeln nach der Geburt. Denn da beteiligen sich Männer heutzutage deutlich stärker, auch während der Schwangerschaft. Dennoch: ein absolut gelungenes Bilderbuch!

Ralf Ruhl

Bibliographie

Pauline Oud
Ein Baby wird geboren
Hardcover, 40 Seiten
ab 3 Jahre
Coppenrath 2021
ISBN 978-3-649-63720-2
15,00 Euro