Singend und spielend in die Welt einführen

Altbekanntes mit neuen Texten neu erspielen – Spielerisch Bewegungsabläufe kennenlernen

Ein Großteil der verbreitetsten Kinderlieder stammt aus dem 20. Jahrhundert, manche Lieder sind noch früher entstanden oder es handelt sich um Neudichtungen auf noch ältere Melodien. Sie hatten und haben oft die Funktion, das Kind singend und spielend in die Welt einzuführen, die kindliche Motorik zu unterstützen und Gedächtnisabläufe ein­zuüben. Es handelt sich sehr oft um Spiel- und Tanzlie­der, in denen verschiedene Berufe oder Tätigkeiten vorgestellt und mit entsprechenden Bewegungen be­gleitet werden. Kinder lernen auf diese Weise spiele­risch Bewegungsabläufe kennen, die ihren Alltag be­treffen.

Schön früher wurden Alte Melodien mit neuen Texten versehen

Heute lassen sich nur sehr schwer viele dieser alten Lieder nutzten, weil sich die Lebenszusammenhänge radikal verändert haben. Es lässt sich nicht mehr so leicht vom „Pflügen und Streuen“ singen oder fragen: „Wer will fleißige Hand­werker sehn?“ Manche Berufsgruppen gibt es über­haupt nicht mehr, viele neue Tätigkeiten besonders im technischen Bereich sind schlecht oder gar nicht zu be­singen.

Dennoch reizt es uns immer wieder, auch altbekannte Lieder den Kindern näherzubrin­gen. Allerdings ist es ­nötig, dann auch Hintergründe zu erklären. Oft sind es besonders die Melodien, die im Ohr bleiben. Deshalb empfiehlt es sich, zu solchen „Ohrwürmern“ neue Texte zu machen, wie es unsere Vorfahren ebenso getan haben.

Kleben am Vorgegebenen ist hinderlich

Manchmal reicht es aus, zu solchen alten Liedern neue Bewegungen oder Spielmöglichkeiten zu erfinden. Wir können uns auch dabei auf die Fantasie der Kinder verlassen. Oft genug ist ja das Festkleben am Vorgegebenen eher hinderlich. Kinder aber gehen spielerisch auch mit Altem um, und es ist sinnvoll, ihre „Spinnereien“ miteinzubeziehen. Es gibt eine Fülle von Liedern, die veränderbar sind, nicht nur solche, bei denen es ausdrücklich heißt: wei­terdichten.

Kommt, zieht mit uns

Die einfache Melodie vom Lied „Die Affen rasen durch den Wald“ eignet sich besonders gut für neue Texte. Die folgende Textfassung bietet neben dem neuen Text auch gleich ein kleines Bewegungsspiel.

Dieses Lied kann gut am Anfang als Aufforderung zum Mitspielen stehen.

1 Kommt, zieht mit uns durchs ganze Land, fasst links und rechts je eine Hand; singt laut und fröhlich unser Lied:
Refrain: Wir machen alle mit
und setzen Schritt vor Schritt,
mal in die Mitte, mal zurück.

2 Kommt, haltet fest und schließt den Kreis, beim Laufen wird uns langsam heiß; klatscht laut, begleitet unser Lied:
Refrain: Wir klatschen alle mit
und setzen Schritt vor Schritt …

3 Kommt, baut ein schönes großes Haus, lasst alle ein und keinen aus; stampft mit den Füßen zu dem Lied:
Refrain: Wir stampfen alle mit
und setzen Schritt vor Schritt …

Die Spielanweisungen sind im Lied enthalten. Wäh­rend sich die Kinder bei den Strophen im Kreis nach links und nach rechts bewegen, setzen sie beim Refrain „Schritt vor Schritt“ in die Kreismitte, bei der Wieder­holung des Refrains gehen sie langsam wieder zurück.

Es liegt auf der Hand, dass hier weitergedichtet wird.

ARAMSAMSAM, OROMSOMSOM

Abgesehen von der Lautspielerei bietet dieses kleine bekannte Liedchen verschiedene Mög­lichkeiten. Nachdem alle die Melodie kennen, wird das Lied mit folgenden Bewegungen gesungen. Dabei ste­hen wir mit genügend Abstand im Kreis.

Aramsamsam Mit den Fäusten auf der Brust trommeln.
Gulli, gulli Nach vorn beugen, schnell aufrichten
und
Ramsamsam wieder trommeln.
A– Hände auf der Brust halten und bei
ravi Arme breit auseinanderschwingen.

Wer Lust hat, kann auch folgende Textvarianten ausprobieren:
Oromsomsom, gilligilli romsomsom, Orovi, orovi, gilli etc.
Urumsumsum, galligalli rumsumsum, Uruvi, uruvi, galli etc.

Auch im Sitzen können wir uns dazu bewegen.

Aramsamsam Rhythmisch auf Oberschenkel schlagen.
Gulli, gulli Auf die Brust klopfen und bei
Ramsamsam wieder auf die Oberschenkel schlagen.
Aravi Oberkörper strecken. Arme heben und weit nach vorn beugen, bis die Hände den Boden berühren,
danach weiter wie gehabt.

Bei-uns-spielt-die-Musik-aramsam

Besonders lustig wird es, wenn wir das Lied jetzt als Ka­non in zwei Gruppen singen. Dabei sitzen sich immer zwei unterschiedliche Partner gegenüber oder im Kreis nebeneinander.

Bei uns spielt die Musik

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Bei uns spielt die Musik
Klangspiele und Spiellieder
Eckart Bücken
Burckhardthaus-Laetare
ISBN 9783944548142
9,90 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




Die Gesprächskultur im Team

Gute Kommunikation ist ein zentrales und bedeutsames Qualitätsmerkmal in einem funktionierenden Team

Die Sprache ist unsere meist genutzte Kommunikationsform und so vielfältig wie „natürlich“ sie genutzt und eingesetzt wird, so prägend – förderlich oder hinderlich – wirkt sie sich auf alle Beziehungen und die gesamten Arbeitsabläufe aus. Jeder Mensch hat dabei sein ureigenes (gelerntes) Kommunikationsmuster und trägt durch sein Sprachhandeln bzw. Sprechverhalten dazu bei, wie die gegenwärtige und zukünftige Interaktion sowie die vielfältigen Arbeitsvorhaben verlaufen. Dabei sorgt die jeweilige Gesprächskultur in einem Team dafür, wie erfolgreich oder erfolglos alle Bemühungen sind, Beziehungen zu stabilisieren/ zu verbessern und notwendige Ziele zu erreichen. 

Sprache ist mehr als nur eine Weitergabe von Informationen

Die sprachliche Kommunikation geht – trotz mancher Kürze – stets einen sehr langen Weg. Denn: gedacht ist nicht gesagt/gesagt ist noch nicht gehört/gehört heißt nicht immer richtig verstanden/verstanden heißt nicht immer einverstanden/einverstanden heißt nicht immer angewendet/angewendet heißt noch nicht behalten/behalten heißt noch lange nicht beibehalten (in Anlehnung an Konrad Lorenz). Sprache kann berühren und Entwicklungsprozesse in Gang setzen – sie kann aber auch Beziehungen zerstören und Vorhaben zum Scheitern bringen. Sprache kann in eine gedankliche Tiefe führen oder zur oberflächlichen Betrachtung verleiten. Sprache kann Konflikte auflösen oder verschärfen. Hier kommt der Leitungskraft eine ganz besondere Bedeutung zu: sie ist Vorbild, Initiator/in für Innovationen, Begleiter:in in schwierigen Situationen, Moderator:in in Problemsituationen und Expert:in in fachlichen Fragen und Auseinandersetzungen.

Die fünf Primärbeteiligten an einem Gespräch

Jedes direkte Gespräch setzt sich aus fünf primärbeteiligten Größen zusammen: a) der eigenen Person (mit den „gelernten“, verinnerlichten Gesprächs(in)kompetenzen sowie den intraindividuellen Persönlichkeitsmerkmalen), b) der anderen Person (mit ihren „gelernten“, verinnerlichten Gesprächs(in)kompetenzen sowie deren intraindividuellen Persönlichkeitsmerkmalen), c) dem Thema/Inhalt/der Problemstellung; d) der aktuellen „Beziehungsgeschichte“/Beziehungsstärke/-schwäche (geprägt durch Sympathie/ Antipathie)  zwischen den Gesprächsbeteiligten und e) den vorherrschenden Gesprächsbedingungen. Soweit wie möglich sollte zunächst für ein gesprächsförderliches Setting gesorgt werden: Ausblenden von möglichen Störungen, einer mit Distanz versehenen Sitzgelegenheit (bei einem 2er Gespräch: in einem guten Abstand voneinander, ca. 1,50 m im zugewandten Sitzwinkel von etwa 140 Grad), einer für das Gesprächsziel ausreichenden Zeit und das Ganze ohne „Ablenkungspotenzial“ wie beispielsweise Plätzchen oder Getränken. Man selbst sollte sich vor dem Gespräch sowohl inhaltlich gut vorbereitet (Zielsetzung überprüft und strukturiert aufgebaut? Argumente zusammengestellt, Beispiele parat, mögliche Gegenargumente durch weitere Argumente erweitert?) als auch die Beziehungsebene für sich selbst geklärt haben! Damit sind wesentliche „Gesprächsförderer“ aktiviert: die Möglichkeit der Konzentration auf den Gesprächspartner und den Inhalt, die Fokussierung auf das Ziel sowie ein Gefühl der inneren Sicherheit als Garant für ein zumindest mittleres Maß an Ruhe und Entspannung.

Die Sprache umfasst unterschiedliche Dimensionen

Wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Sprache sechs Dimensionen beinhaltet (Sprache als Weitergabe von Informationen, als Medium zum Herstellen und Aufrechterhalten von Beziehungen, als persönliche Meinungsäußerung, zur Beeinflussung des Verhaltens anderer, als Ausdruck von Gefühlen und zur Problemlösung), dann werden in einer Gesprächskultur vor allem drei Schwerpunkte in den Mittelpunkt gerückt: 1.) Gespräche dienen der Beziehungspflege und verlangen damit eine zugewandte, aufgeschlossene, freundliche Haltung zur Gesprächspartner:in! 2.) Gespräche dienen zur detaillierten Weitergabe von fachlich-sachlichen Informationen und verlangen daher ein hohes Maß an Sachorientierung. 3.) Gespräche dienen einer nachhaltigen Problemlösung, wodurch diese Zielrichtung vorgibt, ein sachlich abgewogenes Ziel vor Augen zu haben und fokussiert vorzugehen. In einer Gesprächskultur geht es also nicht in erster Linie darum, das Verhalten der Gesprächpartner:in zu beeinflussen/zu manipulieren oder von etwas Bestimmtem zu überzeugen. Vielmehr schafft es sowohl das freundlich-sachliche Beziehungsverhältnis als auch das inhaltlich geführte Sachgespräch, überzeugend (!) zu sein. Die in einer Person provozierten Gefühle müssen an anderer Stelle (z.B. durch Supervision, Coaching oder Selbsterfahrungsseminare) analysiert und geklärt werden, weil hier unter einer systemischen Betrachtung zuvorderst aktualisierte Kindheitserfahrungen zum Ausbruch kommen.


Elementarpädagogik und Professionalität

Der Kindergarten als Lebensraum unterliegt immer der großen Gefahr, sich durch verschiedene Programme/Ansätze bildungspolitischer Strömungen allzu schnell von einem Lebensraum zu entfernen. Dabei gibt das Wort LEBENSRAUM schon die Grundlage vor: L wie Lust und Lebendigkeit, E wie Eigenständigkeit und ernstnehmend, B wie bunt und begreifen, E wie einfühlend und erfrischend, N wie neugierig und normal, S wie spannend und sorgsam, R wie reich an Erfahrungen und raumnutzend, A wie ausdauernd und akzeptierend, U wie umfassend und ursachenorientiert, M wie menschenorientiert und marginal.

Armin Krenz
Elementarpädagogik und Professionalität – Lebens- und Konfliktraum Kindergarten
193 Seiten, Klappenbroschur
ISBN/EAN: 978-3-944548-00-5
24,95


Das übergeordnete Ziel eines professionell gestalteten Gesprächs

Wie oben erwähnt sind vor allem die drei Hauptfeinde einer angestrebten Gesprächskultur – (a) wenn Beziehungsstörungen auf einer pseudo-inhaltlichen Ebene ausgefochten, (b) Meinungen statt Sachargumente ins Diskussionsfeld geworfen und (c) dogmatisch geprägte/starre Überzeugungsversuche eingesetzt werden – dafür verantwortlich, dass tag-/täglich anberaumte Gespräche nicht nur erfolglos bleiben, sondern in der Regel noch eine konfliktverschärfende Auswirkung mit sich bringen. Daher muss das übergeordnete Ziel eines professionell gestalteten Gesprächs darin bestehen, dem Gegenüber dabei zu helfen, zunächst sich selbst sowie seine Sichtweise der Dinge wahrzunehmen und zu reflektieren, um sich dann auf die neuen, angestrebten Betrachtungen einzulassen, diese wahrzunehmen und in ihnen konstruktive Gedanken-/Handlungsimpulse zu sehen, um sie annehmen und umsetzen zu können. Aus einem „du musst… bzw. zu solltest …“ kann auf diese Weise ein „ich kann mir durchaus vorstellen, dass… bzw. ich will…“ entstehen: diese Einstellung ist der Beginn/ die Fortsetzung eines Selbstbildungsprozesses. Fremdbestimmte Ziele führen – ebenso wie bei Kindern – zu einer „Bildung aus II. Hand“, die eher Abwehr und Widerstände aktiviert als selbstmotivierte Veränderungswünsche. Hier gilt es, den Kreislauf einer üblichen Gesprächsführung zu durchbrechen, um den selbstgesetzten Zielen tatsächlich näher zu kommen.

Eine Gesprächskultur verlangt nach Regeln und verlaufsförderlichen Einstellungen!

So vielfältig die unterschiedlichen Gesprächsanlässe im Kita-Alltag sind, so dringlich zeigt sich immer wieder, dass eine Gesprächskultur nicht von alleine entsteht. Vielmehr baut sich eine förderliche Gesprächskultur durch folgende Merkmale auf: es ist günstig, wenn a) die Gesprächspartner:in von Zeit zu Zeit direkt mit ihrem Namen angesprochen wird; b) die eigenen Argumente fachlich formuliert und immer wieder mit nachvollziehbaren Beispielen veranschaulicht werden; c) die Argumentationskette logisch aufgebaut und strukturiert vorgebracht wird; d) einer „Kampf-Dialektik“ aus dem Wege gegangen und eine engagierte, offene Argumentation angestrebt wird; e) immer wieder Fragen zurückgegeben werden, um einen Dialog aufrechtzuerhalten; f) besonders bedeutsame inhaltliche Zusammenhänge im Gespräch auf einem Blatt Papier visualisiert werden; g) emotionale, spontane Gegenreaktionen (ausgelöst durch Polemik oder Vorwürfe) zurückgehalten und in neue Sachargumente umgedeutet werden; h) das Gesprächsziel im Vordergrund steht, so dass Abschweifungen unterbrochen und „Nebenkriegsschauplätze“ bzw. Randaspekte nicht vom eigentlichen Thema ablenken. Zudem wird eine Gesprächskultur dadurch förderlich beeinflusst, wenn  i) der Blickkontakt gehalten wird (ohne die Gesprächspartner:in anzustarren), um die erwünschte Beziehung aufrecht zu erhalten; j) die Lautstärke durch leise Töne gekennzeichnet ist und diese in der Modulation wechselt; k) der Sprechgeschwindigkeit immer wieder das hektische Tempo rausgenommen und langsam gesprochen wird; l) die Stimmhöhe im tieferen Bereich liegt (was durch eine möglichst vorhandene Entspannung erreicht werden kann) und dem anderen die Chance eingeräumt wird, sich einzubringen und ausreden zu können. Bei allem steht der Aspekt im Vordergrund, der Gesprächspartner:in zuhören und ihn verstehen zu wollen, sie als eine gleichwertige Gesprächspartner:in zu akzeptieren und an einer nachhaltigen Lösung interessiert zu sein. Letztendlich ist darauf zu achten, dass persönliche Meinungen/Einschätzungen in sachorientierte Argumente umgewandelt werden. Immer wieder wird eine Gesprächskultur dadurch zerstört, dass persönliche Meinungen gegen entgegengesetzte Meinungen aufgefahren werden: ein professionell gestaltetes Gespräch verzichtet daher auf Meinungsäußerungen, weil sie in einer Fachdiskussion aufgrund ihrer individuell-subjektiven Prägung nicht zielführend sein können.  

Gesprächskultur entsteht nur durch einen Verzicht auf typische Gesprächskiller:innen und Killer-Phrasen

In der Hektik des Alltags und durch unreflektierte Gesprächsmuster sorgen manche „Gesprächskiller“ in einem rasanten Tempo für angespannte Gesprächssituationen und führen damit jede Unterhaltung/Auseinandersetzung folgenotwendig und automatisch ins Abseits. Wenn beispielsweise eigene Einschätzungen rechthaberisch (statt informierend) vertreten, dirigistische Anordnungen (statt einer gemeinsamen Lösungssuche) gegeben, dogmatisiert vorgetragene Überzeugungsversuche (statt einer wahrnehmungsoffenen Informationseingabe) der Gesprächspartner:in übergestülpt, ernst zu nehmende Anmerkungen bagatellisiert werden, bewertende/moralisierende Vorbehalte zum Sprachrepertoire gehören, monologisierende Sprachergüsse der Gesprächspartner:in regelrecht erdrücken, examinierende Fragen den Hauptbestandteil eines Gesprächs kennzeichnen oder stets korrigierende (Ja-aber-Sätze!) Gegendarstellungen zu den Hauptmerkmalen eines Gesprächs gehören, kann nicht mehr von einer „Sprachkultur“ die Rede sein. Zusätzlich genutzte, so genannte Killer-Phrasen (z.B. Früher haben wir…/das geht doch nicht, weil…/dafür ist keine Zeit…/Alles graue Theorie …/Die Arbeit ist nicht zu leisten…/Klingt ja gut, aber…/So einfach ist das nicht umzusetzen…/Das bringt zu viel Unruhe/Das übersteigt unsere Kompetenz…/) vertreiben schließlich den Rest einer vielleicht noch zu erahnenden Sprachkultur.

Die fünf Phasen eines förderlichen Gesprächs

Jedes Gespräch gleicht einem gut strukturierten Buch: Während eine Autor:in zunächst ihre Intention vorstellt, was sie mit ihren Buchausführungen beabsichtigt, folgt eine Einleitung für die Leser:innen sowie das Inhaltsverzeichnis. Dann erscheint der „eigentliche“, schwerpunktgesetzte Inhalt und letztendlich schließt sich ein Nachwort an (mit einem Rückblick und einer Perspektivsicht). In gleicher Weise sollte jedes Gespräch konzipiert sein: zunächst steht die gedankliche/inhaltliche Vorbereitung als Erstes an (1), dann folgt bei dem Gespräch selbst eine Einführung (Begründung des Schwerpunkts, Nennung der Aufgabenstellung, Anriss des Problems) (2), es schließt sich der Hauptteil des Gespräches an (3) und zum Schluss werden alle Gesprächsergebnisse/Handlungsabsichten zusammengefasst (4). Eine Nachbereitung (5) wendet sich sowohl der zurückliegenden Gesprächsreflexion (Auswertung) als auch den Konsequenzen zu, die sich für das Folgegespräch ergeben. 

Gespräche „der besonderen Art“

Problem-/Konfliktgespräche und Gespräche mit Kolleg:innen, die sich durch problematische Verhaltensweisen auszeichnen, sind eine ganz besondere Nummer. Selbstverständlich gelten hier dieselben Regeln und Hinweise wie zuvor beschrieben. Gleichwohl seien an dieser Stelle (und in der gebotenen Kürze) zwei Hinweise gegeben. Zum einen lassen sich schwierige Gespräche am besten nach einer festgelegten Aufbaustruktur führen: Zunächst wird die Problemstellung – mit dem gesamten Kollegium (!) und nicht nur mit den direkt Beteiligten – klar erfasst. Es folgt eine genaue Problemanalyse, um daraus eine klar definierte Zielsetzung abzuleiten (Richtziel, Teilziele, Nahziele) und darauf aufbauend konkrete Schritte zur Zielerreichung festzulegen (Fragestellung: wer macht was bis wann mit wem an welcher Stelle). Im Anschluss werden weitere Termine zur Auswertung abgesprochen, wo es zur Bewertung der Umsetzung(sversuche) kommt und um ggf. neue Lösungsalternativen abzusprechen. Zur konstruktiven (und zugleich wertschätzenden) Gesprächsführung mit Kolleg:innen, die problematische Verhaltensweisen an den Tag legen, sei insbesondere auf die Gesprächsgestaltung sowohl durch „Argumentationspläne“ (Der Aufsatzplan/Die Kette/Vom Allgemeinen zum Besonderen/Der Vergleich/Der Kompromiss/Die Ausklammerung) als auch auf rhetorische Formulierungshilfen hingewiesen (vgl.: Literatur Krenz, 2010, S. 326 ff.). Auch wenn „Rhetorik“ – gerade in der Pädagogik – als eine technisierte Gesprächsführung häufig mit Abstand (und sogar einer Abwehr) zur Kenntnis genommen wird, sollten gerade Leitungskräfte diesem effizienten Sprachhandeln offen gegenüberstehen.

Fazit:

Die realisierte Gesprächskultur ist einerseits ein sicherer Indikator dafür, ob (!) in der Einrichtung eine professionell gestaltete Alltagspädagogik realisiert wird und wie ausgeprägt (!) eine humanistisch orientierte Teamarbeit tatsächlich existiert. Beide Aspekte bilden die Grundlage für ein lebendiges, arbeitsmotiviertes, lernbereites, wahrnehmungsoffenes und innovativ ausgerichtetes Team. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass die Gesprächskultur (wie sorgsam und zugleich klar, wertschätzend und zugleich zielorientiert, direkt und zugleich problemlösungsorientiert miteinander gesprochen/ umgegangen wird) sowohl ein Garant für eine Qualitätsoffensive darstellt als auch für eine entwicklungsförderliche Atmosphäre in der Kita sorgt. Wo immer Arbeits- bzw. Beziehungsstörungen vorherrschen, ist auch die Gesprächskultur eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. So gilt es, sich immer wieder aufs Neue mit diesem kulturell höchst bedeutsamen Schwerpunkt zu beschäftigen, die gegenwärtige Gesprächskultur zu analysieren, bei Störungen zu verbessern und bei einer gut vorhandenen Ausprägung gezielt sowie regelmäßig zu stabilisieren. Getreu dem Motto: „Wer aufhört besser sein zu wollen als er ist, hört auf, gut zu sein“.

Literaturhinweise:

Allhoff, Dieter-W. + Allhoff, Waltraud (2010). Rhetorik & Kommunikation. Ein Lehr- und Übungsbuch. München: Ernst Reinhardt Verlag ,15. Aufl.

Brüggemeier, Beate (2010). Wertschätzende Kommunikation im Business. Wer sich öffnet, kommt weiter. Paderborn: Junfermann Verlag

Krenz, Armin (2017): Psychologie für Erzieherinnen und Erzieher. Grundlagen für die Praxis. Berlin: Cornelsen Verlag (1. Nachdruck; Kapitel 8.2.2 Gesprächsführung an Zielen orientieren)  

Miller, William R. + Rollnick, Stephen (2009): Motivierende Gesprächsführung. Freiburg: Lambertus Verlag, 3. Aufl.

Pawlowski, Klaus (2005). Konstruktiv Gespräche führen. Fähigkeiten aktivieren, Ziele verfolgen, Lösungen finden. München: Ernst Reinhardt Verlag (4. Aufl.)

Portner, Dieter (2000). Überzeugend diskutieren. Diskussionstechniken zum besseren Durchsetzen Ihrer Ziele. Weinheim: Beltz Verlag

Weisbach, Christian-Rainer + Sonne-Neubacher, Petra (2015): Professionelle Gesprächsführung. Ein praxisnahes Lese- und Übungsbuch. Beck Verlag im dtv, 9. Edition

Armin Krenz, Prof. h.c. et Dr. h.c., Honorarprofessor a.D., Wissenschaftsdozent für Elementar- und Entwicklungspädagogik/ Entwicklungspsychologie; Email: armin.krenz@web.de 




Wildtieren durch die Hitze helfen 

Soforthilfe für Igel, Vögel, Insekten und Amphibien 

Sommerliche Temperaturen über 25 Grad bringen Menschen ins Schwitzen und für viele wird es unerträglich heiß. Tieren macht die Hitze genauso zu schaffen. Sie müssen wie wir bei Hitze besonders viel trinken und suchen wie wir nach Abkühlung. Wildtiere aber leiden während der heißen Tage unter Wassermangel. Die wenigen verbliebenen natürlichen Wasserstellen, die besonders in Städten ohnehin rar sind, trocknen zunehmend aus. Die wichtigste Maßnahme ist deshalb, Trinkquellen anzubieten.  

Aber auch das Nahrungsangebot wird für die Wildtiere durch die Trockenheit immer knapper. Igel beispielsweise finden kaum die für sie wichtigen Regenwürmer, da diese nicht an die trockene Bodenoberfläche kommen. In trockengefallenen Feuchtgebieten gibt es für Störche und andere Tiere keine Nahrung in Form von Amphibien, Fischen und Insekten mehr. Björn Goldhausen, Meteorologe von WetterOnline, erklärt: „Auch in den kommenden Tagen bleibt es sommerlich warm bis heiß. Gewitter und Regen können nur regional für eine Entspannung sorgen. “ 

Tränken auf dem Balkon und im Garten 

Beim Aufstellen von Tränken sind einige Dinge zu beachten. Der Aufstellplatz sollte ruhig, schattig und vor Katzen sicher sein. Ideal sind flache Wasserschalen mit einem rauen Untergrund, damit die Tiere nicht rutschen. Die Schalen sollten möglichst wackelfrei und eben aufgestellt werden, damit kein Wasser ausläuft oder die Tiere irritiert werden. Kleine Inseln aus Steinen in der Schale bieten zusätzliche Sicherheit und einen Landeplatz für Insekten, die so ebenfalls ihren Durst löschen können. Die Schalen können auf der Fensterbank, dem Balkon und im Garten gleichermaßen aufgestellt werden.  

Von einer Tränke im Garten profitieren nicht nur Vögel und Insekten, sondern auch Igel und andere Tiere, die nicht einfach zur nächsten Wasserstelle fliegen können.  Wenn eine größere Tränke oder ein Gartenteich vorhanden ist, ist es sehr wichtig eine Ausstiegshilfe anzubieten, damit Tiere, die hineinfallen, nicht ertrinken. Ideal ist dafür eine flache Uferzone im Gartenteich. In größeren Schalen kann ein raues Brett als Rettungsleiter fungieren. Zum Schutz vor Katzen sollte die Tränke nicht in der Nähe von Büschen, in denen sich die pelzigen Räuber gerne auf die Lauer legen, aufgestellt werden. Gerade Vögel nutzen die Wasserstellen und übrigens auch Sand zum ausgiebigen Bad und können dann leicht zum Opfer werden.

Um zu verhindern, dass sich Krankheitserreger im Wasser ausbreiten, sollte das Wasser in den Schalen täglich gewechselt und diese gründlich gereinigt werden.

Hilfe für Frosch & Co. 

Hitzewellen und Trockenperioden machen insbesondere auch den Amphibien extrem zu schaffen, die in Städten und stark bebauten Gegenden leben. Grünflächen, Feuchtbiotope und amphibienfreundliche Plätze sind hier rar und jede feuchte Ecke kann in langen trockenen Sommern ihr Überleben sichern. „Daher ist es besonders wichtig, im Garten, in öffentlichen Parkanlagen und in Grünflächen Laub, Gehölz und Totholz liegen zu lassen und heimischen Tieren wie Amphibien, Insekten und auch Igeln so ein kühles, feuchtes und dunkles Versteck zu bieten“, sagt Sandra Honigs, stellvertretende Direktorin und Kuratorin für den Landbereich im Aquazoo Löbbecke Museum Düsseldorf. „Ein amphibienfreundlicher Teich im eigenen Garten kann zudem die Fortpflanzung gefährdeter Arten unterstützen.“ 

Quelle: WetterOnline




Neue Publikation „Kindertagesbetreuung Kompakt 2021“

2021 erneut mehr Kinder bis zum Schuleintritt in Kindertagesbetreuung als im Vorjahr

Eben hat das Bundesfamilienministerium die siebte Ausgabe von „Kindertagesbetreuung Kompakt“ veröffentlicht. Die aktuellen Zahlen 2021 zum Ausbau und Betreuungsbedarf der Kindertagesbetreuung zeigen deutlich, dass die Anzahl der Kinder, die ein Angebot der Kindertagesbetreuung in Anspruch nehmen, weiter angestiegen ist und der Betreuungsbedarf von Kindern das Angebot in allen Altersgruppen weiterhin übersteigt. Allein bezogen auf Kinder im Grundschulalter liegt die Lücke zwischen Betreuungsquote und Betreuungsbedarf bei 19 Prozent. Der Betreuungsausbau muss deshalb konsequent fortgesetzt werden.

Mehr Kinder besuchen Kindertagesbetreuung

Insgesamt besuchten 2.613.058 Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt ein Angebot der Kindertagesbetreuung. Das sind 48.343 Kinder mehr als im Vorjahr. Die Betreuungsquote der unter Dreijährigen betrug am 1. März 2021 34,4 Prozent. Bei Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt lag die Betreuungsquote bei 92,2 Prozent. Damit sind die Quoten im Vergleich zum Vorjahr zwar um jeweils 0,6 Prozentpunkte leicht gesunken, die sinkenden Zahlen beruhen unter anderem auf der weiterhin wachsenden Anzahl der Kinder dieser Altersgruppe in der Bevölkerung.

Zahl der betreuten Grundschulkinder leicht gesunken

Die Zahl der betreuten Grundschulkinder ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken: Zum Schuljahresbeginn 2021 wurden 1.621.000 Kinder in Hort- und Ganztagsschulangeboten gemeldet. Das sind 13.000 Grundschulkinder weniger als im Vorjahr und entspricht einem Rückgang um 0,5 Prozentpunkte. In den Jahren zuvor war die Anzahl der betreuten Kinder in Kita sowie Hort- und schulischen Ganztagsangeboten kontinuierlich angestiegen.

Betreuungsbedarf erfordert weiteren Ausbau

Nach den Zahlen der neuen Ausgabe von „Kindertagesbetreuung Kompakt“ wünschten sich 2021 insgesamt 46,8 Prozent der Eltern von Kindern unter drei Jahren einen Betreuungsplatz für ihr Kind. Hier liegt die Differenz zwischen Betreuungsquote und Betreuungsbedarf bei 12,4 Prozent. Bei Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt liegt die Differenz bei 3,6 Prozent, der Betreuungsbedarf liegt hier bei 95,8 Prozent. Bezogen auf Kinder im Grundschulalter äußerten 73 Prozent der Eltern einen Betreuungsbedarf. Einen Hort- oder Ganztagsplatz besuchten 54 Prozent. Damit gibt es auch hier eine Lücke von 19 Prozent zwischen Betreuungsquote und Betreuungsbedarf.

Maßnahmen zum Ausbau der Kindertagesbetreuung im Überblick:

Schutzsuchende Kinder und ihre Familien aus der Ukraine

Seit Beginn des Krieges ist die Anzahl der schutzsuchenden Kinder und ihrer Familien in Deutschland angestiegen. Für sie leisten Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege einen wichtigen Beitrag: Die Kinder finden sich in der neuen Situation schneller zurecht, knüpfen neue Kontakte und lernen die deutsche Sprache. Die schutzsuchenden Kinder haben mit dem Tag ihres Ankommens in Deutschland – wie alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr – einen Rechtsanspruch auf eine qualitativ hochwertige Bildung, Betreuung und Erziehung in einer Kita oder Kindertagespflege. Sie sollen in Deutschland einen guten Start haben und sich hier wohlfühlen. Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen im Jahr 2022 mit insgesamt zwei Milliarden Euro bei ihren Mehraufwendungen für die schutzsuchenden Menschen aus der Ukraine. Darunter fällt auch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für die Kindertagesbetreuung und Beschulung.

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026

Um die Betreuungslücke, wenn Kinder nach der Kita eingeschult werden, zu schließen, ist der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder für Kinder und Eltern wichtig. Ab August 2026 haben zunächst alle Kinder der ersten Klasse einen Anspruch auf ganztägige Förderung. In den Folgejahren wird der Anspruch um jeweils eine Klassenstufe ausgeweitet. Ab August 2029 hat jedes Grundschulkind der Klassenstufen eins bis vier einen Anspruch auf ganztägige Betreuung. Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen beim quantitativen und qualitativen Ganztagsausbau mit Finanzhilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro und beteiligt sich ab 2026 aufsteigend an den Betriebskosten.

Mehr Qualität in Kitas und Kindertagespflege

Gemeinsam mit den Ländern setzt sich der Bund außerdem für mehr Qualität ein. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung beteiligt sich der Bund bis 2022 mit rund 5,5 Milliarden Euro an der Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung. Trotz vielfältiger positiver Entwicklungen zeigt der Monitoringbericht zum Gesetz zum Teil große Unterschiede zwischen den Ländern. Die Evaluation des Gesetzes zeigt Stellschrauben auf, an denen das Gesetz weiterentwickelt werden kann. Der Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sieht daher vor, das Gute-KiTa-Gesetz auf der Grundlage der Ergebnisse des Monitorings und der Evaluation weiterzuentwickeln und dieses bis Ende der Legislaturperiode gemeinsam mit den Ländern in ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards zu überführen. Zusätzlich fördert das Bundesfamilienministerium die Qualitätsentwicklung durch mehrere Bundesprogramme. 2022 ist das Bundesprogramm „Integrationskurs mit Kind“ gestartet.

Die siebte Ausgabe von „Kindertagesbetreuung Kompakt“ finden Sie hier: www.bmfsfj.de/kita-kompakt




Gute Krippenpädagogik erfüllt die psychosozialen Bedürfnisse der Kinder

Die Qualität in der Entwicklungsbegleitung von Kindern bis zum 3. Lebensjahr ist in erster Linie eine Frage der Bindung!

Jede entwicklungsförderliche Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsarbeit vollzieht sich nur in Form eines sehr engen Bindungsgeschehens zwischen Kindern und Erwachsenen! Unter dieser Maxime betrachtet, kann eine Krippenpädagogik nur dann für Kinder entwicklungsförderlich sein, wenn ein Bindungserleben, getragen von Nähe, Aufmerksamkeit, Zuneigung, Sicherheitserleben, Interesse, Staunen, Neugierde und Zutrauen zur festen Alltagserfahrung von Kindern dazugehört.

Dabei ist es immer wieder und hauptsächlich der positiv erlebte, zwischenmenschliche Kontakt, der Kinder tag-/täglich motiviert, Kontakt zu sich selbst zu suchen, herzustellen und sich über die eigene Existenz zu freuen. Nur wenn dies gelingt, ist der erste – und gleichzeitig entscheidende – Schritt zur Aktivierung und zum Aufbau einer Selbstbildung des Menschen getan – mit einer lebenslangen Bedeutung.

Bildungsziel: Entdeckung der eigenen Lebensfreude und Lebenskunst

Wilhelm Schmid, der als Privatdozent an der Universität Erfurt lehrt, schreibt: „Ein früher Akt der Sorge ist der erste Schrei, eine erste Selbstbehauptung, aber das Kind bleibt noch abhängig von der Fürsorge anderer, ohne die es nicht leben könnte… Wie immer der Weg der Kindheit und des Heranwachsenden verläuft, es geht darum, den Umgang mit sich selbst zu erlernen und zur Sorge für sich selbst in der Lage zu sein, soll das eigene Lernen nicht von anderen abhängig bleiben. Nur über die Selbstsorge wird das Leben zu einem eigenen, und nur dort, wo es Selbstaneignung gibt, kann es Selbstverantwortung geben. Sich um sich zu kümmern und doch nicht die Unbekümmertheit dabei zu verlieren – das stellt das dynamische Zentrum der kindlichen Lebenskunst dar…“ (2003, S. 40).

Wenn der Frage nachgegangen wird, wie Kinder durch frühe Lebenserfahrungen zu einer  „dynamischen Lebenskunst“ finden können, so ergeben sich u.a. folgende Antworten: Kinder bis zum dritten Lebensjahr müssen auch außerhalb ihrer familialen Erfahrungen in einer Sicherheit vermittelnden Umgebung aufwachsen, in der sie vor allem

• gegenwärtige, positive Handlungserlebnisse und tragfähige Beziehungspartnerschaften in all’ ihrer Vielschichtigkeit genießen können;
• immer wieder über eigene Entwicklungen und Stärken staunen können;
• mit Offenheit, Interesse und Neugierde die Herausforderungen des Alltags in einer angenehmen Umgebung suchen und sich ihnen mit Interesse zuwenden können;
• Zusammenhänge von Ereignissen erkennen und herstellen können, um einerseits bekannte Handlungsschritte zu wiederholen und andererseits aus einer Impulserkenntnis heraus neue Handlungsversuche zur Lösung von Problemen entdecken;
• neue, unbekannte Spielräume im Rahmen eigener Verhaltensvielfalten entwickeln;
• ihre Handlungsstrategien erproben, vertiefen und erweitern können;
• in möglichst vielen, für sie selbst bedeutsamen Situationen unbelastet mit sich umgehen können und sich selbst sagen: „Wie schön, dass ich geboren bin, dem Leben schenk’ ich einen Sinn.“

Die Macht der Gefühle

Über viele Jahrhunderte sahen Wissenschaftler/innen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen (auch der Psychologie) ebenso wie Laien die ‚Rationalität und Intelligenz des Menschen’ als die ‚Perle der Schöpfung’ an. Das hat sich inzwischen durch vielfältige Untersuchungen relativiert, ist doch demgegenüber bekannt, dass stets vor allen kognitiven Prozessen und Handlungsimpulsen die Emotionen die entscheidenden Impulse dafür geben, in welche Richtung gedacht und wie gehandelt wird. Es ist die „Macht der Gefühle“, die unser Leben steuert und inzwischen haben führende Emotionsforscher und Hirnspezialisten den Beweis dafür vorgelegt, wie Emotionen das gesamte Leben bestimmen. Dieses >Grundmuster der Gefühle< wird in erheblichem Maße auch durch die Qualität der Krippenpädagogik geprägt – nicht in erster Linie durch strukturelle Qualitäten sondern vielmehr durch die hohe Beziehungsfähigkeit der gleichzeitig sehr gut ausgebildeten elementarpädagogischen Fachkräfte.


Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik

Was brauchen Kinder für eine positiven Selbstentwicklung wirklich? Armin Krenz behandelt fach- und sachkundig und stets praxisnah das Thema der frühkindlichen Entwicklung, sei es im Bereich der Sprache, der Motorik, der sozialen Persönlichkeit oder der Kognition. Er zeigt auf, welch große Bedeutung die Beobachtung und Begleitung der kindlichen Entwicklung in der Pädagogik spielt, sei es im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten oder zur Ermöglichung einer freien Spielpraxis, die die positive Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit erst ermöglicht.

Armin Krenz
Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik – Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln
Klappenbroschur, 200 Seiten
ISBN: 978-3-944548-02-9
24,95 €uro


Bindungen provozieren Bildungs- und Entwicklungswünsche

In Anbetracht dieser für die Pädagogik und Psychologie außergewöhnlich bedeutsamen Erkenntnisse aus der Neurobiologie sowie der Bindungsforschung besitzen diese fundamentalen Ergebnisse für elementarpädagogische Fachkräfte einen besonders hohen Bedeutungswert. Auf den Punkt gebracht heißt das: eine liebevolle, vertrauensvolle und verlässliche Bindung, die Kinder in ihren ersten (und auch weiteren) Lebensjahren neben ihren Eltern auch mit externen Personen erfahren und aufbauen können, ist die Grundlage für die Entstehung der oben genannten „Lebenskunst des Menschen“ und gleichzeitig die Basis für ein tiefes Selbstvertrauen, Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Nur durch eine tief erlebte Geborgenheit und Annahme sind Kinder in der Lage, ihre ‚Lebenswurzeln’ in Form von Sicherheit und Lebensfreude zu entwickeln und gleichzeitig vor einer Reihe seelischer Irritationen und Lebens einschränkender Ängste geschützt. So vielfältig die Verhaltensirritationen bei immer mehr Kindern ausgeprägt sind – vor allem Ängste, gewaltbereites Handeln, aggressives Verhalten, Anstrengungsvermeidungsverhalten, oppositionelles Widerstandsverhalten gegenüber Anforderungen oder eine generelle Antriebslosigkeit – , so deutlich haben unterschiedliche, epidemiologische Studien unter Beweis gestellt, dass diese und weitere problematischen Verhaltensweisen häufig direkt oder indirekt auf fehlende Bindungserfahrungen in der frühen Kindheit zurückgeführt werden können (vgl. Grossmann, K & Grossmann, K.E., 2012). So kommt immer wieder zum Ausdruck, dass eine als sicher erlebte Bindung ein wesentlicher Schutzfaktor gegen seelische Irritationen ist. Dieser Tatsache und der damit verbundenen Verantwortung haben sich sowohl die Institution Krippe als auch die Eltern und hier insbesondere die Mitarbeiter/innen in den Krippen zu stellen.

Bindungserlebnisse stärken die kindliche Entwicklung

In einer sicheren Bindung erleben Kinder vor allem Verbundenheit, Nähe, Zärtlichkeit, Fürsorge und Schutz. Sie haben das Gefühl, erwünscht und stets gern gesehen zu sein, sie bekommen den Körperkontakt, den sie brauchen, sie werden gestreichelt und merken: es kümmert sich jemand um mich, weil ich meiner Bezugsperson wichtig bin (vgl. Holmes, 2002).

Kennzeichen einer sicheren Bindung kommen vor allem dadurch zum Ausdruck, wenn Kinder

• die Bindungsperson als einen ‚grundsätzlich sicheren Hafen’ erleben, den sie bei Verunsicherungen, Ängsten und Verlassenheitsgefühlen gerne, freiwillig und selbstmotiviert aufsuchen,
• durch die Verhaltensweisen der Bindungspersonen Sicherheit und Hilfe erleben dürfen,
• bei Sorgen, Kummer und Trennung die Nähe zu ihrer Bindungsperson suchen,
• schon sehr früh durch intensive Bindungserfahrungen immer weniger auf Bindungserlebnisse angewiesen sind und sich mit einem Gefühl der inneren Grundsicherheit auf die „Erkundung der großen, weiten Welt“ einlassen und ihrem innewohnenden Forscherdrang nachgehen,
• Mit zunehmendem Alter motiviert und freiwillig über ihre Gefühle berichten und dabei emotionale Belastungen ebenso zum Ausdruck bringen wie Augenblicke der Freude und des tiefen Glücksempfindens.

Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben

(Wilhelm von Humboldt)

Eine qualitativ hochwertige Krippenpädagogik befriedigt psychosoziale Grundbedürfnisse der Kinder

Ergebnisse der Entwicklungspsychologie weisen deutlich darauf hin, dass gerade psychosoziale Grundbedürfnisse von Kindern in den ersten Lebensjahren einer dringenden und ständigen Sättigung bedürfen. Wenn in diesem Zusammenhang die Krippenpädagogik den Qualitätsanspruch erhebt, einen nachhaltig förderlichen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes zu haben, dann muss es den Fachkräften möglich sein, vor allem die basalen Grundbedürfnisse jedes Kindes zu befriedigen. Kinder müssen vielfältige Erfahrungen und Erlebnisse machen können, in denen sie

• Zeit mit bindungsnahen Menschen erleben, um sich selbst in den eigenen Entwicklungsmöglichkeiten wahrzunehmen und die Welt um sich herum zu entdecken;
• Ruhe in ihrer Entwicklungszeit erfahren, um sich nach eigenem Gutdünken in ihrer Krippenwelt umzuschauen und mit eigenen Gedankenimpulsen beschäftigen zu können;
• Liebe im Sinne einer personalen Annahme erleben, um ein Gefühl der Selbstannahme zu entwickeln und eine zunehmende Empathie für die lebende und dingliche Welt aufzubauen;
• Vertrauen durch andere spüren, um eigenen Stolz erleben zu dürfen und Leistungsbereitschaft weiterzuentwickeln;
• von ihren Entwicklungsbegleiter/innen verstanden werden, um in den vielfältigen Lebenssituationen und Lebensherausforderungen immer wieder Kontakt zu sich selbst herzustellen und eine Mitverantwortung für Situationsverläufe zu entdecken; 
• Sicherheit durch Nähe und feste (Sinn bedeutsame!!!) Regeln erfahren, um in einen nachhaltigen Prozess der Selbstentwicklung zu finden;
• Bewegung lebendig ausdrücken können, um durch selbstgewählte motorische Aktivitäten Stress abbauen und in eine gedankliche, emotionale und motorische Selbststeuerung kommen zu können;
• Intimität und Geheimnisse bejahend zuerkannt bekommen, um zu erkennen, dass es im Ausdrucksverhalten eine „öffentliche“ und eine „private“ Person gibt;
• Mitwirkung erleben und umsetzen dürfen, um ein individuelles, persönliches Wertigkeitsempfinden zu entwickeln;
• Erfahrungsräume erkunden können, und die Vielfalt der eigenen Entwicklungspotenziale zu entdecken;
• Gefühle (Freude, Angst, Wut, Trauer) ausdrücken dürfen, ihre Existenz akzeptieren und in die eigene Gefühlswelt bejahend zu integrieren;
• die eigene Sexualität annehmen und integrieren können, um sich im eigenen Körper rundherum wohlzufühlen;
• Gewaltfreiheit als ein besonders wichtiges „Lebensgut“ erfahren, um  in den vielfältigen, Angst auslösenden Alltagssituationen immer stärker angstfrei handeln zu können;
• Neugierde umsetzen können, um sich und der Welt lernmotiviert zu begegnen;
• Optimismus von anderen spüren sowie Respekt bzw. Achtung in der erlebten Kommunikation erfahren, um Lebensherausforderungen als Lernchancen anzusehen und mit konstruktiven Gedanken und Handlungsweisen selbst schwierige Situationen anzunehmen und lösen zu wollen.

Es sind also vor allem personale Kompetenzen der elementarpädagogischen Fachkräfte, die außerhalb des Elternhauses der Kinder für eine stabilisierende, persönlichkeitsförderliche und stark machende, ressourcenorientierte Entwicklung eine nicht zu unterschätzende Mitverantwortung mittragen.

Fazit:

Politische Mandatsträger und Wissenschaftler/innen, die sich zur Krippenpädagogik äußern, beziehen sich überwiegend bei Fragen zur pädagogischen Arbeit mit Kindern unter drei Jahren (!) auf Struktur- bzw. Organisationsdaten mit unterschiedlichsten Fragestellungen und Schwerpunkten.  Dabei wird den Ergebnissen der Bindungsforschung, Neurobiologie und Entwicklungspsychologie, was Kinder an Bindungserfahrungen für eine gedeihliche Entwicklung brauchen, kaum ein signifikanter Bedeutungswert beigemessen. Periphere Erwähnungen kommen vor – und hier muss ein dringender Perspektivwechsel vorgenommen werden!

Kinder brauchen liebenswerte Mitforscher/innen, geduldige, aufmerksame, staunende und achtsame, respektvolle und wertschätzende sowie selbsterfahrungsorientierte Entwicklungsbegleiter/innen, die mit ihnen gemeinsam den vielfältigen und unbekannten Geheimnissen der sie umgebenden LEBENSWELT auf die Spur kommen wollen. Dazu brauchen sie sicherlich auch beste Rahmenbedingungen, damit die Krippenpädagogik entwicklungsförderliche und –unterstützende Prozesse in Kindern wirksam werden lässt. Gleichwohl besitzt bei allen Fragestellungen zur Krippenqualität die Person eine a-priorierte Bedeutung, die als Ausgangspunkt aller Fragestellungen zum Mittelpunkt erklärt werden muss. 

Literaturhinweise:

Ainsworth, M.D.S. (2003). Feinfühligkeit versus Unfeinfühligkeit gegenüber den Mitteilungen von Babys. In: Grossmann, K.E. und Grossmann, K. (Hrsg.). Bindung und menschliche Entwicklung… Stuttgart: Klett-Cotta, S. 414-421

Bowlby, J. (2010). Frühe Bindung und kindliche Entwicklung. München, 6. Aufl.: Reinhardt

Damasio, A.R. (2003). Der Spinoza-Effekt. Wie Gefühle unser Leben bestimmen. München: List

Gebauer, K. (2012). Klug wird niemand von allein. Kinder fördern durch Liebe. Düsseldorf: Patmos

Grossmann, K. + Grossmann, K.E.(2012). Bindungen- das Gefüge psychischer Sicherheit. Stuttgart, 6. Aufl.: Klett-Cotta

Holmes, J. (2002). John Bowlby und die Bindungstheorie. München: Ernst Reinhardt

Krenz, A. (2019). Kinder brauchen Seelenproviant. Was wir ihnen für ein glückliches Leben mitgeben können. München 6. Aufl.: Kösel

Krenz, A. + Klein, F. (2013). Bildung durch Bindung. Frühpädagogik: inklusiv und beziehungsorientiert. Göttingen 2. Aufl.: Vandenhoeck + Ruprecht

Krenz, A.(2014). Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik. Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln. München: Burckhardthaus-Laetare

LeDoux, J.E. (2003). Das Netz der Persönlichkeit. Wie unser Selbst entsteht. Zürich/ Düsseldorf: Walter

Ostermayer, Edith (2015). Krippenkinder achtsam begleiten. Bildung und Betreuung von Kindern unter 3 Jahren. Freiburg: Herder 

Reisinger, Annette (2018). Unsere Krippe – ein Ort zum Wohlfühlen. München: Don Bosco

Schmid, W. (2002). Schönes Leben? Einführung in die Lebenskunst. Frankfurt, 5. Aufl.: Suhrkamp

Van Dieken, Christel (2012). Was Krippenkinder brauchen. Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern unter 3 Jahren. Freiburg: Herder

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor a.D., Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Entwicklungspädagogik




Studie „Inklusive Bildung in Deutschland“ jetzt kostenlos herunterladen

Umfangreicher Bericht von Rackles über den Stand der Inklusion im Bildungssystem von Juli 2021

Vor 16 Jahren begründete die internationale Staatengemeinschaft mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention einen entsprechenden Veränderungsbedarf und löste damit einen Veränderungsprozess in Richtung eines inklusiven Schulsystems aus. 2009 erfolgte die Ratifizierung in Deutschland, und in allen 16 Schulgesetzen wurde der Wille zur inklusiven Bildung manifestiert.

Selbstverständlich hatte das alles einen guten Grund: Zum einen sollten nun endlich jene Strukturen ihr Ende finden, die darauf abzielen, Menschen mit Behinderung auszuschließen. Zum anderen stand hier aber auch der Wunsch nach einer inklusiven Gesellschaft als einer Gesellschaft, die alle Menschen gleich schätzt und ihnen einen offenen Zugang bietet.

Beharrungskräfte überwinden

„Deutschland gehört zu den Ländern, in denen sich historisch ein selektives Bildungssystem entwickelt hat. Es ist daher plausibel, dass die Hürden für die Transformation zu einem inklusiven Bildungssystem in Deutschland besonders hoch sind.“, beschreibt Mark Rackles die in seiner Studie „Inklusive Bildung in Deutschland“ die mangelnde Transformationsbereitschaft des Bildungssystems.

Auf 106 Seiten vergleicht er die Situation zwischen den verschiedenen Bundesländern auf Grundlage eines Kriterienkatalogs. Sein besonderes Augenmerk gilt jenen Kräften, die auf Exklusion beharren, und Transformation verhindern. Gleichzeitig verweist er auf notwendige Transformationsimpulse. Die Studie schließt mit acht Handlungsempfehlungen. Die letzte davon lautet: „Inklusionsbefürworter*innen müssen auf Exklusion gerichteten Abwehrstrategien offensiver als bisher entgegentreten und insbesondere an den organisatorischen Abwehrstrategien der Förderzentren, des Lehramts Sonderpädagogik und der Mindestgrößen politisch ansetzen.“

Für eine offene Gesellschaft

Rackles Studie ist eine detaillierte Analyse der aktuellen Situation des Transformationsprozesses zu einem inklusiven Bildungssystem. Darin findet sich Licht und noch mehr Schatten. Neben einem guten Überblick bietet sie auch ausgezeichnete Handlungsempfehlungen zu einem Bildungssystem, das allen Menschen den gleichen Zugang bietet. Seit Mai steht die Studie nun kostenlos zum Download bereit. All jene, denen eine offene Gesellschaft wichtig ist, sollten sie deshalb lesen. Hier geht es zur Studie:  https://rackles.com/wp-content/uploads/2022/05/Inklusionsstudie-Rackles-Consulting-2021.pdf




Mehr Vertrauen in unsere Kinder könnte die Welt retten

Wie Faulheit, Eitelkeiten, Profitinteressen und Dummheit zukunftsorientierte Bildung verhindern

Über Bildung lässt sich wunderbar diskutieren. Dabei herrscht landläufig die Meinung, wer in der Schule und neuerdings auch im Kindergarten recht viel lernt, aus dem wird ein gebildeter Mensch. Der Erwerb von wertvollem Wissen gilt als mühsam. Nur, was mit Schweiß und Tränen eingetrichtert wurde, scheint bedeutend. Insofern konnte die Schlussfolgerung aus den schwachen Ergebnissen der so genannten PISA-Studie zur Jahrtausendwende auch nur lauten, dass die Kinder in der Schule eben nicht genug gelernt hätten.

Bildung landläufig gesehen

Hand aufs Herz. Vielerorts ist das die landläufige Meinung, wenn es um Bildung und Schule geht. Dabei hat schon Titus Petronius im alten Rom geklagt, dass die Jugend in den Schulen verdummen würde, weil sie nichts von dem zu hören bekäme, was sie im Alltag brauche. Das ist 2000 Jahre her. Dass sich daran nicht viel geändert hat, zeigen etwa die kritischen Äußerungen des populären Philosophen Richard David Precht. Für ihn hat der heutige Schulbetrieb nur wenig mit sinnvoller, zukunftsgerichteter Vermittlung von Bildung zu tun.

Das Frühstück bleibt vielen Kindern im Halse stecken. Einzige Möglichkeit, das zu verhindern, wäre in den meisten Fällen: sie von der Schulpflicht zu befreien.

Christine Nöstlinger

Auch dass sich Bildung nicht eintrichtern lässt, ist schon länger bekannt. „Lehren heißt, ein Feuer entfachen, und nicht einen leeren Eimer füllen“, schrieb vor 2500 Jahren der griechische Philosoph Heraklit. Eine Erkenntnis, die heute durch die moderne Hirnforschung verbunden mit den bildgebenden Verfahren längst belegt ist.

Was aus uns werden könnte

Warum handeln wir dann trotz besseren Wissens anders und reden über Bildung, als gälte es, einen störrischen Esel zur Futterkippe zu zerren? Eine Antwort lautet ganz einfach: „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht!“ Schließlich haben nur wenige von uns einen Bildungsprozess erlebt, wie er nach allen Erkenntnissen sinnvoll wäre. Der bekannte Hirnforscher Gerald Hüther betont in seinen Vorträgen immer wieder, dass wir uns nicht damit trösten sollten, dass aus uns doch aus etwas geworden wäre. Viel wesentlicher sei die Frage, was aus uns hätte werden können.

Eines der größten Probleme unserer Zeit ist, dass viele geschult aber wenige gebildet sind.

Thomas Morus

Angesichts der enormen Probleme, vor denen die Menschheit heute steht, erscheint diese Frage noch viel dringlicher. Was bedeutet Bildung heute? Wie muss eine moderne Bildung aussehen, die uns darin unterstützt, die anstehenden Aufgaben zu erfüllen?

Muss Schule liefern?

Um das zu beantworten, ist es naheliegend, in einer so genannten „Leistungsgesellschaft“ von den Aufgaben her zu denken. Ganz abgesehen davon, dass ein gebildeter Mensch schon dem widersprechen würde, dass wir es hierzulande mit einer „Leistungsgesellschaft“ zu tun haben, sondern eher um eine Erben- oder Geldgesellschaft, zeigt sich bereits nach den ersten Versuchen, dass sich der Bildungsbegriff von Seiten der Anforderungen her gar nicht wirklich erschließen lässt. Ein beliebtes Argument ist, dass die Schule das abliefern müsse, womit „die Wirtschaft“ etwas anfangen könne.

Schule ist jenes Exil, in dem der Erwachsene das Kind solange hält, bis es imstande ist, in der Erwachsenenwelt zu leben, ohne zu stören.

Maria Montessori

Dazu hat unter anderem die Kultusministerkonferenz (KMK) die Bildungsstandards formuliert. Deutsch und Mathematik sind mit dabei, später die Erste Fremdsprache. Naturwissenschaften wie Biologie und Physik kommen hinzu. Reicht das? „Natürlich nicht“, antworten etwa die Verfechter der digitalen Bildung und fordern mittlerweile schon einen DigitalPakt KiTa. „Natürlich nicht“, werden die Demokraten in unserem Land sagen. Schließlich braucht eine Demokratie mündige Bürger. „Natürlich nicht“, behaupten die Pädagogen, die danach fragen, wo denn der Mensch bei all dem bleibe.

Bildung beginnt beim Fötus

Bevor wir nun weiter diesen Irrweg gehen, auf dem wir noch einer Fülle von Anforderungen begegnen, die weder ein noch so gutes Bildungssystem noch ein von ihm gebildeter Mensch leisten kann, müssen wir uns weiter in die Tiefe des menschlichen Seins begeben. Denn wer Bildung richtig vorantreiben möchte, darf nicht vergessen, dass er es mit lebendigen Wesen und ihren Eigenheiten zu tun hat.

Dabei hilft es, sich klar zu machen, dass das Wort Bildung vom althochdeutschen Wort „bildunga“ kommt, was in etwa so viel bedeutet, wie Vorstellung oder Vorstellungskraft. Je größer die Bildung, desto größer ist die Vorstellungskraft von den Zusammenhängen der Dinge dieser Welt. Damit beginnt Bildung schon beim Fötus im Mutterleib, auch wenn sich das ein wenig seltsam anhört.

Vom Streben nach Erkenntnis

Aber schon gegen Ende der Schwangerschaft strebt der Mensch nach Erkenntnis und damit der Entwicklung seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten. Schließlich geht es darum, sich im Leben zurecht zu finden und erfolgreich zu sein. Erfolg bedeutet dabei, sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Spätestens ab seiner Geburt gestaltet ein Kind sein eigenes Bildungsprogramm. Auch das ist wissenschaftlich belegt und seit der griechischen Antike bekannt. Das Kind beginnt, sich die Welt anzueignen.

Die größte Gefahr bei diesem Entwicklungsprozess besteht darin, dass wir es dabei stören, statt es darin zu unterstützen. Schon die chinesischen Weisen Konfuzius und Laotse kannten den Weg und wurden durch ein Heer von Pädagogen, Psychologen und Naturwissenschaftlern bis zum heutigen Tage bestätigt. Warum wir es dennoch anders angehen, hat damit zu tun, dass wir versuchen Kinder uns und unserem fiktiven Bild von Welt anzupassen. Und oftmals kommt noch ein ordentliches Stück Unverständnis und Faulheit hinzu, manchmal auch das Profitinteresse.

Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.

Friedrich Nietzsche

Immer wieder ist davon die Rede, dass die jungen Menschen im Bildungssystem geformt werden müssten. Wie absurd und vermessen das ist, zeigt sich schon, wenn man die verschiedenen Interessen, die an die junge Generation gestellt werden, sich genauer ansieht. Diese sind so widersprüchlich, dass nur ein psychisch kranker Geist daraus entstehen könnte.

Ausgangspunkt muss der Mensch sein

Ein erfolgreiches Bildungssystem muss immer vom individuellen Menschen ausgehen, ihn verstehen und ernst nehmen. Wer das nicht versteht, dem sei der Ausspruch eines Genies wie Albert Einstein ans Herz gelegt: „Jeder ist ein Genie! Aber wenn Du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.“ Leider läuft unser Bildungssystem vom Tage unserer Geburt an in weiten Teilen in diese Richtung und gipfelt darin, unter dem Vorwand der individuellen Förderung, unsere Schulsystem in drei- bis viergliedrig Schultypen zu unterteilen. Angesichts der sehr unterschiedlichen Entwicklung der Menschen in ihren ersten 20 Lebensjahren ist dies schlcht völliger Unsinn.

Es ist deshalb nötig, dass wir dem Kind die Möglichkeit geben, sich in Übereinstimmung mit den Gesetzen seiner Natur so zu entwickeln, dass es stark werden kann und, wenn es stark geworden ist, sogar noch mehr tun kann, als wir zu hoffen gewagt haben.

Maria Montessori

Dabei steckt die Begeisterung für die Zusammenhänge dieser Welt tief ins uns allen. „Es ist deshalb nötig, dass wir dem Kind die Möglichkeit geben, sich in Übereinstimmung mit den Gesetzen seiner Natur so zu entwickeln, dass es stark werden kann und, wenn es stark geworden ist, sogar noch mehr tun kann, als wir zu hoffen gewagt haben“, schreibt Maria Montessori. „Denn nur für das, was einem Menschen wichtig ist, kann er sich auch begeistern, und nur wenn sich ein Mensch sich für etwas begeistert, werden all jene Netzwerke ausgebaut und verbessert, die der betreffende Mensch in diesem Zustand der Begeisterung nutzt. Zwanzig bis fünfzig Mal am Tag erlebt ein Kleinkind diesen Zustand. Jeder dieser kleinen Begeisterungsstürme führt gewissermaßen dazu, dass im Hirn die Gießkanne mit dem Dünger angestellt wird, der für alle Wachstums- und Umbauprozesse von neuronalen Netzwerken gebraucht wird“, erklärt Hüther den inneren Bildungsprozess, durch den etwa der so wichtige Forschergeist in uns geweckt wird. „Alle Bildung ist Selbstbildung“, stellte einst Edith Stein fest. Und Maria Montessori vermutete, wenn wir unseren Kindern vertrauen und sie sich entfalten lassen würden, könnte daraus einst eine bessere Welt entstehen.

Handwerkszeug statt Teilwissen

Wir wissen nicht, was die Zukunft eines Tages von unseren Kindern abverlangen wird. Der Pädagoge Jean-Jacques Rousseau äußerte sein Unverständnis für jene Menschen, die ihre Kinder für eine Zukunft quälten, die sie doch gar nicht kennen. Ein schönes Beispiel sind jene, die Kleinkinder heute schon mit Tablets ausstatten möchten, um sie digital fit zu machen, und dabei vergessen, dass diese Tablets spätestens in zehn Jahren im Museum liegen.

Wer Kleinkinder heute schon mit Tablets ausstatten möchte, um sie digital fit zu machen, vergisst, dass diese Tablets spätestens in zehn Jahren bestenfalls im Museum liegen

Dabei wissen die wenigsten wirklich was sie meinen, wenn sie von digitaler Bildung sprechen. Einige verweisen etwa darauf, dass schon Kleinkinder eine bessere Feinmotorik entwickeln, wenn sie viel mit den Smartphones ihrer Eltern spielen. Das ist auch tatsächlich so. Dabei ignorieren sie aber nicht nur die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zum Schutz der Kinder, sondern eben auch, dass einseitige Förderung in einem Teilgebiet zwar gewöhnlich zu einer Verbesserung in der Leistung in diesem Bereich führt, diese aber auf Kosten der Entwicklung anderer Fertigkeiten und Fähigkeiten geht. Hier gibt es so gut wie keine Forschung, aber so genannte Wissenschaftler:innen, die es kaum schaffen, zwischen ihren wissenschaftlichen Interessen und denen wirtschaftlichen Interessen ihres eigenen Unternehmens zu unterscheiden. Während andere wiederum meinen, sie müssten „modern“ sein und in Aktionismus verfallen. Wiederum andere verwechseln ihr gut gemeintes Engagement schlicht mit ihrem Geldbeutel, während die nächsten meinen, sie müssten die Kinder fit machen, für die veränderten Umstände.

Damit trampeln viele über die eigentlichen Bedürfnisse der Kinder hinweg und schaden ihnen, statt einer ernsthaften Wissenschaft Raum zu bieten, die letztlich auch zu einer sinnvollen „digitalen Bildung“ führt. Augenblicklich besteht diese mehr darin, den Erwachsenen zunächst mal einen vernünftigen Umgang mit ihren digitalen Gerätschaften nahe zu bringen und die Schülerinnen und Schüler in ihrem Interesse an dieser faszinierenden Welt ernsthaft dann zu unterstützen, wenn ihr Interesse vorhanden ist und diese zumindest lesen können.

Ja, sind die denn verrückt, diese Erwachsenen, dass sie unsere Jüngsten in einem Alter in die Schule schicken wollen, da sie doch so viel zu lernen haben?

Weisheit aus dem Himalaja

Es geht darum, Bildung so zu entwickeln, dass der Mensch je nach seiner Individualität seine Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt, damit die Gesellschaft als Ganzes das Handwerkszeug in Händen dazu erhält, mit dem sie eine schwierige und komplexe Zukunft gestalten kann.

Kreativität ist gefragt

„Wo Deine Gaben liegen, da liegen Deine Aufgaben“, lautet ein altes deutsches Sprichwort. Wir brauchen heute kein Heer an Industriearbeitern und Soldaten mehr, die alle die gleichen Fähigkeiten haben. Und Konsumenten mögen zwar ihre Befriedigung aus dem Konsum ziehen, sind aber in Zeiten der Klimakrise auch zunehmend weniger gefragt. Wir brauchen Menschen, die mit ihren besonderen Fähigkeiten, die Herausforderungen der Zukunft meistern.

Der Philosoph Hans Lenk nennt dafür zwölf Bildungsziele: Kreativität, Flexibilität, Selbsterkenntnis, Selbstwertbewusstsein, Führungsfähigkeit, Sachlichkeit, Zielstrebigkeit, interdisziplinäre Offenheit, generalistisches Interesse, Fortschrittsorientierung, Zivilcourage, Grundwertorientierung. Der Erziehungswissenschaftler Wolfgang Klafki nennt drei Fähigkeiten: Selbstbestimmungsfähigkeit, Mitbestimmungsfähigkeit, Solidaritätsfähigkeit.

Kreativität ist eine Haltung im Leben, eine Fähigkeit jedwede Gegebenheit der Existenz zu meistern.

Arno Stern

Dabei beschreiben Lenk und Klafki nicht anderes als das, was der Mensch letztlich seit Entstehung des Homo sapiens sapiens eigentlich ist, wenn man ihn nur lässt. Denn genau diese Fähigkeiten haben dafür gesorgt, dass sich die Menschheit immer wieder aufs neue den neuen Umweltbedingungen angepasst und Lösungen für die Herausforderungen gefunden hat. Dass diese Lösungen nicht immer optimal waren, zeigt sich an vielen Beispielen. Wurde das Auto kurz nach seiner Erfindung doch als großer Fortschritt für die Umwelt gefeiert, weil dadurch der Pferdekot, der sich meterhoch am Straßenrand in den Städten sammelte, verschwand. Heute hat sich die Einstellung gegenüber dem Automobil oftmals ins Gegenteil gewendet.

Auch dafür kann die Menschheit Lösungen finden. Und man muss kein Prophet sein, um voraus zu sagen, dass es die kreativen, flexiblen und offenen Köpfe sein werden, die diese finden. Während jene, die einfache Lösungen bevorzugen, weil sie die Komplexität der Realität nicht erfassen können und wollen, diese nicht verstehen und möglicherweise verhindern werden. Wer dabei die Oberhand gewinnt, lässt sich noch nicht sagen. Letztlich sollte aber allen klar sein, dass wir jene kreativen Köpfe fördern sollten.

Bildung braucht einen Grund

Und wo bleiben dabei Deutsch und Mathematik? Menschen haben Sprache, Schrift und das Rechnen entwickelt, um miteinander umgehen zu können. Neugierige, soziale junge Menschen werden sich diese aus denselben Gründen aneignen. Gerne mit unserer Unterstützung und vor allem ohne Druck. „Die Bildung wird täglich geringer, weil die Hast größer wird“, klagte einst Friedrich Nietzsche. In diese Klage stimmen heute viele Eltern, Pädagog:innen und Lehrer:innen ein. Angesichts der hohen Lebenserwartung und in so einem reichen Land sollte es hier keinen Druck mehr geben. Vertrauen wir also dem inneren Bildungsmotor unserer Kinder und unterstützen sie.

Denn das Leben verstehen bedeutet Bildung heute

„Im Unterricht fragte die Lehrerin uns einst, was wir einmal werden wollen.  Ich antwortete ,glücklich‘, woraufhin die Lehrerin meinte, ich hätte die Frage nicht verstanden. Ich antwortete darauf, sie hätte das Leben nicht verstanden.“ Diese Erinnerung stammt von John Lennon und niemand wird widersprechen wollen. Denn das Leben verstehen bedeutet Bildung heute.

Gernot Körner




Zu wenige Freiflächen schränken Bewegungsraum von Kindern ein

Repräsentative Umfrage zum Weltspieltag des Deutschen Kinderhilfswerks zum Draußensein von Kindern

Die Erwachsenen in Deutschland messen dem Draußenspielen und dem Draußensein von Kindern weiterhin sehr große Bedeutung bei. Rund zwei Drittel (65 Prozent) der Erwachsenen geben an, dies äußerst wichtig zu finden, weitere 30 Prozent halten es für sehr wichtig, drei Prozent für wichtig. Die Kinder und Jugendlichen sehen das anders: Nur elf Prozent finden dies äußerst wichtig. 29 Prozent ist das Draußensein sehr wichtig, 32 Prozent ist dies wichtig. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle repräsentative Umfrage des Politik- und Sozialforschungsinstituts Forsa unter Kindern und Jugendlichen im Alter von zehn bis 17 Jahren und Erwachsenen im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes anlässlich des Weltspieltages am 28. Mai. Der Weltspieltag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Wir brauchen Spiel und Bewegung – draußen und gemeinsam“.

Weniger Draußenspielen durch Corona

Während der Corona-Pandemie konnten zeitweise viele Freizeitaktivitäten draußen nicht oder nur eingeschränkt stattfinden, zum Beispiel das Spielen auf Spielplätzen, der Sport im Verein oder das Treffen von Freunden draußen. Vor diesem Hintergrund wurden die Kinder und Jugendlichen gefragt, inwieweit sich für sie der Stellenwert des Draußenseins seit Beginn der Pandemie verändert hat. Für 24 Prozent der Befragten ist es seit der Corona-Pandemie wichtiger geworden, sich draußen aufzuhalten. Für 13 Prozent ist dies unwichtiger geworden. 62 Prozent konstatieren hier keinen Unterschied. Gleichzeitig meint knapp ein Drittel der Erwachsenen, dass Kinder und Jugendliche wegen der Corona-Pandemie gar nicht mehr so oft draußen sind (32 Prozent). Seltener wird das von den Kindern und Jugendlichen selbst so gesehen (14 Prozent).

In den Schulalltag integrierte Angebote

„Seit der Corona-Pandemie ist es für Kinder und Jugendliche wichtiger geworden, sich draußen aufzuhalten. Das unterstreicht die Wichtigkeit von schnell und eigenständig erreichbaren Frei- und Außenräumen für Kinder und Jugendliche, damit sie hier nicht ausgebremst werden. Insbesondere in der Stadt- und Raumplanung und ebenso in der Bau- und Verkehrsplanung müssen die Belange von Kindern und Jugendlichen besser berücksichtigt werden. Das gilt auch für entsprechende Freiräume im immer stärker institutionalisierten und organisierten Alltag von Kindern. Es braucht vor allem in den Schulalltag integrierte Angebote, die das Spielen bzw. den Aufenthalt im Freien ermöglichen, vor allem im Rahmen von Ganztagsschulen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Distanz zur Natur ist gewachsen

„Ansonsten laufen wir Gefahr, dass eine Generation von Stubenhockern heranwächst. Am besten ist es natürlich, wenn Kinder ihre Zeit draußen in der Natur verbringen. Zahlreiche Studien stellen fest, dass die Distanz zur Natur auch bei Kindern immer größer wird. Wir wissen aber gleichzeitig, dass der Aufenthalt in der Natur zum Wohlbefinden beiträgt. Kinder brauchen deshalb eine naturnahe Gestaltung von für sie ausgewiesenen Spielflächen, darüber hinaus aber auch grüne Wegeverbindungen, bespielbare Grünflächen sowie naturbelassene Streifräume wie Wälder und Bachläufe. Es sollte für Kinder von klein auf selbstverständlich sein, Zeit in der Natur zu verbringen. Und dies nicht nur beim Wochenendausflug ins Grüne, wenn ausreichend Zeit besteht, entsprechende Wege gemeinsam mit der Familie zurückzulegen. Sondern auch im städtischen Alltag, also im unmittelbaren, eigenständig erreichbaren Aktionsraum der Kinder und Jugendlichen“, so Hofmann weiter.

Immer weniger Möglichkeiten

Rund die Hälfte der Erwachsenen (54 Prozent) meint, dass Kinder und Jugendliche manchmal nicht draußen spielen bzw. sich nicht draußen aufhalten können, weil es dafür nicht genug Möglichkeiten in ihren Wohnumgebungen gibt. 37 Prozent sehen den Grund dafür im zu gefährlichen Straßenverkehr, 36 Prozent meinen, dass Kinder und Jugendliche häufig nicht genug Zeit haben, um draußen zu spielen.

34 Prozent der Kinder und Jugendlichen sagen, dass sie häufig keine Zeit haben, um draußen zu spielen bzw. Zeit zu verbringen. 26 Prozent einen, dass es in ihrer Nachbarschaft keine anderen Kinder bzw. Jugendlichen zum Spielen oder Zeit verbringen draußen gibt.

Mehr Spiel- und Aufenthaltsorte gefordert

Auf die Frage, welche Maßnahmen es Kinder und Jugendlichen am ehesten erleichtern würden, draußen zu spielen bzw. Zeit zu verbringen, nennen knapp drei Viertel der Erwachsenen (71 Prozent) mehr Spiel- bzw. Aufenthaltsorte, die sich in Wohnnähe befinden (z.B. ein Spielplatz oder eine Wiese). Zwei Drittel meinen, dass die Einrichtung von naturbelassenen Flächen im Wohnumfeld, sogenannte Naturerfahrungsräume (66 Prozent) sowie in den Schulalltag integrierte Angebote, die das Spielen bzw. den Aufenthalt im Freien ermöglichen (64 Prozent), zu einer Verbesserung der Situation der Kinder und Jugendlichen führen würden. 54 Prozent halten kürzere und schnellere Wege zu Orten, wo man gut draußen spielen bzw. draußen sein kann (z.B. kostenloser öffentlicher Nahverkehr oder sichere Radwege) als geeignete Maßnahme, 45 Prozent meinen dies von mehr verkehrsberuhigten Bereichen.

Naturbelassene Flächen fehlen

Danach gefragt, welche Dinge ihnen das Spielen bzw. das Zeitverbringen draußen erleichtern würden, nennen 32 Prozent der Kinder und Jugendlichen kürzere und schnellere Wege zu Orten, wo man gut draußen spielen bzw. draußen sein kann (z.B. kostenloser öffentlicher Nahverkehr oder sichere Radwege). Jeweils 27 Prozent wünschen sich mehr naturbelassene Flächen im Wohnumfeld, wo man spielen oder sich aufhalten kann sowie mehr Spiel- bzw. Aufenthaltsorte, die sich in Wohnnähe befinden (z.B. ein Spielplatz oder eine Wiese). 21 Prozent sagen, dass mehr Angebote in der Schule, die das Spielen bzw. den Aufenthalt im Freien ermöglichen, vor allem im Rahmen von Ganztagsschulen, ihnen das Draußensein erleichtern würden.

1017 Kinder und Jugendliche befragt

Für die repräsentative Umfrage zum Weltspieltag 2022 wurden vom Politik- und Sozialforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes deutschlandweit 1.017 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren und 1.031 Erwachsene befragt. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei +/- drei Prozentpunkten.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V.