Erfahrung mit fremden Akzenten hilft Kindern beim Wörterlernen

Forschungsergebnisse der Universität Freiburg weisen auf die große Bedeutung fremder Akzente beim Spracherwerb hin

Sind Kinder im Grundschulalter viele regionale und fremde Akzente gewöhnt, weil sie diese häufig in ihrem sprachlichen Umfeld hören, dann fällt es ihnen leichter, neue Wörter von anderen Kindern zu lernen, die mit unbekannten Akzenten sprechen. Das zeigen die Forschungsergebnisse von JProf. Dr. Adriana Hanulíková und Helena Levy vom Deutschen Seminar der Universität Freiburg. „Anders als in vielen Studien angenommen, schneiden beim Wortschatzerwerb nicht bilinguale Kinder besser ab, sondern Kinder, die diversen Akzenten am häufigsten ausgesetzt sind“, erklärt Hanulíková, Juniorprofessorin für Sprache und Kognition. Für ihre Studie entwickelten die beiden Linguistinnen ein neuartiges, virtuelles und spielbasiertes Design. Ihre Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Language Learning erschienen.

Kartenspiel „Spot It!“ als Vorlage

„Bisher fehlten Studien zum Einfluss regionaler und fremder Akzente auf das Lernen von neuen Wörtern bei Kindern“, sagt Hanulíková. Um diese Lücke zu schließen, ließen die Forscherinnen 88 Freiburger Kinder im Alter von sieben bis elf Jahren ein Computerspiel spielen, das auf dem beliebten Kartenspiel „Spot It!“ – in Deutschland bekannt als „Dobble“-basiert. Dabei müssen auf verschiedenen Spielkarten möglichst schnell zwei identische Objekte entdeckt und benannt werden. Für die Studie spielten die Kinder das Spiel am Computer mit virtuellen Partnerinnen und Partnern. Diese sprachen entweder Standarddeutsch oder Deutsch mit Schweizer oder hebräischem Akzent. In dem Spiel kamen sechs Begriffe vor, die Kindern im Grundschulalter in der Regel unbekannt sind.

Regionale Akzente helfen

Alle 88 Kinder, die an der Studie teilnahmen, waren deutschsprachig, manche von ihnen zwei- oder mehrsprachig. Die Wissenschaftlerinnen erfragten außerdem, wie häufig pro Woche jedes Kind regionale und fremde Akzente hört. Die Auswertung des Versuchs ergab, dass die Kinder von Langzeiterfahrung mit verschiedenen Akzenten profitierten: Kindern mit dieser Erfahrung fiel es leichter, im Spiel die ihnen unbekannten Wörter von anderen Kindern in dieser virtuellen Gesprächssituation zu lernen, die unvertraute Akzente sprachen.

Diesen Effekt trat vor allem dann auf, wenn die Kinder regionale und fremde Akzente oder nur regionale Akzente gewöhnt waren. Kinder, die ausschließlich Erfahrung mit fremden Akzenten hatten, zeigten zumindest in der Tendenz ähnliche Effekte. Keinen entsprechenden Effekt hatte Zweisprachigkeit.

Versuch ähnelt natürlichem Lernen

Weitere Studien seien daher erforderlich, um noch differenzierter zu untersuchen, welche Erfahrungen beim Wortschatzerwerb von Kindern zu welchen Effekten führten – und wie sich diese eventuell vom Lernen neuer Wörter bei Erwachsenen unterscheiden, sagt Hanulíková. Das neu entwickelte, spielbasierte Design der Studie sei dafür ein besonders geeignetes Werkzeug: „Die Kinder lernen im Spiel von anderen Kindern, nicht von Erwachsenen, wie bisher in fast allen Studien. Und sie müssen Wörter auch selbst sagen, nicht nur passiv erkennen. Damit ähnelt der Versuch dem natürlichen Lernen im Alltag.“

Faktenübersicht:

• Originalpublikation: Levy, H., Hanulíková, A (2022): Spot It and Learn It! Word Learning in Virtual Peer-Group Interactions Using a Novel Paradigm for School-Aged Children, in: Language Learning. DOI: doi.org/10.1111/lang.12520
• Die Studie wurde gefördert durch das DFG-Graduiertenkolleg 1624 „Frequenzeffekte in der Sprache“ an der Universität Freiburg sowie durch die Wissenschaftliche Gesellschaft Freiburg (Gerda-Henkel-Stiftung).
• Adriana Hanulíková ist Juniorprofessorin für Sprache und Kognition am Deutschen Seminar der Universität Freiburg. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Sprachverarbeitung über die gesamte Lebenspanne, Mehrsprachigkeit, regionale und fremdsprachliche Akzente. Helena Levy promoviert am Deutschen Seminar der Universität Freiburg.

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:

JProf. Dr. Adriana Hanulíková
Deutsches Seminar – Germanistische Linguistik
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-9341
E-Mail: adriana.hanulikova@germanistik.uni-freiburg.de

Originalpublikation:

Levy, H., Hanulíková, A (2022): Spot It and Learn It! Word Learning in Virtual Peer-Group Interactions Using a Novel Paradigm for School-Aged Children, in: Language Learning. DOI: doi.org/10.1111/lang.12520

Weitere Informationen:

https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/2022/erfahrung-mit-akzenten-hilft-kindern-beim-woerter-lernen

Quelle: Informationsdienst der Wissenschaft




Matheunterricht: Mehr Sprechen fördert das Verstehen

Sprachbildender Mathematikunterricht hilft schwachen wie starken Schülerinnen und Schülern

Nicht mehr rechnen, sondern mehr reden kann Schülerinnen und Schülern dabei helfen, ihre Mathekenntnisse zu verbessern. Gestalten Lehrkräfte den Unterricht so, dass mathematische Ideen häufiger diskutiert und begründet werden sollen, profitieren Schülerinnen und Schüler auf allen Leistungsniveaus davon. Das zeigt eine neue Studie mit knapp 600 Kindern und Jugendlichen, die von einem Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Technischen Universität Dortmund und des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) durchgeführt wurde. Sie erschien im „Journal for Research in Mathematics Education“.

Sprachkompetenz entscheidend

Ziel der neuen Studie war es zu untersuchen, ob sich durch eine gezielte Sprachförderung die mathematischen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler verbessern lassen. „Aus früheren Studien wissen wir, dass es einen Zusammenhang zwischen der Sprachkompetenz der Kinder im Deutschen und ihrer Leistung im Mathematikunterricht gibt. Die Sprachkompetenz hatte dabei einen größeren Einfluss als etwa der sozioökonomische Status der Kinder“, sagt die Mathematikdidaktikerin Prof. Dr. Kirstin Erath von der MLU. Die Forscherinnen unterscheiden dabei zwischen einer Alltags- und einer Bildungssprachkompetenz. „Viele Schülerinnen und Schüler, die Probleme im Matheunterricht haben, sind im alltäglichen Sprachgebrauch sehr erfolgreich. Im Bildungsbereich fehlen ihnen dann aber die passenden Kompetenzen, um beispielsweise zu mathematischen Erklärungen im Unterricht beizutragen“, sagt Erath weiter.

589 Schülerinnen und Schülern der Klassen 5 bis 7

Im Rahmen der groß angelegten Studie mit 589 Schülerinnen und Schülern der Klassen 5 bis 7 untersuchten die Forscherinnen der MLU, der TU Dortmund und des IPN diesen Zusammenhang. Die Schülerinnen und Schüler wurden zufällig in drei Gruppen aufgeteilt: In einer Gruppe wurde mathematisches Verständnis gefördert, indem die Lernenden immer wieder zum Erklären und Begründen aufgefordert wurden. Eine zweite Gruppe erhielt zusätzlich so genannte lexikalische Lerngelegenheiten, zum Beispiel Informationen zu Satzbausteinen wie „der Teil vom Ganzen“. In einer dritten Kontrollgruppe wurde der Standardunterricht ohne zusätzliche Lernangebote durchgeführt. Vor und nach den Unterrichtseinheiten testeten die Forscherinnen die mathematischen Fähigkeiten der Kinder.

Sprachbildender Mathematikunterricht

Das Ergebnis: Die Schülerinnen und Schüler profitierten von dem sprachbildenden Mathematikunterricht – ihre Leistungen verbesserten sich stärker als im Vergleich zu der Kontrollgruppe. „Wenn Schülerinnen und Schüler miteinander ins Gespräch gebracht werden, miteinander interagieren und über den Stoff diskutieren, dann passiert vertieftes Mathematiklernen. Die in der zweiten Gruppe angebotenen Satzbausteine können allerdings einige besser nutzen als andere“, fasst Erath zusammen.

Gute Nachrichten für die Inklusion

Aus Sicht der Projektpartnerin Prof. Dr. Susanne Prediger von der TU Dortmund ist das wichtigste Ergebnis, dass alle Schülerinnen und Schüler von den speziell entwickelten Lerneinheiten profitierten, also auch solche mit guten Leistungen: „Bisher wurde Sprachbildung meist für mehrsprachige Lernende und solche mit Leistungsproblemen als lernwirksam gezeigt. Es freut uns sehr, dass wir zeigen können, dass auch diejenigen, die die Förderung aufgrund ihrer bisherigen Leistungen eigentlich nicht brauchen, davon mathematisch profitieren. Das ist eine gute Nachricht im Hinblick auf Inklusion“, fasst Prediger zusammen. Die neue Studie solle dazu beitragen, möglichst für alle Schülerinnen und Schüler einen Zugang zu Mathematik zu ermöglichen und die Chancen auf eine wirkliche Teilhabe zu verbessern.

Mathematiklehrerinnen und -lehrer könnten ihren Klassen helfen, indem sie solche Lerngelegenheiten häufiger in den Unterricht integrieren und nicht nur die Lösungen abfragen. „Wie es am besten gelingt, die Gespräche unter den Schülerinnen und Schülern anzuregen, hängt auch von den Klassen ab, es gibt keine Patentrezepte“, sagt Erath. Die Erkenntnisse der Didaktikerinnen sollen auch in die Ausbildung angehender Mathematiklehrerinnen und -lehrer einfließen. Außerdem bietet das Team im Rahmen des Deutschen Zentrums für Lehrkräftebildung Mathematik am IPN auch Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer an Schulen an.

Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.


Originalpublikation:
Studie: Prediger S., Erath K., Weinert H. & Quabeck K.. Only for Multilingual Students at Risk? Cluster-Randomized Trial on Language-Responsive Mathematics Instruction. Journal for Research in Mathematics Education (2022). doi: 10.5951/jresematheduc-2020-0193
https://doi.org/10.5951/jresematheduc-2020-0193




Windlichter mit Murmeltechnik gestalten

windlichter

Einfache Materialien, einfache Techniken und ganz viel Gestaltungsraum

Es gibt eine ganze Reihe von verschiedenen Techniken, welche die Kinder im Laufe ihrer Kindergartenzeit lernen sollten. Sie müssen natürlich die Möglichkeit bekommen viel auszuprobieren und zu entscheiden, was ihnen am besten gefällt.

Erklären der Aufgaben

Erklären Sie den Kindern in kleineren oder größeren Gruppen, was Sie mit ihnen machen möchten. Dabei soll natürlich nicht das Erklären der Technik im Vordergrund stehen, sondern das Erschaffen eines neuen Kunstwerkes. Die Technik sollte in den Hintergrund rücken und eher Mittel zum Zweck sein und nicht der Hauptgrund, aus dem heraus die Kinder arbeiten.

Material

Die folgende Aufgabe ist so ausgewählt, dass Sie diese meist mit den Materialien, die Sie sowieso im Kindergarten haben, umsetzen können.

  • Schuhkarton,
  • Papier
  • oder Butterbrottüte,
  • Wasserfarben,
  • Murmel

Und so geht es

  • Ein Blatt Papier in einen Schuhkarton legen.
  • Vorsichtig die Wasserfarbe in einem Farbton an verschiedenen Stellen des Blattes auftropfen.
  • Eine Murmel auf das noch feuchte Blatt legen.
  • Die Farbe durch Bewegung verteilen.
  • Das ganze mit mehreren anderen Farben wiederholen, bis das gewünschte Ergebnis entstanden ist.

Variante

  • Eine Butterbrottüte anstatt des Papiers verwenden.
  • Ein kleines Marmeladenglas, mit einem Teelicht darin, in die Tüte stellen.
  • So entsteht ein sehr schönes, individuelles Windlicht.

Es ist einfacher, wenn die Kinder einen möglichst kleinen Schuhkarton nutzen – am besten von kleinen Kinderschuhen – so dass die Butterbrottüte möglichst genau hineinpasst. Wenn die Tüte von der einen Seite getrocknet ist, darf die Murmel über die andere Seite rollen. Nach dem Trocknen das Glas in die Tüte stellen. Das verleiht zum einen Stabilität und zum anderen kann so das Teelicht kein Feuer entzünden.

Das Windlicht können die Kinder sowohl im Sommer als Lichtquelle für draußen nutzen, als auch im Winter als heimelige Beleuchtung in der Weihnachtszeit.

sander-kleben

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Kleckern, Klecksen, Kleben
Künstlerische Aktivitäten in der Kindergruppe
Sander, Manon
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548197
176 Seiten, 7,95 €

Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




Kreativität – Ein Begriff im Ausverkauf der Kindergartenpädagogik

Ein großes Wort, von dessen Ursprung in der Praxis kaum etwas übriggeblieben ist

Der Begriff „Kreativität“ ist aus der heutigen Pädagogik nicht mehr wegzudenken. Er begegnet uns täglich in Gesprächen mit Erzieher:in­nen, die in Kindergärten arbeiten, und findet sich ebenso in Konzeptio­nen elementarpädagogischer Einrichtungen wie in formulierten Lernzie­len innerhalb der Jugendarbeit. Dem ist auch grundsätzlich nichts entgegenzuhalten. Was vielmehr große Nachdenklichkeit provoziert, ist die Tatsache, dass einerseits viele Erzieher:innen zwar „kreative Erziehung“ propagieren und gleichzeitig davon überzeugt sind, Kreativität bei Kindern zu fördern. Andererseits wurde dieser Begriff wie kaum ein zweiter „Lernbereich“ in der Pädagogik so weit zurechtgeschnitten und didaktisch gekürzt, dass kaum noch – wenn überhaupt– etwas von sei­nem Ursprung übrig geblieben ist. Ja, der Begriff „Kreativität“ ist oft nicht mehr als eine inhaltsleere Worthülse, die leise ein verkümmertes Dasein vor sich hinfristet und der in vielen Fällen schon der Todesstoß versetzt wurde.

Ausgangspunkt

Kinder besuchen einen Kindergarten, um ausreichend Fähigkeiten zu er­werben, Begebenheiten und Situationen ihres ­gegenwärtigen Lebens nachvollziehen und ebenso wie Ereignisse künftigen Lebens bewältigen zu können, durch kompetentes und autonomes Fühlen, Handeln und Denken. Es soll an dieser Stelle nicht weiter auf die Begriffe „Kom­petenz“ und „Autonomie“ eingegangen werden, bis auf die Anmerkung, dass emotionale, soziale, motorische und kognitive Fähigkeiten (= Kompetenzen) notwendig sind, um selbstständig (=autonom) und unabhängig handeln zu können. Und selbstverständlich bedarf es dazu eines großen Anteils an „Kreativität“, denn sie ist es letztlich, die vor allem das Maß selbstständigen und unabhängigen Handelns mitbestimmt.

Sehen und hören, was wirklich ist, nicht: was sein sollte; sagen, was ich denke, nicht: was ich denken sollte; fühlen, was ich wirklich fühle, nicht: was ich fühlen sollte; fordern, was ich möchte, nicht: immer erst auf Erlaubnis warten; Risiken eingehen, ohne sich immer erst abzusichern ).

Die fünf Freiheiten des Menschen, Virginia Satir

Zunächst einmal kann es leicht passieren, dass Leser:innen zu diesen von Satir benannten Freiheiten zustimmend nicken und glauben, eine Pädagogik in ihrer Einrichtung zu realisieren, die dem entspricht. Doch wenn wir einmal anfangen, diese Postulate mit Beispielen zu füllen, dann kann es schon etwas anders aussehen und die Zustimmung leiser werden.

Sehen und hören, was wirklich ist – die Realität, in der Kinder leben, die für Kinder wichtigen Kleinigkeiten und großartigen Dinge, die Kinder sehen und hören: die tollen Pfützen, in denen man herumspringen kann; der Dreck, der so herrlich verschmiert werden kann; Farben, die ganze Räume ausfüllen, und lautes Schreien, das Spaß macht; gesehe­ne Fernsehsendungen, die Kinder anschauen durften, auch wenn es nicht unserer Vorstellung entspricht, wenn Kinder Spätfilme angeguckt haben; eigene Körperlichkeit, die durch Anschauen und Vergleichen er­fahrbar wird; schlürfen beim Essen und Kinderlachen.

Sagen, was ich denke – die Realität, Worte der Kinder stehen lassen zu können: die „neue“ Sprache (echt geil, irre stark, cool, ätzend, zombigeil und obergut); die alten „schmutzigen“ Wörter, deren Gebrauch gerade deswe­gen so reizvoll ist, weil sich Erwachsene im Kreislauf vergangener Zei­ten bewegen und immer noch aufgeregt und verärgert darauf reagieren.

Fühlen, was ich wirklich fühle – die Realität der Gefühle von Kindern, die sich ärgern und laut schimpfen und damit etwas zum Ausgleich ihres Ärgernisses im Sinne psychohygienischer Entspannung tun; traurig sein und herzhaft weinen, weil es entlastet und befreit; sich freuen und laut lachen, ohne sich einzukriegen, vor lauter Freude im Zimmer herumren­nen und Gefühle in Bewegung umsetzen.

Fordern, was ich möchte – wollen, statt eigene Bedürfnisse zurückzustellen und unterwürfig zu fra­gen, ob es möglich wäre, dieses oder jenes eventuell machen zu dürfen. Risiken eingehen – über Grenzen hinwegdenken, Gewohnheiten infrage stellen, Bekanntes verwerfen und einfach ausprobieren.

Um gleich zu Anfang einem Missverständnis entgegenzuwirken: Es geht nicht darum, grundsätzlich immer und überall den Bedürfnissen von Kindern nachzukommen! Vielmehr geht es um die Realität von Aus­sagen, die in ihrer Praxis so oder ähnlich aussehen.

Kreativität bewegt sich zwischen den Eckwerten „neu“, „anders“, „schöpferisch“, „flexibel“, „selbst finden“, „eigene Potenziale suchen und finden, nutzbar zur Verfügung haben und brauchen“, „Offenheit“, „originell“, „von Gewohntem abweichend“, „ausprobieren“ und „un­gewöhnlich“. Das heißt doch nichts anderes, als sich in der Welt so zu bewegen, dass Menschen, die kreatives Handeln zeigen, nicht durch gewohntes Verhalten „auffallen“, sondern durch ihre neuen Aktivitäten, die sich vom Üblichen absetzen, ins Blickfeld geraten; sich nicht auf der Autobahn (Lebensweg) befinden, sich zwischen den Leitplanken (Normen) bewegen und alle Verkehrsschilder (Ge- und Verbote) exakt ein­halten, nur dort anhalten, wo Rastplätze (vorgegebene Ruhepausen) eingerichtet sind und vorhandene Ausfahrten (Ausweichmöglichkeiten) ein Verlassen gerader Wege erlauben. Kreative Menschen fallen auf, gerade weil sie eigene Lösungsmöglichkeiten suchen.

Bleiben wir noch ein wenig bei dem Begriff „Kreativität“ und bei den ihr zugrunde liegenden Verhaltensweisen, dann zeichnen sich kreative Menschen durch folgende Merkmale aus:

  • Probleme werden als solche wahrgenommen und nicht missachtet.
  • Auseinandersetzungen mit möglichen Problemlösungen werden handelnd und probierend erfahren, ohne durch die Suche nach nur einer Lösung schnell fertig werden zu wollen.
  • Neugierdeverhalten ist der Motor, festgefügte Handlungs- und Denkformen zu überschreiten.
  • Aufgeschlossenheit der sozialen, materiellen und situativen Umwelt gegenüber erfordert Mut und Selbstbewusstsein; sie lassen den Vorstoß ins Neue letztlich zu. Wo diese beiden Merkmale nicht zur Persönlichkeitsstruktur gehören, kann Kreativität nicht wachsen ­– weder bei der ErzieherIn noch bei den Kindern.
  • Energie beflügelt die Seele, aus bekanntem Wissen neue Kombina­tionen zu bilden.

Es wird nicht überraschen, wenn die These aufgestellt wird, dass selbstverständlich nur kreative Erzieher:innen auch Impulse zur Förde­rung der Kreativität bei Kindern geben können. Nur wenn die Voraus­setzung zur Kreativität zum Beispiel

  • eine offene Haltung gegenüber der Umwelt ist, viele Erzieher:innen aber kollegiale Differenzen nicht offen austragen oder die massive Veränderung der Umwelt nur bruchstückhaft wahrnehmen, Eltern gegenüber vorurteilsbeladen sind oder sich neuen, unbequemen Gedan­ken nicht öffnen;
  • die Fähigkeit ist, differenziert zu reagieren, viele Erzieher:innen aber zum Beispiel Verhaltensbündel von Kindern zum Ausgangspunkt ihrer Arbeit machen, statt spezifischen Verhaltensweisen den Vorrang zu geben;
  • Kritikfähigkeit ist, viele Erzieher:innen aber direkten Auseinandersetzungen nicht selten aus dem Wege gehen, eher methodenorientierte Fortbildung besuchen als selbsterfahrungsausgerichtete Seminare;
  • Energiepotenziale verlangt, die Rahmenbedingungen für Kinder und Erzieher:innen in Kindergärten sich aber weiter verschlechtern, sodass viel Energie im täglichen Allerlei verbraucht wird;
  • Erfolgsmotiviertheit ist, im täglichen Arbeitsanfall entsprechende „Erfolge“ aber untergehen und nicht auffallen;
  • Selbstständigkeit und Initiative sind, Erzieher:innen sich aber von Trä­gern abhängig fühlen und dies sicher auch mehr oder weniger so ist; eigene Ideen, geboren aus der Beobachtung von Bedürfnissen von Kindern, zugunsten schon festgelegter Arbeitspläne aufgegeben werden,

dann scheint die Frage spätestens hier berechtigt, ob und inwieweit sich Kreativität bei Kindern entwickeln kann.

Fördernde und hemmende Bedingungen zur Kreativitätsentwicklung

Lassen Sie mich mit einer Fabel beginnen, die einerseits sehr lustig ist, andererseits viel Tragik offenbart. Es ist offensichtlich überflüssig, eige­ne Gedanken zu dieser Fabel zu formulieren, weil ein Transfer zur Ele­mentar- und Primarpädagogik ohne Abstriche hergestellt werden kann, sollte, ja muss.

Das Konzept individueller Unterschiede

Es gab einmal eine Zeit, da hatten die Tiere eine Schule. Das Curriculum bestand aus Rennen, Klettern, Fliegen und Schwimmen, und alle Tiere wurden in allen Fächern unterrichtet. Die Ente war gut im Schwimmen; besser sogar als der Lehrer. Im Fliegen war sie durchschnittlich, aber im Rennen war sie ein besonders hoffnungsloser Fall. Da sie in diesem Fach so schlechte Noten hatte, musste sie nachsitzen und den Schwimmunterricht ausfallen lassen, um das Rennen zu üben. Das tat sie so lange, bis sie auch im Schwimmen nur noch durchschnittlich war. Durchschnittliche Noten waren aber akzeptabel, darum machte sich niemand Gedanken darum, außer der Ente.

Der Adler wurde als Problemschüler angesehen und unnachsichtig und streng gemaßregelt, da er, obwohl er in der Kletterklasse alle anderen darin schlug, darauf bestand, seine eigene Methode anzuwenden. Das Kaninchen war anfänglich im Laufen an der Spitze der Klasse, aber es bekam einen Nervenzusammenbruch und musste von der Schule abge­hen wegen des vielen Nachhilfeunterrichts im Schwimmen. Das Eichhörnchen war Klassenbester im Klettern, aber sein Fluglehrer ließ ihn seine Flugstunden am Boden beginnen, anstatt vom Baumwipfel herunter. Es bekam Muskelkater durch Überanstrengung bei den Startü­bungen und immer mehr „Dreien“ im Klettern und „Fünfen“ im Ren­nen. Die mit Sinn fürs Praktische begabten Präriehunde gaben ihre Jungen zum Dachs in die Lehre, als die Schulbehörde es ablehnte, Buddeln in das Curriculum aufzunehmen. Am Ende des Jahres hielt ein anormaler Aal, der gut schwimmen und etwas rennen, klettern und flie­gen konnte, als Schulbester die Schlussansprache. (Originalquelle unbekannt)

Kreativität kann sich nur dort entwickeln, wo folgende Faktoren eine günstige Ausprägung aufweisen:

  • Umwelt
  • Material
  • Zeit
  • Raum
  • situative Bedingung „Gruppengröße/Zusammensetzung“
  • ErzieherIn
  • Persönlichkeit des Kindes

Da alle sieben Merkmale miteinander in Beziehung stehen, ist eine iso­lierte Betrachtung einzelner Elemente zwar von großer Bedeutung, in der Betrachtung fördernder oder hemmender Bedingungen allerdings nur im Beziehungsgeflecht aussagekräftig. Folgendes Bild scheint daher angebracht:

Bisherige Ergebnisse der Kreativitätsforschung lassen folgende Aussagen zu:

Das Spiel ist der Weg der Kinder zur Erkenntnis der Welt, in der sie leben und die zu verändern sie berufen sind.

Maxim Gorki

Zwischenbilanz

Halten wir einmal fest: Wenn mit dem Begriff „Kreativität“ die Fähigkeit bezeichnet wird, vor einem Problem aus dem Alltag zu stehen und nun Beziehungen zwischen vorher unbekannten Erfahrungen zu finden, die sich in der Form neuer Denkschemata als neue Erfahrungen, Ideen oder Produkte ergeben (Guliford, Farnes, Smith), dann ist sie das Ergebnis (die Auswirkung) von unterschiedlichen Momenten, die auf das Kind einen Einfluss haben. Sie lassen es zu beziehungsweise wirken als Hemmnisse, dass sich Kreativität erst einmal entwickeln kann. Und wenn es um Problemlösungen geht, dann ist damit in keinem Fall nur der Ausschnitt „kreatives Basteln“ oder Ähnliches gemeint. In dem Maße, wie Rahmenbedingungen ungünstig sind – für Kinder und Erzie­her:innen –, in dem Verhältnis wurde der Begriff beschnitten und ver­fälscht. Damit hat er nur noch eine Alibifunktion, die aber grundsätzlich nichts rechtfertigen kann und darf.


krenz-elementarpaed-aktuell

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Elementarpädagogik aktuell
Die Entwicklung des Kindes professionell begleiten
Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548012
208 Seiten, 24,95 €
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Eckwerte zum „kreativen Verhalten“

Wer ein wirkliches Interesse an Kindern hat, der wird den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Entfaltung kreativer Persönlichkeiten legen, zumal es die Aufgabe eines kreativen Erziehers oder einer kreativen Erzieherin ist, Einzigartigkeiten in Kindern zu entdecken, sie zu akzeptieren und Kindern dabei zu helfen, sie zu entwickeln. Kreativität (Lateinisch creare: etwas zeugen, gebären, schaffen, erschaffen) ist nur da möglich, wo Erzieher:innen „Geburtshelfer“ sind und dieses auch als eine ihrer Aufga­ben ansehen. Voraussetzungen zum „Schaffen“ einzuleiten, hemmen­de Wirklichkeiten zu verändern – diese Anforderungen haben dabei höchste Priorität. Möglichkeiten zum selbstständigen und nicht grup­pengebundenen Denken, Toleranz neuen Ideen gegenüber, Probleme zu finden, ihre Lösung zu suchen und auszuprobieren und dabei können Erzieher:innen den Kindern helfen.

Kinder hören auf, dann kreativ zu sein, wenn die unmittelbare und mittelbare Umwelt nicht darauf reagiert. Probleme von Kindern fernzuhalten oder sie für Kinder zu lösen ist überhaupt nicht zweckmäßig, zumal ein Problem nur dann als ein solches identifiziert wird, wenn Kindern die Möglichkeit für eine Lösung fehlt. Probleme schaffen Frustrationen, und gerade sie fordern zum Handeln und Überlegen heraus. Und ohne Herausforderung gibt es keine Kreati­vität im eigenen Leben und dem der Kinder. Augen sind nicht nur zum Sehen, sondern zum Staunen, Schauen und Betrachten da. Ohren sind nicht nur zum Hören, sondern zum Horchen da. Hände können nicht nur greifen, sondern auch tasten, streicheln, fühlen und anfassen. Mit dem Mund kann nicht nur gesprochen, getrunken und gegessen werden, sondern er kann spüren, lachen, weinen, schimpfen, schweigen, singen und vieles andere mehr.

Man sollte Kinder lehren,
ohne Netz
auf einem Seil zu tanzen, bei Nacht allein
unter freiem Himmel zu schlafen,
in einem Kahn
auf das offene Meer hinauszurudern.
Man sollte sie lehren,
sich Luftschlösser
statt Eigenheime zu erträumen, nirgendwo sonst
als nur im Leben zu Haus zu sein,
und in sich selbst Geborgenheit zu finden.

Hans-Herbert Dreiske

Gedanken …

Aus der Kreativitätsforschung wissen wir, dass kreative Menschen auch immer intelligent sind, intelligente Menschen aber nicht automatisch kreativ. Dort, wo Neugierde, die jeder Mensch in sich trägt, unterdrückt wird, konformes, altbewährtes Denken den Vorrang vor Originalität bekommt, werden Wagnisse gebremst, wird Kreativität blockiert. Resig­niert zieht Erika Landau, eine der großen Kreativitätsforscherinnen unserer Zeit, folgendes Resümee: Am traurigsten jedoch erscheint mir die Folgeerscheinung dieser Erziehung, die sich mit Ansammeln von Wissen begnügt, die darin besteht, dass das Individuum eigentlich für die Vergangenheit vorbereitet wird. Die Mittel, sich kreativ mit den Problemen der Zukunft zu befassen, werden ihm nicht zur Verfügung gestellt. Damit hat Kreativität selbstverständlich auch eine gesellschaftliche Bedeutung: Neue Probleme in der Umwelt, Technik, Forschung bedürfen neuer Lösungen. An der Zukunft partizipieren heißt damit, Kindern ihre eigene kreative Entwicklung erschließen helfen, damit sie auch ihre Zu­kunft erleben (können) und unsere Zukunft mitgestalten.

Schlusswort

Kreative Menschen – Kinder, Jugendliche und Erwachsene – sind dyna­misch und wortgewandt, emotional stabil, unkonventionell und nonkon­form, ausdauernd und hartnäckig, haben Vorlieben für Neues und lösen sich bei Bedarf von traditionellen Anschauungen. Wenn dem so ist – und dem ist so –, dann gibt es zwei Möglichkeiten in der Ausgestaltung der Elementarpädagogik: Entweder die Arbeit im Kindergarten lässt diese Entwicklung zu, weil diese Verhaltensweisen kreativen Kindern zu eigen sind, oder das „Lernziel Kreativität“ verliert seine Berechtigung, in Konzeptionen aufgeführt zu sein beziehungsweise in Gesprächen mit Kollegen, Kolleginnen und Eltern genannt zu werden.

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor i.R., Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik




Sichere Orte für Kinder

Jahrestagung 2022 der Deutschen Liga für das Kind vom 7. bis 8. Oktober in Leipzig

Besuchen Sie die Jahrestagung der Liga für das Kind 2022 „Sichere Orte für Kinder! Schutz der Kinderrechte: Verantwortung aller Institutionen für Kinder!“ Die Online-Anmeldung ist möglich unter https://fruehe-kindheit-online.de/?cat=c13_Jahrestagung-2022-Anmeldung-zur-Jahrestagung-2022.html.

Wie sicher ist der Alltag von Kindern?

Vor zehn Jahren ist das Bundeskinderschutzgesetz in Kraft getreten, mit vielen Verbesserungen für den vorbeugenden und eingreifenden Schutz von Kindern, etwa vor Gewalt oder Vernachlässigung. Risiken für Kinder können nicht nur von ihrem familiären Umfeld ausgehen, sondern auch durch Personal in Institutionen, die eigentlich nur für Kinder da sind. Was macht einen Ort, der Lebenswelt für Kinder ist, zu einem sicheren Ort? Ist Schutz vor Gewalt genug Schutz für Kinder? Wie verantworten Institutionen den Schutz der Rechte von Kindern insgesamt und wie sehen Kinder das selbst? Auf der Tagung wird erörtert, was reale und virtuelle Lebenswelten zu sicheren Orten für Kinder macht und wie Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte einander bedingen. Es soll diskutiert werden, welche Verantwortung den Institutionen zukommt, in denen sich entscheidet, wie sicher der Alltag von Kindern ist. Die interdisziplinäre Tagung richtet sich an alle mit Kindern und Familien tätigen Fachkräfte, an Verantwortliche in Politik, Justiz und Verwaltung sowie an Studierende, Auszubildende und alle am Thema Interessierte.

Schutz des Rechts von Kindern auf seelische Gesundheit

Unter anderem erwartet Sie ein Vortrag von Professor Dr. Michael Kölch, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter in Rostock, zum Thema „Schutz des Rechts von Kindern auf seelische Gesundheit – was bedeutet das eigentlich?“ Das Recht von Kindern und Jugendlichen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit umfasst auch die psychische Gesundheit –gerade in Industrienationen ist dies das Kinder- und Jugendgesundheitsthema Nummer eins. Gibt es ein Aufwachsen ohne Entwicklungsschwellen, die belastend sein können? Welche Faktoren beeinflussen die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen am meisten negativ und positiv? Wo liegen die gesellschaftlichen Aufgaben jenseits individueller Ansätze, um Kindern ein psychisch gesundes Aufwachsen zu ermöglichen? Was bedeutet ein abstrakter (Rechts-) Anspruch konkret für die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland? Der Vortrag von Prof. Dr. Michael Kölch wird auf diese Fragen eingehen und aufzeigen, welche Handlungsschritte in Deutschland, aber auch im internationalen Kontext notwendig sind, damit Kinder und Jugendliche seelisch gesund aufwachsen können.

Mehr Informationen finden Sie unter https://liga-kind.de/jahrestagung/.

Quelle: Information der Deutschen Liga für das Kind




Warum draußen spielen für Kinder wichtig ist

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über das Spielen und ds Spielen im Freien

Vor allem im Sommer wollen Kinder eines: Draußen spielen! Spielen ist für Kinder ein Grundbedürfnis – es ist der kindliche Zugang zur Welt. Körperliche und geistige Fähigkeiten werden dabei entwickelt und neue, wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) informiert unter https://www.kindergesundheit-info.de, warum das Spielen für Kinder so wichtig ist, wie Spielräume draußen gestaltet werden können und worauf Eltern achten sollten, um Unfallrisiken zu minimieren.

Das BZgA-Informationsportal https://www.klima-mensch-gesundheit.de gibt Eltern Tipps, wie sie ihren Nachwuchs am besten vor Hitze und UV-Strahlung schützen können.

Drei Fragen an Prof. Dr. Martin Dietrich, Kommissarischer Direktor der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA):

Warum ist Spielen so wichtig für Kinder?

Das Gehirn des Kindes ist bei der Geburt noch nicht vollständig ausgereift. Vor allem während der ersten Lebensjahre bilden sich wichtige Nervenbahnen und deren Verschaltungen erst noch aus. Beim Spielen machen Kinder vielfältige Erfahrungen – je komplexer und häufiger diese sind, desto besser unterstützen sie die kindliche

Gehirnentwicklung. Das Spielen ist auch für die körperliche Entwicklung des Kindes wichtig, denn durch die Bewegung werden die motorischen Fähigkeiten, das Gleichgewichtssystem und die Koordination geschult. Zudem lernen die Kinder sich selbst besser kennen, beispielsweise was sie interessiert und wie sie mit Gefühlen umgehen können, und entwickeln darüber hinaus soziale Kompetenzen im gemeinsamen Spiel.

Wie können Eltern das Spielen ihrer Kinder unterstützen?

Kinder möchten frei und selbstbestimmt spielen. Sie sind von Natur aus neugierig, spontan und experimentierfreudig. Deshalb möchten sie beim Spielen möglichst wenig von Erwachsenen vorgegeben oder strukturiert bekommen. Eltern können und sollen dennoch Anregungen geben. Durch Impulse und die Möglichkeit vielseitiger Erfahrungen können sie ihre Kinder darin unterstützen, neu erworbenen Fähigkeiten zu üben. Dies gilt besonders auch für Kinder, die wegen einer Erkrankung oder Behinderung spezielle Unterstützung benötigen. Aber auch hier sollte das freie Spiel den größten Anteil im Tagesablauf der Kinder einnehmen. Wichtig ist, nicht enttäuscht zu sein, wenn das Kind anders spielt, als die Eltern sich das vorstellen. Es hat seine ganz eigenen Vorstellungen und das Beste ist, dem Kind den möglichen Freiraum zu geben.


Methoden und Anregungen für Gruppenleiter:innen

Sich im Spiel kennenlernen, mit Spielen den Einstieg in relevante Themen finden, über das Spiel zum Gespräch kommen, durch das Spiel Gruppenprozesse erleben und mit Spielen den Abschied gemeinsam gestalten. Spielen bietet viele Möglichkeiten für die Arbeit mit Gruppen. Die Autorin stellt eine große Anzahl von Spielen und Methoden für die Gruppenarbeit vor und zeigt, wie man unterschiedliche Themen aufgreifen und im Spiel bearbeiten kann. Den Gruppenleiter:innen werden Methoden und Anregungen für einen didaktisch sinnvollen Aufbau von Spielen an die Hand gegeben.

Heike Baum
Spiel ist mehr als Spaß – Spiele und Methoden für die Gruppenarbeit
Taschenbuch, 144 Seiten
ISBN: 978-3-944548-18-0
7,95 €


Wie kann das Spielen im Freien gestaltet werden?

Spielplätze und Parks sind gut geeignet, damit Kinder sich austoben und an der frischen Luft bewegen können. Auch Ausflüge zu einem See oder in den Wald sind eine schöne Gelegenheit zum Spielen. Wenn die Zeit nicht reicht, kann auch der Gang zum Supermarkt genutzt werden: Ein Weg, der beispielsweise durch einen Park führt, gibt dem Kind die Möglichkeit, auf eine Bank zu klettern, auf Mauern zu balancieren und über Pfützen zu springen – das stärkt Mut und Selbstvertrauen. An Hitzetagen sollten Eltern darauf achten, Babys und Kleinkinder weder der Sonne noch intensiver Mittagshitze auszusetzen. Auch ausreichendes Trinken ist sehr wichtig.

Allgemeine Infos:

Draußen spielen …

… ist gesund

Spielen ist als kindliches Grundbedürfnis für die Entwicklung genauso wichtig wie Schlafen, Essen und Trinken. Beim Spielen sammelt ein Kind grundlegende Erfahrungen, macht sich mit der Welt vertraut und beginnt, sie zu begreifen. Kinder lernen im Spiel. Sie suchen sich die Anregungen, die sie gerade für ihre Entwicklung brauchen, und lernen die Welt kennen.

Sie machen sich mit alltäglichen Gegenständen vertraut, finden heraus, wie Dinge funktionieren, und üben ihre motorischen und geistigen Fähigkeiten.

… fördert in allen Bereichen

Grundlegende Fertigkeiten und Kenntnisse werden durch das Spielen geübt und gefestigt. Selbstwertgefühl, Selbstbestätigung, Denk- und Merkfähigkeit und Kreativität entwickeln sich, Verantwortung für sich selbst und andere wird übernommen. Das Einhalten von Regeln und Aushalten von Enttäuschung und Misserfolg wird erprobt und das Einfühlungsvermögen geschult.

… wird im Garten zum Abenteuer

Wenn Sie einen Garten haben, lässt sich dieser wunderbar zum Spielen, Lernen und Bewegen nutzen: Das Kind kann im Garten helfen. Beim Ernten, Mähen und Gärtnern geben kleine Handreichungen Kindern enorme Bestätigung. Im Sommer kann ein Zelt aufgestellt werden, das das Kind als „eigenes kleines Haus“ entdecken kann.

… geht auch in der Stadt

Auch Stadtkinder, die keinen eigenen Garten haben, brauchen das Spielen im Freien. Parks und Spielplätze sind beliebte Anlaufstellen, aber auch Seen, Schwimmbäder, ein Wald oder ein Bach können wertvolle Anregungen und Spielmöglichkeiten bieten. Ein eigener

Blumenkasten auf der Fensterbank gibt Kindern die Möglichkeit, einen eigenen kleinen „Kräutergarten“ anzulegen und die Pflanzen zu beobachten.

Darauf sollte man achten:

• Ein Kind braucht Freiräume und muss auch mal etwas wagen dürfen. Eltern sollten daher nicht bei der kleinsten Gefahr herbeistürzen oder ihr Kind ständig vor möglichen Gefahren warnen. Es muss also zwischen Freiraum und Grenzen abgewogen werden, sodass das Kind lernt, Risiken selber einzuschätzen.

• Allerdings sollte der eigene Garten auf mögliche Gefahrenquellen hin untersucht werden: Giftige Pflanzen, morsche Bäume, Draht und Gartengeräte können für ein Kind gefährlich werden. Hier gilt es, zu überprüfen, wo Vorsichtsmaßnahmen nötig sind. Gewächse wie Eisenhut oder Tollkirsche sollten entfernt werden, Gartenteiche

und Wassertonnen so geschützt sein, dass ein Kind nicht hineinklettern kann. Auch Gartengeräte sollten nicht frei herumliegen und von Eltern mit gebührender Vorsicht benutzt werden, denn so lernen Kinder schnell, dass es sich nicht um Spielzeug handelt.

• Die Gefahr von Wasser wird meist unterschätzt. An Pools oder anderen Schwimmgelegenheiten, Badeseen oder Wasserläufen dürfen Kinder nur unter Aufsicht spielen, erst recht, wenn sie noch keine geübten Schwimmer sind. Insbesondere Kleinkinder im Alter von ein bis vier Jahren sollten auch im Planschbecken oder im kleinen Bach auf keinen Fall unbeaufsichtigt gelassen werden.

• Sonnenschutz ist ein Muss: In den ersten zwölf Lebensmonaten sollte ein Kind keiner direkten Sonnenausstrahlung ausgesetzt sein und muss daher durch Schattenplätze und sonnengerechte Kleidung geschützt werden. Darüber hinaus sollten Kinder auch nach dem ersten Lebensjahr möglichst wenig direkte Sonnenbestrahlung abbekommen und ausreichend geschützt sein.

• Der Lärm von Menschen, die man gern hat, wird leichter ertragen als der Lärm von Unbekannten – versuchen Sie also, sich mit den Nachbarn in ihrer unmittelbaren Umgebung gut zu stellen, sodass diese entspannt reagieren, wenn es beim Spielen mal lauter wird.

Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung




Kinder brauchen ZEIT für ihre Ent-wicklung

Ein Plädoyer zur notwendigen Entschleunigung des Kita-Alltags

Schon seit vielen Jahren beklagen Kindheitsforscher, ganzheitlich orientierte Kinderärzte sowie zeitorientierte und wachsame elementarpädagogische Fachkräfte den Umstand, dass Kindern immer weniger Zeit zur Verfügung gestellt wird, um eigenen Interessen in Ruhe nachgehen zu können, eigene Vorhaben ungestört umzusetzen oder auch Zeiten zu genießen, ohne etwas Großartiges im Sinne einer bewegungsaktiven Handlung zu unternehmen. Das betrifft sowohl viele Kinder in ihrem Elternhaus als auch in zunehmendem Maße in von ihnen besuchten Kindertageseinrichtungen. Ein Blick in eine Reihe von Kindertageseinrichtungen macht dies deutlich, indem es festgelegte (starre) Tagesablaufstrukturen, fest verankerte Wochentagaktivitäten und ausgefüllte Tagespläne gibt, die den Aufenthalt der Kinder takten.

Kindheit braucht Zeit

Die Gründe für den Raub von Kinderzeiten sind vielfältig. Sicherlich haben sich einerseits die Lebensbedingungen und -umstände vieler Eltern und der elementarpädagogischen Fachkräfte – nicht zuletzt durch eigene biographische Erfahrungen in einer zunehmend immer stärker technisierten und sich im Wandel befindlichen Welt – verändert und beschleunigt. Andererseits hat die überaus starke und rasante Aufwertung des Begriffs der „frühkindlichen Bildung“ mit all ihren vielen Förderfacetten ebenfalls dazu beigetragen, dass sich in der Gestaltung der Elementarpädagogik Vieles, Grundlegendes verändert hat. Und das nicht nur zum Vorteil/ Wohl von Kindern. Gleichzeitig wurde bzw. wird dadurch allerdings der eigene Entwicklungszeitraum Kindheit zunehmend, teilweise vollkommen funktionalisiert, so dass das Zeitempfinden bei Kindern verkümmert, weil außengesteuerte Zeitrhythmen und Zeitmuster den Alltag der Kinder bestimmen. 

Zeit bewusst genießen und wahrnehmen

Zeit ist eines der 16 seelischen Grundbedürfnisse des Kindes (vgl. Krenz 2013). Sie ist eine äußerst wichtige Ressource, die dem Kind die Möglichkeit gibt, sich selbst als eine individuelle, unverwechselbare Person kennenzulernen und ebenso eigene Fähigkeiten wahrzunehmen als auch fehlende/ hinderliche Fertigkeiten zu bemerken, Beziehungen zu anderen Menschen, der Natur, zu Tieren und Gegenständen herzustellen und aufzubauen, Beziehungsqualitäten einschätzen zu können und zu differenzieren, Zu- und Abneigungen zu entwickeln, innewohnende Gefühle zu spüren und auszudrücken, besondere Interessen zu bemerken und diesen nachgehen zu können, persönliche Stärken und Schwächen tiefer gehend zu erkunden, individuell geprägte Stärken zu stärken und Chancen zu ergreifen, Schwächen zu schwächen, die eigene Selbstständigkeit auszubauen, mit der Zeit soziale Kompetenzen aufzubauen und somit einen sicheren Platz in seiner Lebenswelt zu entdecken, in der sich das Kind gut aufgehoben und wertschätzend behandelt fühlt.

Zeit- und Raumdiebe

Eine große Reihe von „Auffälligkeiten“ bei Kindern (wie z. B. regressive, aggressive, gewalttätige Ausdrucksweisen wie auch psychosomatische Erkrankungen) sind häufig eine Folge aus den drei großen entwicklungshinderlichen Bedingungsfeldern im Alltagsleben von Kindern. Erscheinungsformen eines irritierten Verhaltens bei Kindern zeigen sich aufgrund hauptsächlich folgender Zeit- und Raumdiebe:

–      Zerrissener Kinderzeiten

–      Eingeengter Kinderwelten/Kinderräume

–      Zerteilten Kinderlebens

Darin sind sich viele (inter)national tätige und forschende ErziehungswissenschaftlerInnen und Entwicklungspsycholog:innen aufgrund einer systemischen Betrachtung heutiger Kindheiten, kindeigener Ausdrucksformen und vorgegebener Entwicklungsbedingungen einig. Kurzum auf den Punkt gebracht bedeutet dies:


Was Kinder wirklich brauchen

In einer Zeit wirtschaftlicher und technologischer Wandlungen, veränderter Situationen des Wohnens und Zusammenlebens, in der mediale Konsumorientierung bereits das frühkindliche Leben mitprägt, sollten wir einmal einen Schritt zurücktreten und – ohne uns den modernen Möglichkeiten zu verweigern – darüber nachdenken, was unsere Kinder, seien es eigene oder im pädagogischen Rahmen anvertraute, zu einer positiven Selbstentwicklung wirklich brauchen.

Armin Krenz
Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik – Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln
Klappenbroschur, 200 Seiten
Burckhardthaus Verlag
ISBN: 978-3-944548-02-9
24,95 €


Erwachsene bieten Kindern immer mehr und immer häufiger Räume an, die in ihrer Gestaltung auf eine bestimmte Funktionalität ausgerichtet sind, Kindern werden Tätigkeiten von Erwachsenen – mit festen Erwartungsvorstellungen ausgestattet –vorgegeben, die Kinder möglichst zu erfüllen haben und dabei wird das Ganze in vorher festgelegten Zeiteinheiten eingebettet, in denen sich das Kind dem vorgesetzten Angebot zuzuwenden hat. Erfahrungsräume werden arrangiert, künstliche Situationen, die mit dem Alltagserleben des Kindes teilweise oder gar nichts zu tun haben, hergestellt (= Konfrontation mit einer Wirklichkeit aus 2. Hand), um Leistungen des Kindes mit zuvor erfassten Lernzielen in eine Übereinstimmung zu bringen.

Zeit: ein fortwährendes Thema

Schon im Jahre 1990 erschien in der Zeitschrift PSYCHOLOGIE HEUTE ein Artikel von Helga Zeiher unter dem Titel „Kindheit: organisiert und isoliert“ (Heft 2/1990), „DIE ZEIT“ berichtete vom „Ende der Kindheit“ (19.04.2000, Nr. 17) und in der Zeitung „Die Woche“ lautete die Überschrift eines lesenswerten Beitrags „Kaputte Kindheit“ (03.01.1997, Nr. 2). Schon vor über 2 ½ Jahrzehnten mussten sich also Eltern, ErzieherInnen und PolitikerInnen die Frage nach dem „Recht des Kindes auf den heutigen Tag“ von Janusz Korczak stellen und für Veränderungen sorgen. Der bekannteösterreichische Lehrer und Schriftsteller Ernst Ferstl hat offensichtlich leider Recht, wenn er meint: „Wir brauchen viele Jahre bis wir verstehen, wie kostbar Augenblicke sein können“. (Ferstl, E.: Kurz und fündig. Gedanken mit Tiefgang, 1995)

Anstatt sich den tatsächlichen Entstehungsbedingungen des erwartungswidrigen Verhaltens bei Kindern zuzuwenden, diese fachkompetent und differenziert zu identifizieren und nachhaltige, entwicklungsförderliche Bedingungen in Gang zu setzen, werden Kinder im Sinne eines medizinischen Modells klassifiziert und mit Begriffsetikettierungen bewertet, um sie als veränderungswürdig in Maßnahmen zu bringen, die bei ihnen eine Verhaltensänderung bewirken soll. Strukturelle, externe, institutionsbedingte, personale Ursachen werden dabei häufig ausgeblendet, so dass das Kind als Symptomträger in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt wird.

Prof. Dr. Klaus-Peter Brinkhoff hat das Thema „Kindheiten in der heutigen Zeit“ in seinem Beitrag „Kindsein ist kein Kinderspiel“ (in Mansel 1996, 25-59) mit zutreffenden Begriffen sehr deutlich auf den Punkt gebracht, wenn er unter anderem von einer abgefederten „Airbag-Kindheit“, einer gnadenlosen „Konsum-Kindheit“, einer beherrschenden „Medien-Kindheit“, einer mit allen Weltereignissen konfrontierten „Erste-Reihe-Kindheit“, einer früh angelegten „Karriere-Kindheit“, einer funktionsgestalteten „Insel-Kindheit“, einer künstlich angebotenen „Entsinnlichten Kindheit“, einer durch den Verlust der Kindheit geprägten „Gefährdete Kindheit“ und schließlich einer „Ungewissen Kindheit“ spricht. In allem ist ein roter Faden zu erkennen, der sich durch diese Begriffs-Kindheiten zieht: Kindern fehlt ihre Zeit, um mit Ruhe und in unstrukturierten Räumen eigene Erfahrungen zu sammeln, unbelastet von Erwachsenenproblemen und nicht mit fremdbestimmenden Vorgabestrukturen überfrachtet.  

Von Kindern lernen

Kinder benötigen ihr eigenes, für sie selbst noch nicht begreif- und erfassbares Zeitmaß (Jean Piaget), in/ nach dem sie ihre Wahrnehmungen und Beobachtungen nach subjektiven Bedürfnissen ausrichten und fokussieren dürfen, um sich mit ihrer selbstmotivierten Konzentration und intrinsisch gelenkter Aufmerksamkeit ihrem eigenen Attraktivitätsobjekt -handeln zuwenden können. Überall dort, wo solche Wahrnehmungsprozesse im Kind unterbrochen oder gar unterbunden werden, bleibt im Kind eine unfertige, unbearbeitete Situation vorhanden und sorgt im weiteren Verlauf für halbherzige oder nicht vorhandene Aufmerksamkeit auf das neue Wahrnehmungsobjekt. NeurowissenschaftlerInnen stellen bei Kindern eine zunehmende Anhäufung von Stresshormonen (= biochemische Botenstoffe) durch besondere Belastungen fest, indem bei eher kurzzeitigen Belastungserlebnissen so genannte Katecholamine (Adrenalin + Noradrenalin) und bei dauerhaften Belastungen so genannte Glukokortikoide in der Nebenniere gebildet und freigesetzt werden. Über die weitere Vermittlung des Corticotropin-releasing Hormons wird Adrenocorticotropin freigesetzt, das wiederum die Synthese und Ausschüttung des Glukokortikoids Cortisol aus der Nebennierenrinde stimuliert. So entsteht im Kind der folgende Gefühlsimpuls: Flucht oder Kampf, Desinteresse bzw. Abwendung vom Angebot oder Auflehnung/ aggressive Abneigung gegen das, was das Kind um sich herum erlebt. ZEIT und RAUM würde eine solche verfahrene Situation erst gar nicht aufkommen oder sich zuspitzen lassen. (Ellneby, Y, Kinder unter Stress, 2001 / Carter, R., Das Gehirn, 2009)

Fragen, die daher im Sinne einer tatsächlichen Kindorientierung immer dringlicher im Sinne einer zeitgebenden Entwicklungsunterstützung angezeigt sind und in den Vordergrund gerückt werden müssen, lauten wie folgt: Was braucht das Kind an Unterstützung im Hinblick auf seine Interessen und Bedürfnisse? Welche aktive Begleitung braucht das Kind, um seine subjektiv ausgerichtete Neugierde ausdrücken und handelnd ausprobieren zu können? Womit kann dem Kind geholfen werden, um seine innewohnenden Ressortkompetenzen zu entdecken und diese handlungsaktiv in Erfahrung zu bringen?

Lernen heißt:  Alte Erfahrungen neu durchdenken. (Willy Möbius)

Um aus einer entwicklungsfeindlichen Beschleunigungspädagogik herauszufinden und zu einer entschleunigen Entwicklungsbegleitung der Kinder zu gelangen bedarf es vor allem folgender Umkehrschritte:

  1. Entsprechend der UN-Charta „Rechte des Kindes“ ist das Wohl des Kindes vorrangig vor allen anderen Gesichtpunkten zu berücksichtigen (Art. 3;1), einschließlich des Rechts auf Ruhe und Freizeit, Spiel und … Ruhe (Art. 31;1).
  2. Insofern darf auch das Thema Partizipation weder als ein zusätzlicher, funktional gestalteter Programmpunkt in die Bildungslandschaft aufgenommen sondern stattdessen muss Partizipation von Anfang an in die Alltagspädagogik als permanenter Bestandteil einer demokratischen Pädagogik integriert werden.
  3. Die Pädagogik muss erkennen, dass Kinder die Lehrmeister für alle pädagogischen Fachkräfte sowie die Ausgestaltung der Pädagogik und damit nicht Lehrprogramme der Ausgangspunkt für Lernprozesse sind.
  4. Die Grundlagen für eine kindorientierte und zugleich professionell gestaltete Elementarpädagogik sind aus den Erkenntnissen entwicklungspsychologischer Gesetzmäßigkeiten, der Bindungs- und Bildungsforschung abzuleiten und müssen damit modernistische Tendenzen in ihre Schranken verweisen.
  5. Es muss endlich zur Kenntnis genommen werden, dass Kindheiten ein eigener Entwicklungszeitraum mit eigenen Merkmalen ist und besondere Erfordernissen notwendig macht.
  6. Die Elementarpädagogik muss sich wieder als eigenständige Fachdisziplin verstehen und aus der Einverleibung durch die Schulpädagogik lösen.
  7. „Bildung“ muss als ein Prozess der Selbstbildung des Kindes verstanden werden – das erfordert eine völlige Ablösung von teilisolierten und nicht nachhaltigen Förderprogrammen.
  8. Wenn sich die elementarpädagogischen Fachkräfte als aktive Entwicklungsbegleiter/innen des Kindes verstehen, erübrigt sich auch das Wort „Förderung“, das eine „Bildung aus 2. Hand“ immer wieder auf’s Neue aktualisiert und das Kind weiterhin in Beschlag nehmen würde.      

Literatur:

Bertram, Hans (Hrsg.): Reiche, kluge, glückliche Kinder? Der UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland. Beltz Juventa 2013

Bergmann, Wolfgang: Lasst eure Kinder in Ruhe! Kösel Verlag,  2011

Bergmann, Wolfgang: Das Drama des modernen Kindes, Beltz Verlag, 2006

Bühler-Niederberger, Doris: Lebensphase Kindheit. Beltz Juventa Verlag,  2011

Krenz, Armin: Kinder brauchen Seelenproviant. 6. Auflage, Kösel 2019

Krenz, Armin: Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik. Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln. Burckhardthaus-Laetare, Körner Medien UG 2014

Renz-Polster, Herbert: Menschenkinder. Artgerechte Erziehung – was unser Nachwuchs wirklich braucht. 2. Auflage. Kösel 2016

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor i.R., Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik




Hängen Musik und Verstand zusammen?

Wissenschaftler:innen aus Australien, England und Deutschland können bisher keine direkte Verbindung nachweisen

Immer wieder wird diskutiert, inwieweit musikalische Bildung auch für andere kognitive Fähigkeiten oder schulische Leistungen von Vorteil sein kann. Forscher:innen der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, der Goldsmiths University of London, der Macquarie University in Sydney, des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main und der University of Cambridge haben sich dieser Frage nun mithilfe einer neuen wissenschaftlichen Methode genähert. Die Ergebnisse der Studie sind vor einiger Zeit im Fachmagazin „Music Perception“ erschienen.

Die wesentliche Komponente ist das Arbeitsgedächtnis

Eine wesentliche Komponente für alle kognitiven Fähigkeiten ist das Arbeitsgedächtnis, also die Fähigkeit, Dinge im Gedächtnis zu behalten und sie ohne externe Hilfsmittel wie Stift oder Papier kognitiv zu verarbeiten. Noch ist jedoch unklar, ob das Arbeitsgedächtnis universell oder bereichsspezifisch funktioniert, sprich: ob das Gehirn für Musik, Bilder, Sprache oder Mathematik dieselben Bereiche und Kapazitäten nutzt – oder verschiedene.

In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler:innen insgesamt 148 Personen. Anhand sechs verschiedener Tests glichen sie das musikalische und das visuelle Arbeitsgedächtnis der Studienteilnehmer:innen mit deren Grad an musikalischer Bildung ab.

Neue wissenschaftliche Methode

„In den bisherigen Forschungen zum Zusammenhang von musikalischer Bildung und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten wurde das musikalische Gedächtnis häufig nicht berücksichtigt. Wir haben diese Triade nun mithilfe des ‚Causal Modeling‘-Ansatzes untersucht, einer relativ neuen wissenschaftlichen Methode, mit der man unter gewissen Voraussetzungen kausale Zusammenhänge feststellen kann“, erläutert Seniorautor Peter Harrison vom MPIEA.

Die Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen: Wenn musikalische Bildung das visuelle Arbeitsgedächtnis beeinflusst, dann über den „Umweg“ des musikalischen Arbeitsgedächtnisses. Das heißt, musikalische Bildung verbessert in erster Linie das musikalische Arbeitsgedächtnis, was dann wiederum einen positiven Effekt auf das visuelle Arbeitsgedächtnis haben könnte. Darüber hinaus ergaben die Tests, dass – andersherum – ein allgemein gutes Arbeitsgedächtnis grundsätzlich eine musikalische Bildung erleichtert.

Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es eine gemeinsame bereichsübergreifende Komponente gibt, die sowohl das visuelle als auch das musikalische Arbeitsgedächtnis beeinflusst. Ein direkter Zusammenhang zwischen musikalischer Bildung und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten scheint dagegen eher unwahrscheinlich. Langzeitstudien, bei denen die Entwicklung musikalischer und kognitiver Fähigkeiten bei Personen mit und ohne musikalische Bildung verglichen werden, könnten diese Ergebnisse weiter konkretisieren.

Originalpublikation:

Silas, S., Müllensiefen, D., Gelding, R., Frieler, K. & Harrison, P.M.C. (2022). The Associations Between Music Training, Musical Working Memory, and Visuospatial Working Memory: An Opportunity for Causal Modeling. Music Perception, 39(4): 401–420. https://doi.org/10.1525/mp.2022.39.4.401

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik
Klaus Frieler
klaus.frieler@ae.mpg.de

Ina Wittmann (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik)