Von fallenden Blättern und der Suche nach den Lebensgeistern

listopad

Listopad von Friederike Steil

Listopad ist in verschiedenen slawischen Sprachen das Wort für November und bedeutet „fallende Blätter“. In Friedrike Steils Bilderbuch ist es der Name für einen Bären, den dieser vom Zoogärtner Willi erhält. Der Bär liegt meist traurig und betrübt in seinem Gehege. Deshalb befreit ihn Willi und zieht mit ihm in Wälder.

Steils Buch ist ganz „Listopad“. Deutlichster Ausdruck dafür sind ihre Ätzradierungen, die sie mit Acrylfarben koloriert. Die Bilder sind reich an Details und feinen Strukturen. Schon der Haupttitel begrüßt seine Leser mit einem Herbstblatt in gedeckten Farben. Selbstverständlich beginnt auch die Geschichte im Herbst und wird auch von Herbstfarben getragen. Für alle, die sich davon überzeugen möchten, zeigt Steil ihre Illustrationen auf ihrer Website. Echte Kunstwerke sind hier zu sehen.

Letztlich illustriert sie mit ihren Bildern den melancholisch-ruhigen Ton ihrer Geschichte. Richtig, der Bär ist traurig. Seine Stimmung bessert sich auch nicht viel, während er mit Gärtner Willi in die Freiheit wandert. Erst am Ende hellt sie sich auf und offenbart ein Stück Hoffnung.

Steil erzählt eine phantastische Geschichte von Freiheit, Hoffnung und Gemeinschaft, in der sich Text und Bild ideal ergänzen. Behutsam tröstet sie und führt sacht und beschaulich auf eine Reise in die Freiheit.

Gernot Körner

Die Autorin/Illustratorin

Friederike Steil hat durch ihr Studium an der Folkwang Universität in Essen, an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg und am Maryland Institute College of Art in Baltimore, verschiede Wege des Erzählens erkundet. Listopad ist ihr erstes Bilderbuch.

Listopad
Autorin/Illustratorin: Steil, Friederike
24 x 29,7 cm, 44 Seiten
durchgehend farbig illustriert, cellophanierter Pappband
EUR 18,00 / 18,50 (A)
ISBN : 978-3-03934-043-9

www.minedition.com




Wer Superfreunde hat, braucht keine Superkräfte

superkrabbler

Werner Holzwarth (Text), Dorota Wünsch (Illustrationen), Die Superkrabbler

Ein Superheld mit Superkräften sein, das wünschen sich viele. Kleine Käfer offenbar auch. Als Rüsselchen, Nasi und Klein-Hubert mitten im Wald Sammelkarten. Sie zeigen einen Elefanten, ein Nashorn und einen Hirsch. So, meinen sie, könnten sie aussehen, wenn sie eines Tages groß sind: riesig und stark. Schon beginnt ihr phantasievolles Rollenspiel…

Diese hat Dorota Wünsch in fröhlichen, bunten Farben illustriert. Die drei Superkrabbler sind witzig und knuffig. Die Bilder sind detailreich, fröhlich und kräftigen Farben gehalten. Hie und da gibt es zusätzliche Details zu entdecken.

Vor dieser fröhlichen Kulisse erzählt Werner Holzwarth von den drei Superkrabblern. Dabei greift er die Sehnsucht vieler Kinder auf: stark und unverwundbar sein, nicht ausgeliefert, sondern sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Ein kleiner Anlass reicht. Diesmal sind es drei vergessene Sammelkarten, die das phantasievolle Rollenspiel der drei kleinen Krabbler in Gang setzen. Nichts, kann sich ihnen mehr in den Weg stellen. Diese Allmachtsphantasien enden in der Realität, als es darum geht, einem anderen zu helfen. Das geht auch ganz ohne Superkräfte, wenn man zusammenhält.

Kinder können das gut verstehen. Für sie ist Holzwarths Geschichte eine neue Fabel, die auf einer alten Weisheit aufbaut. Denn schließlich sind Superkräfte überflüssig, wenn man gute Freunde hat, die für einen einstehen.

Gernot Körner

Werner Holzwarth, geb. 1947, war Professor der Visuellen Kommunikation an der Bauhaus-Universität in Weimar. 1989 erschien sein Kinderbuch „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“, mit dem er weltweit Erfolge feiert. Für Gerstenberg erfand er bereits das Erdmännchen, das dachte: Ich wär so gern … www.wernerholzwarth.blogspot.de

Dorota Wünsch, geboren 1962 in Lodz/Polen, studierte von 1981 bis 1983 an der Kunstakademie ihrer Geburtsstadt. 1984 kam sie über ein Gaststipendium nach Deutschland. Bis 1992 studierte sie an der Universität Mainz Kunst. Seit 2003 arbeitet sie als freie Illustratorin. Dorota Wünsch lebt mit ihrer Familie in Saarbrücken.

Werner Holzwarth, Dorota Wünsch
Die Superkrabbler

265,0 mm x 250,0 mm x 10,0 mm
durchgehend farbig, ab 4 Jahren
32 Seiten, Hardcover
ISBN 978-3-8369-6202-5
16,00 € *

www.gerstenberg-verlag.de




Vom Wert jedes Wesens und seiner eigenen Trauer

tiere trauern

Hanna Müller und Carla Swiderski: Wie Tiere trauern

Die beiden wichtigsten Ereignisse im Leben eines Menschen sind seine Geburt und sein Tod. Das ist schlicht und einfach wahr. Schon früh im Leben begegnen Kinder dem Tod; meist in Form eines toten Tieres. Handelt es sich dabei um ein fremdes Tier, überwiegen meist die sachlichen Fragen. Handelt es sich etwa um ein geliebtes Haustier, steht die Trauer um den Verlust im Vordergrund.

Aber können auch Tiere trauern? Die Frage beantworten Hanna Müller und Carla Swiderski in ihrem Bilderbuch „Wie Tiere trauern“ mit einem klaren Ja. Dabei widmen sie sich den Wirbeltieren und beschreiben deren Trauer anhand von zahlreichen Beispielen. Elefanten ziehen sich zum Sterben zurück, Angehörige halten Wache. Schimpansen tragen ihre Artgenossen zur letzten Ruhe und besuchen die Orte des Sterbens nach einer Art Totenwache eine Weile nicht. Katzen zeigen weniger Interesse am Spiel und am Futter, wenn sie ein Tier oder einen Menschen verlieren, zu dem sie eine enge Bindung aufgebaut hatten. Viele Tierarten drücken Trauer auf ganz eigene Weise aus.

Es sind zahlreiche beeindruckende Beispiele, die beide Autorinnen beschreiben. Die schlichte, sachliche Art, mir der ihnen das gelingt, nimmt den Schrecken und verhilft zu einem einfühlsamen, sanften und faszinieren Einblick in das Thema. Mit der Beschreibung vom Tod und dem Gefühl der Trauer bei Tieren gewinnt auch ihr Wesen eine besondere Bedeutung in der Rezeption des Betrachters. Verbunden mit den ruhigen, gedeckten Farbstiftzeichnungen von Miren Asiain Lora entsteht so eine ruhige, gelassene, fast freundliche Atmosphäre wie ein geschützter Raum.

Dieser ist wie geschaffen dafür, sich gemeinsam mit Kindern den Fragen nach Tod und Trauer und dem Wesen der Tiere zu stellen. Selbstverständlich gehört der Tod zum Leben und jedes Leben ist wertvoll, lauten zwei Antworten. Ebenso, dass wir alle gemeinsam Teil des Lebens aber auch des Todes auf diesem Planeten sind. Und es kommt einer doppelten Unterstreichung dieses Satzes gleich, wenn am Ende auch das „zivilisierte Tier“, der Mensch mit seiner Trauer seinen Platz in diesem Buch findet.

So haben Hanna Müller und Carla Swiderski gemeinsam mit der Illustratorin Miren Asiain Lora nicht nur ein Bilderbuch und Sachbuch geschaffen, sondern auch ein philosophisches Werk, das den Wert jeder Existenz herausstellt und zahlreiche Fragen nach dem Sein provoziert. Denn jedes Leben verdient unsere Wertschätzung.

Gernot Körner

Hanna Müller, Carla Swiderski
mit Illustrationen von Miren Asiain Lora
Wie Tiere trauern
emfpohlen ab 6 Jahren
48 Seiten, gebunden, durchgehend farbig illustriert
ISBN: 978-3-8337-4534-8
16,00 €




Wenn ein Kind gestorben ist…

Ein Interview mit den Psychologen Andreas und Wolfram Schulze zum wohl schwersten Unglück in einer Familie

Den Tod des eigenen Kindes zu betrauern und letztlich auch zu verkraften, gehört zum Schwersten, was einer Familie begegnen kann. Und auch wenn die Kindersterblichkeit in den vergangenen hundert Jahren immens zurückgegangen ist, sind hierzulande laut Statistischem Bundesamt über 8000 Eltern vom Tod des eigenen Kindes betroffen. Hinzu kommen die knapp 6.500 Eltern der sogenannten „Sternenkinder“, deren Verlust heutzutage endlich ernst genommen wird. Schließlich ist mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Eltern mit dem Kind bereits im Mutterleib eine Beziehung aufbauen und mit ihm kommunizieren.

Lernen, mit dem Verlust zurechtzukommen

Mit solch einem Verlust zurechtzukommen, ist unglaublich schwer. Etwas leichter fällt es, wenn die Betroffenen Unterstützung von anderen Menschen erhalten. Doch auch diese sind in solchen Situationen oftmals überfordert. Viele neigen dazu, sich aus Unsicherheit zurückzuziehen statt zu helfen. Aber der Tod gehört zum Leben. Wir können ihn nicht von uns wegschieben, auch wenn wir uns das wünschen. Deshalb haben wir mit den beiden Psychologen Priv.-Doz. Dr. Dr. Andreas Schulze und Prof. Dr. Dr. Wolfram Schulze über das Thema gesprochen. Beide sind seit langem in Wissenschaft und Praxis tätig. Sie sind Onkel und Neffe und haben gemeinsam einen Ratgeber mit dem Titel „Wenn ein Kind gestorben ist oder Die Farben der Trauer“ für Betroffene und deren Begleiterinnen und Begleiter verfasst. Das Interview können Sie hier im Podcast hören:

Priv.-Doz. Dr. Dr. Andreas Schulze (links) und Prof. Dr. Dr. Wolfram Schulze

In den vergangenen 30 Jahren habe das Thema „Tod eines Kindes“ in unserer Gesellschaft an Bedeutung gewonnen, erklärt Wolfram Schulze. Das sei unter anderem daran zu erkennen, dass mittlerweile auch Friedhöfe für Sternenkinder eingerichtet würden, der Schmerz der Eltern in der Öffentlichkeit Anerkennung finde oder dass es seit 2013 die Möglichkeit gebe, bei einer „Fehlgeburt“ das Kind im Standesamt als Person registrieren zu lassen.

Die Gesellschaft wandelt sich

Ausschlaggebend sei ein gewandeltes gesellschaftliches Verständnis, das dank der gelungenen Selbsthilfe der Betroffenen entstanden sei. Aktuell werden hierzulande etwa 420 Kinder jährlich tot geboren. Die Säuglingssterblichkeit lag Anfang des 20. Jahrhunderts noch bei einem Drittel. Heute sind es noch 0,6 Prozent. Aber auch wenn die Zahlen hier stark rückläufig sind, so sind es jedes Jahr immer noch zu viele Eltern, die vom Tod des eigenen Kindes betroffen sind.

Was wirklich helfen kann

Und diese benötigen vor allem in der akuten Situation dringend Hilfe. Laut Andreas Schulze reagieren die Betroffenen sehr unterschiedlich. „Ich war trotz relativ langer Berufserfahrung überrascht, wie hoch diese Bandbreite im praktischen Bereich ist. Im Regelfall ist das für die Eltern zunächst ein Schock, mit der ganz normalen Schockreaktion, die entsprechende Konfusion, Verzweiflung, Ungläubigkeit, Lähmung auslöst.“, berichtet er. Er empfiehlt allen nahestehenden Personen unterstützend da zu sein und sich den Eltern zuzuwenden. „Diese Zuwendung kann auf zwei Ebenen passieren. Zunächst auf der emotionalen Ebene, dass man einfach da ist.“ Dabei gehe es nicht darum, irgendwelche Dinge zu erzählen. Das sei ganz furchtbar. Sondern es gehe darum zu zeigen, dass man da sei, wann immer der andere das brauche.

„Das ist für die erste Zeit etwas ganz enorm Wichtiges. Hier kommt es nicht darauf an, schlau zu reden, sondern da zu sein.“ Das zweite, was man tun könne, seien die ganz praktischen Dinge; also etwa dafür zu sorgen, dass derjenige oder diejenigen, die betroffen sind, etwas zu essen haben. Ganz furchtbar sei es, wenn Leute, die glaubten, alles zu wissen, Verhaltensanweisungen gäben. „Das ist das Schlimmste, was Menschen in dieser Situation passieren kann. Zuhören ist wichtiger als jemanden zuzutexten.“

Aber Vorsicht! Menschen, die das Leid anderer erfahren, müssten selbst möglichst stabil sein und über eine doch erhebliche Leidensfähigkeit verfügen.

Die Frage nach der Schuld

Tatsächlich spielt beim Tod eines Kindes oftmals die Frage nach der Schuld eine große Rolle. Obwohl komplex, bemüht sich Wolfram Schulze hier um eine allgemeinverständliche Erklärung. Schuldzuweisungen wären Erklärungsversuche für ein Ereignis, das sich vielleicht gar nicht erklären lasse. Dabei habe ein Kontrollverlust stattgefunden. Mit der Schuldzuweisung werde eine Scheinerklärung gefunden und auch die Kontrolle kehre scheinbar zurück. Der „Schuldige“ sei nun verantwortlich und damit auch dafür, eine Lösung zu finden. Praktisch sei dann aber gar keine Lösungsfindung mehr möglich, weil die Verantwortung für die Klärung der Situation nun größtenteils abgegeben worden sei. Der Betroffene drehe sich nur ständig im Kreis. Um hier einen Weg zu finden, sei vor allem professionelle Hilfe gefragt.


Andreas Schulze und Wolfram Schulze
mit Illustrationen von Melanie Garanin
Wenn ein Kind gestorben ist oder Die Farben der Trauer
Hardover/vierfarbig/144 Seiten
ISBN: 978-3-96304-034-4
22 Euro

Mehr zum Buch


„Wir Menschen haben das Bedürfnis, Erklärungen zu finden. Beim Tod von Kindern gibt es oft keine Erklärung. Wir müssen mit den Fakten leben, ohne eine hinreichende Erklärung zu haben. In solchen Fällen nutzt eine Schuldiskussion überhaupt nichts.“, fügt Andreas Schulze an. „Sie verhindert, eine Lösung zu finden. Man kann sich das vielleicht wie ein Puzzle vorstellen. Wer trauert, hat eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen, um mit seiner Trauer besser leben zu können, um wieder zurück in ein erfülltes Leben finden zu können. Wenn ich mich aber an einem Teil dieses Puzzles, der Schuld, festklammere, dann werde ich die anderen Teile nicht bewegen können, und das Bild eines neuen, anderen Lebens ohne den Verstorbenen wird sich nicht darstellen lassen. Deshalb ist im Regelfall die Diskussion über die Schuld eine Sackgasse.“

Warum ein Buch?

Während viele Paare in einer solchen Situation enger zusammenrücken, um das Leid gemeinsam zu ertragen, erleben Wolfram und Andreas Schulze eben auch Paare, die sich über die Schuldfrage gegenseitig zerfleischen, weil die Frage nach der Schuld jeden weiteren Weg versperrt. Auch um diesen wieder zu öffnen haben die beiden nun einen Ratgeber für Betroffene und nahestehende Personen verfasst.

Im Laufe seiner Tätigkeit, sagt Andreas Schulze, habe er erfahren, dass das allgemeine Wissen über das Thema eher klein sei. Aber in der Arbeit mit den betroffenen Eltern tauchten immer wieder sehr ähnliche Fragen auf, die nirgendwo nachzulesen waren und eine vernünftige Antwort gäben. Deshalb wollten sie mit dem Buch auf Basis des aktuellen Standards, den Betroffenen Wissen vermitteln, von dem sie profitieren können – und zwar beiden Zielgruppen: den betroffenen Eltern, Großeltern und Freunden und auf der anderen Seite, die mit dem Tod beschäftigen, wie Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Hebammen, Krankenschwestern und allen anderen.

„Eben, weil es so ein schwieriges Thema ist, fehlt auch häufig die Sprache.“, ergänzt Wolfram Schulze. „Deshalb war es uns auch ein Anliegen, mit dem Buch, Paaren, betroffenen Eltern und Angehörigen ein bisschen zu helfen, auch eine Sprache und womöglich auch eine Orientierung zu finden.“

Das Thema „Suizid“

Dass das Thema „Suizid“ im Buch eine Rolle spielt, hat auch mit der Berufserfahrung der beiden Wissenschaftler zu tun. Beim Suizid kommen laut Wolfram Schulze einige Besonderheiten hinzu: Neben der hier noch komplizierteren Frage nach der Schuld, verkomplizieren sich Trauer und Bewältigung. Für die Eltern ist das ein Schicksalsschlag, der sich aber vor allem dadurch von anderen Todesfällen unterscheidet, weil er von der Hand des Kindes selbst geschah. Dabei ist es beiden Autoren, die selbst im Bereich der Suizidprophylaxe tätig sind, zu zeigen, dass sich auch über dieses Thema sprechen lässt. Beim Thema Suizid geht es laut Andreas Schulze ja nicht um die reißerische Aufmachung.

Seit sich nach Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ im Umfeld viele junge Menschen das Leben genommen hatten, geht man sensibler mit dem Thema um. Wenn man darüber rede, wenn jemand in Not ist, ist es immer besser, nach einer Lösung zu suchen, als sich zu suizidieren, erklärt er und zitiert einen Kollegen mit den Worten: „Suizid ist die endgültige Lösung für ein vorübergehendes Problem“. Diesen Aspekt deutlich zu machen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, sei ihr gemeinsames Ziel.

Und doch noch ein versöhnliches Ende

Für ein versöhnliches Ende zitiert Andreas Schulze eine Stelle aus dem Alten Testament: Im Buch der Prediger, Kapitel drei, eins folgende stehe: „Alles hat seine Zeit, und jedes Ding hat seine Stunde. Was danach folgt, ist eine ganz lange Aufzählung von Gegensatzpaaren. Wir wollen natürlich immer die bessere Rate von den genannten Dingen, aber so ist das Leben nicht. Das Leben hat immer beide Facetten, nämlich zum Leben gehören Fröhlichkeit und Trauer, Verzweiflung und Hoffnung.

Und wenn wir mit der nötigen Bescheidenheit und mit Zuversicht unser eigenes Leben gestalten, wenn wir mit anderen Menschen sorgsam umgehen und uns verantwortlich verhalten, dann haben wir alle Chancen, auch wenn uns solche Krisen selbst betreffen oder im nahen Umfeld betreffen, dass wir solche Situationen mit anderen gemeinsam meistern können und aus dieser schwierigen Situationen eher gestärkt hervorgehen können, dort Hoffnung zu machen, dass es, auch wenn es so scheint, dass es nicht weitergeht, andere Wege sichtbar gemacht werden können, die auch zum Ziel führen können, ein zufriedenes Leben führen zu können. Diese Hoffnung haben wir versucht in diesem Kontext zu formulieren.“

„Und vielleicht kann man noch ergänzen“, sagt Wolfram Schulze, „Inzwischen gibt es tatsächlich auch als positive Entwicklung wirklich ein breites Hilfsangebot für Eltern von Sternenkindern über Trauer, Beratung und Begleitung: Das ist sicherlich auch eine positive Entwicklung, die hier auch die Hoffnung wieder stärker wachsen lassen kann.“




Zeit und Aufmerksamkeit für Papas Tochter

papa

Nari Hong: Sei nicht Traurig, Papa

Irgendwann entdeckt jedes Kind, dass Papa nicht Superman ist. Das wollen die meisten Väter auch gar nicht verkörpern. Aber zumindest ein guter Papa will eigentlich jeder sein.

Der Papa in Nari Hongs Geschichte hat es besonders schwer. Er kann von Geburt an nicht laufen. Deshalb kann er mit seiner Tochter auch nicht Radfahren, Schlittschuh laufen, im Meer schwimmen, durch Pfützen springen oder Fußball spielen. Das macht ihm manchmal große Sorgen; seiner Tochter dagegen überhaupt nicht. Denn ihr Papa kann viele richtig tolle Dinge und am schönsten findet sie es, mit ihm jeden Tag zusammen zu sein.

Die aus Korea stammende Künstlerin Nari Hong baut in ihrem Bilderbuch auf eigene Erfahrungen mit ihrem Vater auf, der im Rollstuhl saß. Dabei kann sie gleich zwei Dinge besonders gut: zeichnen und schreiben. Ihre Farbstiftzeichnungen sind liebevoll, freundlich und schlicht, indem sie sich auf das Wesentliche beschränken. Manche Zeichnungen taucht sie allerdings auch in ein fröhliches Farbenmeer. Auch ihr Text ist klar und leicht verständlich, dabei aber auch tiefgründig.

Der Leipziger Kinderbuchverlag, bei dem das Buch vor einigen Jahren erschienen ist, schreibt darüber: „Ein Buch über die Kraft der kindlichen Selbstverständlichkeit.“ Das stimmt! Schließlich interessiert sich die Tochter eigentlich nur für das, was ihr Papa wirklich kann. Und dieser erweist sich als ganz moderner Vater. Schließlich ist er achtsam, liebevoll und aufmerksam. Und er hat ein ganz großes Geschenk für sie: ZEIT!

Was für eine glückliche Beziehung, um die so mancher Vater und auch manche Mutter die beiden beneiden mag. Denn abgesehen von seiner starken körperlichen Einschränkung ist Papa ein genialer Vater.

So ist Hong eine sehr vielseitige Geschichte gelungen, die verschiedene Themen anreißt und zur Reflektion animiert: Während vordergründig das Handicap des Vaters ins Auge fällt, erscheinen beim Lesen die Fragen nach Beziehung und einer guten Vater- bzw. Elternschaft. Ein schönes Buch, besonders für Tochter, Vater und ruhige Stunden.

Gernot Körner

Nari Hong: Sei nicht Traurig, Papa

20 x 26 cm
36 Seiten, Hardcover
Alter ab: 4 Jahre
ISBN: 978-3-89603-481-6
LeiV (Verlag)
12,90 Euro




Ein Schmuckstück vollgepackt mit spannenden Themen

Jana Bauer/Peter Škerl: Wer umarmt den kleinen Igel

Eine Umarmung kann so vieles bedeuten: Schutz, Freundschaft, Freude, Trost, Zuneigung oder sogar Liebe. Dabei ist diese Geste nicht nur auf Menschen beschränkt. Auch andere Primaten umarmen sich gerne. Das lässt darauf schließen, dass das Bedürfnis, den anderen zu umarmen oder umarmt zu werden, tief in uns angelegt ist.

Der kleine Igel in Jana Bauers Geschichte möchte ebenfalls ganz dringend jemand anderen umarmen. Schwierig ist das nur, weil er so stachelig ist. Und auf seinem langen Weg lernt er, dass Umarmung nicht gleich Umarmung ist.

Es steckt noch viel mehr in dieser kleinen Geschichte. Einsamkeit, Ausreden, Ehrlichkeit, Freundschaft, Ruhm… einen ganzen Blumenstrauß an Themen hat Bauer in ihre Geschichte gepackt, über die sich lange nachdenken und sprechen lässt. Etwas skurril wirkt die Figur von Pelle Fuchs, der eigentlich kein echter Fuchs ist, dafür aber ehrlich und ein echter Freund. Neben seiner Ehrlichkeit sind es vor allem seine unermüdlichen Bemühungen, dem kleinen Igel seinen großen Wunsch zu erfüllen, die das eindrücklich belegen. Dabei ist er kreativ und wirklich mutig. Diese eindrückliche Geschichte hat Peter Škerl hell und freundlich illustriert. Dabei ist es ihm gelungen, Haltung und Stimmungen klar auszudrücken. Es ist so wohltuend in Zeiten einer Flut von KI-generierten Bildern noch liebevoll gezeichnete Bilder zu betrachten, in denen sich auch noch die einzelnen Striche entdecken lassen.

So ist Jana Bauer und Peter Škerl ein echtes Schmuckstück unter den Bilderbüchern gelungen, das mit dem Kristina Brenkova Award 2022 zum besten slowenischen Bilderbuch gekürt wurde. Schön, dass es dieses nun auch hierzulande gibt. Denn sicher ist der kleine Igel nicht das einzige zarte Wesen, das gerne in den Arm genommen wird, um dabei vielleicht auch diese schöne Geschichte vorgelesen zu bekommen.

Gernot Körner

Bibliographie

Jana Bauer (Text), Peter Škerl (Illustrationen)
Wer umarmt den kleinen Igel
ins Deutsche übertragen von Alexandra Zaleznik
ab 4 Jahren
Hardcover, 36 Seiten
ISBN: 978-3-8337-4711-3
16 Euro

Mehr zum Buch finden Sie hier




Weil Ordnung und Sauberkeit so wesentlich für das Wohlbefinden aller sind

Reinigen in Sozialen Einrichtungen und Diensten cover

Reinigen in sozialen Einrichtungen und Diensten – Leitlinie für das Reinigungsmanagement

Viele Menschen an einem Ort machen nun mal jede Menge Dreck. Dieser ist der ideale Nährboden für Krankheitserreger und für Keime, die für den Zerfall sorgen. Deshalb kommt gerade in Räumen, die der Betreuung von Kindern dienen, der Hygiene eine besondere Bedeutung zu. Dafür hat der Gesetzgeber genaue Vorschriften erlassen. Doch, wer hat diese denn schon immer im Kopf? Und um das gewünschte Ergebnis zu erreichen, ist ein ordentliches Maß an Planung und Organisation notwendig.

Die Deutsche Gesellschaft für das Hauswirtschaft hat nun eine ausführliche Leitlinie für das Reinigungsmanagement herausgebracht. Dabei beschränkt sich „Reinigen in sozialen Einrichtungen und Diensten“ zwar nicht auf Kindertageseinrichtungen, behandelt diese aber ebenfalls in ausführlicher Form. Im ersten Teil des 260 Seiten starken Werkes im DIN A 4 Format geht es um die Auseinandersetzung mit dem Struktur- und Prozessmanagement der Reinigungsarbeiten sowie den rechtlichen Rahmenbedingungen. Der zweite Teil erläutert Kostenrechnung, Organisation, Personal- und die Ergebnisqualität in allen wichtigen Phasen der Reinigungsdienstleistungen.

Die besondere Bedeutung der Reinigung als existenzrelevante Leistung, die Erwartung an Reinigung und Reinigung im privaten Raum sind die Themen des ersten Kapitels. Hier geht es ins Grundsätzliche. Was ist Schmutz? Die Erklärung: „Schmutz – Materie an der falschen Stelle.“ So sei Sand im Sandkasten unverzichtbar, im Gruppenraum einer Kita oder auf dem Sofa aber Schmutz, der beseitigt werden müsse, lautet die Begründung. Und diese Beseitigung, Reinigung genannt, diene zur Werterhaltung, Verschönerung, Hygiene, Verhütung von Unfällen und Funktionserhaltung. Diese Grundsätzlichkeiten sind die Basis für die späteren, komplizierteren Erläuterungen zu Organisation, Rechtsfragen und sonstigem Management. So entsteht bei der Lektüre Stück für Stück ein ordentliches Maß an Expertenwissen, das für die Organisation der Einrichtung eigentlich unerlässlich ist. Dieses schärft auch den Blick dafür, ob eine Reinigung regelmäßig, fach- und sachgerecht durchgeführt wurde.

Nur wenige werden dieses umfangreiche Werk von der ersten bis zur letzten Seite aufmerksam durchlesen. Schließlich enthält es auch einigen Inhalt, der für Kindertageseinrichtungen nicht relevant ist. Dennoch sollte das Buch in keinem Team fehlen. Schließlich ist es einerseits ein perfekter Leitfaden für die Organisation des Reinigungsmanagements und dient zudem als Nachschlagewerk um Wissenslücken aufzufüllen. Dabei helfen vor allem die Reinigungs- und Hygienepläne, die der Verlag kostenlos unter www.lambertus.de/reinigen zum freien Download zur Verfügung stellt, sowie ein Stichwortverzeichnis mit den zentralen Begriffen.

„Reinigen in sozialen Einrichtungen und Diensten“ ist vor allem deshalb ein wichtiges Buch für Kindertageseinrichtungen, weil ein gereinigter, geordneter Raum eine Voraussetzung für Wohlbefinden ist und die Basis für eine gelungene pädagogische Arbeit.

Gernot Körner

Inge Maier-Ruppert, Margot Dasbach, Cornelia Feist, Martina Feulner, Annegret Reipricht, Martina Schäfer, Angelika Sennlaub

Reinigen in Sozialen Einrichtungen und Diensten
Leitlinie für das Reinigungsmanagement

ISBN: 978-3-7841-3045-3
260 Seiten
Lambertus
34,90 €




Zauberjahre des Lebens

Blake Nuto (Text)/Vyara Boyadjieva (Illustrationen): Ein Tag für uns zwei

Los Kind, raus aus den Federn, Hose anziehen, aber flottikowski, nun mach schon, iss was, Schuhe an und ab in die Kita! So sieht der Morgen für viele Kinder aus. Und viele Kinder quälen sich durch diese Hetze, haben keine Zeit zum Ausprobieren, zum Lernen, auch nicht um zu zeigen, was sie schon können. Entschleunigung ist angesagt!

Papa und Tochter nehmen sich in diesem Buch Zeit. Und geben sie einander. Das geht mit dem Öffnen des Fensters am Morgen los. Dass sie eine gute Beziehung haben ist von der ersten Seite, vom ersten Bild an, sichtbar. Sie freuen sich aufeinander und miteinander. Beim Pfannkuchenbacken zum Frühstück. Natürlich wird die Milch daneben gegossen, die Katze schleckt sie auf, die Pancakes werden geworfen und landen – puuh, geschafft – sogar auf dem Teller. Ja, das sind Klischees. Klischees von dem, was Väter gern mit ihren Kindern machen. Aber ist das schlimm? Nur, wenn es dazu führt, dass Kinder ihre Väter nur so sehen und nichts anderes von ihnen bekommen und erwarten.

Das ist bei diesem Papa nicht so. Der sprudelt nicht, wie viele Kinderbuchväter, von Action und Ideen, die selbstverständlich alle umgesetzt werden müssen. Sondern er macht sich mit seiner Tochter auf den Slow Walk durch den Park. Manchmal darf sie auf seinen Schultern reiten. Sie hören den Baumwurzeln zu und den tanzenden Blättern. „Lass uns verweilen, langsam machen. Zusammen sein. Zusammen lachen. Denn unsre Zeit vergeht im Nu. Ein Wimpernschlag – und groß bist du.“

Quality-Time mit Papa

Sicher, diese Art Reime muss man mögen, sonst kann man mit diesem Buch nichts anfangen. Das gleiche gilt für die deutlich wehmütige Note, die atmosphärisch hineinweht. Mit den Bildern, die auf einer Seite den Papa mit dem Baby an der Brust, beim Balancieren und beim Schwimmen lernen mit der Tochter zeigen. „Die Zauberjahre werden enden. Des Lebens Seite wird sich wenden.“ Das ist mir ein wenig zu dick. Auch, wenn es inhaltlich natürlich richtig ist. Aber es wirkt doch altväterlich. Ein Rückblick auf die schönen Zeiten, die nie wiederkehren… Das Gute: Der Vater in diesem Buch nutzt diese Zeit. Er hat wirklich Quality-Time mit seiner Tochter. Und kann sie genießen. Das ist etwas, was ich allen Vätern wünsche!

Auf der letzten Seite sieht man Papa und Tochter an der Bushaltestelle stehen. Sie fährt in die Schule. Er wahrscheinlich zur Arbeit. Was Mutter eigentlich macht, ob es sie überhaupt gibt, ob sie sich über die Vater-Kind-Zeit freut – all das bleibt unerwähnt. Ebenso, wie Papa so drauf ist, wenn er aus dem Büro abends nach Hause kommt. Aber – das will ich auch gar nicht wissen. Denn das ist der Alltag. Den kenne ich selbst. Und es ist gut zu wissen, dass der einen nicht auffressen muss. Schließlich gibt es die Quality-Time mit dem Kind. Allerdings muss man sie sich auch nehmen!

Ralf Ruhl

Blake Nuto (Text), Vyara Boyadjieva (Ill.)
Ein Tag für uns zwei
Annette Betz 2023
Hardcover, 32 Seiten
ab 3 Jahre
ISBN: 978-3-219-12013-4
16,00 Euro