Warum emotionale Intelligenz für Kinder heute so wichtig ist
geschrieben von Redakteur | Juli 1, 2025
Die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Charmaine Liebertz erklärt im Interview, wie Eltern und Pädagog*innen Kinder emotional stärken können – mit Mitgefühl, Empathie und einem geschulten Herzen
Emotionale Intelligenz zählt zu den Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts. Dabei geht es um Mitgefühl, Empathie und ein tiefes Verständnis für sich selbst und andere. Die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Charmaine Liebertz (Foto) erläutert, warum Herzensbildung nicht nur ein schönes Ideal, sondern eine zentrale Aufgabe für Eltern und pädagogische Fachkräfte ist.
Was bedeutet Herzensbildung im 21. Jahrhundert?
Heute sprechen wir von emotionaler Intelligenz. Beides besagt: Wissen allein genügt nicht. Menschen brauchen auch Herzqualitäten – Eigenschaften, die auf emotionalem Erleben und Menschenkenntnis basieren. Diese Qualitäten zu vermitteln, ist eine der wichtigsten Aufgaben von Eltern und Pädagog*innen in der heutigen Erziehungsarbeit.
Warum ist Herzensbildung so wichtig?
Weil sie grundlegend für die Persönlichkeitsentwicklung und den zwischenmenschlichen Umgang ist. Herzensbildung erlebt in unserer schnelllebigen Welt eine echte Renaissance. Um zukunftsfähig zu sein, brauchen Kinder Teamfähigkeit, Konfliktlösungskompetenz, Frustrationstoleranz und soziale Intelligenz. Pädagog\*innen müssen sich auf ihre ursprüngliche Aufgabe besinnen: eine ganzheitliche Erziehung mit Kopf, Herz und Hand.
Welche Fähigkeiten erwerben Kinder durch Herzensbildung?
Der amerikanische Psychologe Daniel Goleman beschreibt in seiner Theorie der emotionalen Intelligenz zentrale Fähigkeiten: eigene Emotionen erkennen und steuern, Empathie entwickeln und soziale Kompetenzen ausbilden. Diese Fähigkeiten bilden das Fundament für gelingende Beziehungen und ein stabiles Selbstwertgefühl.
Wozu befähigt emotionale Intelligenz Kinder konkret?
Kinder mit hoher emotionaler Intelligenz verfügen über ein starkes Selbstwertgefühl und kreative Problemlösungsstrategien. Sie wissen etwa, wie sie mit innerem Stress oder Gruppendruck umgehen können – ohne auf Gewalt oder Suchtmittel zurückzugreifen. Sie lernen, ihre Gefühle zu reflektieren und sich selbst besser zu verstehen. Eine entscheidende Entwicklungsstufe dabei ist die Ich-Entwicklung: Wenn ein Kind gegen Ende des zweiten Lebensjahres beginnt, zwischen „ich“ und „du“ zu unterscheiden.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Nehmen wir zwei Kleinkinder im Sandkasten, die beide mit demselben Bagger spielen wollen. Sagt eines „meins!“, helfen Eltern oder pädagogische Fachkräfte dabei, einen Tausch oder ein gemeinsames Spiel zu ermöglichen. Solche Situationen fördern die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen – eine essenzielle Voraussetzung für soziale Interaktion und Kommunikation.
Geht es bei Herzensbildung auch darum, sich selbst zurückzunehmen?
Unbedingt. Kinder müssen im Laufe ihres emotionalen Reifungsprozesses lernen, eigene Bedürfnisse auch mal zurückzustellen und die Perspektive anderer zu berücksichtigen. Diese Impulskontrolle ist ein wichtiger Indikator für ein erfolgreiches Leben und hilft beim Aufbau eines stabilen Wertesystems. Denn Werte bedeuten: etwas lassen zu können, um etwas anderes zu tun. Eltern und Fachkräfte sollten nicht jeden Konflikt vermeiden oder jeden Wunsch sofort erfüllen.
Wie sollten Erwachsene mit unangenehmen Gefühlen von Kindern umgehen?
Zuhören und einfühlsam reagieren ist entscheidend – besonders, wenn etwas schiefläuft. Kinder brauchen Raum, um ihre Gefühle auszudrücken, und Rückhalt bei emotionalen Ausbrüchen wie Weinkrämpfen oder Wutanfällen. Hilfreich ist auch, wenn Erwachsene klare Orientierung bieten, z. B.: „Ich möchte dir helfen. Wenn du weißt, was du willst, bin ich in der Küche.“ So lernen Kinder, ihre Emotionen sozialverträglich auszudrücken.
Wie können Eltern und Fachkräfte emotionale Intelligenz gezielt fördern?
Indem sie selbst einfühlsames Verhalten vorleben – gegenüber Menschen, Tieren, Pflanzen und Dingen. Kinder sollten keine „kaputt-und-weg“-Mentalität entwickeln. Wertschätzung beginnt mit Achtsamkeit gegenüber kleinen Dingen. Wichtig ist auch, dass jeder Streit vor dem Schlafengehen oder beim Abschied im Kindergarten beigelegt wird. Etwa so: „Über den Ärger heute Morgen sprechen wir später in Ruhe. Jetzt wünsche ich dir einen schönen Tag. Ich hab dich lieb.“
Ist es wichtig, mit Kindern über Gefühle zu sprechen?
Ja. Erwachsene sollten Kinder nicht nur begleiten, sondern ihnen auch ihre eigene Gefühlswelt zeigen. Wenn ein Kind Angst hat, sollte es darüber sprechen dürfen – im Vertrauen darauf, Unterstützung zu bekommen. Ein liebevolles Gespräch wirkt oft Wunder: „Wovor hast du Angst? Was können wir gemeinsam tun?“ Auch Rollenspiele oder Geschichten über Gefühle fördern die Empathiefähigkeit. Dabei gilt: Erwachsene sind immer Vorbilder. Wer Kinder in emotionaler Intelligenz stärken will, muss auch selbst einen bewussten Umgang mit Gefühlen pflegen.
Weiterführende Literatur von Dr. Charmaine Liebertz
Erste Ergebnisse der europaweiten ALFAC-Studie zeigen besorgniserregende Lücken im Risikobewusstsein – und starke Unterschiede nach Alter, Geschlecht und Herkunft
Knapp jedes zweite Kind in Deutschland unterschätzt Gefahren beim Schwimmen: 49 Prozent der Sechs- bis Zwölfjährigen erkennen riskante Situationen im Schwimmbad nicht, im Freiwasser sind es 44 Prozent. Besonders auffällig: Jungen nehmen Risiken deutlich seltener wahr als Mädchen. Diese ersten Ergebnisse stammen aus dem laufenden EU-Projekt „Aquatic Literacy for all Children (ALFAC)“, das die Schwimmfähigkeit von Kindern europaweit untersucht.
Mit dem Alter steigt die Schwimmkompetenz
Insgesamt zeigen die Daten: Mit zunehmendem Alter steigt die Schwimmkompetenz, sowohl bei grundlegenden Fertigkeiten wie Tauchen, Atmen und Schweben als auch bei komplexeren Aufgaben wie einem Schwimmparcours. Kinder ohne grundlegende Schwimmfähigkeit haben Schwierigkeiten beim Tauchen, meiden den Fußsprung ins Wasser und können sich schlechter eigenständig aus dem Wasser befreien.
Zugleich sind Kinder aller Altersgruppen hoch motiviert, schwimmen zu lernen. Ältere Kinder berichten über ein höheres Selbstbewusstsein im Wasser als jüngere.
Schwimmen lernen ist Familiensache – aber nicht nur
Ein Drittel der Schwimmkompetenz bei jüngeren Kindern lässt sich durch familiäre Faktoren wie den Bildungsstand der Eltern, deren eigene Schwimmfähigkeit und den sozioökonomischen Status erklären. Bei älteren Kindern nimmt dieser Einfluss ab. Das unterstreicht die Bedeutung früher Förderung – aber auch den möglichen Ausgleich durch strukturierte Schwimmlernangebote in Schule und Verein.
So wurde die Studie durchgeführt
Die ALFAC-Studie erhebt Daten zur motorischen, kognitiven und psychosozialen Schwimmfähigkeit von Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren. Dabei werden nicht nur technische Fähigkeiten wie Tauchen, Schweben und Fortbewegung getestet, sondern auch Aspekte wie Motivation, Selbstvertrauen und Risikobewusstsein im Wasser.
Ergänzt werden diese Analysen durch Befragungen zu familiärem Hintergrund und Herkunft. Getestet wird in Schwimmparcours und standardisierten Übungen.
Internationale Zusammenarbeit für mehr Wassersicherheit
Das Erasmus+-Projekt „Aquatic Literacy for all Children (ALFAC)“ wird in Deutschland, Belgien, Frankreich, Litauen, Norwegen, Polen und Portugal durchgeführt. Die deutschen Erhebungen finden in Köln, Kassel und Flensburg statt.
Beteiligt sind unter anderem:
Dr. Sebastian Fischer (Universität Kassel)
Dr. Ilka Staub und Prof. Dr. Tobias Vogt (Deutsche Sporthochschule Köln, Projektleitung)
Dr. Nele Schlapkohl und Sarah Schmidt (Europa-Universität Flensburg)
Warum der natürliche Entdeckergeist so wichtig ist und wie Eltern und pädagogische Fachkräfte ihn schützen können
Kinder sind von Natur aus neugierig. Sie stellen Fragen, entdecken ständig Neues, experimentieren, beobachten – und lassen nicht locker, bis sie eine Antwort haben. Diese unermüdliche Suche nach Sinn, Zusammenhang und Neuem ist keine bloße Phase, sondern ein grundlegender Motor für Entwicklung, Lernen und Beziehung.
„Neugier ist eine psychologische Superkraft“, sagt der Psychologe Jonathan Schooler von der University of California, Santa Barbara. Studien zeigen: Wer sich neugierig mit der Welt verbindet, lebt zufriedener, kreativer – oft gesünder und länger.
Neugier kann man nicht lehren – aber man kann sie verlieren
Während Kinder mit einem natürlichen Entdeckergeist auf die Welt kommen, wird dieser oft ungewollt eingeschränkt. Überstrukturierte Tagesabläufe, frühzeitige Leistungsanforderungen oder ständige Ablenkung durch digitale Medien können die kindliche Neugier Stück für Stück zurückdrängen. Wer immer nur gesagt bekommt, was richtig ist, lernt irgendwann, nicht mehr selbst zu fragen.
Deshalb ist es für Eltern, Großeltern und pädagogische Fachkräfte so wichtig, Räume offen zu halten, in denen Kinder fragen, ausprobieren, beobachten und staunen dürfen. Denn Neugier braucht vor allem eines: Freiheit.
Wenn Eltern selbst neugierig bleiben
Doch auch Erwachsene profitieren, wenn sie sich gemeinsam mit Kindern auf Entdeckungsreise begeben. Eine fragende Haltung – Warum ist das so?, Was könnte dahinterstecken? – wirkt nicht nur ansteckend, sondern stärkt auch das Miteinander in der Familie.
Psychologin Madeleine Gross, ebenfalls von der UC Santa Barbara, betont: „Neugier bedeutet nicht, ständig neue Reize zu suchen, sondern das Alltägliche wieder mit offenen Augen zu sehen.“ Genau das können Kinder den Erwachsenen zeigen – wenn diese bereit sind, mit ihnen gemeinsam hinzuschauen.
Kleine Anregungen für mehr Neugier im Familienalltag
– Lasst Kinder selbst entdecken, statt sofort alles zu erklären – Stellt Fragen, auch wenn ihr die Antwort kennt – und hört gemeinsam nach – Probiert zusammen etwas Neues aus: ein fremdes Gericht, eine unbekannte Pflanze, ein anderer Weg zum Spielplatz – Schafft Momente ohne Ablenkung – kein Bildschirm, kein Plan, nur Neugier
Neugier ist keine Fähigkeit, die man lehren muss – aber eine Haltung, die man bewahren sollte. Wer sie schützt, fördert nicht nur das Lernen der Kinder, sondern bereichert das Familienleben insgesamt.
Quelle: pressetext.com und University of California, Santa Barbara – Department of Psychological & Brain Sciences
Wie gemeinsames Musizieren die Empathie von Kindern stärkt
geschrieben von Redakteur | Juli 1, 2025
Eine Studie der Universitäten Sheffield und Durham zeigt: Wenn Kinder im Rhythmus zusammenfinden, entsteht mehr als nur Musik
Wenn Kinder miteinander musizieren, stimmen sie sich nicht nur klanglich aufeinander ein – auch ihr inneres Erleben kann sich dabei angleichen. Was intuitiv vertraut klingt, wurde nun in einer wissenschaftlichen Studie fundiert belegt: Musikalische Synchronität und kindliche Empathie hängen eng zusammen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Department of Music der University of Sheffield und der Durham University haben in einer umfangreichen Untersuchung mit Grundschulkindern erforscht, wie gemeinsames rhythmisches Musizieren das soziale Miteinander beeinflusst – und wie Empathie die Fähigkeit zur Synchronisation fördert. Veröffentlicht wurde die Studie im Fachjournal Frontiers in Psychology (April 2025).
Empathie hilft beim musikalischen Miteinander
Im ersten Experiment wurden 72 Kinderpaare gebeten, sich rhythmisch aufeinander einzustellen – durch einfaches gemeinsames Klopfen. Dabei zeigte sich: Kinder mit einem hohen Maß an Empathie – also der Fähigkeit, Gedanken und Gefühle anderer nachzuempfinden – waren deutlich besser darin, sich auf den Takt ihrer Partner einzulassen.
Besonders dann, wenn der Rhythmus des Gegenübers unregelmäßig war, half das Einfühlungsvermögen: Die empathischeren Kinder konnten sich schneller anpassen und fanden gemeinsam in den Takt zurück.
„Gerade wenn das Klopfen des Partners ungenau ist, scheint Empathie zu helfen, die Absichten hinter dem Verhalten zu erkennen und sich flexibel anzupassen“, erklären die Studienautor:innen.
Gemeinsam Musik machen fördert soziale Bindung
Doch nicht nur Empathie wirkt sich auf die musikalische Koordination aus – auch umgekehrt zeigte sich ein Effekt: Schon eine kurze Phase des gemeinsamen Musizierens reichte aus, um das Mitgefühl der Kinder füreinander zu steigern.
Besonders wenn die Kinder synchron im Takt waren, gaben sie hinterher an, sich einander näher zu fühlen. Dieses Ergebnis war unabhängig davon, ob sie sich zuvor kannten oder nicht. Musikalische Synchronität kann also Nähe erzeugen – ganz ohne Worte.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Synchronität nicht nur von Empathie profitiert, sondern selbst Empathie erzeugen kann – eine Art positiver Rückkopplung“, so Studienleiterin Persefoni Tzanaki.
Freundschaft, Vertrautheit und Geschlecht spielen eine Rolle
Die Studie zeigte auch: Kinder, die mit vertrauten Freundinnen oder Freunden zusammen musizierten, fühlten sich nach der Aufgabe besonders stark mit ihrem Partner verbunden. Und: Mädchenpaare waren besser synchronisiert und berichteten häufiger von einer engen sozialen Verbindung als Jungen oder gemischte Paare.
Solche geschlechtsspezifischen Unterschiede sind auch aus früheren Studien bekannt und deuten darauf hin, dass Mädchen im Grundschulalter oft sensibler auf soziale Signale reagieren. Vertrautheit scheint außerdem ein wichtiger Verstärker für die Wirkung musikalischer Aktivitäten auf das soziale Erleben zu sein.
Warum Musik in Kita und Schule mehr als „nur“ Bildung ist
Diese Ergebnisse lassen sich zwar nicht direkt in konkrete Handlungsanweisungen übersetzen – aber sie liefern wichtige Impulse für die pädagogische Praxis. Hier einige Anregungen für Eltern, Erzieherinnen und Lehrkräfte:
Musik einfach und regelmäßig im Alltag nutzen: Schon einfache Aktivitäten wie gemeinsames Klatschen, Trommeln oder Singen können Kinder einander näherbringen – es braucht keine aufwendigen Programme.
Vielfalt der Begegnung fördern: Unterschiedliche Partner beim Musizieren helfen Kindern, sich auf verschiedene Persönlichkeiten einzustellen und empathisches Verhalten zu üben.
Bekannte Freundschaften bewusst einbinden: Vertraute Beziehungen wirken als soziale Verstärker – gerade bei zurückhaltenden Kindern kann das gemeinsame Musizieren mit einem Freund oder einer Freundin neue Räume öffnen.
Nicht nur auf Genauigkeit achten: Auch wenn der Takt mal holpert – genau dann entstehen oft die wertvollsten sozialen Erfahrungen.
Die Forschenden betonen, dass Musik eine ganz eigene Form der nonverbalen Kommunikation eröffnet – eine, die gerade für Kinder intuitiv zugänglich ist. Wenn zwei Kinder im gleichen Takt klopfen oder singen, geschieht oft mehr, als das Ohr hören kann: Es entsteht Verbindung, gegenseitiges Verständnis – und vielleicht ein erstes echtes Mitfühlen.
Die vollständige Studie ist frei zugänglich unter: 👉 https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2025.1467767/full Originaltitel: “Actions and Feelings in Sync: Exploring the Reciprocal Relationship Between Synchrony and Empathy in Children’s Dyadic Musical Interactions” Autoren: Persefoni Tzanaki, Tuomas Eerola und Renee Timmers (2025)
KIM-Studie 2024: Internet-Nutzung im Grundschulalter nimmt deutlich zu
geschrieben von Redakteur | Juli 1, 2025
Mehr als die Hälfte der Kinder zwischen sechs und 13 Jahren ist täglich online. Auch die schulische Lebenswelt ist zunehmend von mobilen Endgeräten geprägt
Die aktuelle KIM-Studie 2024des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest dokumentiert einen signifikanten Anstieg der täglichen Internetnutzung bei Kindern. 54 Prozent der internetnutzenden Sechs- bis 13-Jährigen sind inzwischen täglich online. Bei den Acht- bis Neunjährigen hat sich dieser Anteil in nur zwei Jahren nahezu verdoppelt – von 23 auf 40 Prozent.
Smartphones bereits im Grundschulalter verbreitet
46 Prozent der befragten Kinder verfügen über ein eigenes Smartphone. Die Geräte sind nicht nur Teil des privaten Alltags, sondern auch im Schulkontext präsent: 77 Prozent der Kinder mit eigenem Smartphone dürfen dieses grundsätzlich mit in die Schule bringen. In 63 Prozent der Fälle ist die Nutzung auf Pausenzeiten begrenzt, 22 Prozent dürfen das Gerät gar nicht verwenden. Drei Prozent berichten von einer uneingeschränkten Nutzung.
Verschiebungen im Bewegtbildkonsum
Erstmals steht mit Netflix ein Streamingdienst an der Spitze der beliebtesten Plattformen für Filme, Serien und Videos bei Kindern. 21 Prozent der Befragten nannten Netflix, gefolgt von KiKA mit 14 Prozent und YouTube mit 11 Prozent. KiKA bleibt dennoch das wöchentlich am häufigsten genutzte Angebot. Der SWR-Intendant Prof. Dr. Kai Gniffke hebt in diesem Zusammenhang die Rolle öffentlich-rechtlicher Medienangebote im digitalen Umfeld hervor.
Offene Plattformen statt redaktioneller Auswahl
Die Studie dokumentiert eine zunehmende Nutzung offener Plattformen wie YouTube. Inhalte werden individuell aus einem breiten, wenig kuratierten Angebot ausgewählt. Dabei stehen altersgerechte und nicht altersgerechte Inhalte oft nebeneinander. Der Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, Dr. Wolfgang Kreißig, verweist auf die Bedeutung dieser Entwicklungen für die Medienrealität von Kindern.
Mediennutzung häufig ohne technische Begleitung
Die Erhebung gibt auch Einblick in das medienerzieherische Verhalten im Elternhaus: 43 Prozent der Eltern mit smartphonebesitzenden Kindern setzen Bildschirmzeitbeschränkungen ein. 39 Prozent kontrollieren die Nutzungsdauer, ein Viertel führt Gespräche über die Bildschirmzeit. 55 Prozent der Eltern verzichten auf technische oder begleitende Maßnahmen.
Nutzung von Social Media trotz Altersbeschränkung
Plattformen wie TikTok und Instagram werden von vielen Kindern unter 13 Jahren genutzt, obwohl dies laut Nutzungsbedingungen nicht zulässig ist. Die Angebote sind dennoch fester Bestandteil des kindlichen Alltags. Der Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz, Dr. Marc Jan Eumann, verweist auf fehlende Alterskontrollen bei den Anbietern und auf die Bedeutung von Aufklärungsinitiativen wie „klicksafe“.
Gernot Körner
Erziehungspartnerschaft statt Elternbelehrung: Dialog auf Augenhöhe
geschrieben von Redakteur | Juli 1, 2025
Gemeinsames Ziel: das Kindeswohl stärken – durch vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Kita
Vielleicht kennen elementarpädagogische Fachkräfte, sofern sie Eltern sind und ihre eigenen Kinder in einer Kindertagesstätte untergebracht hatten bzw. haben, bestimmte Situationen, die ihnen wenig angenehm waren. Gespräche mit den Erzieher*innen waren eher belehrend aufgebaut, häufig war ein erhobener Zeigefinger zu spüren, Erwartungen wurden formuliert, ohne dass die individuelle Lebenssituation bekannt war oder berücksichtigt wurde. Und so hatte man als Elternteil fast schon ein schlechtes Gewissen, wenn die Leitungskraft um ein Elterngespräch bat. Eine Erziehungspartnerschaft fordert einen Paradigmenwechsel: vom Monolog zum Dialog und von einer einseitigen Belehrung hin zu einem gemeinsamen, zugewandten Gespräch, gekennzeichnet durch ein gegenseitiges Informationsinteresse.
Kindheitspädagog*innen und Eltern tragen zur Entwicklung bei
Kinder – das ist bekannt – entwickeln schon in ihrem pränatalen Stadium und weiter in den ersten Lebensjahren ihre individuelle Persönlichkeitsstruktur. Dabei läuft ihre Entwicklung nicht nur nach einer stringenten, inneren Abfolge von dispositionalen, vorgegebenen Entwicklungsschritten ab. Vielmehr wirkt sich die von ihnen erlebte Umgebung mit den ungezählten Einflussfaktoren auf die Art und Weise der ‚Formung’ bzw. Ausprägung ihrer Entwicklungsprozesse aus, wobei sowohl die familiären, kulturellen und wohnortspezifischen Einflüsse und die Einflüsse der Institution „Kindertagesstätte“ mit ihren besonderen Struktur- und Prozessbedingungen als auch die Entwicklungsbegleiter*innen (= Kindheitspädagog*innen) in beiderseitiger Größe einen Einfluss auf das Entwicklungsgeschehen der Kinder haben.
Erzieher*innen sind weit mehr als Betreuungspersonen – sie begleiten Kinder in einer entscheidenden Lebensphase. Dieses Buch beleuchtet die zentrale Bedeutung ihres Berufs vor dem Hintergrund aktueller Erkenntnisse aus Entwicklungspsychologie, Bildungs- und Resilienzforschung.
Es vermittelt praxisnahe Impulse zur professionellen Haltung, zur Bedeutung der eigenen Persönlichkeit und zur Selbstreflexion. Für angehende und erfahrene Fachkräfte, die Kinder stärken und ihre Arbeit bewusst gestalten wollen.
Auf der einen Seite bestimmt der gesetzlich verankerte, eigenständige „Erziehungs-, Betreuungs- und Bildungsauftrag“ für Kindertageseinrichtungen (in Verbindung mit den länderspezifischen Kindertagesgesetzen, Bildungsgrundsätzen und trägerspezifischen Richtlinien, Verordnungen etc.), welche Ziele und Aufgaben Kindheitspädagog*innen zu leisten haben. Auf der anderen Seite bringen die Familien, die ihr(e) Kind(er) in die Kita bringen, ihre einmalige, ganz persönliche Biografie mit. So treffen auf diese Weise – von Anfang an – zwei „Welten“ aufeinander, die es zu verbinden gilt. Eine solche Verbindung kann aber nur geschehen und von Erfolg gekrönt sein, wenn Kindheitspädagog*innendie innerlich verankerte Bereitschaft an den Tag legen,
(a) sich selbst als permanent Lernende zu verstehen, (b) ein großes Interesse an den Lebensverhältnissen der Familien zeigen, (c) Professionalität und Humanität im Alltagsgeschehen und dies im Umgang mit den Familien sowie den Kindern miteinander verbinden, (d) Partizipation der Familien und der Kinder zu einem festen Bestandteil ihrer Interaktion erklären, (e) ihre Arbeitsweise, Aufgaben und Ziele transparent machen sowie (f) ihr profundes Wissen aus den Bereichen der Entwicklungspsychologie/-pädagogik, Bindungsforschung und Bildungswissenschaft gleichzeitig in eine zugewandte Gesprächsführung einbauen, so dass Familien die gepflegte Kommunikation als eine Bereicherung erleben können.
Partnerschaft auf Augenhöhe Damit stellt eine Erziehungspartnerschaft ein hohes Gut für beide Seiten dar, von denen das „Kind im Mittelpunkt“ gleichermaßen profitiert.
Verzicht auf Überlegenheit
Kam es in einer funktional gestalteten „Elternarbeit“, wie sie in vergangener Zeit (und teilweise auch heute noch) üblich war bzw. ist, zu einer Erwartungskollision, weil den Elternteilen institutionelle/pädagogische Ziele vorgestellt und ihnen damit existierende Erwartungen übergestülpt wurden, geht eine Erziehungspartnerschaft einen anderen Weg. Durch das intensive und damit authentisch vorhandene Interesse der Kindheitspädagoginnen,
(a) Familien an ihren ziel- und aufgabenorientierten Schwerpunkten teilhaben zu lassen, (b) ihnen den besonderen Bedeutungswert ihres beruflichen Selbstverständnisses sowie (c) ihre kurz-, mittel- und langfristigen Aufgaben zu verdeutlichen und mit Zeit und in Ruhe vorzustellen,
entspricht es einer partnerschaftlichen Sichtweise, Familien genügend Raum und Platz zu lassen, den geäußerten Überlegungen beizupflichten oder selbstverständlich auch Kritik zu äußern, (Nach-)Fragen zu stellen, eigene Überlegungen einzubringen, neue Vorschläge (beispielsweise bei einer Zielfindung) zu unterbreiten, selbstverständlich auch Unmut zu äußern oder ihr Unverständnis über bestimmte Tatsachen auszudrücken. Hier liegt es eindeutig auf der Seite der Kindheitspädagogin, immer wieder für eine entspannte Kommunikationsatmosphäre zu sorgen, die es auch ermöglicht, aus einem schwierigen, verhärteten, festgefahrenen oder konfrontativen Interaktionsprozess erneut zu einem zielführenden Gesprächsverlauf zurückzufinden, um letztlich ergebnisorientiert voranzukommen.
Begriffe neu denken
Schaut man in bisherige Buchinhalte und Fachartikel zur Erziehungspartnerschaft, trifft man einerseits auf immer dieselben Begriffe, in denen es nahezu plakativ (d.h. lediglich stichwortartig und damit nicht ausführlich genug) um solche Aussagen wie „Prozessorientierung ist der Weg“ / „Toleranz zeigen“ / „Gleichberechtigung realisieren“ / „Eltern müssen ernst genommen werden“ / „Radikalen Respekt für Verschiedenheit aufbringen“ usw. geht. Nun: Eine Prozessorientierung kann ohne eine klare Zieldefinition sehr schnell auf einen Nebenweg mit einem anderen Ziel führen. Eine solche Aussage ähnelt der einer Selbsterfahrungsteilnehmer*in, die nach ihrem aktuellen Entwicklungsvorhaben gefragt wurde und mit der Aussage: „Das kann ich nicht genau sagen: Ich befinde mich nämlich gerade in einem Prozess.“ geantwortet hat.
Gleichwertigkeit statt Gleichberechtigung
Das Wort ‚Toleranz’ kommt aus dem Lateinischen ‚tolerare’ und bedeutet übersetzt so viel wie ‚ertragen’. Dabei wird oftmals übersehen, dass „etwas ertragen“ immer mit einem eigenen Unmut, mit einer offenen oder unterdrückten Zurückhaltung zu tun hat und im Widerspruch zur ‚Akzeptanz’ (der authentischen Annahme) steht. Eine ‚Gleichberechtigung’ kann es zwischen Kindheitspädagoginnen und Familienmitgliedern nicht geben, denn das würde beispielsweise bedeuten, dass auch Familienmitglieder die Art und Weise der Arbeit, die konzeptionelle Ausrichtung, die Bildungsinhalte oder pädagogischen Vorhaben gleichberechtigt mitbestimmen könnten, auch im Gegensatz zu bestehenden Richtlinien oder ggf. humanistisch geprägten Werten. Und worin läge beispielsweise der Bedeutungswert einer qualifizierten Ausbildung von Kindheitspädagoginnen, wenn Familien die Ausrichtung der Arbeit vorgeben könnten? So ist stattdessen der Begriff „Gleichwertigkeit als Person“ sicherlich weitaus angebrachter, weil eine Erziehungspartnerschaft durch eine Kommunikation auf „gleicher Augenhöhe“ gekennzeichnet ist.
Eltern ernst nehmen ist eine Selbstverständlichkeit
Dass „Eltern ernst genommen werden müssen“ ist doch eine Selbstverständlichkeit – wer dies als Kennzeichen einer ‚Erziehungspartnerschaft’ hervorhebt, drückt damit auch aus, dass dies bei einer ‚Elternarbeit’ offensichtlich nicht stattgefunden hat. An dieser Stelle würden elementarpädagogische Fachkräfte, die bisher eine solche qualitätsorientiert umgesetzt haben, sicher (auch zu Recht) protestieren. Die Forderung nach einem „radikalen Respekt für Verschiedenheit“ ist in dieser generellen Formulierung nur schwer bzw. gar nicht nachzuvollziehen. Hätten Sie einen ‚radikalen Respekt’ vor Elternteilen oder Fachkräften, die Kinder schlagen, zum Essen zwingen, der Lächerlichkeit preisgeben, in Ohnmachtssituationen bringen, mit einem Bildungsangebot nach dem anderen konfrontieren oder in großen Gefahrensituationen alleine lassen, um sie auf diese Weise „stark“ zu machen?
Eltern sind keine Experten für Kinder
Doch eine immer wiederkehrende Aussage darf (und muss!) mehr als deutlich infrage gestellt werden, wenn es immerzu heißt: „Eltern sind Experten für ihre Kinder“ bzw. „… sind Erziehungsexperten.“ Nun: Experten, egal welcher Ausrichtung, haben immer eine langjährige Ausbildung, haben diverse Zusatzqualifikationen erfolgreich absolviert, haben (bezogen auf die Bereiche Pädagogik / Psychologie) Selbsterfahrung auf sich genommen und eine permanente Persönlichkeitsreflexion zum festen Bestandteil ihrer Professionalität erklärt. All das bringen Erziehungsberechtigte in der Regel nicht mit. Deshalb passt die Aussage besser, dass Eltern im Rahmen einer kindeswohlorientierten und langfristig gepflegten Erziehungspartnerschaft schrittweise zu Expertinnen und Experten für die Entwicklung ihres Kindes werden können.
Merkmale gelebter Partnerschaft
Kindheitspädagog*innen, deren Ziel es ist, eine gelebte Erziehungspartnerschaft herzustellen bzw. weiterhin zu pflegen, können dies nur erreichen, wenn sie vor allem folgende Qualitätsmerkmale in ihrer Alltagspädagogik umsetzen:
• Zunächst geht es um eine für alle positiv erlebte Atmosphäre, die sich durch Freundlichkeit, Zugewandtheit, Aufmerksamkeit, Interesse an den Freuden / Ängsten / Sorgen und Nöten der Menschen auszeichnet. Das fängt mit der täglichen Begrüßung der Team- / Familienmitglieder und des Kindes an und endet mit der persönlichen Verabschiedung aller. Dadurch erleben und erfahren Kolleg*innen und Eltern einen besonderen Bedeutungswert, der ihnen zeigt, dass sie in der Kita eine gewichtige Rolle innehaben. • Kindheitspädagog*innen haben sich als Motor der Beziehungspflege zu verstehen und können diese Aufgabe nicht von Familienangehörigen erwarten. Schuldzuweisungen wie „Die Eltern wollen gar nicht kommen“ oder „Die Eltern haben kein Interesse an unserer Arbeit“ müssen in die Fragestellung umgedeutet werden wie beispielsweise: „Was müssen wir tun und was haben wir in der Vergangenheit übersehen, dass sich Eltern nicht willkommen gefühlt haben, fernbleiben oder mit Konfrontationen reagieren?“ • Professionelles Verhalten – angefangen von einer qualitätsorientierten Gesprächsführung (bestenfalls mit einer Weiterbildung in ‚Beratungspsychologie’) über eine vorhandene Konfliktkompetenz bis zu einem profunden Fachwissen, eingebettet in eine freundliche Umgangskultur – ist die Grundlage, um eine bisherige ‚Elternarbeit’ in eine Erziehungspartnerschaft zu wandeln bzw. eine solche zu pflegen. • Der ‚Dreiklang’ einer Erziehungspartnerschaft (die Familie – das Kind mit seinen Entwicklungsrechten und Grundbedürfnissen – die Kindheitspädagog*in als Impulsgeber*in, Berater*in, Unterstützer*in) – setzt voraus, dass Kindheitspädagog*innen sowohl eine Sensibilität für aktuelle Elternbedürfnisse als auch für ein situationsorientiertes Handeln besitzen, um möglichst punktgenaue Aktivitäten zu planen und umzusetzen. • Zur Umsetzung eines erziehungspartnerschaftlichen Umgangs miteinander gehört eine breite Kenntnis der Lebensbedingungen der Familie, ihrer Werte und Normen, ihrer Weltsichtweise sowie ihrer Erziehungsvorstellungen, um diese zu verstehen und bei der Beziehungspflege zu berücksichtigen. • Eine Erziehungspartnerschaft zeigt sich unter anderem durch – zumindest kurze – freundlich geführte Tür- und Angelgespräche, lebendige und spannende Elternabende, interessante Elternbriefe, gemeinsame Feiern, ein offenes Ohr für Beschwerden, einen periodisch stattfindenden Elternstammtisch, wenn möglich ein Elterncafé (etwa bei fehlenden Räumlichkeiten in einem geschmackvoll eingerichteten Bauwagen für Elterntreffs), gemeinsame Aktivitäten (auch mit Kindern) in der Kita, gemeinsame Aktionen (auch außerhalb der Kita), dem Besprechen von Beobachtungen und Entwicklungsberichten sowie in einer Unterstützung bei besonderen Fragestellungen und – falls nötig und erwünscht – Hinweisen auf weiterführende Hilfen. • Einmal pro Jahr ausgelegte, anonymisierte Fragebögen zu bestimmten Bereichen (etwa die Eigenbeteiligungsmöglichkeit betreffend, die Mitsprache, die erlebte Atmosphäre, das Aufgreifen von Ideen und Vorschlägen, die Weitergabe von Informationen, die Transparenz der Arbeit, eine ausreichende Zeit für Gespräche, Gestaltung der Räume, Engagement der Kindheitspädagog*innen …) und zum Grad einer (Un-)Zufriedenheit geben Eltern die zusätzliche Möglichkeit, ihre Meinung kundzutun und Veränderungswünsche zu formulieren.
Literatur:
Albers, Timm + Ritter, Eva: Zusammenarbeit mit Eltern und Familien in der Kita. Reinhardt Verlag, 2015 Dusolt, Hans: Elternarbeit als Erziehungspartnerschaft. Ein Leitfaden für den Vor- und Grundschulbereich. Beltz Verlag, 4. Aufl. 2018 Gerth, Andrea: Auf dem Weg zur Erziehungspartnerschaft. Lern- und Arbeitsbuch für Kindergartenteams. Verlag das netz, 2007 Schlösser, Elke: Zusammenarbeit mit Eltern – interkulturell. Informationen und Methoden zur Kooperation mit Eltern mit und ohne Migrationserfahrung in Kita, Grundschule und Familienbildung. Ökotopia Verlag, 4. Edition 2017 Textor, Martin: Bildungs- und Erziehungspartnerschaft in Kindertageseinrichtungen. Books on Demand, 2. Edition 2014 Woll, Rita: Partner für das Kind. Erziehungspartnerschaften zwischen Eltern, Kindergarten und Schule. Vandenhoeck & Ruprecht, 2008
Armin Krenz, Prof. h. c. et Dr. h. c., Honorarprofessor a. D., Wissenschaftsdozent für Elementar- und Entwicklungspädagogik / Entwicklungspsychologie; Email: armin.krenz@web.de
Mit einem Lächeln erzieht es sich leichter
geschrieben von Redakteur | Juli 1, 2025
Ein Gespräch mit Dr. Charmaine Liebertz, Expertin für ganzheitliches Lernen – Warum Kindern Humor so gut tut – auch im Hinblick auf Aggressionen?
Ein humorvolles Umfeld in der Familie hat nachweislich viele Vorteile für die Entwicklung von Kindern. Studien zeigen, dass Kinder, die häufig lachen, nicht nur optimistischer und stressresistenter sind, sondern auch sozial kompetenter und weniger aggressiv. Lachen wirkt wie ein emotionales Ventil – es hilft, Spannungen abzubauen, fördert die Frustrationstoleranz und stärkt die Verbindung zu anderen Menschen. Übrigens: Während Erwachsene im Schnitt etwa 15 Mal pro Tag lachen, bringen es Kinder auf bis zu 400 fröhliche Ausdrucksformen – vom Kichern bis zum Juchzen. Lachen scheint bei ihnen zur Grundausstattung zu gehören!
Kann man Humor überhaupt vermitteln oder lernen?
Humor ist kein Zufallsprodukt. Kinder übernehmen viel von dem, was Erwachsene ihnen vorleben. Wer also möchte, dass sein Kind einen lockeren, positiven Umgang mit Herausforderungen entwickelt, sollte selbst eine gewisse Leichtigkeit ausstrahlen. Kleine Scherze, liebevolles Augenzwinkern und das gemeinsame Lachen über Missgeschicke zeigen dem Kind: Fehler gehören dazu – und dürfen sogar Spaß machen. Wichtig dabei: Der Humor sollte nie auf Kosten des Kindes gehen, sondern verbindend wirken.
Alltagstaugliche Tipps für mehr Leichtigkeit in der Erziehung
Wer Erziehung mit Humor angehen möchte, braucht keinen Masterplan – kleine Veränderungen reichen oft aus, um den Familienalltag aufzulockern:
Reagieren Sie auf kleine Ungezogenheiten nicht gleich mit Strenge – manchmal hilft ein Lächeln mehr.
Ein freundlicher Ton erreicht oft mehr als eine scharfe Ansage.
In angespannten Situationen kann ein witziger Kommentar Wunder wirken.
Regeln lassen sich auch mit Nachsicht und Humor vermitteln.
Staunen Sie mit Ihrem Kind über Alltägliches – das schärft die Sinne fürs Wesentliche.
Gemeinsames Spielen, Kitzeln und Lachen fördert den familiären Zusammenhalt.
Lassen Sie sich von der kindlichen Freude anstecken – das wirkt entspannend.
Lachen unterstützt das Lernen – je lockerer die Atmosphäre, desto leichter fällt das Verstehen.
Verzichten Sie auf Ironie – Kinder können sie oft nicht richtig einordnen.
Humor ist ein echter Lernbooster – das wissen Kinder ganz intuitiv. In „Das Schatzbuch des Lachens“ zeigt Dr. Charmaine Liebertz, wie Lachen, Spielen und Sprachwitz Bildung lebendig machen. Mit einer charmanten Kulturgeschichte des Lachens und vielen fröhlichen Spielideen wird Lernen zum Vergnügen – und das Leben ein bisschen leichter. Ideal für alle, die mit Herz und Humor begleiten wollen!
Weiterbildung: Lachen als Lernmotor – ein Zertifikatskurs mit Dr. Charmaine Liebertz
Humor spielt nicht nur im Familienleben eine zentrale Rolle, sondern auch in Bildung und Pädagogik. Wer Kinder unterrichtet, betreut oder erzieht, profitiert enorm von einer humorvollen Grundhaltung – sie erleichtert das Lernen, stärkt soziale Beziehungen und schafft eine positive Atmosphäre.
Dr. Charmaine Liebertz, erfahrene Pädagogin und Leiterin der Gesellschaft für ganzheitliches Lernen e.V., hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Martina Brausem einen besonderen Zertifikats-Lehrgang entwickelt, der Humor gezielt als pädagogisches Werkzeug vermittelt. Der Kurs richtet sich an pädagogische Fachkräfte, Lehrkräfte, Kita-Teams und alle, die mit Kindern arbeiten – und Humor dabei als professionelle Ressource einsetzen möchten.
Zertifikats-Lehrgang: „Lachen und Lernen – ein Traumpaar“
Was Sie erwartet:
Dieser praxisnahe Lehrgang bietet Ihnen fundiertes Wissen und konkrete Anregungen, wie Sie Humor gezielt in Bildungs- und Betreuungskontexten einsetzen können. Er basiert auf aktuellen Erkenntnissen aus Pädagogik, Soziologie, Gelotologie (Lachforschung) und der Hirnforschung.
Inhalte des Kurses:
Kultur- und Medizingeschichte des Lachens
Neueste Ergebnisse aus der Lachforschung und Neurowissenschaft
Pädagogische und soziologische Grundlagen des Humors
Der Zusammenhang zwischen Humor und erfolgreichem Lernen
Konkrete Methoden, Spiele und Übungen für die Praxis
Kursformat:
Der Lehrgang folgt einem dualen Konzept aus Theorie und Praxis:
🧠 10 Stunden Online-Theorie: Individuell einteilbar, auch am Wochenende – ideal für Teams, die flexibel lernen möchten.
🎯 5 Stunden Praxis vor Ort: Ein Tag voller Übungen, Spiele und direkter Anwendung in Ihrer Einrichtung – mit persönlicher Anleitung durch das Kurs-Team.
Leitung: Dr. Charmaine Liebertz (Pädagogin, Autorin) und Martina Brausem (Trainerin und Fachreferentin)
Einsamkeit bei Kindern: Schon Fünfjährige fühlen sich häufig allein
geschrieben von Redakteur | Juli 1, 2025
Neue Daten des Deutschen Jugendinstituts weisen darauf hin, dass auch Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren Einsamkeit erleben
Einsamkeit beginnt oft früher, als viele denken. Laut aktuellen Auswertungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) fühlt sich mehr als jedes fünfte Kind im Kindergarten- oder Grundschulalter zumindest gelegentlich einsam. Die Daten stammen aus dem Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A), der im Jahr 2023 über 2.100 Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren befragte.
In persönlichen, kindgerecht gestalteten Interviews berichteten 17 Prozent der Kinder, dass sie sich in der Woche vor der Befragung manchmal allein gefühlt hätten. Weitere fünf Prozent gaben an, dieses Gefühl häufig oder ganz oft zu haben. Damit zeigt sich: Einsamkeit ist nicht nur ein Thema für Jugendliche oder ältere Erwachsene, sondern betrifft bereits viele Kinder in der Grundschule.
Familiäre Veränderungen erhöhen das Risiko
Die Auswertungen zeigen deutliche Unterschiede je nach familiärer Lebensform. Kinder aus Trennungs- oder Stieffamilien berichten besonders häufig von Einsamkeit. Während 22 Prozent der Kinder aus sogenannten Kernfamilien von Einsamkeitserfahrungen berichten, steigt dieser Anteil bei Kindern, die bei nur einem Elternteil leben, auf 28 Prozent. In Stieffamilien liegt er sogar bei 34 Prozent.
„Eine elterliche Trennung bedeutet für Kinder eine tiefgreifende Veränderung ihrer Lebenswelt“, erklärt Dr. Alexandra Langmeyer, die gemeinsam mit Dr. Christine Entleitner-Phleps die Daten analysiert hat. „Das kann sich negativ auf ihr Wohlbefinden auswirken und Einsamkeit begünstigen.“
Materielle Belastung wirkt sich spürbar aus
Auch die wirtschaftliche Situation im Elternhaus spielt eine Rolle. Kinder, die in Haushalten mit materiellen Einschränkungen leben – also in jenen Familien, die sich notwendige und für den üblichen Lebensstandard charakteristische Ausgaben nicht oder kaum leisten können – berichten bis zu 29 Prozent über Einsamkeit. In Familien ohne solche Einschränkungen liegt der Anteil bei 21 Prozent.
„Wenn Teilhabechancen fehlen und die Stimmung in der Familie durch Geldsorgen belastet ist, kann sich das auf die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern auswirken“, so die Studienautorinnen.
Auffälliges Verhalten und Einsamkeit: ein wechselseitiger Zusammenhang?
Die Auswertung zeigt außerdem einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Verhaltensauffälligkeiten. Kinder, die von ihren Eltern im SDQ (Strengths and Difficulties Questionnaire) als auffällig eingeschätzt wurden, fühlen sich deutlich häufiger einsam als Kinder mit unauffälligem Verhalten. 25 Prozent der auffällig eingeschätzten Kinder berichten von gelegentlicher Einsamkeit, neun Prozent sogar von häufigem Alleinsein. Zum Vergleich: Bei Kindern mit unauffälligem Verhalten liegen die Werte bei 17 beziehungsweise fünf Prozent.
Ob Einsamkeit eher Folge oder Ursache von Verhaltensproblemen ist, bleibt offen. „Mit den vorliegenden Daten lassen sich keine eindeutigen Rückschlüsse ziehen“, erklärt Langmeyer. Sie und Entleitner-Phleps plädieren für längsschnittliche Studien, die den Lebensverlauf von Kindern über einen längeren Zeitraum begleiten, um solche Fragen klären zu können.
Hintergrund: AID:A-Survey und Aktionswoche gegen Einsamkeit
Die Daten stammen aus dem Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A), den das DJI regelmäßig durchführt. Die Veröffentlichung der Ergebnisse erfolgte im Rahmen der Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend initiiert wurde. Sie zielt darauf ab, Einsamkeit als gesamtgesellschaftliches Thema sichtbar zu machen – auch in frühen Lebensphasen.
Kontakt: Dr. Alexandra Langmeyer Leitung der DJI-Fachgruppe „Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern“ E-Mail: langmeyer@dji.de