Zu wenige Freiflächen schränken Bewegungsraum von Kindern ein

Repräsentative Umfrage zum Weltspieltag des Deutschen Kinderhilfswerks zum Draußensein von Kindern

Die Erwachsenen in Deutschland messen dem Draußenspielen und dem Draußensein von Kindern weiterhin sehr große Bedeutung bei. Rund zwei Drittel (65 Prozent) der Erwachsenen geben an, dies äußerst wichtig zu finden, weitere 30 Prozent halten es für sehr wichtig, drei Prozent für wichtig. Die Kinder und Jugendlichen sehen das anders: Nur elf Prozent finden dies äußerst wichtig. 29 Prozent ist das Draußensein sehr wichtig, 32 Prozent ist dies wichtig. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle repräsentative Umfrage des Politik- und Sozialforschungsinstituts Forsa unter Kindern und Jugendlichen im Alter von zehn bis 17 Jahren und Erwachsenen im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes anlässlich des Weltspieltages am 28. Mai. Der Weltspieltag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Wir brauchen Spiel und Bewegung – draußen und gemeinsam“.

Weniger Draußenspielen durch Corona

Während der Corona-Pandemie konnten zeitweise viele Freizeitaktivitäten draußen nicht oder nur eingeschränkt stattfinden, zum Beispiel das Spielen auf Spielplätzen, der Sport im Verein oder das Treffen von Freunden draußen. Vor diesem Hintergrund wurden die Kinder und Jugendlichen gefragt, inwieweit sich für sie der Stellenwert des Draußenseins seit Beginn der Pandemie verändert hat. Für 24 Prozent der Befragten ist es seit der Corona-Pandemie wichtiger geworden, sich draußen aufzuhalten. Für 13 Prozent ist dies unwichtiger geworden. 62 Prozent konstatieren hier keinen Unterschied. Gleichzeitig meint knapp ein Drittel der Erwachsenen, dass Kinder und Jugendliche wegen der Corona-Pandemie gar nicht mehr so oft draußen sind (32 Prozent). Seltener wird das von den Kindern und Jugendlichen selbst so gesehen (14 Prozent).

In den Schulalltag integrierte Angebote

„Seit der Corona-Pandemie ist es für Kinder und Jugendliche wichtiger geworden, sich draußen aufzuhalten. Das unterstreicht die Wichtigkeit von schnell und eigenständig erreichbaren Frei- und Außenräumen für Kinder und Jugendliche, damit sie hier nicht ausgebremst werden. Insbesondere in der Stadt- und Raumplanung und ebenso in der Bau- und Verkehrsplanung müssen die Belange von Kindern und Jugendlichen besser berücksichtigt werden. Das gilt auch für entsprechende Freiräume im immer stärker institutionalisierten und organisierten Alltag von Kindern. Es braucht vor allem in den Schulalltag integrierte Angebote, die das Spielen bzw. den Aufenthalt im Freien ermöglichen, vor allem im Rahmen von Ganztagsschulen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Distanz zur Natur ist gewachsen

„Ansonsten laufen wir Gefahr, dass eine Generation von Stubenhockern heranwächst. Am besten ist es natürlich, wenn Kinder ihre Zeit draußen in der Natur verbringen. Zahlreiche Studien stellen fest, dass die Distanz zur Natur auch bei Kindern immer größer wird. Wir wissen aber gleichzeitig, dass der Aufenthalt in der Natur zum Wohlbefinden beiträgt. Kinder brauchen deshalb eine naturnahe Gestaltung von für sie ausgewiesenen Spielflächen, darüber hinaus aber auch grüne Wegeverbindungen, bespielbare Grünflächen sowie naturbelassene Streifräume wie Wälder und Bachläufe. Es sollte für Kinder von klein auf selbstverständlich sein, Zeit in der Natur zu verbringen. Und dies nicht nur beim Wochenendausflug ins Grüne, wenn ausreichend Zeit besteht, entsprechende Wege gemeinsam mit der Familie zurückzulegen. Sondern auch im städtischen Alltag, also im unmittelbaren, eigenständig erreichbaren Aktionsraum der Kinder und Jugendlichen“, so Hofmann weiter.

Immer weniger Möglichkeiten

Rund die Hälfte der Erwachsenen (54 Prozent) meint, dass Kinder und Jugendliche manchmal nicht draußen spielen bzw. sich nicht draußen aufhalten können, weil es dafür nicht genug Möglichkeiten in ihren Wohnumgebungen gibt. 37 Prozent sehen den Grund dafür im zu gefährlichen Straßenverkehr, 36 Prozent meinen, dass Kinder und Jugendliche häufig nicht genug Zeit haben, um draußen zu spielen.

34 Prozent der Kinder und Jugendlichen sagen, dass sie häufig keine Zeit haben, um draußen zu spielen bzw. Zeit zu verbringen. 26 Prozent einen, dass es in ihrer Nachbarschaft keine anderen Kinder bzw. Jugendlichen zum Spielen oder Zeit verbringen draußen gibt.

Mehr Spiel- und Aufenthaltsorte gefordert

Auf die Frage, welche Maßnahmen es Kinder und Jugendlichen am ehesten erleichtern würden, draußen zu spielen bzw. Zeit zu verbringen, nennen knapp drei Viertel der Erwachsenen (71 Prozent) mehr Spiel- bzw. Aufenthaltsorte, die sich in Wohnnähe befinden (z.B. ein Spielplatz oder eine Wiese). Zwei Drittel meinen, dass die Einrichtung von naturbelassenen Flächen im Wohnumfeld, sogenannte Naturerfahrungsräume (66 Prozent) sowie in den Schulalltag integrierte Angebote, die das Spielen bzw. den Aufenthalt im Freien ermöglichen (64 Prozent), zu einer Verbesserung der Situation der Kinder und Jugendlichen führen würden. 54 Prozent halten kürzere und schnellere Wege zu Orten, wo man gut draußen spielen bzw. draußen sein kann (z.B. kostenloser öffentlicher Nahverkehr oder sichere Radwege) als geeignete Maßnahme, 45 Prozent meinen dies von mehr verkehrsberuhigten Bereichen.

Naturbelassene Flächen fehlen

Danach gefragt, welche Dinge ihnen das Spielen bzw. das Zeitverbringen draußen erleichtern würden, nennen 32 Prozent der Kinder und Jugendlichen kürzere und schnellere Wege zu Orten, wo man gut draußen spielen bzw. draußen sein kann (z.B. kostenloser öffentlicher Nahverkehr oder sichere Radwege). Jeweils 27 Prozent wünschen sich mehr naturbelassene Flächen im Wohnumfeld, wo man spielen oder sich aufhalten kann sowie mehr Spiel- bzw. Aufenthaltsorte, die sich in Wohnnähe befinden (z.B. ein Spielplatz oder eine Wiese). 21 Prozent sagen, dass mehr Angebote in der Schule, die das Spielen bzw. den Aufenthalt im Freien ermöglichen, vor allem im Rahmen von Ganztagsschulen, ihnen das Draußensein erleichtern würden.

1017 Kinder und Jugendliche befragt

Für die repräsentative Umfrage zum Weltspieltag 2022 wurden vom Politik- und Sozialforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes deutschlandweit 1.017 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren und 1.031 Erwachsene befragt. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei +/- drei Prozentpunkten.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V.




Das Spiel ist die Arbeit des Kindes

Ein paar Überlegungen und ein Tipp für all jene, die es noch immer nicht glauben wollen

„Das Spiel ist die Arbeit des Kindes!“ Maria Montessori war sicher nicht die erste, die das erkannte, aber die erste, die das so treffend formulierte. Es ging ihr dabei darum, dass das Spiel auch eine entsprechende Würdigung findet. Laut Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention hat jedes Kind das Recht auf Spiel. Wörtlich heißt es hier:

„Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit an, auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben.“

Das Kind erfindet sein Spiel selbst

Dabei ist Spiel für Kinder nicht das, was viele Erwachsene versuchen Kindern einzureden, was Spiel sein soll. Kinder entwickeln ihr Spiel selbst und erschließen sich damit die Welt. Dabei haben wir Erwachsene, die Funktion, die Kinder dabei zu unterstützen – nicht zu leiten oder zu fördern. Wir sind auch keine „Götter“, die das Recht haben, „Menschen zu formen“, sondern wir sind Begleiter, die dem Kind die Möglichkeit geben, sich zu offenbaren.

Leider ist das in unserer Gesellschaft noch nicht angekommen. Trotz moderner bildgebender Verfahren, stehen viele seltsame Vorurteile und manchmal auch finanzielle Interessen im Weg. Und auch, wenn der ein oder andere Manfred Spitzer oder Gerald Hüther nicht mag: im Bezug auf das Spiel haben die beiden recht und können das auch wissenschaftlich belegen. Und nur auf diese Weise, können Kinder auch wirklich lernen.

Eine kleine Binsenweisheit

Leider fehlt uns allzu oft die Geduld und das Vertrauen eines Gärtners. Sonst würden wir nicht versuchen, Kinder gezielt zu fördern. Schließlich wächst das Gras auch nicht schneller, wenn man daran zieht. Das ist zwar eine Binsenweisheit. Das tolle an Binsenweisheiten ist aber, dass sie wahr sind. Und irritieren dabei ist, dass sie dennoch von vielen ignoriert werden.

Studien lesen und beurteilen, nicht nur schauen

Neulich berichtete mir eine Bekannte, sie habe eine Studie gesehen. Darin hätte man beschrieben, wie schon Kleinkinder durch Betätigen des Bildschirms eines Smartphones oder Tablets eine bessere Feinmotorik entwickeln würden.

Mal ganz abgesehen davon, dass man Studien nicht sehen, sondern lesen sollte, auch um ihren Ursprung zu kennen und ihre Repräsentativität beurteilen zu können, ist diese Erkenntnis nur wenig wert. Selbstverständlich verbessern Kinder ihre Leistungen, wenn sie in einem Bereich spezielle Förderung erfahren. Genauso ist aber auch festzustellen, wie das etwa die beiden oben genannten Hirnforscher getan haben, dass genau diese Kinder in anderen Bereichen große Defizite zu verzeichnen haben.

Körperverletzung statt Förderung

Wir greifen eben mit dem „Fördern“, das letztlich keines ist, in den individuellen Bauplan des Kindes ein, statt es zu unterstützen oder vorsichtig anzuregen. Ach so: Und wenn wir auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) schauen, gehört das Thema „Kleinkinder mit digitalen Bildschirmen spielen zu lassen“ wohl eher in den Bereich der Körperverletzung als der Förderung.

Apropos BZgA: eine der interessantesten Websites auch zum Thema Spielen für Laien und Fachkräfte bietet die Gesundheitszentrale unter https://www.kindergesundheit-info.de/. Wer es uns nicht glaubt, glaubt es vielleicht der BzgA. Viel Spaß beim Lesen!

Gernot Körner




Wenn Ihre Kinder ständig streiten

Der 4-Wochen-Starkes-Geschwisterteam-Kurs von Isabelle Abendroth

Kennst du das? Geschwisterstreit, Eifersucht, Sticheln, Hauen, Kampf um Aufmerksamkeit?
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Zielgruppe: Eltern von Kindern im Alter von 2 bis 12 Jahren; max. Teilnehmerzahl 8 Personen
Zeitraum: 31. Mai bis 21. Juni 2022;
4 Mal dienstags je 20 bis 22 Uhr
Ort: 
Virtuell über Zoom 
Beitrag: 199 EUR inkl. Buch & Arbeitsheft „Hilfe, meine Kinder streiten“ (Faber/Mazlish)
Referentin: Isabelle von Abendroth, systemischer Elterncoach, Erziehungsberaterin, Mutter von 3 Kindern

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Und hier das Buch:

Von den Autorinnen von „So sag ich’s meinem Kind“ kommt ein Ratgeber, der speziell auf die Probleme zwischen Geschwistern eingeht. Adele Faber und Elaine Mazlish erklären anhand zahlreicher anschaulicher Beispiele und Comics:
– Wie Sie durch einfache Gesprächs- und Umgangsregeln Rivalitäten zwischen Kindern abbauen können.
– Wie Sie Ihren Kindern helfen unangenehme Gefühle auszudrücken.
– Wie Sie Selbstbewusstsein und Motivation jedes einzelnen Kindes stärken, ohne ungerecht zu sein

Adele Faber/Elaine Mazlish
Hilfe, meine Kinder streiten: Wie Sie Geschwistern helfen, einander zu respektieren
Softcover, 224 Seiten
ISBN: 978-3-96304-011-5
19,95 Euro




Schulfähigkeit und Schulbereitschaft bei Kindern

Hinweise zur Erfassung und Beurteilung schulfähigkeitsrelevanter Merkmale

Kinder sind in ihrem Leben immer wieder mit Übergängen – so genannten Transitionen – konfrontiert. Der erste große Übergang aus dem Sicherheit bietenden Elternhaus erfolgt für viele Kinder durch einen Krippen- oder Kindergartenbesuch, der zweite Übergang ist die Aufnahme in die Grundschule und so folgen im weiteren Leben immer wieder neue Übergänge (der Wechsel von der Primar- zur Sekundarschule, von der Schule zur Ausbildungsstelle bzw. zum Studium, der Auszug aus dem Elternhaus in eine eigene Wohnung, spätere Wohnortwechsel ….). Gerade der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule besitzt dabei einen lebensbestimmenden Bedeutungswert.

Übergangssituationen sind Chancen und Gefahrenquellen

Übergänge sind ein fester Bestandteil des Lebens und mit jedem Beginn ist bereits ein Ende programmiert. Jeder Übergang beinhaltet einen Austritt aus bisher bekannten, sicherheitgebenden Umgebungsbedingungen und einen Eintritt in etwas Neues, eine für sich gesehen „unbekannte Welt“. Dabei bieten Übergänge auf der einen Seite immer wieder neue Chancen auf eine Weiterentwicklung, auf der anderen Seite bergen Übergänge aber auch Risiken.

Um Bilder zu gebrauchen: Übergänge können sichere Stahlbrücken sein aber auch schwankende Hängebrücken. Sie können einen gefährlichen Drahtseilakt darstellen oder auch auf sicheren Schienen mit spurgenauen Weichen von statten gehen. Ein Übergang bleibt allerdings im Leben vieler Menschen ein Balanceakt, der auch zu einem Absturz führen kann, weil bekannte Stabilisationsfaktoren der Vergangenheit verlassen werden müssen.

Der Übergang Kiga-Grundschule im Fokus

Der zweite, bedeutsame Übergang im Leben der Kinder ist nach dem Eintritt in eine Kindertagesstätte der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule. Um Kindern diesen Wechsel zu erleichtern, werden in vielen Kindergärten gezielte Aktivitäten mit Kindern unternommen, um sie mit der anstehenden neuen Situation schon rechtzeitig vertraut zu machen. In der Regel bezieht sich die „Vorbereitung auf die Schule“ auf zwei große Schwerpunktbereiche. Zum einen werden mit den „Schulkindern“, wie Kinder häufig im letzten Kindergartenjahr genannt werden, gezielte „Vorschulprogramme“ durchgeführt, zum anderen kommt es in den letzten zwölf Monaten des Kindergartenbesuchs zu Aktivitäten, die den Kindern die Institution Schule näherbringen soll. Dazu gehören etwa gemeinsame, regelmäßige Treffen der „Schulkinder“ in einem besonderen Raum zu einem festen Termin, wo Kinder mit „Schulmaterialien“ vertraut gemacht werden, ein erster Schulbesuch, gezielte Sprach- und erste Leseförderung, Verkehrserziehung für eine sichere Nutzung des Schulweges, gemeinsames Bilderbuchbetrachten zum Thema Schule, Hospitationen und eine zeitweilige Teilnahme am Unterricht, Abschiedsfeier mit Übernachtung im Kindergarten, „Basteln“ einer Schultüte und entsprechende Elterngespräche. Eine solche „direkte Schulvorbereitung“, um dem „Kindergartenkind“ den Übergang zum „Schulkind“ zu erleichtern, steht in vielen Kindertagesstätten im Mittelpunkt, ist allerdings gerade unter bildungswissenschaftlicher und neuro-biologischer Betrachtung im Sinne einer Nachhaltigkeit sehr umstritten.

Eltern fordern und „fördern“ ihr Kind

Die Frage nach dem Stand der Schulfähigkeit steht auch für viele Eltern – vor allem im letzten Kindergartenjahr – an erster Stelle, weil sie den anstehenden Schulbesuch ihres Kindes einerseits mit eigenen Schulerfahrungen verbinden und andererseits wünschen, dass ihre Kinder von Anfang an einen gelungenen Schulstart erleben. So suchen sie immer wieder das Gespräch mit den Erzieherinnen, um abzuklären, welche besonderen Programme zum gezielten Auf- und Ausbau der Schulfähigkeit in der Kindertagesstätte durchgeführt wurden bzw. werden und wie auch Eltern selbst die „Vorschularbeit“ zu Hause fortsetzen können.

Kann Schulfähigkeit direkt „gefördert“ werden?

Eine solche gezielte „Schulentwicklungsförderung“ sowohl durch Eltern als auch in einer altershomogenen Kleingruppe im Kindergarten ist allerdings ebenso wie die gezielte Zusammenführung der beiden Institutionen „Kindergarten und Schule“ im letzten Kindergartenjahr aus Sicht vieler Schulfähigkeits-/ Bildungswissenschaftler schon seit mehr als zwei Jahrzehnten sehr umstritten (Bronfenbrenner 1988; Hacker 1998; Helmke 1992; Klein 1999; Crain 2005; Krenz 2006; Gebauer 2007; Brandes 2008; Lilienfeld/ Lynn/ Ruscio/ Beyerstein 2011; Bergmann 2011; Textor 2012; Renz-Polster + Hüther, 2013) und hat vor allem durch neuere Erkenntnisse der Hirnforschung immer wieder für fachlichen Zündstoff gesorgt. Dabei geht es stets um die bedeutsame Frage, ob sich die„Schulfähigkeit“ eines Kindes aus einer zeitbegrenzten, direkten Vorbereitung ergibt oder ob sie sich nicht vielmehr als das Ergebnis einer gesamten entwicklungsförderlichen Lernunterstützung von Kindern in den ersten sechs Lebensjahren herausstellt. Darüber hinaus wird zwischen Praktikern und Schulfähigkeitsforschern immer wieder heftig darüber diskutiert, ob es bei der Schulfähigkeit um schulerwartete Fertigkeiten geht, die sogleich einen lerngesteuerten Anfangsunterricht möglich machen oder ob es sich bei der Schulfähigkeit eines Kindes eher um eine „allgemeine Schulbereitschaft“ handelt, in der entsprechende Persönlichkeitsmerkmale von Schulkindern im Vordergrund stehen und sich nicht durch funktionsorientierte Übungen erreichen lassen.

Bevor es daher um die Frage gehen kann, wie sich die Schulfähigkeit eines Kindes entwickelt und ob sie beispielsweise „gefördert“ werden kann, ist es zu allererst notwendig, sich dem Begriff „Schulfähigkeit“ selbst zuzuwenden.

Was ist eigentlich „Schulfähigkeit?“

Auch wenn es in den vergangenen Jahrzehnten sehr vielfältige Definitionen von „Schulfähigkeit“ gab, hat sich herausgestellt, dass die Betrachtungen von Prof. Gerhard Witzlack besonders geeignet ist, die vielfältigen Facetten zu betrachten, die mit diesem Begriff verbunden sind.

Witzlack bezeichnet die Schulfähigkeit von Kindern als „die Summe ganz bestimmter Verhaltensmerkmale und Leistungseigenschaften, die notwendig sind, um im Anfangsunterricht und der weiteren Schulzeit Lernimpulse wahrzunehmen, aufzugreifen und im Sinne einer aktiven Lernauseinandersetzung zu nutzen. Diese Verhaltensmerkmale bilden aus seiner Sicht die Grundlage dafür, persönlichkeitsbildende (im emotionalen, motorischen sowie sozialen Bereich) und inhaltliche Weiterentwicklungen (im kognitiven Bereich) selbstmotiviert anzunehmen und umzusetzen. Gleichzeitig betrachtet Witzlack die Schulfähigkeit als einen vernetzten Teil eines Ganzen: sie ist immer abhängig von den besonderen Rahmenbedingungen einer Schule und den Persönlichkeitsmerkmalen sowie den fachlichen Kompetenzen der dort tätigen Lehrkräfte.“ ( vgl. Witzlack, G. in Krenz, 5. Aufl. 2009, S. 63).

Schulfähigkeit wird heute noch mit „Schulreife“ gleichgesetzt

Um die vielen angesprochenen Facetten dieser Begriffsbeschreibung zu sehen, ist es sicherlich hilfreich, noch einmal die Aussagen im Einzelnen zu sehen. Zunächst geht es darum, dass Witzlack – wie auch andere Schulfähigkeitsforscher – von Schulfähigkeit und nicht von „Schulreife“ spricht.

Bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde angenommen, dass vor allem die körperliche Entwicklung eines Kindes parallel mit seiner geistigen Entwicklung verlaufe. Ausgangspunkt dafür war der jahrzehntelange Bezug auf die Aussagen, die der Schularzt Wolfgang Zeller seit 1936 bis in die Mitte der 50er Jahre vertrat. Für ihn war die körperliche Entwicklung durch den so genannten ersten Gestaltswandel (von der Kleinkind- zur Schulkindform) sowohl „reifebedingt“ als auch von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung einer „Schulreife“. Er ging davon aus, dass letztlich die körperliche Entwicklung des Kindes zugleich auch immer ein Anzeichen für seine kognitive und soziale Entwicklung sei:

„In diesem ersten Gestaltswandel wird auch die seelische Gestalt des Kindes gleichzeitig mit den körperlichen Vorgängen verwandelt. Die kleinkindhafte Seelenstruktur mit ihrem magischen Weltbild und der ganzheitlichen vorwiegend synthetischen Wahrnehmung, macht einer neuen seelischen Haltung Platz, deren wesentlicher Grundzug die Fähigkeit zu analysierenden Vorgängen ist.“ (Zeller, 1952, S. 36). Seiner Ansicht nach reiche eine körperliche Untersuchung, um aus den Befunden einen Rückschluss auf eine Schul(un)reife der Kinder zu ziehen.

Dieselbe Meinung vertrat die Psychologin Hildegard Hetzer: „Dem Gestaltwandel entspricht also ein Wandel der seelischen Struktur und die Zusammenhänge zwischen den körperlichen Veränderungen und dem seelischen Anderswerden sind deutlich zu erkennen.“ (1936, S. 21). Diese Aussagen verdeutlichen, dass Schulfähigkeit so gut wie ausschließlich als „Reifungsphänomen“ aufgefasst wurde und dadurch prägte sich das Wort Schul„reife“ aus. Doch hat sich diese über viele Jahrzehnte bestehende Annahme fachlich in keiner Weise als haltbar erwiesen.

Heute weiß man, dass es vor allem um „innerliche Bereitschaften“, so genannte „intrapersonale Dispositionen“ geht (vgl. Bellenberg 1999, Breuer 1993; Helmke 1992). Aus diesem Grunde wechselte man auch in der Sprache das Wort „Schulreife“ gegen den Begriff „Schulfähigkeit“ aus. Dennoch hat sich in den nach wie vor durchgeführten schulärztlichen Untersuchungen die Auffassung gehalten, dass diese individualmedizinische Begutachtung der Kinder nötig sei. So wird nach wie vor der körperliche Entwicklungsstand der Kinder erfasst, das Seh- und Hörvermögen diagnostiziert, der individuelle Entwicklungsstand mit den Schwerpunkten Wahrnehmung, Motorik, Wissen und Sprache festgestellt sowie ein möglicher medizinischer und gesundheitspräventiver Förderbedarf ermittelt.


Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik

In einer Zeit wirtschaftlicher und technologischer Wandlungen, veränderter Situationen des Wohnens und Zusammenlebens, in der mediale Konsumorientierung bereits das frühkindliche Leben mitprägt, sollten wir einmal einen Schritt zurücktreten und – ohne uns den modernen Möglichkeiten zu verweigern – darüber nachdenken, was unsere Kinder, seien es eigene oder im pädagogischen Rahmen anvertraute, zu einer positiven Selbstentwicklung wirklich brauchen. Armin Krenz behandelt fach- und sachkundig und stets praxisnah das Thema der frühkindlichen Entwicklung, sei es im Bereich der Sprache, der Motorik, der sozialen Persönlichkeit oder der Kognition.

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Schulfähigkeit umfasst bestimmte Verhaltenseigenschaften des Kindes

Wenn Witzlack darüber hinaus von einer „Summe ganz bestimmter Verhaltensmerkmale und Leistungseigenschaften“ spricht, dann ergeben sich daraus wiederum zwei Aspekte:

Zum einen können Schulfähigkeitsmerkmale nicht durch Schulen, Schulärzte oder Eltern subjektiv festgestellt oder gar individuell festgelegt werden, weil umfangreiche Auswertungen von Untersuchungsergebnissen vorliegen, die diese Besonderheiten exakt erfasst haben.
Zum anderen geht es bei diesen spezifischen Verhaltensmerkmalen und Leistungseigenschaften nicht um kognitive Fertigkeiten wie beispielsweise darum, bestimmte, dem Kind vorgelegte Bilder in eine logische Reihenfolge zu bringen, zu erzählten Geschichten auf bestimmte Bildkarten zu zeigen, Mengenverhältnisse zu erfassen, geometrische Figuren zu erkennen und richtig zu benennen, Zahlenreihen korrekt aufzusagen, den eigenen Vor- und Zunamen schreiben zu können, die eigene Wohnanschrift zu kennen und auf Auforderung zu nennen oder einen vollständigen Menschen mit möglichst allen Körperteilen aufzuzeichnen.

Lange Zeit wurden und werden noch bis in die heutige Zeit solche „Schulfähigkeitsuntersuchungen“ durchgeführt, obwohl schon in der Mitte der 1970er Jahre der „Deutsche Bildungsrat“ von solchen kognitiv orientierten Überprüfungen aus den oben genannten Erkenntnissen abgeraten hat. Hinzu kommt, dass sie sich nahezu ausschließlich auf die Testung von kognitiven Merkmalen beziehen und auch hier wiederum nur einen kleinen Ausschnitt aufgreifen, der letztlich von untergeordneter Bedeutung in der Beurteilung von Schulfähigkeit ist.

Gleichzeitig kommt die im späteren Unterricht so wichtige Kommunikationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu kurz, weil die testenden Personen Aufgabenstellungen aussprechen und die Kinder lediglich ausschnitthafte Äußerungen von sich geben sollen. Kreative Lösungen sind bei den Wissensfragen ebenso wenig gefragt wie phantasieorientierte Gespräche und der für die Schulfähigkeit so wichtige sozial-emotionale Bereich kann durch solche Aufgabenstellungen auch nicht im Ansatz erfasst werden. Schließlich gibt ein solches Testverfahren keinerlei Auskunft über die „Kinderfähigkeit der Schule/ Schulbedingungen“ und letztendlich bringen unterschiedliche Schulfähigkeitsverfahren bei denselben untersuchten Kindern immer wieder unterschiedliche Ergebnisse zu Tage. Das hat mit der Tagesform der Kinder ebenso zu tun wie mit dem Beziehungsverhältnis zwischen dem Testdurchführer und dem getesteten Kind.

Weiterhin bezieht Witzlack die Frage nach einer vorhandenen Schulfähigkeit nicht nur auf den Einschulungstermin bzw. die erste Klasse, sondern auch auf die gesamte weitere Schulzeit! Und dazu gehört vor allem die Fähigkeit, direkte und indirekte Lernherausforderungen von sich aus (also intrinsisch motiviert) zu bemerken, aufzunehmen und letztendlich zu nutzen. Hier steckt „das sich bildende Kind bzw. der sich bildende Schüler“ im Mittelpunkt, so dass es weniger um ein Lernen und Belehren geht als vielmehr um die Fähigkeit der Kinder, den Lernstoff als eine Herausforderung zu verstehen und mit Interesse sowie Anstrengungsbereitschaft für eigene Lernauseinandersetzungen zu verwerten. Es hat sich dabei herausgestellt, dass folgende 16 Schulfähigkeitsmerkmale von besonderer Bedeutung sind

Emotionale Schulfähigkeit Soziale Schulfähigkeit Motorische Schulfähigkeit Kognitive Schulfähigkeit
weitgehend frei sein von inneren Spannungen (Belastbarkeit besitzen), um sich wahrnehmungsoffen den gestellten Aufgaben zuwenden zu können; auch mit Enttäuschungen umgehen können, um sich bei Misserfolgen dennoch den weiteren Lernherausforde-rungen zu widmen; Zuversicht und Vertrauen in die eigene Person besitzen, um sich als Akteur in Lernsituationen zu begreifen; neue, unbekannte Situationen weitgehend angstfrei wahrnehmen, um sich ohne Angstblockaden neuen Lernherausforderungen zu stellen. sich in einer Gruppe angesprochen fühlen, ohne persönlich angesprochen zu werden  – hier geht es um allgemein formulierte Arbeitsanforderungen, die das Kind auch auf sich bezieht; sich von vertrauten Personen lösen können, um alleine und ohne Hilfe gestellte Aufgaben zu erledigen; zuhören können und andere aussprechen lassen, um etwa Aufgaben-stellungen zu verstehen; Regelbedeutungen zu erfassen und sozial bedeutsame Regeln weitgehend einhalten zu können, um selbstaktiv – auch in einer Gruppe – zu einer konstruktiven Kommunikation beizutragen. eine visomotorische Koordination sowie eine Finger- und Handgeschick-lichkeit besitzen, um gezielte und „flüssige“ Schreib-/ Zeichen-bewegungen ausführen zu können; eigeninitiatives Verhalten zeigen (das Lerninteresse und die Arbeitshaltung betreffend) – zur Übernahme selbst-ständig gestalteter Arbeits-aufgaben; Belastungen erkennen und selbstaktiv verändern können, um zu ergebnisorientierten Lösungen zu kommen; Gleichgewichtswahr-nehmung besitzen, um aus einer Innenwahrnehmung eine Konzentration auf eine Außenwahrnehmung zu richten. Konzentrationsfertigkeit und Ausdauer bei mittelschweren Aufgaben aufbringen (ca. 15 Minuten), um zielgerichtet arbeiten zu können; Aufmerksamkeit (Neugierdeverhalten) für Lernherausforderungen zeigen, um mit Selbstmotivation die eigene Lernfreude zu aktivieren; folgerichtiges Denken bei logischen Aufgaben an den Tag legen und Beziehungen / Gesetzmäßig-keiten in Abläufen erkennen, um logische Zusammenhänge zu erkennen; eine lernorien-tierte Merkfähigkeit besitzen (im auditiven und visuellen Bereich), um zurückliegende Lernereignisse mit gegenwärtigen Lernheraus-forderungen zu verknüpfen.

(Tab.:  Merkmale einer vorhandenen Schulfähigkeit, © Krenz)

Selbstverständlich handelt es sich bei diesen 16 so genannten Basisfaktoren einer Schulfähigkeit/Schulbereitschaft nicht um Merkmale, die jeweils eine 100%ige Qualitätserfüllung erfordern. Vielmehr beschreiben diese 16 Basisfaktoren die Merkmale, die im Ansatz – wenn auch deutlich – bei Kindern erkennbar sind und die sich durch alltagsorientierte Lebens- und Lernerfahrungen in bindungsstarken Beziehungen auf- und ausbauen.

Zugleich bezieht Witzlack – ebenso wie der Psychologe Prof. Dr. Karlheinz Barth -aber auch die gesamten Umfeldbedingungen in die Frage der Schulfähigkeit von Kindern mit ein. (Barth: „Aber Schulfähigkeit darf nicht ausschließlich auf Merkmale bzw. Lernvoraussetzungen des Kindes reduziert werden. Es besteht vielmehr eine Wechselwirkung zwischen schulischen Einflussgrößen und den individuellen Lernvoraussetzungen eines Kindes.“ 1992, S. 40)

Damit haben nicht nur Kinder eine so genannte „Bringschuld“ sondern gleichzeitig auch die Schulen selbst. (vgl. Portmann 1995, S. 12 ff.) Anders ausgedrückt: „Schulfähigkeit stellt sich somit als ein interaktionistisches Konzept verschiedener Einflussgrößen dar.“ (Barth, 1992, S. 41).So spielen selbstverständlich auch die Rahmenbedingungen – etwa die Größe der Schulklassen, die Zusammensetzung der Klassen, das Verhältnis von Jungen und Mädchen, die Klassenraumgestaltung, der festgelegte Stundenrhythmus, Unterrichtsmaterialen wie die gesamte Ausstattung mit Medien –  ebenso eine große Rolle wie die bindungs- und beziehungsorientierten Ausdrucksformen der Lehrkräfte (vgl. dazu auch Johannson, 2007, S. 28 ff.)., ihre eigene Lernbereitschaft und ihr persönliches Engagement sowie ihre Unterrichtsvorbereitung und -durchführung bzw. ihr methodisch/ didaktisches Know-how.

Da Deutschland aus einem föderalistischen Staatssystem besteht, in dem die 16 einzelnen Bundesländer eine jeweilige Bildungshoheit besitzen, ist die Frage der Einschulung je nach Bundesland sehr unterschiedlich geregelt. Es gibt Bundesländer, die die Einschulung der Kinder vom sechsten Lebensjahr schrittweise auf das fünfte Lebensjahr vorziehen (z.B. Nordrhein-Westfalen und Bayern), andere Bundesländer folgen (noch) nicht dieser Tendenz. Des Weiteren gibt es Bundesländer, die auf jedwede Form von Schulfähigkeitsuntersuchungen verzichten (z.B. Bremen) und zunächst alle Kinder im entsprechenden Alter in die Grundschulen aufnehmen. Hier steht die Annahme im Hintergrund, dass es wahrscheinlich für viele Kinder sehr hilfreich ist, vor allem in den ersten beiden Klassen entsprechende Schulfähigkeitsmerkmale aufzubauen(als Aufgabe der Schule und nicht des Elternhauses bzw. des Kindergartens) und diese demnach nicht als Bedingungen für eine Schulaufnahme vorauszusetzen.

Kernelemente einer „Bildungsarbeit aus II. Hand“

Bei einer genaueren Betrachtung der aktuellen „Bildungsarbeit“ (zur  so genannten Schulvorbereitung des Kindergartenkindes)  in vielen Kindertagesstätten kann festgestellt werden, dass „schulvorbereitende Bildung“

a) zu einer belehrenden Angebotspädagogik deformiert wurde, in der sich die Fachkräfte als Akteure/ Impulsgeber verstehen und Kinder in die Rolle von Reakteuren gedrängt werden;
b) in künstlich hergestellten Lernsituationen angeboten wird und Kinder von ihren alltagsweltlichen Erlebnis-/Erkenntnisinteressen immer stärker abgelenkt/ weggeführt werden;
c) in einer erwachsenengesteuerten Bildungssystematik mündet, die dem Denken/ Verstehen/ Handeln kindeigener Lernvorgänge in der Regel widerspricht;
d) als eine Summe didaktisierter Programme den Kindern vorgesetzt wird, in denen Bildungsbereiche aufgegliedert, zerteilt und zerrissen erscheinen;
e) vor allem als „kognitive Förderung“ verstanden wird, wobei die emotional-soziale Bildung deutlich in den Hintergrund gerät und damit den neurobiologischen Erkenntnissen des kindlichen Lernens nicht gerecht werden kann;
f) als Fächerkanon – wie in der Schulpädagogik – gestaltet wird und damit die Elementarpädagogik ihre – trotz der im KJHG zugesprochenen – Eigenständigkeit aufgibt und zunehmend verliert.

Daher ist es verständlich, wenn immer mehr Bildungs- und Bindungsforscher, Neurobiologen und Entwicklungspsychologen/ -pädagogen immer stärker und immer häufiger auf einen notwendigen Perspektivwechsel in dem elementarpädagogischen Bildungsverständnis hinweisen.

Eine alte chinesische Weisheit lautet: „Das Gras wächst nicht schneller indem man daran zieht.“      

Warum eine „Bildung aus I. Hand“ gerechtfertigt und notwendig ist

Kinder sind von Anfang an von sich aus aktiv, wollen die Welt (in sich und um sich herum) entdecken, erkunden, begreifen und entwickeln sich in einer anregungsreichen Umgebung und einer beziehungsorientierten Pädagogik aus sich selbst heraus. Sie sind dabei von einer großen Neugierde getrieben, ihr eigenes Leben und ihre Existenz in eine Beziehung zu ihrem erlebten Umfeld zu setzen. Dabei wählen sie selbst aufgrund ihrer biographischen Eindrücke und entwicklungspsychologisch geprägten Merkmale in selektiver Form aus, was ihnen bedeutsam und wichtig erscheint, um sich den intrinsisch vorhandenen Wahrnehmungsschwerpunkten zuzuwenden.

Alle Bildungsprozesse ergeben sich aus sinnstiftenden Fragen, die sich das Kind immer wieder stellt: wer bin ich, was kann ich, was habe ich an Gestaltungsmöglichkeiten, zu wem gehöre ich, wer sind die anderen und was passiert gerade jetzt um mich herum? Infofern geschieht Bildung in aktiv beteiligten und bindungsorientierten Interaktions- und Kommunikations-prozessen! Die intraindividuelle Individualität des Kindes, die es verbietet, von einem >idealtypischen Durchschnittskind< zu sprechen, sorgt dabei stets für einen ganz persönlichen Entwicklungsverlauf, der je nach Sättigung der unterschiedlichen seelisch-sozialen und körperlichen Grundbedürfnisse einen mehr oder weniger aktiv gestalteten Entwicklungsverlauf nimmt. In dem Maße, in dem nun dem Kind seine Selbstaktivität sowie seine subjektiv geprägte Wahrnehmungsorientierung genommen wird, kommt es immer stärker zu einer Einschränkung und zum Abbau seiner Selbstbildungskräfte, was wiederum für eine nachhaltige Bildungsentwicklung kontraproduktiv ist.

Janusz Korczak, der große Arztpädagoge, trat stets für die „Rechte des Kindes“ ein und kam in diesem Zusammenhang zu folgendem Schluss: „Ein Kind ist kein Lotterielos, um den ersten Preis zu gewinnen“.

Bildung ist Persönlichkeitsbildung

1996 hat die Europäische Union im >Amsterdamer Vertrag< den Richtwert einer nachhaltigen Bildung beschlossen und 2001 hat der Europarat in Göteborg ein langfristiges Nachhaltigkeitskonzept verabschiedet. Im so genannten „Delors-Bericht“ ist Bildung als der Kern der Persönlichkeitsentwicklung und der Gemeinschaft hervorgehoben, deren Aufgabe es ist, jeden Menschen – ohne Ausnahme – in die Lage zu versetzen, dass er all seine Talente zur vollen Entwicklung bringen und sein kreatives Potenzial, einschließlich der Verantwortung für das eigene Leben und der Erreichung persönlicher Ziele, ausschöpfen kann.

Hier geht es primär  nicht um eine „kognitiven Förderung“ sondern eine sozial-emotionale stabile Handlungskompetenz, die im Vordergrund steht. Vergleiche mit der weit verbreiteten, realisierten Elementarpädagogik in Deutschland zeigen dagegen eine deutlich andere Schwerpunktsetzung! Nachhaltige Bildung drückt sich beispielsweise in den personalen Kompetenzen aus, im Sinne einer lebenslangen Lernfreude sein Wissen ständig erweitern zu wollen, die eigene Handlungskompetenz auszubauen (statt über Ungerechtigkeiten oder Konflikte zu klagen), Verständnis für andere Menschen/ Kulturen und deren Geschichte, Interkulturalität, den Wert einer inklusiven Gesellschaft aufzubringen, mit einem guten Urteilsvermögen, einer hohen Eigenständigkeit und sozialen Verantwortung das Leben aktiv zu gestalten, Solidarität zu zeigen, Empathie und Partizipationswünsche zu entwickeln, Selbstbildungsarbeit auf sich zu nehmen, eine allsinnige Weltwahrnehmung an den Tag zu legen, Lernangelegenheiten und –herausforderungen anzunehmen sowie Vernetzungen aus unterschiedlichen Beobachtungen/ Ereignissen herzustellen und folgerichtige Entscheidungen zu treffen, aus Fehlern immer wieder zu lernen und bei Problemlagen nach Lösungen zu suchen.

Diese „elementare Bildung“ ist von grundlegender Bedeutung für die weitere Lebensgestaltung bzw. –planung eines jeden Menschen. Dabei haben Erwachsene für eine lernunterstützende „Bildungsatmosphäre“ zu sorgen. Bildung hat im originären Sinne nichts mit einem „schulischen“ Lernen zu tun und noch weniger mit einem „vorschulorientierten“ Arbeiten. Bildung orientiert sich nicht auf einen Wissenswettbewerb mit Siegern und Verlierern sondern auf Werteentwicklungen, Zeitlosigkeit, Kunst, Musik und die Schönheit einer sorgfältig gepflegten Sprache. Bildung kennt keine Hektik sondern schätzt gelebte Zeiten, Ruhe und Muße. Sie lässt sich nicht nach „Nutzen“ zweckentfremden sondern schenkt gerade den Kindern eine große Gedanken-, Handlungs- und Selbstentfaltungsfreiheit, um Widersprüche zu entdecken, quer zu denken, Gefühle zu erleben und dadurch immer wieder mit sich selbst konfrontiert zu werden.

Kinder brauchen statt einer Beschleunigung ihrer Kindheit eine Entschleunigung ihres Alltags-erlebens. 

Konsequenzen für eine nachhaltige „Bildungsarbeit aus I. Hand“ 

Um aus dem Dilemma einer zunehmend verplanten „Bildungskindheit“ und einer dogmatisierten Elementarpädagogik herauszukommen, bedarf es eines radikalen Perspektivwechsels, um Kindern eine „Bildung aus erster Hand“ (Gerd Schäfer) zu gewährleisten:  

  • (1) Erwachsene müssen sich von dem derzeit weit verbreiteten Bild verabschieden, Kinder seien schon in den ersten fünf oder sechs Lebensjahren zu einem „Schulkind“ bzw. möglichst gut entwickelten „Jungerwachsenen“ zu perfektionieren, wodurch zukunftsorientierte Erwartungen an Kinder zur Gegenwart erklärt werden;
  • (2) Erwachsene müssen die ersten sechs Lebensjahre von Kindern als einen eigenständigen Entwicklungszeitraum einer „Kindheit“ begreifen, der durch entwicklungspsychologische Besonderheiten gekennzeichnet ist und darauf entsprechend die gesamte Arbeit abstimmt werden muss;
  • (3) Kinder brauchen eine Lernumgebung im Innen- und Außenbereich, in der sie handgreiflich, unmittelbar, aktiv, mit allen Sinnen, innerlich beteiligt und engagiert Erfahrungen machen können, die ihnen helfen, das Leben selbstständig, unabhängig und sozial beteiligt zu spüren und selbstaktiv zu gestalten. Gleichzeitig muss dabei dem Spiel ein entsprechend großer Raum zugestanden werden.
  • (4) Kinder brauchen keine künstlichen, von Erwachsenen arrangierte Welten, die sie „bespaßen“ bzw. „belehren“ und von ihren ureigenen intrinsischen Handlungsinteressen immer weiter wegführen.
  • (5) Erwachsene müssen Kindern vielfältige, alltagsbedeutsame Herausforderungen zutrauen, die Kinder mit Mut und Engagement, Lebendigkeit und Stolz, Risikobereitschaften und Leistungserlebnissen ausfüllen können. Dazu ist eine risikobereite Einstellung der Fachkräfte ebenso notwendig wie eine Umgebung (innerhalb und außerhalb der Kindertagesstätte), in der viele unsinnige und überflüssige „Sicherheitsvorschriften“ außer Kraft gesetzt werden müssen.
  • (6) Träger und Gesetzgeber sind in dem Zusammenhang aufgefordert, entsprechende Sicherheitsvorschriften und Richtlinien zu entkernen, um den Kindern und zugleich den elementarpädagogischen Fachkräften wieder die Freiheit zu schenken, die für ein entdeckendes Erfahrungslernen unumgänglich ist.
  • (7) Erwachsene müssen mit Kindern leben, mit Kindern fühlen, mit ihnen planen, mit ihnen spielen und mit ihnen die Welt entdecken (und nicht „am Kind“ bzw. „für das Kind“ planen, Vorhaben vorstrukturieren, Vorgedachtes anbieten).
  • (8) Erwachsene müssen sich der Perspektive der Kinder zuwenden und damit aufhören, Kinder in die Perspektive der Erwachsenen zu zerren.
  • (9) Kinder brauchen weniger eine didaktische Vielfalt an Programmen als vielmehr feste Bezugspersonen, die sich selbst als entscheidenden didaktischen Mittelpunkt begreifen; sie brauchen zuverlässige Bindungserfahrungen und damit engagierte, lebendige, staunende, mitfühlende, wissende, handlungsaktive, mutige, risikobereite, zuverlässige Menschen um sich herum und keine besser wissenden Rollenträger(innen), die immer noch meinen, Belehrungen der Kinder mache Kinder klug.
  • (10) Erwachsene müssen sich als Bildungsvorbilder verstehen, weil es die Facetten ihrer eigenen Sprache, ihr Sprechen, ihre vielfältigen Interessensschwerpunkte, ihre unersättliche Neugierde, ihre vielen Lebens- und Umfeldfragen, ihre unterschiedlichsten Aktivitäten, ihre Gefühlskompetenzen, ihr eigener Forscherdrang, ihre ausgeprägte Lernfreude und ihre hohe Motivation zum Beruf sind, die Kinder fasziniert und die Kinder sich zu ihnen regelrecht hingezogen fühlen.
  • (11) Bildungsarbeit ergibt sich aus den Lebensthemen der Kinder und dabei ist es die Aufgabe der Fachkräfte, das sich bildende Kind zu begleiten.
  • (12) Weil Kinder ihr Leben und ihr Umfeld ganzheitlich verstehen, müssen alle Lernerfahrungen für Kinder auch sinnlich und entwicklungsvernetzt möglich sein.

Diese Konsequenzen ergeben sich nicht zuletzt aus dem klar formulierten Diskussionsbeitrag der Deutschen UNESCO-Kommission (2010) zu einer nachhaltigen Bildung im Kindergarten, in dem die wesentlichen Elemente einer zeitgemäßen Elementarpädagogik angemahnt werden (Stichworte: Situations-, Handlungs- und Partizipationsorientierung, Orientierung an Ganzheitlichkeit, Selbstorganisation, Kooperation; Kindergartenpädagogik respektiert den geschützten Raum der Kindheit; Schaffung eines Bezugs zur realen Lebenswelt; Einbettung der Sprachförderung in die Lebenswelt des Kindes; Schutz vor einer Überfrachtung mit den von Erwachsenen verantworteten Problemen nicht-nachhaltiger Entwicklungen). Kinder leben durch Erlebnisse und lernen aus bedeutsamen Erfahrungen, die >unter die Haut gehen< – sie lernen nicht durch ein vorgesetztes Kopfkino, das mehr und mehr einem Stopfkopf gleichkommt.
Erinnert sei in dem Zusammenhang an Maria Montessori, die die Forderung aufstellte: „Die Aufgabe der Umgebung ist es nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren.“

Damit ist per se eine Aufteilung der Bildungskompetenzen und Bildungsfelder/-fächer – wie in vielen Bildungs- und Orientierungsrichtlinien dargestellt und ausgeführt sowie in vielen Einrichtungen „stundenplanmäßig“ angeboten und abgearbeitet- unzulässig und für eine bindungsorientierte  Selbstbildungspraxis ausgeschlossen.

Fazit zur Notwendigkeit eines Wandels des Bildungsverständnisses:

Tanjev Schultz schrieb in der Süddeutschen Zeitung am 05.02.2008 einen vielbeachteten Artikel mit der Überschrift „Kinder als Stopfgänse“ und führte u.a.  Folgendes aus: „Das Stopfen von Gänsen ist in Deutschland verboten, weil es eine Quälerei ist. Es fügt den Tieren Prellungen zu, sie erleiden Knochenbrüche, Entzündungen und Organstörungen. Die Stopfleber ist das Produkt einer Pein. Genauso kann es Kindern ergehen, denen in großer Eile viel Stoff in die Köpfe gestopft wird.“

Eine elementare Bildung fragt zunächst danach, welche Lebensinteressen Kinder ausdrücken und sie sorgt dafür, dass Kinder auf gebildete Erwachsene treffen, die ihnen dabei behilflich sind, ihren eigenen Lebenswert zu erfassen, Lebensfreude (weiter) zu entwickeln und seelische/ lernunterstützende Grundbedürfnisse befriedigt zu bekommen. Das kann nur gelingen, wenn sich Erwachsene von der Vorstellung, Kinder belehren zu müssen und Kindern >Wissen beizubringen<, radikal und konsequent verabschieden, um für eine alltagsorientierte, lebendige,lernunterstützende Bildungsatmosphäre zu sorgen. Bildung hat im originären Sinne nichts mit einem „schulischen“ Lernen zu tun und noch weniger mit einem „vorschulorientierten“ Arbeiten.

All das setzt voraus, dass elementarpädagogische Fachkräfte engagiert und selbstinteressiert noch viel stärker als bisher über den eigentlichen Sinn der Bildung und ihr unterschiedliches Selbstverständnis, die Ziele von Bildungsergebnissen und deren Zweck sowie die Aufgaben einer persönlichkeitsbildenden Elementarpädagogik grundlegend nachdenken. Nur dadurch kann eine nachhaltige Bildung auf allen Seiten gelingen. Die aktuelle Bildungspraxis ist allerdings dabei, diesen Fragen immer stärker aus dem Wege zu gehen. Vielleicht ist es hilfreich, sich auf Artikel 32, Absatz 1 der UN-Charta „Rechte des Kindes“ (ratifiziert durch den Deutschen Bundestag) zu besinnen, in dem den Kindern „ein Recht auf Ruhe und Freizeit, auf Spiel und altersgemäße Erholung“ zugesprochen wird.

Erinnert sei auch an Galileo Galilei, den großen italienischen Philosophen, Mathematiker, Physiker und Astronom, der im 17. Jahrhundert den Satz ausgesprochen hat: „Man kann einen Menschen nichts lehren. Man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“  Derzeit hat sich die deutsche Elementarpädagogik meilenweit von dieser – auch durch viele heutige, belegte Studien aus dem Feld der Bildungsforschung und Neurobiologie – Erkenntnis verabschiedet. Entweder hat sich Galilei geirrt oder die heutige Elementarpädagogik hat einen Weg eingeschlagen, der eine Kehrtwendung notwendig macht.  

Fazit zum Selbstverständnis der Begriffe „Schulfähigkeit/ Schulbereitschaft“:

Alle bedeutsamen Ergebnisse im Hinblick auf die Entwicklung einer Schulbereitschaft machen auf folgenden Aspekt aufmerksam: der Aufbau einer Schulfähigkeit kann kein zeitbegrenztes Vorhaben oder eine von außen, bewusst initiierte und gesteuerte Menge von Funktionsübungen beinhalten, geht es doch um intrapersonale Fähigkeiten und nicht um kognitiv gesteuerte Fertigkeiten.(vgl.: Klein, 1999, S. 12) Gleichzeitig wird in jüngster Zeit verstärkt davor gewarnt, dass sowohl durch verfrühte Lernprogramme als auch durch die damit verbundene Vernachlässigung des Spiels der gesamte Zeitraum Kindheit aufs Spiel gesetzt wird – mit dramatischen Entwicklungsirritationen für das Kind. (Pohl, 2006) Ein schulfähiges Kind besitzt so genannte nachhaltige Lerntendenzen wie Lerninteresse, einen ausgeprägten Lernwillen, eine hohe Lernfreude und eine große Lernbereitschaft, die weder durch zielgerichtete Übungen noch zeitbegrenzte Belehrungen in Kindern aufgebaut werden können. Offensichtlich hat der Umstand, dass die Begriffe „Schulfähigkeit“ und „Intelligenz bzw. Begabung“ gleichgesetzt wurden bzw. werden, bis in die heutige Zeit dazu beigetragen, dass eine Schulfähigkeit des Kindes mit dem Ausprägungsgrad seiner kognitiven Kompetenz (also seines Wissens und seiner Denkfähigkeit) im Verhältnis 1:1 betrachtet wurde/ wird. Genau das ist ein so genannter Kardinalfehler mit dramatischen Folgen! Gut begabte Kinder müssen nicht automatisch schulfähig sein, doch schulfähiger Kinder zeichnen sich stets durch eine reichhaltige Spielfähigkeit sowie eine ungebremste Neugierde, durch Fragen, Interesse an ihrem Umfeld, Soziabilität und eine ständige Lernfreude aus. Das ist das, was Prof. Dr. Gerd Schäfer eine „Bildung aus 1. Hand“ nennt und in vielfältiger Form von der Neurobiologie bestätigt wird (vgl.: Prof. Dr. Gerald Hüther/ Dr. Karl Gebauer).  

Literaturtipps:

Bergmann, Wolfgang (2011): Lasst eure Kinder in Ruhe! Gegen den Förderwahn in der Erziehung. Kösel-Verlag, München

Brandes, Holger (2008): Selbstbildung in Kindergruppen. Die Ko-Konstruktion sozialer Beziehungen. Ernst Reinhardt Verlag, München

Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (DUK) (Hrsg.) (2010): Zukunftsfähigkeit im Kindergarten vermitteln: Kinder stärken, nachhaltige Entwicklung befördern. Bonn

Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (DUK) (Hrsg.) (1997): Lernfähigkeit – unser verborgener Reichtum. UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. (Delors-Bericht). Bonn

Dollase, Rainer (2006): Die Fünfjährigen einschulen – oder: Die Wiederbelebung einer gescheiterten Reform der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. In: KiTa aktuell NRW, Nr.1, Seite 11-12

Gaschke, Susanne (2011): Die verkaufte Kindheit. Pantheon Verlag, München 2. Aufl.

Hannaford, Carla (2008): Bewegung – das Tor zum Lernen. VAK Verlag, Kirchzarten (7. Aufl.)  

Holt, John, (2003): Wie kleine Kinder schlau werden. Selbstständiges Lernen im Alltag. Weinheim: Beltz Verlag

Jackel, Birgit (2008): Lernen, wie das Gehirn es mag. VAK, Kirchzarten

Krenz, Armin (2018): Ist mein Kind schulfähig? KöselVerlag, München10. Aufl.

Lee, Jeffrey (2004): Abenteuer für eine echte Kindheit. Die Anleitung. München: Piper Verlag

Lilienfeld, Scott O. et al. (2011): Warum Mozart Babys nicht schlauer macht. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Primus Verlag), Darmstadt

Markova, Dawna (2005): Wie Kinder lernen. Eine Entdeckungsreise für Eltern und Lehrer. VAK, Kirchzarten

Renz-Polster, Herbert + Hüther, Gerald (2013): Wie Kinder heute wachsen. Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. Beltz-Verlag, Weinheim

Renz-Polster, Herbert (2014): DIE KINDHEIT IST UNANTASTBAR. Warum Eltern ihr Recht auf Erziehung zurückfordern müssen. Beltz-Verlag, Weinheim

Textor, Martin R. (2012): Zukunftsorientierte Pädagogik: Erziehen und Bilden für die Welt von morgen. Wie Kinder in Familie, Kita und Schule zukunftsfähig werden. Books on Demand, Norderstedt

Timm, Adolf (2009): Die Gesetze des Schulerfolgs. Kallmeyer in Verbindung mit Klett, Seelze-Velber

Zimpel, André Frank (2011): Lasst unsere Kinder spielen! Der Schlüssel zum Erfolg. Vandenhoeck + Ruprecht, Göttingen

Zimpel, André Frank (2014): Spielen macht schlau! Gräfe und Unzer, München

Zimpel, André Frank (2010): Zwischen Neurobiologie und Bildung. Vandenhoeck + Ruprecht, Göttingen

Armin Krenz, Prof. h.c. et  Dr. h.c., Honorarprofessor i. R., Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik




Klare Strukturen, Transparenz und Feedback fördern die Arbeitszufriedenheit

Studie an der Fachhochschule Bielefeld zur Motivation von Kita-Fachkräften

Kindertageseinrichtungen haben in den vergangenen 15 Jahren einen regelrechten Boom erlebt und noch immer entstehen weitere Kitas. Schließlich wurde die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren ebenso ausgebaut wie die Ganztagesbetreuung. Auch qualitativ sind die Anforderungen an die Bildungseinrichtung Kita gestiegen – zum einen durch den gewachsenen Anspruch an Bildung, aber auch durch Inklusion, Integration und die Zusammenarbeit mit den Eltern. Aufgrund des Mangels an pädagogischen Fachkräften kommt es oftmals zu einem Berg an Überstunden.

Auswirkungen von Aufgabenflut und Fachkräftemangel

Aber wie wirkt sich die gestiegene Vielfalt an Aufgaben und der Fachkräftemangel auf die Arbeitszufriedenheit aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich Anne Ruppert, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Die Diplom-Pädagogin war selbst Führungskraft in einer Kita und hat danach mehrere Jahre als selbstständige Trainerin viele Kita-Teams in Arbeits- und Teamprozessen begleitet. „Mir fiel auf, dass die Fluktuation beim pädagogischen Personal sehr hoch ist, und ich habe mich gefragt, woran das liegt. Dabei gibt es auch Kindertageseinrichtungen, in denen Teams seit Jahren zusammenarbeiten. Sie scheinen den erhöhten Anforderungen gerecht zu werden, die Fluktuation ist gering“, berichtet Ruppert. „Es scheint, als würde hier eine Balance zwischen den gestiegenen quantitativen wie qualitativen Anforderungen und der erbrachten Arbeitsleistung der Fachkräfte vorliegen.“

Was Teams zusammenhält

Doch was hält langlebige Teams zusammen? Ruppert stellt fest, dass Partizipation zwar wichtig ist. Aber von besonders großer Bedeutung sind Strukturen und Transparenz, also ein klarer Rahmen, in dem Partizipation stattfindet.

Anne Ruppert hat pädagogische Fachkräfte, Kita-Leitungen sowie Vertreterinnen verschiedener Träger in leitfadengestützten Interviews befragt. „Die Leitungen sind von selbst auf mich zugekommen, als sie hörten, dass ich die pädagogischen Fachkräfte befrage, weil sie ebenfalls daran interessiert sind, wie man eine hohe Arbeitszufriedenheit schaffen kann“, erläutert Anne Ruppert. Ähnliche Rückmeldungen bekam sie von den Trägern, und so ist auch diese Gruppe befragt worden. Insgesamt zwölf Leitfadeninterviews hat sie durchgeführt.

Transparenz und Struktur geben Sicherheit

Die Befragungen unter den pädagogischen Fachkräften zeigen: Es ist nicht die Partizipation allein. Ein festgelegter Rahmen, in dem die Mitbestimmung stattfinden kann, ist allen Beteiligten wichtig. Transparenz wird von den Befragten als wichtiger erachtet, als die Durchsetzung der eigenen Meinung. ‚Ich muss nicht immer alles mitbestimmen‘, habe Ruppert oft gehört. Wichtiger sei es für die Fachkräfte, dass Meinungen gehört und wahrgenommen werden, und dass es transparente Verantwortungsbereiche gibt. „Klare Zuständigkeiten geben Sicherheit – und Sicherheit ist die Grundlage für Partizipation und Arbeitszufriedenheit“, so Ruppert. „Wenn sich Prozesse und Gewohnheiten einschleichen und beispielsweise bestimmte Personen immer bestimmte Aufgaben übernehmen, ‚weil sie die schon immer gemacht haben‘, das Ganze aber gar nicht hinterfragt wird, kann das zu Unzufriedenheit führen“, erklärt die Pädagogin. Eine hohe Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Kita entsteht, wenn die Fachkräfte das System, in dem sie arbeiten, überblicken können, weil Arbeit und Organisation strukturiert und transparent sind.

Problematisch sei hingegen, wenn die Fachkräfte sich allein gelassen fühlen und keine oder nicht genügend Resonanz von Seiten der Leitung oder des Trägers erfahren, wie Ruppert erklärt: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten Transparenz und Feedback, sei es positiv oder negativ – Hauptsache sie bekommen überhaupt eine Rückmeldung. Sie möchten gesehen und eingebunden werden. Kein Feedback zu bekommen, führt zu Unsicherheit, dabei will man Rückhalt und Sicherheit, in dem was man tut.“

Anne Ruppert geht davon aus, dass diese Faktoren sich nicht nur positiv auf die Arbeitszufriedenheit auswirken, sondern damit auch auf die pädagogische Arbeit. „Wer klar in seinen Aufgaben und Zuständigkeiten ist, kann sich auch auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich die Arbeit mit den Kindern.“

Befragungen als erster Schritt für Kitaleitungen und Träger

Was können nun Kitaleitungen und die Träger tun, um zu mehr Arbeitszufriedenheit beizutragen? Anne Ruppert sieht in einer Befragung der Beschäftigten eine Chance: „Oft haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich in den Strukturen arbeiten, eine Vorstellung davon, wo Abläufe optimiert werden können. Eine Befragung könnte ein erster Schritt sein, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und eine neue Perspektive auf Strukturen zu gewinnen.“ Für das Überarbeiten von Strukturen sei es jedoch ratsam, so Ruppert, sich externe Unterstützung zu holen: „Zum einen, um blinde Flecken ausfindig zu machen, und zum anderen, um Ressourcen zu erkennen, die man selbst nicht oder nicht mehr sieht.“

Quelle: Presseinformation Fachhochschule Bielefeld




Geflüchtete Kinder in der Kita integrieren

Service-Portal Integration soll mit Praxistipps, Experteninterviews und Ideen helfen

Rund zwei Millionen Kinder mussten bisher aus den Kriegsgebieten der Ukraine fliehen, schätzt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Allein in Berlin stehen laut Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse bis zu 5.000 Kitaplätze für diese Kinder zur Verfügung. Um den Erzieherinnen und Erziehern in Kitas bei der Integration geflüchteter Kinder zu helfen, hat die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ das Service-Portal Integration (http://hdkf.de/integration) ins Leben gerufen.

Es bietet Praxistipps, Experteninterviews sowie Beispiele und Ideen für den Alltag mit geflüchteten Kindern in den Bildungseinrichtungen.

Service-Portal als zentrale Anlaufstelle für Fragen rund um das Thema Integration in Kitas

Die Pädagoginnen und Pädagogen in Kitas stehen aktuell vor großen Herausforderungen. Sie haben viele Fragen, wenn es gilt, geflüchtete Kinder in die Einrichtung zu integrieren: Wie gehe ich mit traumatischen Fluchterfahrungen, Trauer oder Furcht um? Wie kann die Einbindung in die Gruppe trotz sprachlicher Unterschiede gelingen? Was ist bei der Kommunikation mit den Eltern zu beachten?

Das Service-Portal Integration bietet als zentrale Anlaufstelle den pädagogischen Fachkräften erste Antworten, Praxistipps, Beispiele und Ideen für den Alltag in den Bildungseinrichtungen sowie Experteninterviews, Hintergrundartikel und Reportagen zum Thema Integration. Kita-Mitarbeitende finden zu den Themengebieten Ankommen, Sprachförderung, Forschendes Lernen, Trauma sowie Interkulturalität und Elternarbeit zahlreiche alltagsnahe Angebote, wie Erfahrungsberichte aus der Praxis, Hintergrundartikel, Reportagen und Beispiele für eine gelungene Integration.

Der Vorstand der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“, Michael Fritz: „Viele Erzieherinnen und Erzieher berichten uns, dass ihnen die Corona-Pandemie viel abverlangt hat. Trotzdem möchten sie die Kinder, die aus der Ukraine bei uns in Deutschland ankommen, gut in ihre Gruppen aufnehmen und ihnen ein sicheres und kindgerechtes Umfeld bieten. Wir als Stiftung unterstützen sie dabei. Das digitale Angebot Service-Portal Integration ist eine Anlaufstelle bei allen Fragen rund um das Thema ‚Integration geflüchteter Kinder in der Kita‘.“

Das Service-Portal Integration entstand zwischen 2016 und 2019 („Flüchtlingskrise in Deutschland“) durch Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Aktuell wird es durch die Robert Bosch Stiftung und den Fröbel e.V unterstützt.

Quelle: Pressemitteilung der Stiftung Haus der kleinen Forscher




Dem Resonanzbedürfnis des Kindes antworten

Die Möglichkeit durch wechselseitiges Berührtwerden ein In-Beziehung-Treten mit dem Kind zu pflegen

Der viel diskutierte deutsche Soziologe und Sozialphilosoph Hartmut Rosa erkennt, dass heute die Sinnressource zunehmend austrocknet und Menschen in eine Sinnkrise führen kann. Erwachsene und Kinder erfahren aber ihr Leben dann als sinnvoll, wenn sie sich mit der Welt und besonders mit anderen Menschen, mit ihrer Arbeit und ihrer Umgebung verbunden fühlen und in diesem Resonanzraum danach handeln. Anders gesagt: wenn sie Resonanz erleben und die Welt zu ihnen spricht.

Rosa wendet sich dem unverfügbaren zwischenmenschlichem Raum zu. Er sieht in dem Begriff Resonanz eine Möglichkeit, zu dem Innenleben des Kindes zu finden, mit ihm ein In-Beziehung-Treten von Ich zu Ich zu pflegen durch wechselseitiges Berührtwerden für ein gutes Leben des Kindes wie des Erwachsenen zu sorgen. Gelingt dies nicht, dann beginnt eine Entfremdung.

Für das Kind wie ein Reflektor wirken

Versuchen wir die Entwicklung eines Kindes auf der Grundlage der mir bekannten Erkenntnisse aus den Humanwissenschaften auf den Punkt zu bringen, dann können wir sagen: Jedes Kind wächst von Beginn an in die sozialen Regeln seiner Mitwelt hinein, lernt diese immer besser zu verstehen und einzuhalten. Ebenso gestaltet es diese aus eigener Initiative mit, sofern seinem Bedürfnis nach Resonanz, nach einfühlender Antwort, nach Anerkennung und Achtung seiner individuellen Entwicklung entsprochen wird. Hier gestaltet es im sozialen Miteinander seine Entwicklung und die Entwicklung seiner Mitwelt mit.

Die Erzieherin hat also dafür zu sorgen, dass sich das Kind nach seinem Bedürfnis an diesem wechselseitigen Geschehen mit beteiligen kann. Sie wird über ihre Erfahrungen nachdenken und sich bemühen, ihre Praxis weiterzuentwickeln und zu verbessern. Sie wird für das Kind, das in der Spiel- und Lernsituation bei einer schwierigen Aufgabe eine Lösung sucht, wie ein Reflektor oder Spiegel wirken und ihm so mit einfühlender Haltung sein ganz persönliches neugieriges, entdeckendes und forschendes Lernen ermöglichen – ohne Überredung, Besserwissen oder gar Zwang.

Dem Kind die Lösung zutrauen

Die Erzieherin traut dem Kind die Lösung des Problems beim Spielen, Lernen und Arbeiten zu. Es kann dann mit seiner Willenskraft seinen Weg finden – auch durch Versuch und Irrtum. In diesem einladenden Raum entwickelt es seine Fantasie und Neugierde. Sein Handlungsspielraum wächst und es kann auch dem Schweren die Stirn bieten.

Die Erzieherin handelt hier so, dass die Möglichkeiten des kindlichen Handelns wachsen, seine Fähigkeiten und Talente sich (aus)bilden und ausformen und es auch die Verantwortung für sein Handeln übernehmen kann. Hier werden die Handlungen des Kindes nicht festgelegt. Es kann sein Handeln frei entfalten und erweitern.

Disposition zur Resonanz bestimmt die Grundhaltung der Erzieherin

Die Erzieherin geht nicht von einer vorgegebenen abstrakten Theorie aus. Sie entwickelt vielmehr ihr Handeln aus dem wahrgenommenen Bedürfnis des Kindes in der Beziehungssituation. Diese Resonanz kann keiner für sich allein haben. Sie ereignet sich vielmehr im

Zwischenraum: Die Erzieherin schwingt mit dem Kind mit und antwortet so auf sein Resonanzbedürfnis. Ihre Resonanzfähigkeit zeigt sich im einfühlenden Erleben des Kindes und führt zum inneren Reichtum – unabhängig von den äußeren Umständen. Ihre Grundhaltung ist von einer Disposition zur Resonanz bestimmt.


klein

In diesem Buch bringt Ferdinand Klein Rudolf Steiners Gedanken über die Erziehungs- und Bildungspraxis ins Gespräch. Dabei geht es auch um Humanisierung und die Entschulung der Schulen und Kindergärten, um grundlegende Orientierung am sich entwickelnden Kinder in der Lebenswirklichkeit hier und heute. Denn alles Forschen, Lehren, Erziehen und Bilden dient einer Aufgabe: Das (auf)gegebene individuelle Kind auf seinem Entwicklungsweg mit Herz und Tatkraft zu begleiten und zu leiten.

Ferdinand Klein
Waldorfpädagogik in Krippe und Kita
Einblick in eine ganzheitliche Praxis, die jedem Kind seinen individuellen Lebensweg ermöglicht
BurkchardtHaus
ISBN: 9783963046100
208 Seiten, 25 Euro

Empfohlen vom Internationalen Archiv für Heilpädagogik

Mehr dazu auf oberstebrink.de


Resonanzboden zwischen Ich und Welt verbessern

Rosa veranschaulicht die Resonanzphänomene mit dem Bild zweier Stimmgabeln, die sich wechselseitig in Schwingung versetzen. Schlägt man eine Stimmgabel an und hält man eine zweite auf den Körper, dann schwingen beide bei positiven Bedingungen, eben auch die nichtangeschlagene Stimmgabel (Rosa 2016, S. 211 f.). Dies ermöglicht den Resonanzboden zwischen Ich und Welt zu verbessern.
Die Atmosphäre des Wohlwollens und der gegenseitigen Akzeptanz kann niemals einseitig sein, denn Resonanz ereignet sich zwischen dem Ich des Kindes und dem Ich der Erzieherin. Rosa beschreibt diese Beziehungs- und Lernvorgänge mit dem Hören und Antworten: „Hören auf eine Sache und dann antworten in einer Weise, wie es eben nicht in einem Managementbuch oder in einem Kompetenzbuch zu lesen ist, sondern wie es situationsadäquat und interaktionsadäquat sein muss“ (Rosa 2019, S. 19). Dieser Atmosphäre des Wohlwollens begegnen wir im Waldorfkindergarten.

Beispiel: Kochen und Backen (von Gabriele Scholz)

Einmal in der Woche kochen oder backen wir, wobei wieder das sprachlich-rhythmische Begleiten der Tätigkeiten eine große Rolle spielt. Ebenso wichtig ist eine gut vorbereitete Arbeitssituation. Die Kinder sollen durch die vorbereitete Situation in die gewünschte Handlungsweise kommen, das heißt die bereitgelegten Schürzen, die gerichteten Zutaten, die bereitgestellten Gerätschaften sagen in sich aus, um was es geht, wie was getan werden will.

Im Erleben und Tun sinnvoller Handlungsabläufe begründet sich das spätere Erfassen von Ursache und Wirkung, von sinngemäßen Zusammenhängen im Denken. Die gut geplante Vorbereitung und genau bedachte Abfolge tragen in sich die richtige Richtung und sinnvolle Handlung der uns nachahmenden Kinder. Auch die dadurch vorhandene Ruhe der Handlung ist sehr wichtig, um sich jedem Teil des Handlungsablaufs in Liebe und Freude zuwenden zu können.

Wie viel wird da entdeckt, zum Beispiel beim Gemüse waschen und schneiden. Jedes einzelne Rübchen trägt innen einen hellen Stern, Zucchini haben die schönsten Blumenformen, die Röschen des Blumenkohls sind einzeln wie kleine Bäumchen – unendlich ist die Vielfalt und Schönheit der Natur. Die Kinder lieben diese Entdeckungen, besonders die herrlichen Farb-, Form- und Dufterlebnisse. Wie vielfältig sind die Tastqualitäten, wie reichhaltig die Möglichkeit der feinmotorischen Tätigkeiten beim Schneiden der Gemüse oder Wiegen der Kräuter mit dem Wiegemesser. Beim Backen lieben sie besonders die verschiedenen Stadien des Mürb-Hackteigs. Wieder kann man erleben, einerseits wie wichtig die differenzierte Einzelwahrnehmung ist, andererseits der Bezug, den man schaffen kann durch die am Anfang erwähnte Begleitung mit Sprachlich-Musikalischem. Auch kann natürlich nicht jeder gleichzeitig am Teig sein, aber die Gestaltung durch das Backlied beim Kneten oder Rührlied beim Rühren teilt ganz selbstverständlich die Tätigkeit ein: solange ein Lied dauert rührt oder knetet ein Kind. Ist es zu Ende, kommt das nächste dran. Ein hilfreiches sozial wirksames Instrument wird durch diese Handhabung geschaffen.

Wenn das Gemüse geschnitten ist, oder der Teig auf dem Blech liegt, samt den dazugehörigen Äpfeln oder sonstigem Belag, „füttern“ wir unser Feuer im Herd: Zuerst braucht es kleine „Vorspeisen“, das heißt die Kinder suchen die feinen, kleinen Holzstückchen. Später verträgt es auch den „Braten“, das heißt die großen Holzstücke. Und wieder erleben die Kinder herrliche, vielfältige Sinneseindrücke, beim Kochen drinnen am Feuerherd, beim Backen draußen am Backhaus. Unersetzbar scheinen mir diese Erfahrungen zu sein, und ich habe bis jetzt auch noch nie erlebt, dass ein Kind sich am Feuer verbrannt hat. Zu ehrfurchtgebietend ist das lebendig erlebte Feuer – ganz anders als der Elektroherd, an dem sie oft unbewusst am Schalter drehen, ohne wirklich zu erleben, was passiert, weil Tat und Wirkung zu viele Denkprozesse voraussetzen (Scholz 1999).

Literaturverzeichnis:

Rosa H. (2016), Eine Soziologie der Weltbeziehung, 3. Aufl. Berlin, Suhrkamp.

Rosa H. (2019), Unverfügbarkeit, Wien/Salzburg, Residenzverlag.

Scholz, G. (1999), Der Jahreslauf im Föhrenbühler Kindergarten als Grundlage rhythmischer Gestaltung. In: Zeitschrift lernen konkret. 18. Jg., Heft 1, S. 12 bis 18.

Der Autor:

Prof. Dr. Dr. et Prof h.c. Ferdinand Klein ist Lehrer, Heilpädagoge und Logotherapeut, Erziehungswissenschaftler im Fachgebiet Heilpädagogik. Er war 14 Jahre in der heilpädagogischen Praxis tätig, dann an acht Universitäten im In- und Ausland. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen Kindheitspädagogik, interkulturelle und inklusive Pädagogik, Forschungsmethoden, Korczakpädagogik und ethische Fragen.




Öffentlichkeitsarbeit: Tue Gutes und zeige es den anderen!

Public Relations als notwendiger Teilbereich einer professionellen Kita-Pädagogik

Über viele Jahrzehnte führte die Kindertagesstättenpädagogik ein eher unspektakuläres Dasein – bis neue pädagogische Arbeitsansätze ab den 70er und 80ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, eine Qualitätsdiskussion ab den 90er Jahren, eine Bildungsdiskussion mit Beginn des neuen Jahrhunderts und vor allem eine Fokussierung auf die Neurobiologie und die Bindungsforschung ab Mitte des ersten Jahrzehnts dieser Zeit für neue Zielrichtungen und klar formulierte Aufgaben sorgten.

Gleichzeitig hat sich aber in der breiten Öffentlichkeit immer noch nicht deutlich genug herumgesprochen, dass Kindertageseinrichtungen eigenständige FACHINSTITUTIONEN und die dort tätigen Mitarbeiter/innen FACHKRÄFTE weder liebevolle „Kinderbeschäftigungskräfte“ noch als Hilfskraft eingesetzte „Vorschullehrer/innen“ sind. Das kann viele unterschiedliche Hintergründe haben. Vielleicht liegt es daran, dass Erzieher/innen bisher zu wenig für eine breit angelegte und offensiv gestaltete Öffentlichkeitsarbeit beigetragen haben. Umso bedeutsamer ist es daher, dass Kindertageseinrichtungen ihr eigenständiges, unverwechselbares Profil, ihren überaus bedeutsamen Beitrag für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung, ihre nicht zu ersetzende Wertigkeit im Hinblick auf die Persönlichkeits- und Schulentwicklung der Kinder sowie ihren Anspruch auf Wertschätzung zum Ausdruck bringen: klar formuliert, deutlich, unmissverständlich, kontinuierlich und aussagestark.

Öffentlichkeitsarbeit orientiert sich an Zielen

Öffentlichkeitsarbeit hat grundsätzlich immer drei Aufgaben zu erfüllen:

1.) Herstellung einer Transparenz der Aufgaben und Ansprüche,
2.) Steigerung des Ansehens der Einrichtung in der Öffentlichkeit und
3.) Aufbau, Ausbau und Pflege eines Vertrauens zur Öffentlichkeit.

Jede Art von Institution – egal, um welche Einrichtung es sich handelt und mit welchem Schwerpunkt diese Einrichtung verbunden ist – hat sich im Laufe ihrer Existenz – beabsichtigt oder unbeabsichtigt sei einmal dahingestellt – ein ganz bestimmtes „IMAGE“ erworben. Dabei kann es passieren, dass Personen, deren Meinung über diese betreffende Institution gefragt ist, im ersten Augenblick ihrer Einschätzung die Nase rümpfen, voller Hochachtung gute oder sogar beste Bewertungen abgeben oder achselzuckend ihre Schultern heben und überrascht sind, dass diese Institution überhaupt einen bestimmten Schwerpunkt verfolgt.

Öffentlichkeitsarbeit ergibt sich immer aus einer bipolaren Zielorientierung:

Wenn eine qualitätsgeprägte und professionell gestaltete Öffentlichkeitsarbeit wirklich erfolgreich sein möchte, dann muss der Blick aller MitarbeiterInnen stets in zwei Richtungen verlaufen:

a) nach innen – in das Zentrum der Einrichtung selbst, die unterschiedlichen und vielfältigen Aufgaben, die bisherigen Stärken und Schwächen sowie ihre unverwechselbaren Besonderheiten und
b) nach außen – ausgerichtet auf die vielen Ansprechpartner, die Ziele und die ständig neuen Aufgaben, die sich durch die Weiterentwicklung einer ständig neuartigen Realität ergeben.

Ziele leiten sich dabei aus einer sorgsamen Analyse bisheriger Erfahrungen, eigenen und fremden Erwartungen, besonderen Bedürfnissen und aktuellen Notwendigkeiten ab, die eine entsprechende Weiterentwicklung bestimmter Arbeitsbereiche erforderlich macht.

Damit die für eine qualitätsorientierte Öffentlichkeitsarbeit notwendigen  Merkmale immer stärker zu einer neuen Praxis werden können, sollen elementarpädagogische Fachkräfte ihre bisherige Öffentlichkeitsarbeit einmal sorgsam betrachten. Diese

* helfen dabei, diffuse Visionen für eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit in konstruktive, praktisch gestaltete Bahnen zu lenken,

* differenzieren die einzelnen, unterschiedlichen Aufgabenfelder, um Arbeitsanfängen und Weiterführungen eine (neue) Struktur zu geben und

* unterstützen Mitarbeiter/innen schließlich dabei, notwendige Planungsvorhaben in konstruktive und vor allem nachhaltige Arbeitsschritte zu wandeln.

Vor jeder Neugestaltung bzw. Weiterführung der bisherigen Öffentlichkeitsarbeit steht eine Ist-Analyse, um Stärken zu entdecken und Schwächen zu orten. Folgende Checkliste kann dabei hilfreich sein:        

Bestandsaufnahme zur aktuellen Situation der Öffentlichkeitsarbeit

Zielgruppe:   IST-Situation: Beispiele, die die >Stärken< herausstellen IST-Situation: Situationsbeschrei-bungen, die die >Schwächen< offenlegen
Eltern      
Lehrer/innen der Grundschule    
Kinderärzte      
Logopäden      
Ergotherapeuten      
Motopäden      
Beratungsstellen      
frei praktizierende Psychologen    
Jugendämter      
örtliche Presse      
überregionale Presseorgane    
Nachbarschaft      
Regionale TV-Sender    
Sponsoren      
Politische Mandatsträger    
(über)örtliche Firmen/ Gesellschaften    
(über)örtliche Vereine    
andere Kindertagesstätten    
Fach(hoch)schulen      
………..      

Wenn auf der einen Seite von Mitarbeiterinnen des öfteren der Umstand beklagt wird, dass der Kindergarten in der Öffentlichkeit entweder noch immer als „Aufbewahrungsstätte/ Beschäftigungsort für Kinder “ angesehen   o d e r  mit einer „frühpädagogischen Kaderschule für besonders effektives Lernen“ verwechselt wird , wenn elementarpädagogische Fachkräfte  – auch heute noch-  von politischen Mandatsträgern und einem großen Teil der Presse immer noch als „Kindergärtnerinnen“ bezeichnet werden,
und der Kindergarten im Vergleich zum „Bildungssystem Schule“ entweder einen untergeordneten Wert oder eine „Zuarbeiteraufgabe für die Grundschule“ zugeschoben bekommt, dann hat es die Elementarpädagogik noch nicht geschafft, ihrer Aufgaben und ihren eigenständigen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag kompetent nach außen zu tragen. Daher geht es um die Transparenz!


Unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Elementarpädagogik

Was bedeutet es ErzieherIn zu sein – in Bezug auf Kinder, Eltern und Träger? Was sind die täglichen Aufgaben? Welche Werte und welches Bild der pädagogischen Arbeit sollen nach außen getragen werden? Armin Krenz gibt auf Fragen nach produktiver Selbstreflektion, optimierter Teambildung, effizienter Öffentlichkeitsarbeit, nach zielorientierter Gesprächsführung, sei es mit Fachkollegen oder Eltern, fachlich fundierte und doch leicht verständliche, praktische Antworten,
Armin Krenz
Grundlagen der Elementarpädagogik – unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Frühpädagogik
Klappenbroschur, 192 Seiten
ISBN: 978-3-944548-03-6
24,95 €


Wenn – sicherlich eher vereinzelt – manche Eltern von den ErzieherInnen annehmen, dass es in der Pädagogik eher um die unreflektierte Fortsetzung einer begonnenen Familienerziehung gehe und dafür keine besondere Ausbildung nötig sei (Aussage einer Mutter: „Das könnte ich auch, hier mit Kindern spielen!“), dann wird dem Kindergarten keine Professionalität zugestanden. Gleichzeitig wird auch der Kindergarten wenig oder gar nichts dazu beigetragen haben, dass ein Mindestmaß an Professionalität zu erkennen war.

Kindergärten und Kindertagesstätten sind eine bedeutsame Institutionalisierung professioneller Pädagogik, allerdings nur dann, wenn fachkompetent an einem eigenständigen und unverwechselbaren Profil gearbeitet wird. Öffentlichkeitsarbeit kann dabei helfen, diese Situation zu verändern. Daher geht es um die Steigerung des Ansehens!

Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit wird sicherlich nur dann erreicht, wenn bestimmte Aktionen auffallen und damit der Öffentlichkeit deutlich ins Auge springen. Doch wissen wir aus der Kommunikationspsychologie, dass auf der einen Seite zwar die Inhalte bedeutsam sind, auf der anderen Seite aber auch die Beziehungsebene nicht unterschätzt werden darf. Wenn Ziele erreicht werden sollen, muss gewissermaßen auch das Herz angesprochen sein. Zum anderen geht es in der Öffentlichkeitsarbeit nicht um irgendwelche punktuellen „Spots“, bei denen nur dann die Öffentlichkeit gesucht
wird, wenn aktuelle Notwendigkeiten dazu drängen, bestimmte Kontakte aufzunehmen oder Arbeitsschwerpunkte urplötzlich zu installieren. Öffentlichkeitsarbeit lebt aus einer qualitätsgeprägten Kontinuität heraus – fachlich begründet und beziehungsfreundlich in die Öffentlichkeit transportiert. Daher geht es um den Aufbau und die Pflege eines Vertrauens zur Öffentlichkeit mit langfristigen Wirkungen!

Öffentlichkeitsarbeit dient nicht zur Rechtfertigung

  • Öffentlichkeitsarbeit leitet sich nicht aus einem Selbstzweck, der in sich selbst begründet ist oder einer notwendigen Rechtfertigung ab, die sich lediglich aus der Vollständigkeit eines elementarpädagogischen Qualitätsinventariums ergibt.
  • Öffentlichkeitsarbeit ist auch nicht deswegen ein bedeutsames Arbeitsfeld der Elementar- oder Primarpädagogik, weil irgendwelche Menschen der Überzeugung waren bzw. sind, dass diese Tätigkeit mit einer professionellen Pädagogik verknüpft sein muss.
  • Öffentlichkeitsarbeit gehört vielmehr zur Elementarpädagogik, weil es berufspolitisch sinnvoll und gesellschaftspolitisch erforderlich ist, diese einzigartige Pädagogik in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
  • Öffentlichkeitsarbeit ergibt sich also aus dem Zusammenhang notwendiger Erfordernisse.
  • Öffentlichkeitsarbeit fordert dabei alle Beteiligten auf, sich mit sich und den eigenen (In)kompetenzen auseinanderzusetzen, getreu dem Motto:
  • Wer etwas öffentlich erreichen möchte, muss zunächst sich selbst erreichen.
  • Wer der Öffentlichkeit nahe sein will, muss sich selbst nahe sein.
  • Wer von der Öffentlichkeit etwas verlangt, muss sich selbst einen Arbeiteinsatz abverlangen.
  • Wer von der Öffentlichkeit etwas erwartet, muss zunächst Erwartungen an sich selbst stellen und auch erfüllen.
  • Wer Öffentlichkeit informieren will, muss selbst sehr viele fachliche und aktuelle Informationen besitzen.
  • Wer Verantwortung für „die gute Sache“ delegiert, muss eigene Verantwortung für sein eigenes Tun und Nichtstun übernehmen.
  • Und wer Öffentlichkeit für etwas motivieren will, muss selbst viel Motivation in sich tragen.

Kindergärten und andere sozialpädagogische Einrichtungen, die ein Interesse daran haben,

  • ihr fachliches Interesse, verbunden mit einer persönlichen Überzeugung zu verdeutlichen,
  • ihr Berufsbild zu stärken,
  • als Interessenvertreterinnen für Kinder zu wirken,
  • ihrer Einrichtung zu einem (noch) deutlich(er)en Profil zu verhelfen,
  • ihre Arbeit und Aufgaben, Schwerpunkte und Ziele transparent öffentlich nachvollziehbar zu machen,
  • ihre Zusammenarbeit mit anderen Personen und Institutionen zu verbessern und
  • ihre Einrichtung konstruktiv in eine öffentliche Beachtung und Diskussion zu bringen, wählen vielfältige, aktive Formen der Öffentlichkeitsarbeit, die auch tatsächlich eine breite Außenwirkung in Gang setzen wird.

Unverwechselbare Merkmale einer qualitätsgeprägten, offensiven Öffentlichkeitsarbeit:

  • Öffentlichkeitsarbeit muss Neugierde und Interesse wecken!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss interessant und lebendig gestaltet sein!
  • Öffentlichkeitsarbeit sollte eine Diskussion in Gang setzen!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss durch Kontinuität gekennzeichnet sein!
  • Öffentlichkeitsarbeit verlangt vom Anbieter Einsatz und inneres Engagement!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss ein hohes Maß an Aktualität besitzen!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss sowohl gegenwartsorientiert als auch perspektivisch ausgerichtet sein!
  • Öffentlichkeitsarbeit dient weder der persönlichen Eitelkeit noch einem privaten Interesse!
  • Öffentlichkeitsarbeit ist ein aktiver (agierender), kein passiver (reagierender) Prozess!
  • Öffentlichkeitsarbeit ist stets ein geplanter und strukturierter Vorgang!
  • Öffentlichkeitsarbeit bedient sich zielorientierter Methoden und wählt situationsorientiert angemessene Formen!
  • Öffentlichkeitsarbeit will Einfluss nehmen und Meinungen gestalten!
  • Öffentlichkeitsarbeit ist immer eine Kombination aus einer Sach- und Beziehungspflege!
  • Öffentlichkeitsarbeit baut gezielt Berührungsängste ab!
  • Öffentlichkeitsarbeit trägt zu einer niveauvollen Streitkultur bei!
  • Öffentlichkeitsarbeit muss ein fester Bestandteil der Elementarpädagogik sein!

Öffentlichkeitsarbeit zeigt sich in einer breiten Vielfalt

In einer Vielzahl von Kindertagesstätten gibt es eine häufig zu beobachtende Haltung der Mitarbeiter/innen, die entweder durch eine traditionell gepflegte „stille Kleinkindpädagogik“ (mit einem reaktiven Charakter, getreu dem Motto „Nur nicht auffallen“) charakterisiert werden kann  o d e r  in der es darum geht, permanent und ohne Unterlass in der Öffentlichkeit aufzutreten (getreu dem Motto: „Springe auf jeden neumodischen Zug auf, lasse dich auf jeden aktuellen Trend ein und zeige der Öffentlichkeit, dass du mit deiner Pädagogik stets und immer „up to date“ bist.

Beide Grundsatzhaltungen bzw. Einstellungen sind für eine professionell gestaltete Öffentlichkeitsarbeit weder hilfreich noch akzeptabel.

Eine aussagekräftige Elementarpädagogik verfolgt stattdessen ihr Ziel, den eigenständigen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag mit vielfältigen Dokumentationsbelegen transparent zu machen und ihr unverwechselbares Profil nach außen zu transportieren. Dabei nutzen die elementarpädagogischen Fachkräfte möglichst viele, unterschiedliche Formen der Öffentlichkeitsarbeit, um die hohe Bedeutung der pädagogischen Arbeit für die Entwicklung der Kinder (und deren Familien) sowie ihre gesellschaftspolitische Wertigkeit zu dokumentieren. Kindertagesstätten präsentieren dabei ihre konzeptionellen Grundsätze/ Richtlinien und ihre aktuelle, schriftlich fixierte Konzeption, ihre regelmäßigen Projektdokumentationen und ihre neuesten Jahresberichte. Sie arbeiten an Fachpublikationen mit und sorgen durch ihr öffentliches Engagement auch auf politischer Ebene für ein kinderfreundliches (entwicklungsförderliches) Umfeld. Ihre Teilnahme an Fachsymposien und Kongressen, ihre Kontaktpflege mit den Ausbildungsstätten (Fach-/hochschulen) und die vielfältigen, öffentlichen Darstellungen (Ausstellungen/ Mitwirkungen bei Aktionen), die Außenpräsentanz bei Projekten und die Mitwirkung bei kommunalen/ gemeindlichen Aktionen  prägen ein Bild von der Institution, die ihr professionelles Selbstverständnis klar, nachvollziehbar und offensiv auf den Punkt zu bringen versucht. Nicht zuletzt dadurch schaffen es die Fachkräfte, das traditionell geprägte Bild einer „Kindergärtnerin“ aufzuheben und das einer professionellen Fachkraft mit einem hohen Fachwissen und einer gut ausgeprägten Handlungskompetenz zu stabilisieren. Öffentlichkeitsarbeit ist stets spannend, lebendig und aufregend. Sie schafft gezielt und aktiv Situationen, die in der Öffentlichkeit mit einer interessierten Spannung wahrgenommen werden und dazu reizen, mehr in Erfahrung bringen zu wollen.

Schlussbemerkung

Die Elementarpädagogik ist in einem ständigen Entwicklungsprozess begriffen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse fordern zum Überdenken bisheriger Positionen auf. Die Öffentlichkeit hat einen berechtigten Anspruch darauf, an diesen Veränderungen teilzuhaben. Wenn es  die Elementarpädagogik schafft, selbst in Bewegung zu bleiben, starre Mechanismen zu verändern und neue Strukturen zu bilden, dann besteht bei den elementarpädagogischen Fachkräften auch der Wunsch, andere an dieser spannenden Entwicklung zu beteiligen. Und damit ist die wesentliche Grundlage für eine qualifizierte Öffentlichkeitsarbeit gelegt, getreu dem Motto: „Wer sich nicht bewegt, kann auch nichts bewegen.“ Oder noch präziser formuliert: „Tue Gutes und transportiere es in die Außenwelt.“

Literatur:

Franck, Norbert: Praxiswissen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Leitfaden für Verbände, Vereine und Institutionen. Wiesbaden 3. Aufl. 2017
Krenz, Armin: Professionelle Öffentlichkeitsarbeit in Kindertagesstätten. SCHUBI Lernmedien AG, Schaffhausen 3. Aufl.  2013,
Puttenat, Daniela: Praxishandbuch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Der kleine PR-Coach. Springer Verlag, Wiesbaden 2. Aufl. 2012

Autor: Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor a.D., Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Entwicklungspädagogik