Selbstbildung als Herausforderung und Notwendigkeit

Wer bin ich, was kann ich, was bewirke ich?

Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, hat einmal den Satz ausgesprochen: Drei Dinge sind extrem hart: Stahl, ein Diamant und sich selbst zu kennen. Gerade in der Pädagogik ist es von eminent hoher Bedeutung, sein eigenes „Ich“ möglichst realistisch zu erfassen, um Wirkungen des eigenen Verhaltens und die daraus mitbedingte, spezifische Reaktion des Gegenübers zu verstehen, weil jedwede Interaktion eine gegenseitige Beeinflussung bedeutet. Gleichzeitig sitzen elementarpädagogische Fachkräfte – und hier in besonderem Maße die Leitungskräfte – immer zwischen allen Stühlen und sind stets aufs Neue aufgefordert, berechtigte Ansprüche von innen und außen fachkompetent zu erfüllen und unberechtigte Ansprüche professionell und klar abzuwehren.

Selbstbildung ist nicht nur ein Recht der Kinder

Die Elementarpädagogik in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker – wenn auch in einer Wellenform – zu einer funktionalen und stark gesteuerten Disziplin entwickelt, in der hohe Erwartungsansprüche an Kinder gestellt wurden bzw. werden. Besonders zeigt sich dies ganz aktuell in den meisten Bildungsprogrammen, in denen festgelegt wird, was Kinder in den unterschiedlichen Bildungsbereichen alles „lernen sollen“. Dabei wird in den wenigsten Bildungsprogrammen – und hier sei vor allem das Bildungsselbstverständnis im Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt sowie in der Bildungskonzeption von Mecklenburg-Vorpommern als überaus rühmliche Ausnahme im Vergleich mit den 14 anderen Bildungsprogrammen besonders hervorgehoben – die Person der elementarpädagogischen Fachkraft in den Mittelpunkt gestellt. Ist sie es doch, die den Ausgangspunkt für Qualität bildet, um dem Mittelpunkt der Pädagogik – dem Kind – entwicklungsförderlich zur Seite zu stehen. Bei einer Schwerpunktlegung auf das Bildungsverständnis einer Selbstbildung geht es nicht um eine „Veränderung von Kindern“ sondern um eine veränderte Einstellung der elementarpädagogischen Fachkräfte zum eigenen Selbstverständnis und dem von Kindern.

Alle Erziehung ist nur Handreichung zur Selbsterziehung

Eduard Spranger, 1882-1963

Bildungsprogramme beinhalten in erster Linie (in indirekter Form) Anforderungen an die Selbstbildungsmotivation der Fachkräfte

Ebenso wie Kinder nicht gebildet werden können sondern sich durch Beziehungsangebote, Bindungserlebnisse und ein impulsgebendes Umfeld selbst bilden, brauchen elementarpädagogische Fachkräfte die innere Motivation, ihre eigenen Kompetenzen kritisch zu beleuchten, inwieweit sie durch ihre Persönlichkeitsstruktur und ihre personalen Ressourcen in der Lage sind, die für eine Unterstützung der Selbstbildungskräfte der Kinder notwendigen Kompetenzen zum Ausdruck zu bringen. Dies entspricht dem Grundsatz Pestalozzis, wenn er die Grundmaxime vertritt, Erziehung sei Liebe und Vorbild, sonst nichts. Und der große, irische Dichter und weitsichtige Humanist, Oscar Wilde, war stets der festen Überzeugung, dass Persönlichkeiten und nicht Grundsätze das Zeitalter bewegen und zugleich der einzelne Mensch keine Beziehung eingehen kann, solange er nicht seine unverwechselbare Individualität für sich entdeckt.


Armin Krenz
Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht
20 PowerPointPräsentationen als Grundlage für Teambesprechungen, Fortbildungsveranstaltungen, Fachberatungen
Softcover, 336 Seiten, druchgehend vierfarbig
ISBN: 978-3-96304-613-1
29,95 €
Die Power-Point-Präsentationen und Seminarunterlagen von Armin Krenz haben sich in zahllosen Vorträgen und Weiterbildungen bewährt. Sie vermitteln kurz und prägnant das Wesentliche für die pädagogische Praxis und stützen sich dabei auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse. Mit seinem Buch unterstützt er pädagogische Fachkräfte dabei, in Bereichen wie Raumgestaltung, Kindheitspädagogik oder in der Beziehung zum Kind aktuelles Wissen in die Praxis umzusetzen. Ob in der Ausbildung, als Vorbereitung auf Gespräche im Kita-Team oder zur Auffrischung des eigenen Fachwissens: Dieses Handbuch leistet in allen Bereichen unerlässliche Hilfe!


Das Ganze fordert zur selbstständigen Reflexion auf – vor allem Menschen, die mit anderen Menschen arbeiten und den Anspruch haben, durch ihr Wirken (als PERSON und mittels ihrer Arbeit) förderliche Entwicklungsprozesse beim Gegenüber auszulösen. Fremdbeobachtung wird dann zur Selbstbeobachtung, Bildungsangebote für Kinder werden dann zu Bildungsanforderungen, die die Fachkraft an sich selbst stellt, Erziehungsziele werden dann zu persönlichen Zielen umformuliert und Erwartungen/ Ansprüche an Kinder oder Eltern werden zu Qualitätsansprüchen an die eigene Person umgedeutet. Es ist durch die Bildungsforschung und Neurobiologie weithin belegt, dass alle Bildungsprozesse durch das Kind selbst angetrieben werden: den Treibstoff dafür liefert das Kind mit seiner Neugierde bzw. seinem Wunsch, die Welt zu entdecken und sich selbst zu erkunden und den Funken zur Zündung reicht ihm die Fachkraft mit ihren humanistisch orientierten, kommunikationsförderlichen Persönlichkeits- und hilfreichen Interaktionsmerkmalen.

Zwischen Lachen und Spielen werden die Seelen gesund

Arabisches Sprichwort

Ausgangspunkte für die Berechtigung der Selbstbildung

Alle Erwachsenen – so auch die elementarpädagogischen Fachkräfte – leiten ihre Vorstellungen über Kinder und ihre Entwürfe zur Pädagogik aus unbewussten Bildern sowie Erfahrungen/ Erinnerungen aus ihrer eigenen Kindheit ab und übertragen diese auch auf die ihnen anvertrauten Kinder. Bowlby, der Pionier der Bindungsforschung, vertrat die Ansicht, dass jeder Mensch dazu neigt, anderen das anzutun, was ihm selbst angetan wurde, so dass der tyrannisierende Erwachsene das tyrannisierte Kind von gestern ist. Selbstverständlich geschieht dies unterbewusst, unbeabsichtigt und gleichzeitig in der festen Überzeugung, die an den Tag gelegten Handlungen seien „gut für das Kind“. Insofern sind Maßstäbe, normativen Sichtweisen und verinnerlichten Grundsätze, die alle im Alltagsgeschehen zum Ausdruck kommen, weder per se professionell, mit Kompetenz ausgestattet oder durch Qualität gekennzeichnet. Um von einer Defizit- zu einer Ressourcenorientierung bei Kindern zu kommen, sind die folgenden fünf Kehrtwendungen notwendig:

1.) Ein radikaler Paradigmenwechsel von einer Defizit- zu einer Ressourcenorientierung (verbunden mit der Forderung, dass die Selbstbildung von Kindern nicht durch permanente, funktionalisierte und teilisolierte erzieherische Förderprogramme eingeschränkt/ abgebaut/ zerstört wird),
2.) Ein Verständnis, dass Kindheit eine eigenständige Lebensphase darstellt (und nicht als ein „unfertiges Erwachsenensein“ verstanden wird),
3.) Ein Selbstverständnis der elementarpädagogischen Fachkräfte, dass sie selbst mit ihren Ausdrucksweisen und Umgangsformen die wichtigste Bildungsmethodik darstellen und diese nicht an künstlich inszenierte Angebote delegieren.
4.) Der Begriff „Bildung“ ist als ein Prozess der „Persönlichkeitsbildung“ zu verstehen (in deutlicher Abgrenzung von einer kognitiv orientierten Belehrungsabsicht).
5.) Selbstbildungsarbeit muss sich in erster Linie auf die Fachkräfte beziehen – sie beginnt mit einer anspruchsvollen, selbsterfahrungsorientierten Ausbildung, setzt sich über die gesamte Berufstätigkeit in Form von Fort-/ und Weiterbildungen (als Pflicht) fort und wird von Trägerseite aktiv gefördert und unterstützt.

Um diese Perspektivwechsel umsetzen zu können, bedarf es einer hohen Selbstmotivation, Mut, Anstrengungsbereitschaft, Belastbarkeit und Neugierde, um Innovationen zu initiieren, zuzulassen und voranzutreiben. Diese Arbeit im Sinne einer Selbstbildung ist schwer. Neale Donald Walsch hat daher folgerichtig die Konsequenz formuliert, dass der Mensch seine größten Chancen und Gelegenheiten zum Wachstum stets nur jenseits persönlicher Bequemlichkeitsbremsen findet.

Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden

Hermann Hesse

Selbstbildung führt in einen laufenden Prozess der Identitätsentwicklung

Es geht im Selbstverständnis der Selbstbildung stets darum, Ziele, die beispielsweise für Kinder formuliert werden, zunächst zu eigenen Zielen zu erklären und dabei zu überprüfen, inwieweit die eigenen Verhaltensweisen den externen Zielen entsprechen.

Jeder Mensch besitzt ein ganz bestimmtes Selbstbild von sich und ist der festen Überzeugung, sich selbst gut zu kennen. Doch demgegenüber haben viele Wissenschaftler/innen immer wieder deutlich gemacht, dass die Fähigkeit des Menschen, sich selbst zu (er)kennen, eher mangelhaft bis ungenügend ausgeprägt ist. Die eigene Selbsteinschätzung entspricht häufig einer Selbstüberschätzung und Fehleinschätzung. Es erscheint notwendig, sich selbst mit Fragen auseinanderzusetzen, die dazu geeignet sind, dem „inneren Kind“ immer stärker auf die Spur zu kommen und den Prozess der Selbstbildung in Gang zu setzen bzw. zu vertiefen:

Fragestellungen, die eine Selbstbildung initiieren:

  • Welche Interessen und Motive liegen meiner Berufstätigkeit zugrunde und welchen persönlichen „Profit“ ziehe ich aus meiner Arbeit?
  • Wann/ wo/ wie habe ich mich mit meiner Sozialisation/ Biographie aktiv beschäftigt und dazu beispielsweise Selbsterfahrungsseminare besucht/ ein Individualcoaching in Anspruch genommen?
  • Wie motiviert bin ich, mich in Kollegiumsgesprächen/ Supervisionssitzungen persönlich aktiv einzubringen, um mein pädagogisches Handeln zu überprüfen/ zur Diskussion zu stellen?
  • Fällt es mir schwer oder leicht, eigene Gedanken und Gefühle öffentlich zu äußern und welche Hintergründe gab/ gibt es dafür in meiner Biographie?
  • Vereinbare ich (un)regelmäßig Ziele mit mir selbst, die ich im Hinblick auf meine weitere Persönlichkeitsentwicklung erreichen will?
  • Welche Handlungsschritte habe ich bisher unternommen, um meine Fähigkeiten/ Fertigkeiten realistisch einschätzen zu können (Selbstwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung) und zu welchen Handlungsschritten hat mich diese Erkenntnis geführt?
  • Welche Zielsetzungen verfolge ich grundsätzlich in meiner Arbeit und was haben meine Zielsetzungen mit meiner Biographie zu tun?
  • Welche Werte bestimmen meine Handlungen, leiten mich in meinen Handlungsausführungen und welche Werte habe ich in meiner Sozialisation erlebt?
  • Welche Normen bestimmen mein Denken/ Handeln und wie (entwicklungsförderlich – entwicklungshinderlich) wirken sie sich auf kindliche Selbstbildungsprozesse aus?
  • Besitze ich eine grundsätzlich persönlichen/ pädagogischen Optimismus oder Pessimismus und worauf führe ich diese Haltung im Hinblick auf meine Biographie zurück?
  • Welche Handlungsstrategien zeige ich in der Regel bei persönlich erlebten Verletzungen, Angriffen, Ungerechtigkeiten – woher kenne ich solche Reaktionen aus meiner Kindheit und welche Bedeutung hat diese Erkenntnis für mich heute?
  • Besitze ich eine eher positive Einstellung zu einem lebenslangen Lernen oder fällt es mir schwer, mich von „alten Denk-./Handlungsstrukturen“ zu lösen?
  • Schaffe ich es, mich selbst in belastenden Situationen zu motivieren, problemlösungsorientiert zu denken/ zu handeln oder halten mich Belastungen eher in einer starren Problemfixierung fest? Wann bzw. wo/wie habe ich gelernt, problemlösungsorientiert vorzugehen?
  • Durch was bzw. wie sorge ich in der Einrichtung für eine eher positive oder negative Atmosphäre?

(Dieser Fragebogen kann mit vielen weiteren, eigenen Fragen ergänzt werden.)

Lernen ist Vorfreude auf sich selbst Peter Sloterdijk

Peter Sloterdijk

Selbstbildung führt zu einer stabilen Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz

Selbstgerechtigkeit, Selbstbefangenheit, Selbstsucht, Selbstisolierung, Selbstbeschuldigung, Selbstvernichtung, Selbsthass, Selbstvorwürfe, Selbsttäuschung oder Selbsterniedrigung führen zu einer fortschreitenden Selbstentfremdung. Hingegen trägt eine Selbstbildung dazu bei, Selbstüberwindung, Selbstfindung, Selbstbefreiung, Selbstständigkeit, Selbststeuerung, Selbstachtung, Selbstvertrauen, Selbstbejahung, Selbstheilung und Selbstbestimmung in der Person voranzubringen. Die erweiterte Transaktionsanalyse würde hier im ersten Fall von einem Kindheits- bzw. Eltern-Ich, im zweiten Fall von einem stabilen Erwachsenen-Ich sprechen. Selbstbildungsorientierte Fachkräfte besitzen eine intrinsisch orientierte Reflexionsbereitschaft zur Selbstbetrachtung, gehen mit einer großen Wahrnehmungsoffenheit auf bekannte und unbekannte Situationen zu, um aus selbst formulierten Fragen unterschiedliche Antworten abzuleiten, wollen den Auswirkungen ihrer Biographie auf ihr jetziges Verhalten auf die Spur kommen, betrachten ihre Kommunikationsstruktur und Interaktionskultur sorgsam und kritisch, überprüfen immer wieder ihre Handlungsauswirkungen, zeigen eine hohe Bereitschaft, aus eigenen Fehlern zu lernen, setzen sich mit eigenen Vorurteilen auseinander, arbeiten an ihrer Selbstmotivation, gehen mit Leistungsfreude auf schwierige Herausforderungen zu und schätzen die Möglichkeit eines lebenslangen Lernens als ein höchstes Gut ein. 

Ich fürchte, unsere allzu sorgfältige Erziehung liefert uns Zwergenobst Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799

Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799

Fazit:

Selbstbildung ist die Grundlage für eine humanistisch geprägte Pädagogik im pädagogischen Selbstverständnis von Pestalozzi, Rousseau, Rogers, Freinet sowie Korczak und gehört zum festen Bestandteil einer qualitätsgeprägten Entwicklungsarbeit an sich und einer verantwortungsvollen Entwicklungsbegleitung von Kindern. Mit einer kontinuierlichen Zunahme und Ausweitung einer funktionalisierten und von wirtschaftlichen Interessen geprägten Elementarpädagogik geriet dieser fundamentale Aspekt immer mehr ins Abseits, obgleich der Begriff selbst – vor allem durch die Ergebnisse der Bildungsforschung und Neurobiologie – im Rahmen der „Bildungsarbeit mit Kindern“ eine herausgehobene Wertigkeit zugesprochen bekam. Doch anstatt diese für sich selbst in Anspruch zu nehmen wurde sie theoretisierend und häufig dogmatisch geprägt den Kindern zugesprochen. Es ist an der Zeit, einen notwendigen Perspektivwechsel vorzunehmen, um im Sinne der Erkenntnisse aus den Feldern der Bindungsforschung sowie der Lernpsychologie einen beziehungsintensiven und kommunikationsaktiven „Lernalltag“ zur entscheidenden Grundlage einer lebendigen sowie natürlichen Elementarpädagogik werden zu lassen. Damit würde sich der Kreis schließen, um Kindern durch das eigene, positive Selbstkonzept (Ich bin…), die eigenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (Ich kann…) und ein eigenes, stabiles Selbstwertgefühl (Ich habe…) in effizienter Form zu helfen, diese drei basalen Ausgangsdaten für eine förderliche Entwicklung gleichsam auf- und auszubauen bzw. zu stabilisieren.        

Literaturempfehlungen

Bradshaw, John: Das Kind in uns. Wie finde ich zu mir selbst? Verlag Knaur MensSana, München 3. Auf. 2018
Fleisch, Sabrina: Meine Reise zu mir selbst. Finde die Antwort in dir selbst, die dir sonst niemand beantworten kann. Remote Verlage, Oakland, 5. Edition 2021
Missildine, W. Hugh: In dir lebt das Kind, das du warst. Seelische Belastungen bewältigen. Verlag Klett-Cotta, 21. Aufl. 2012
Rohr, Richard + Ebert, Andreas: Das Enneagramm. Die 9 Gesichter der Seele. Claudius Verlag, München 47. Aufl. 2013
Skiera, Ehrenhard: Reflexive Selbsterfahrung als Weg zur Seele. Übungen zur Vertiefung der Beziehung zu sich selbst, zu anderen und zur Natur. Klinkhardt Verlag, München 2011
Stahl, Stefanie: Das Kind in dir muss Heimat finden. Kailash Verlag, München 2015
Tillmetz, Eva: Familienaufstellungen – sich selbst verstehen, die eigenen Wurzeln entdecken. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2012

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor a.D.
Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik




Hübschen Weihnachtsschmuck aus Wachsresten basteln

kerze

Basteln mit Kerzenresten ist gerade in der dunklen Jahreszeit eine schöne Sache

Sammeln Sie Kerzenstummel nach Farben sortiert!

Stummelkerzen

  • Etwas Wachs in einen leeren Flaschendeckel tropfen.
  • Den Kerzenstummel hineindrücken.
  • Festhalten bis das Wachs etwas abgekühlt ist und die Kerze hält.

Material:

Kerzenreste, leere Flaschendeckel aus Metall

Wachsanhänger

  • Etwas Wasser in einen Teller füllen.
  • Ein Ausstechförmchen hinein stellen.
  • Die brennende Kerze schräg über die Form halten.
  • Das Wachs in die Form tropfen bis die gewünschte Dicke erreicht ist.
  • Aushärten lassen.
  • Solange das Wachs noch biegsam ist, mit einer Nadel ein Loch hineinstechen.
  • Ein Band befestigen.

Material:

Kerzenreste, Schale, Wasser, Ausstechförmchen, Nadel, Faden

sander-kleben

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Kleckern, Klecksen, Kleben
Künstlerische Aktivitäten in der Kindergruppe
Sander, Manon
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548197
176 Seiten, 7,95 €

Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




Zum Spielen und Dekorieren: Weihnachtswichtel basteln

wichtel

Basteln mit Naturmaterialien und etwas Farbe

Wirklich klein und winzig werden diese Wichtel, welche die Kinder aus ein paar Erdnüssen basteln können. Aber auch aus Walnüssen sehen sie schön aus.

Der obere Teil der Nuss wird zum Kopf, der untere Teil zum Körper

  • Auf den vorderen Bereich der Nuss das Gesicht zeichnen.
  • Wer mag kann einen roten Punkt als Nase aufkleben.
  • Den oberen Teil vom Kopf und den Hinterkopf als Mütze anmalen.
  • Den restlichen Körper anmalen.
  • Einen weißen Bart aus Watte ankleben.
  • Zum Trocknen vorsichtig zur Seite legen.

Wer möchte, kann eine Schale mit Naturmaterialien als Wichtelwohnung gestalten.

Mit Hilfe von etwas Draht die Wichtel in der neuen Wohnung befestigen.
Zu Weihnachten können die Kinder die Wichtel in Rottönen anmalen, als Weihnachtswichtel („Jultomte“ im Schwedischen). Dazu kleben sie noch einen weißen Watterand an Mütze und Mantel.

Material:

Erd- oder Walnüsse mit Schale, Farbe, Watte, evtl. eine Schale, Naturmaterialien wie Moos, Holz oder Tannenzapfen, Draht

sander-kleben

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Kleckern, Klecksen, Kleben
Künstlerische Aktivitäten in der Kindergruppe
Sander, Manon
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548197
176 Seiten, 7,95 €

Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




Schüler, die Gedrucktes lesen, haben einen größeren Wortschatz

Mehr Sprachförderung für mehr Bildungsgerechtigkeit nötig

Sprache ist essenziell für den schulischen Erfolg, denn ohne Sprachkompetenz können Inhalte nicht richtig vermittelt und verstanden werden. Die Studie eines Forschungsteams am Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund hat sich daher intensiv mit einer der Säulen für Sprachkompetenz beschäftigt: dem Wortschatz am Beispiel von Viertklässler. „Dabei ist zum einen deutlich geworden, dass es schon in der Grundschule sehr große Unterschiede im Wortschatz gibt und dass diese Unterschiede zum anderen systematisch mit dem familiären Hintergrund zusammenhängen, konkret, welchen Bildungsabschluss die Eltern haben, ob es einen Zuwanderungshintergrund gibt oder wie die familiäre Leseumgebung aussieht“, erläutert Dr. Ulrich Ludewig, der die Auswertung der Daten von rund 4.600 Viertklässler in Deutschland durchführte.

Die durchschnittlichen Unterschiede im Wortschatz entsprechen zwischen manchen Schülergruppen dem Lernzuwachs von über einem Jahr. Diese Ergebnisse verdeutlichen einmal mehr, dass der Wortschatz in der Grundschule systematisch gefördert und spezifische Schülergruppen gezielt in den Blick genommen werden müssen.

Wortschatz, Bücherlesen und Lesen an digitalen Geräten

In der Erhebung gab die Hälfte der Grundschulkinder an, (fast) täglich Bücher zu lesen, während 22 Prozent nie oder maximal einmal im Monat ein Buch lesen. Schüler, die (fast) täglich Bücher lesen, zeigen dabei im Mittel einen deutlichen Wortschatzvorsprung gegenüber denjenigen, die seltener Bücher lesen. Dies gilt für die Gesamtgruppe und findet sich in unterschiedlich starker Ausprägung in nahezu allen betrachteten Schülergruppen aufgeteilt nach Geschlecht, Anzahl der Bücher im Haushalt, Zuwanderungshintergrund und Bildungsabschluss der Eltern. So haben beispielsweise viel lesende Jungen ebenso wie viel lesende Mädchen einen im Mittel deutlich höheren Wortschatz, wenn man sie mit seltener lesenden Jungen bzw. Mädchen vergleicht. Lediglich bei Kindern, die selber zugewandert sind, oder deren Eltern höchstens einen mittleren Schulabschluss (ohne Berufsausbildung) haben, zeigt sich trotz häufigen Bücherlesens kein signifikant größerer Wortschatz im Vergleich zu weniger lesenden Kindern aus ihrer Vergleichsgruppe. In beiden Fällen ist demnach eine Förderung im schulischen Kontext besonders wichtig.

In der Studie haben ein Viertel der Viertklässler angegeben, (fast) täglich an digitalen Geräten zu lesen. Häufiges Lesen an digitalen Geräten weist dabei einen negativen Zusammenhang mit dem Wortschatz der Kinder auf. Ulrich Ludewig führt aus: „Der Wortschatz ist am kleinsten, wenn Kinder oft an digitalen Geräten lesen und gleichzeitig selten bis nie ein Buch.“ Dies hängt möglicherweise mit der Art der Texte zusammen: Häufig werden digital eher Chatnachrichten, Anweisungen in Apps, kurze Teasertexte und ähnliches gelesen, die keine längeren, aufeinander aufbauenden Textpassagen und weniger vielfältigen Wortschatz beinhalten. Dieses trägt kaum zu einem Ausbau des Wortschatzes bei und gleichzeitig fehlt die Zeit für sprachförderlichere Aktivitäten. Möglich ist auch, dass sich Kinder mit geringem Wortschatz nicht an Bücher herantrauen und daher erst gezielt mit leichteren Büchern zum Lesen motiviert werden müssen.

Fazit

„Die Sonderauswertung verdeutlicht, dass Kinder beim Erwerb und Ausbau der sprachlichen Kompetenzen gezielte Unterstützung in ihren Grundschulen benötigen, besonders, wenn ihre familiäre Umgebung eher wenige Lerngelegenheiten für den Aufbau sprachlicher Kompetenzen im Deutschen bietet“, führt Bildungsforscherin Nele McElvany aus. Der Förderbedarf in Bezug auf den Wortschatz sei besonders groß bei Kindern, die nie oder nur selten Bücher lesen, selbst nicht in Deutschland geboren sind und deren Eltern einen eher niedrigen Bildungsabschluss haben. Daher müsse die systematische Förderung bestimmter Schülergruppen in den Schulen, besser noch bereits im Kindergarten, verstärkt werden. Das Forschungsteam betont: „Sämtliche Studien in den letzten Jahren machen deutlich, dass Sprachkompetenzen unabdingbar sind, um einen erfolgreichen weiteren Schul- und Lebensweg zu ermöglichen. Um mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland zu erreichen, ist daher in den Schulen ab der ersten Klasse eine regelmäßige Diagnostik der Sprachkompetenzen mit daran anschließender gezielter Förderung unter Einbezug der Familien dringend angeraten.“ Die ausführlichen Ergebnisse sind verfügbar unter: https://ifs.ep.tu-dortmund.de/

Zur Studie

Für den Sonderbericht wurden Daten von 4.611 Viertklässlerinnen aus 252 Grundschulen in Deutschland ausgewertet, die an der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU 2021) im Frühjahr 2021 teilnahmen und zusätzlich einen national ergänzten Wortschatztest bearbeiteten, auf dem die berichteten Befunde beruhen. Zudem wurden ergänzende Angaben aus dem nationalen Schülerfragebogen herangezogen. Damit bestand die Möglichkeit, eine wichtige Voraussetzung der Lesekompetenz nach den pandemiebedingten Einschränkungen auf einer repräsentativen Datenbasis zu untersuchen. Das zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) zu gleichen Anteilen gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. Institutsportrait: Das interdisziplinäre Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund ist als Forschungseinrichtung an der Schnittstelle von Wissenschaft, schulischer Praxis und Politik angesiedelt. Die durch fünf Professuren und rund 40 Mitarbeiter gestalteten Forschungsbereiche des Instituts arbeiten zu aktuellen Themen im Bereich der Empirischen Bildungsforschung mit dem Ziel, schulische Lern- und Entwicklungsprozesse, Schulentwicklung und Bildungsergebnisse im Kontext ihrer individuellen, sozialen und institutionellen Bedingungen zu erfassen, zu erklären und zu optimieren. Das IFS trägt mit seiner Arbeit wesentlich den Profilbereich „Bildungs- und Arbeitswelten von morgen“ der TU Dortmund mit.

Quelle: Studie der TU Dortmund




„Das Spiel ist der Nährboden für alle bedeutsamen Entwicklungsvorgänge“

Ein Interview mit Prof. Dr. Armin Krenz über das Spiel(en) und seine Bedeutung für die Entwicklung des Menschen

Keinem Menschen ist die Spielfähigkeit in die Wiege gelegt. Auch diese muss er erst entwickeln. Ist das geschehen, beginnt er, sich die Welt spielend zu erschließen – und das Spiel begleitet ihn ein Leben lang. Wer seine Spielfähigkeit nicht aufbauen kann, der weist in allen Kompetenzfeldern Defizite auf. Was das Spiel für den Menschen bedeutet, wie wir Spielfähigkeit entwickeln, wie wir Kinder dabei begleiten und welche Chancen uns das Spiel bietet, erklärt Prof. Dr. Armin Krenz im Interview.

Du bist vor ein paar Monaten 70 Jahre alt geworden. Das Spielen hast du in all der Zeit nicht verlernt. Wann hast Du das letzte Mal gespielt und was war das?

Auch wenn ich mich inzwischen im 71. Lebensjahr befinde, gehört das Spiel(en) immer noch zum festen Bestandteil meines privaten Lebens und meiner beruflichen Tätigkeit. So ist es beispielsweise üblich, dass bei Familienbesuchen nahezu immer ein Teil der Zusammenkünfte mit Spielaktivitäten ausgefüllt sind.

Bei Qualitätsuntersuchungen oder Supervisionscoachings in Kindertageseinrichtungen trete ich dann mit Kindern in Spielhandlungen ein, wenn ich mitbekomme, dass elementarpädagogische Fachkräfte dem Spiel(en) der Kinder eine untergeordnete Rolle zusprechen und lieber „nur“ dem Spiel der Kinder zuschauen, ohne selbst diesen aktiven Mitspielimpuls zu spüren. Leider muss ich das in den vergangenen Jahren zunehmend zur Kenntnis nehmen.

Wie heißt es doch in einer Aussage von Augustinus Aurelius, dem einstigen Bischof von Hippo, der auch als Philosoph ganz wundervolle Gedanken zu Papier gebracht hat, so treffend: „In Dir muss brennen, was Du entzünden willst“. Dieses Feuer habe ich schon als Kind spüren und in meiner Freizeit sowie im Elternhaus ausleben dürfen, wodurch sich wundervolle, spannende und aufregende Bilder in meinem Gedächtnis eingebrannt haben – und das mit einer nachhaltigen Wirkung.

Bei der unüberschaubaren Menge an Gesellschaftsspielen fällt es mir hingegen schwer, immer eine Entscheidung für ein bestimmtes Spiel zu fällen, zumal es gleichzeitig so viele, wunderbare Spiele gibt. Zuletzt habe ich mich vor ganz kurzer Zeit im Rahmen eines Supervisionscoachings in neun Kindertageseinrichtungen in viele verschiedene Tanz-, Bewegungs- und Regelspielaktionen hineinbegeben, verbunden mit den Fragen der Kinder, als ich mich aus den Spielen herauslösen musste: „Wann kommst Du wieder?“ „Spielen wir nachher weiter?“

In Dir muss brennen, was Du entzünden willst!

Augustinus Aurelius (354 – 430)

Kinder suchen immer wieder Spielerlebnisse – so wie ich auch. Und ganz aktuell habe ich auch ein „Kinder- Reim- Geschichten- Ausmalbuch“ mit dem Titel „Vom Warzenschwein und anderen Tieren“ publiziert und dabei mit Worten, ausgedachten und imaginären Tiergeschichten gespielt.

Der deutsche Aktionskünstler Joseph Heinrich Beuys (1921 – 1986) und Professor an der Kunstakademie Düsseldorf hat einmal gesagt: „Lass dich fallen – Lerne Schlangen zu beobachten – Pflanze unmögliche Gärten – Lade jemanden Gefährlichen zum Tee ein – Mache kleine Gesten – Werde ein Freund von Freiheit und Unsicherheit – Freue dich auf Träume – Weine bei Kinofilmen – Schaukel so hoch du kannst – Tu Dinge aus Liebe – Mach eine Menge Nickerchen – Gib Geld weiter – Mach es jetzt – Glaube an Zauberei – Lache eine Menge – Nimm Kinder ernst – Bade im Mondlicht – Lies jeden Tag – Stelle dir vor, du bist verzaubert – Höre alten Leuten zu – Freue dich – Lass die Angst fallen – Unterhalte das Kind in dir – Umarme Bäume – Schreibe Briefe – Lebe“. So gibt es auch ungezählte Möglichkeiten, den Alltag mit Spielfantasien auszufüllen und auszuleben!


Armin Krenz/Christian Kämpf
Vom Warzenschwein und anderen Tieren
Vorlesen, Malen, Philosophieren: ein Bilder- und Geschichtenbuch. Reime und Tierbilder zum Ausmalen
für Kinder ab 4 Jahren
Hardcover, 36 Seiten, DIN A 4
ISBN 978-3-910295-00-1
15 €


Was hältst Du von dem Zitat „We don’t stop playing because we grow old; we grow old because we stop playing.”?

Diesem Zitat von George Bernard Shaw, dem irischen Dramatiker, Satiriker und Politiker, kann ich sowohl aus fachwissenschaftlicher Sicht als auch aus meiner eigenen biographischen Rückschau in vollem Maße zustimmen, denn einerseits sind es die in unserem Gehirn abgespeicherten „Bilder“ aus der sehr frühen und frühen Kindheit, die unsere Gehirn- und damit unsere Persönlichkeitsstruktur in einer ganz entscheidenden Weise prägen. Andererseits ist es die weitere Lebensgestaltung, die uns zu dem Menschen werden lässt, der wir dann werden. Unsere gesamte Wahrnehmung, die daraus folgende Situationseinschätzung und der daraus abgeleitete Handlungsimpuls werden durch unsere Gefühlswelt beeinflusst. Zudem haben „Spielaktive Menschen“ eine entspanntere Sichtweise auf die Welt, ohne dabei eine weniger ernsthafte Situationseinschätzung zu besitzen.

We don’t stop playing because we grow old;
we grow old because we stop playing.

George Bernard Shaw

Als meine Frau und ich noch vor unserem Eintritt in den offiziellen Ruhestand beruflich sehr eingespannt waren, haben wir uns beispielsweise immer wieder mit guten Freunden übers Wochenende ein Ferienhaus in Dänemark angemietet, um gut zwei Tage lang ein gemeinsames Spielewochenende zu verbringen. Jedes Paar brachte ein neues Spiel mit – und so erweiterte sich für alle das Spielespektrum um ein Vielfaches.

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit wir von einem Spiel sprechen können?

Es gibt – je nach der spezifischen Ausrichtung der Pädagogik bzw. der Psychologie – nicht nur eine einzige Definition zum „Spiel“ zumal dieses Wort zunächst kein wissenschaftlicher Begriff ist. Gleichwohl gibt es einige übereinstimmende, sich als deckungsgleich erweisende Beschreibungskriterien, die vorhanden sein müss(t)en, um von einer Spielhandlung sprechen zu können:

  1. Ein „Spiel“ ist eine aktive Geschehnis-Einheit, in der es für die (mit)spielenden Personen einen „Handlungsfreiraum“ gibt, in dem sie sich ohne Not, Sorge oder Angst sprachlich und/ oder motorisch ausdrücken können.
  2. Jedes Spiel beruht auf einer „freiwilligen Teilnahme“, in dem die mitspielenden Personen eigene Ideen und Vorhaben umsetzen können.
  3. Ein Spiel ist nur dann ein Spiel, wenn es weitestgehend „zweckfrei“ ist, so dass in erster Linie der „Spielgedanke“ im Vordergrund steht und nicht ein starr vorgegebenes Ziel, das in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort zu erreichen ist.
  4. Die Mitspielerinnen müssen dem Spielgedanken/dem Spielimpuls/dem Spielverlauf einen Sinn zuordnen können, von dem sie den Eindruck haben, dass sie einerseits das betreffende Spiel mit Spannung gestalten und ausfüllen, gleichzeitig in dem Spiel aber auch Entspannungsmomente erleben, so dass das so genannte „rhythmische Prinzip’ zum Tragen kommt: ein wellenförmiger Wechsel von Spannung und Entspannung.
  5. Spiele müssen verschiedene Möglichkeiten zulassen, Veränderungen vornehmen zu können, die dann beispielsweise in einer gemeinsamen Absprache übernommen werden.
  6. Spielerische, experimentelle Handlungen können sich nur dann zu einem Spiel entwickeln, wenn eine intrinsische Motivation, die ausschlaggebend für eine Spielfaszination sowie eine vertiefende Spielvertiefung ausschlaggebend ist, vorhanden ist.
  7. Wenn die Beschäftigungszeit als eine erfüllte, zufriedenstellende, intensiv berührende Zeit erlebt wird, hat das Spiel seinen Wert zum Ausdruck gebracht.

Welche Bedeutung hat das Spiel mit Blick auf die Evolution? Warum ist es so wichtig, dass wir spielen?

Spielen, das wissen wir aus vielen Forschungsuntersuchungen, ist keine angeborene Tätigkeit, die dem Menschen in die Wiege gelegt und damit für den Lebensweg mitgegeben wird. Diese Tatsache ist von einer außergewöhnlich großen Bedeutung, zum Beispiel wenn es darum geht, einerseits den hohen Wert des Spielens für die förderliche Entwicklung eines Menschen im Auge zu haben und andererseits nicht annehmen zu dürfen, dass das Spiel „von ganz alleine“ entsteht.
Was dem Menschen angeboren ist, ist seine „Neugierde“, die Welt um sich herum zu entdecken und zu erkunden und gleichzeitig den eigenen Bedeutungswert in der Welt bzw. für die Welt in Erfahrung zu bringen. Und hierbei ist es notwendig, dass es im unmittelbaren Umfeld des Menschen Personen gibt, die sich auf die Neugierde des Kindes einlassen und seine seelischen Grundbedürfnisse sättigen, so dass aus diesem dialogen Zusammenspiel eine Einheit entsteht, die sich durch ein lebendiges Kommunikations- und Interaktionsgeschehen in unterschiedlichen Formen als Spiel ausdrücken.

Spielen, das wissen wir aus vielen Forschungsuntersuchungen, ist keine angeborene Tätigkeit, die dem Menschen in die Wiege gelegt und damit für den Lebensweg mitgegeben wird.

Erfolgt also im Rahmen der vorhandenen Neugierde kein aktives, zugewandtes und durch Wertschätzung geprägtes Kommunikations- und Interaktionsverhalten, verringert sich einerseits die Neugierde im Hinblick auf das Umfeld und eigene Entwicklungsmöglichkeiten und andererseits können sich dadurch auch keine Spielfreude, kein Spielinteresse und keine Spielmotivation entwickeln, was wiederum gleichzeitig die Lernmotivation, die Lernfreude sowie das Lerninteresse deckelt.

Diese Tatsache ist leider vielen Erwachsenen unbekannt: Würden sie diese Vernetzung kennen, würden sie mit großer Wahrscheinlichkeit dem Spiel(en) eine größere Wertigkeit beimessen. Dr. Jan van Gils, (seinerzeit ‚President of the International Council for Children’s Play’), hat es 2005 in seinem Vortrag auf dem Weltkongress der International Play Association wie folgt auf den Punkt gebracht: „Allzu oft wird das Spiel als ein Zeitvertreib betrachtet, um Kinder ruhig zu halten, bis sie erwachsen sind. Allzu oft wird das Spiel auch als Bildungswerkzeug angesehen. Aber nur selten ist man sich der Tatsache bewusst, dass Kinder bei dem Spielen für das Leben lernen.“

Zusammenfassend lässt sich sagen: der evolutionäre Bedeutungswert liegt demnach darin zu begreifen, dass das Spiel als Nährboden für alle bedeutsamen Entwicklungsvorgänge, für den Erwerb ganz bestimmter kognitiver, motorischer, sozialer und emotionaler Fertigkeiten dienlich ist und damit gleichzeitig einen sehr hohen Bedeutungswert für die eigene Persönlichkeitsentwicklung besitzt.

Allzu oft wird das Spiel als ein Zeitvertreib betrachtet, um Kinder ruhig zu halten, bis sie erwachsen sind. Allzu oft wird das Spiel auch als Bildungswerkzeug angesehen. Aber nur selten ist man sich der Tatsache bewusst, dass Kinder bei dem Spielen für das Leben lernen

Dr. Jan van Gils

Hat es denn negative Folgen, wenn wir nicht spielen, sprich, würdest Du dem Spielen eine ähnliche Bedeutung zuschreiben wie gesunder, ausgewogener Ernährung oder Bewegung?

Ungezählte, wissenschaftlich fundierte Untersuchungsergebnisse haben immer wieder bestätigt, dass Kinder, denen es verwehrt war, eine Spielfähigkeit aufzubauen, in allen vier Kompetenzfeldern (im emotionalen, sozialen, kognitiven und motorischen Bereich) deutliche Einschränkungen aufwiesen.

Beispielsweise zeigen spielkompetenzeingeschränkte Kinder – auch in ihrem späteren Leben – im emotionalen Bereich größere Schwierigkeiten im Verarbeiten von Enttäuschungen, eine geringere Toleranz bei Frustrationen, einen stärker ausgeprägten Pessimismus sowie weniger tiefgehende Freudeerlebnisse.

Im sozialen Bereich haben spielkompetenzeingeschränkte Personen eine höhere Vorurteilsbildung, eine geringere Kooperationsbereitschaft, eine höhere Gewaltbereitschaft bzw. ein stark eingeschränktes Selbstbewusstsein sowie eine geringer ausgeprägte Hilfsbereitschaft.


Armin Krenz
Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht
Kita-Basiswissen für Erzieherinnen und Erzieher. 20 Fact-Sheets für Fortbildungen, Beratungsgespräche und zur Prüfungsvorbereitung
336 Seiten, zahlreiche Abbildungen
ISBN 978-3-96304-613-1
29,95 €


Im kognitiven Bereich ist ein vernetztes Denken eingeschränkt. Diesen Kindern fällt die Kontrolle eigener Handlungen deutlich schwerer (gemeint sind hier vor allem die Handlungsfelder Selbstkontrolle und Selbstdisziplin) und die Konzentrationsfertigkeit ist deutlich gesenkt im Vergleich mit spielkompetenten Personen.

Im motorischen Bereich sind vor allem die Selbstwirksamkeitsüberzeugung, die Vielfaltnutzung von Selbstaktivitäten, eine differenzierte Feinmotorik und die motorische Reaktionsfertigkeit gering ausgeprägt.

Was eine ausgewogene Ernährung für den Körper an Wohlbefinden mit sich bringt, bewirkt eine vorhandene Spielfähigkeit für den gesamten psycho-sozialen, motorischen und kognitiven Bereich.

Was bewirkt spielen, was macht das Spielen mit uns als Mensch?

Spielen setzt frei flottierende Gedanken und damit spontan entstehende Handlungsideen in Gang. Es ermöglicht in erlebten Außenspannungen ein Gefühl von Freiheit, wodurch der Mensch aus Stresssituationen herausfinden kann und in der Lage ist, abzuschalten, die unmittelbare Vergangenheit oder vorherrschend besitzergreifende Gegenwartserlebnisse beiseite zu stellen, was wiederum zu einer emotional-kognitiven BALANCE führt.

Dabei entdeckt der Mensch die Vielschichtigkeiten und Mehrdeutigkeiten von Situationen, die dabei helfen, aus eindimensionalen Einschätzungen herauszufinden und aus einem erlebten Entspannungsfreiraum Dinge neu betrachten zu können. Vor allem eröffnet sich der Mensch dabei den Weg für eine Selbstexploration: die Auseinandersetzung mit sich selbst, seine eigenen Gedankenwegenund Gedankenstrukturmuster, ohne die Sichtweise fokussiert auf die Außenwelt zu richten sondern zu erkunden, was dazu beigetragen hat, dass sich Situationen so entwickelt haben wie sie sind und wie sie auch anders gestaltet werden können.

Gerade der „spielende Mensch“ eröffnet sich durch die eigene Spielfreude sowie ein weitumfassendes Spielinteresse einen lebenslangen Bildungsweg, auf dem immer wieder neue Bildungsprozesse entstehen können und uns Menschen daran hindern, Lebenswege stets gleichartig, gleichförmig‚ normal und variationsfrei zu gestalten.

Gerade der „spielende Mensch“ eröffnet sich durch die eigene Spielfreude sowie ein weitumfassendes Spielinteresse einen lebenslangen Bildungsweg, auf dem immer wieder neue Bildungsprozesse entstehen können und uns Menschen daran hindern, Lebenswege stets gleichartig, gleichförmig‚ normal und variationsfrei zu gestalten.

Der Maler Vincent Willem van Gogh hat sich einmal so geäußert: „Die Normalität ist eine gepflasterte Straße. Man kann gut darauf gehen – doch es wachsen keine Bäume auf ihr.“ Und wenn wir nun aus psychoanalytischer Sicht den Baum als ein ‚lebendiges Wachstumsfeld der eigenen Person’ verstehen, dann wird deutlich: ohne das Spielen steckt der Mensch in seiner Entwicklung fest, lebt aus Wiederholungen, die nicht selten entwicklungshinderlich sind, weil keine neuen und damit innovativen Handlungsimpulse entstehen können.  

Die Normalität ist eine gepflasterte Straße. Man kann gut darauf gehen – doch es wachsen keine Bäume auf ihr.

Vincent Willem van Gogh

Wann wird aus einem Spiel Ernst?

Ein Spiel ist immer eine ernste Angelegenheit, zumal Einzelspielerinnen und -spieler als auch jede mitspielende Person ihre angedachten Überlegungen in die jeweils aktuelle Spielhandlung einbringen wollen. So hat Prof. Hans Scheuerl, ein Pionier im Feld der Spieleforschung, schon vor einigen Jahrzehnten den Satz geprägt: „Das Spiel ist der Beruf des Kindes.“ Und damit umfasst das Spiel grundsätzlich alle Facetten, die auch in fast jedem Beruf zum Tragen kommen: Anstrengung an den Tag legen, Versuch und Irrtum auszuhalten, Belastbarkeit aushalten, Innovationsgedanken umsetzen, Zufriedenheit erleben, Konflikte mit sich und anderen austragen, Selbstdisziplin auf sich nehmen, Enttäuschungen ertragen, uneindeutige Situationen für sich oder mit anderen klären, Aggressionen in lösungsorientierte Schritte umwandeln usw.

Das Spiel ist der Beruf des Kindes.

Prof. Hans Scheuerl

Ist Humor eine Sonderform des Spiels?

Humor ist keine Sonderform des Spiels sondern eine lebensbedeutsame Verhaltensweise des Menschen, um bei Missgeschicken oder in schwierigen Lebenssituationen eine Gelassenheit an den Tag zu legen, die die Situation – zumindest für einen Augenblick – entschärft und die es dem Menschen möglich macht, sich selbst und andere nicht immer allzu ernst zu nehmen.

Humorlose Menschen sind häufig nur sehr schwer zu ertragen, zumal wenn alleine der reinen Kognition eine permanente A-Priorität beigemessen wird. Hier scheint ganz besonders eine „Herzensbildung“ von Nöten zu sein, in der auch der Humor einen festen Platz besitzt. Joachim Ringelnatz, Schriftsteller, Maler und Kabarettist, sagte einmal: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.“

So genannte Helikopter-Eltern oder auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bzw. Lehrkräfte, die sich zu Unrecht als Pädagogen bezeichnen, Vorstandspersonen oder (sozial)politische Funktionsträger:innen ohne Humor versuchen ihr privates und berufliches Selbstverständnis häufig nur aus kognitiv gefällten Entscheidungen abzuleiten, wobei emotional-soziale Aspekte unberücksichtigt bleiben. Damit sind nicht selten inhumane und rein funktional gesteuerte Vorgaben die Folge – und das mit häufig dramatischen Folgen für das Umfeld. 

Die Bedeutung des Spiels für Kinder, für die Entwicklung der Kinder. Worauf sollten die Eltern achten? Wie regt man Kinder zum Spielen ideal an?

Johann Heinrich Pestalozzi, ein Schweizer Pädagoge und zugleich ein Schul- und Sozialreformer hat folgenden Satz geprägt: „Erziehung ist Liebe und Vorbild. Sonst Nichts!“ und einer der bedeutendsten Reformpädagogen des vergangenen Jahrhunderts, Dr. Janusz Korczak, dessen Todestag sich 2022 zum 80. Mal jährt, vertrat sein pädagogisches Grundverständnis mit der Aussage: „Du kannst den anderen nur soweit bringen, wie Du selbst gekommen bist.“ In diesen beiden Zitaten liegt meine Antwort auf Ihre Frage: es gilt,

  • (a) immer wieder selbst in ein aktives, lebendiges und innerlich motiviertes Spielverhalten einzutauchen und damit ein Spielvorbild zu sein;
  • (b) für sich selbst regelmäßige Zeiträume zum Spiel einzuplanen, um mit den eigenen Kindern und auch mit befreundeten Personen zu spielen;
  • (c) einen möglichst ausreichenden Spielplatz für Kinder zu schaffen und dabei weder die Spielform vorzugeben noch Spielzeiten unnötig zu unterbrechen;
  • (d) dem Spiel seinen hohen Bedeutungswert im Hinblick auf seine „Lernauswirkungen“ zuzugestehen, denn das ‚Spiel ist keine Spielerei’;
  • (e) dafür zu sorgen, dass das Kinderzimmer keinem Spielwarengeschäft ähnelt – auch beim Spielzeug muss es Begrenzungen geben, zumal Spielmittelüberflutungen entwicklungshinderliche Auswirkungen auf Kinder haben und eine so genannte ‚Konsumverwahrlosung’ die Folge ist;
  • (f) dem Spiel der Kinder Aufmerksamkeit und Interesse zu widmen;
  • (g) sich von der Spielfreude der Kinder anstecken zu lassen, ihre Spielmotivation aufzunehmen und in sich wirken zu lassen. Die beste Anregung zum Spielen liegt immer noch in der spielerischen Vorbildfunktion, und wenn die Bindung zwischen Kindern und dem/ den Erwachsenen stimmig sind, dauert es nicht lang, bis Kinder sich als Mitspieler/ zur Mitspielerin ins Spielgeschehen einbringen.

Wichtig: es muss echt und authentisch sein!

Wie unterscheidet sich das Kinderspiel von dem des Erwachsenen?

Kinder bevorzugen – je nach Alter – ganz unterschiedliche Spielformen. Bei Kleinkindern sind es zunächst die Fingerspiele, das Bauspiel, Entdeckungs- und Wahrnehmungsspiele sowie das Konstruktionsspiel. Es folgen die vielfältigen Produktionsspiele zum Gestalten, Bewegungs- und Musik-/Tanzspiele bis hin zu Sozialregelspielen, Aggressionsspiele zum Austoben, Rollenspiele und das freie Spiel, Theater- und Märchenspiele. Die Fülle innerhalb dieser Spielformen ist unerschöpflich und so gehört auch die Literaturgattung mit dem Schwerpunkt „Spiel“ mit zu den umfangreichsten Themenfeldern.

Erwachsene bevorzugen in den meisten Fällen entweder Spiele in digitaler Form, wo auch das Spieleangebot unfassbar umfangreich ist oder sie lassen sich auf Tisch-, Karten- und Brettspiele, Outdoorspiele, Strategiespiele oder gruppendynamische Interaktionsspiele ein, deren Angebote jedes Jahr in die Höhe schießen. Hier lohnt es sich, einmal Gast auf der jährlichen Spielwarenmesse zu sein! Manche Spielformen entsprechen aber auch denen der Kinder: Hier denke ich beispielsweise an das Theaterspiel, an so genannte Entdeckungsspiele (dazu zählt auch das Geocaching) oder an Konstruktionsspiele.

Was sollten denn Erwachsene spielen?

Zunächst: Erwachsene sollten (!) gar nicht spielen – vielmehr entspringt der Spielgedanke einem eigenen Spielwunsch, sich auf ein Spielgeschehen einlassen zu wollen: als Einzelspieler, als Mitspieler in einer Gruppe, als Spielpartner des Kindes und das in einer jeweils bevorzugten Spielform. So gilt es zunächst, vielfältige Spielformen kennenzulernen und dabei das Gespür für die Spielform zu entdecken, zu der man sich in besonderem Maße hingezogen fühlt. Empfehlenswert ist auch der Besuch von Spielwarengeschäften, um sich durch fachkundiges Personal ausgiebig beraten zu lassen. Egal, für welches Spiel sich die erwachsene Person entscheidet: Entscheidend ist,  d a s s  spielunerfahrene Personen die Faszination des Spiels für sich entdecken und sich in den Sog einer erlebten Spielfreude hineinziehen lassen.

Egal, für welches Spiel sich die erwachsene Person entscheidet: Entscheidend ist, dass spielunerfahrene Personen die Faszination des Spiels für sich entdecken und sich in den Sog einer erlebten Spielfreude hineinziehen lassen.

Innovation und Zukunft: wie wichtig ist hier das Spiel? Wie wichtig ist die Fähigkeit, sich spielerisch an etwas annähern zu können?

Wenn durch eine auf- und ausgebaute Spielfähigkeit, verbunden mit basalen und lebensbestimmenden Kompetenzen, angeeignet durch die frühen Kindheitsjahre und die Pflege dieser vielschichtigen Merkmale außergewöhnliche Fertigkeiten entstehen, so kann und muss das Spiel als ein hochbedeutsamer Innovationsfaktor eingestuft werden, der durch nichts zu ersetzen ist. Gerade in einer Zeit, in der wir alle vor sehr schwierigen, vielleicht sogar auf den ersten Blick kaum lösbaren Aufgaben stehen, ist es von großer Bedeutung, mit den im Spiel erworbenen Basiskompetenzen kreative Problemlösungsmöglichkeiten zu entdecken. Ob im Kleinen oder in großen, übergeordneten Aufgabenfeldern.

Es sind gerade die Fantasie, die Kreativität und innovative Visionen, die viele Spiele provozieren und deren Einsatz uns Menschen zwingt, Neues zu entdecken, auszuprobieren und auszuwerten, um sich selbst und für andere sowie die nachfolgende Generation ein zukünftiges Leben zu ermöglichen

Einseitige Problembetrachtungen, die Fortsetzung gewohnter/gewöhnlicher und gleichzeitig nicht nachhaltiger Lösungswege führen in der Regel nur zu einer Problemverschiebung. Es sind gerade die Fantasie, die Kreativität und innovative Visionen, die viele Spiele provozieren und deren Einsatz uns Menschen zwingt, Neues zu entdecken, auszuprobieren und auszuwerten, um sich selbst und für andere sowie die nachfolgende Generation ein zukünftiges Leben zu ermöglichen. Hier passt ein Zitat, das vielen Autorinnen und Autoren zugeordnet wird: Marie von Ebner-Eschenbach bzw. Oliver Cromwell bzw. Philip Rosenthal: „Wer aufhört, besser sein zu wollen als er ist, hört auf, gut zu sein.“ Und da bieten die vielfältige Spielformen und Spielarten unüberschaubare Möglichkeiten, ins „Spiel des Lebens“ einzutauchen, um durch Selbsterfahrung und Selbstentwicklung Potenziale zu entdecken, die bisher als eine ‚unbekannte Variante’ leblos in uns schlummerten.  

Was lässt sich beim Blick auf das Spiel über den Charakter oder die Eigenschaften eines Spielers ableiten? Spieltypen?

Laut Richard Bartle, der sich Ende des letzten Jahrhunderts mit der Klassifizierung möglicher ‚Spielertypen’ beschäftigt hat und dazu das Verhalten von Spielerinnen und Spielern untersuchte, kam zu dem Schluss, dass es vier klassische Spielertypen gibt:

A) Killers (Mörder/ Kämpfer) – ihr Bedürfnis ist es, immer zu gewinnen und gleichzeitig sind sie auch motiviert, Mitspielerinnen und Mitspieler am Gewinnen zu hindern. Sie versprechen sich dadurch Macht und Anerkennung, durch die sie sich stark fühlen (fühlen möchten!).
B) Der Archiever (Macher/ Erfolgssammler) möchte möglichst viele Ziele erreichen, möglichst viele Punkte sammeln, um ein aktuelles Ziel erfolgreich abschließen und um sich dann auf die nächste Aufgabe kümmern zu können. Er freut sich über seine erreichten Leistungen, die ihn wiederum anspornen, weiterzumachen und neue Herausforderungen anzunehmen.
C) Dem Socializer (Geselliger) ist die Gesellschaft der Mitspielerinnen und -spielern besonders wichtig und so genießt er eine gute Umgangskultur, den Austausch mit den anderen und hilft auch anderen, wenn diese einer Hilfe bedürfen. Ihm kommt es im primären Sinne nicht aufs Gewinnen an. Ihm bedeutet die Gemeinschaft und das Gemeinschaftserlebnis mehr als ein Gewinner aus dem Spiel aufzutreten.
D) Und schließlich gibt es den Explorer (Erkunder), der mit einer ausgeprägten Neugierde viel Neues im Spiel entdecken will, die ganze Palette der Spielmöglichkeiten erfassen möchte, der auch versucht, unattraktive Spielideen in attraktive Spielhandlungen zu wandeln und dem es nicht im Spiel um einen Zuwachs an Macht und Anerkennung geht, sondern für ihn vor allem der Forschergedanke (was ist wie möglich?) im Vordergrund steht.

So ist das Verhalten aller Spielerinnen und Spieler ein Spiegelbild ihrer Persönlichkeit. Dabei ist es spannend, sich selbst einem Spielertypen zuzuordnen und sich gleichzeitig durch andere zuordnen zu lassen.

Spielen Frauen anders als Männer? Wenn ja, wie äußert sich das?

Diese Frage kann nicht mit einem klaren ‚ja oder nein’ beantwortet werden. So gibt es auf der einen Seite Evolutionsforscher, die die These vertreten, dass es aufgrund der Evolution in der Form deutliche Unterschiede gibt, dass Frauen ein Spiel eher als ein „soziales Ereignis“ betrachten/wertschätzen und Männer lieber als „winner“ denn als „looser“ erleben wollen und das Interesse der Männer auch entsprechend darauf ausgerichtet ist, beim Spiel als „Gewinner“ herauszugehen.

Sozialpsychologen vertreten die Ansicht, dass mögliche Unterschiede im Spielverhalten einen biographischen Hintergrund haben und durch frühkindliche Rollenklischees geprägt werden. Bislang vorliegende Studien zeigen, dass Frauen eher (gleichwohl nicht ausschließlich!) dem Sozialgeschehen im Spiel einen höheren Bedeutungswert beimessen als Männer und diese wiederum in einem signifikant stärkeren Maße eine Spielhandlung als Gewinner beenden wollen.

Doch vielfältige, jahrelange, persönliche Erfahrungen haben auch das Gegenteil hervorgebracht. So ist es an der Zeit, durch Selbststeuerungsvorhaben dafür zu sorgen, dass das Spiel für alle – Jungen und Mädchen, Frauen und Männer – immer wieder zu einem wunderbaren Sozialereignis werden kann, in dem Gewinnerinnen und Verliererinnen jederzeit fair miteinander umgehen, Gewinnertypen auch das Verlieren ertragen können und Verliererinnen alle Kräfte mobilisieren können, durch neu entwickelte Strategien gleichhäufig ins Gewinnerinnenfeld zu gelangen. Und das selbstverständlich unabhängig vom Geschlecht! 

So ist es an der Zeit, durch Selbststeuerungsvorhaben dafür zu sorgen, dass das Spiel für alle – Jungen und Mädchen, Frauen und Männer – immer wieder zu einem wunderbaren Sozialereignis werden kann, in dem Gewinnerinnen und Verliererinnen jederzeit fair miteinander umgehen, Gewinnertypen auch das Verlieren ertragen können und Verliererinnen alle Kräfte mobilisieren können, durch neu entwickelte Strategien gleichhäufig ins Gewinnerinnenfeld zu gelangen. Und das selbstverständlich unabhängig vom Geschlecht!            

Gilt Leistungssport, etwa ‚Profi-Fußball’, noch als Spiel?

Der Leistungssport kann aus wissenschaftlicher Sicht und den zugrundeliegenden Kriterien für ein „Spiel“ sicherlich nicht als Spiel bezeichnet werden – ob im Profi-Fußball noch bei anderen, sportlichen Events, Meisterschaften oder Wettkämpfen, zumal einerseits das Gewinnen, ein Bessersein als alle anderen im Vordergrund steht und andererseits Prämien unterschiedlicher Art einen zusätzlichen Gewinnanreiz bieten sowie Erwartungen von außen einen Druck auf Spielerinnen und Spieler ausüben. Hier wurde und wird das Spiel „funktionalisiert“ – mit vielerlei Zwecken angereichert und dabei bleibt selbst bei einer gewissen, großzügigen Betrachtung oftmals noch nicht einmal ein ‚spielerischer Restansatz’ übrig.

Das beginnt nicht selten schon beim Kinder-/Jugendfußball, wo viele Eltern ihre eigenen Kinder anfeuern, eine gute oder noch bessere Leistung als gerade gezeigt zu erbringen oder gegnerische Spielerinnen durch Beschimpfungen diskreditieren. Schon die „Spiele in Rom“ waren öffentliche Veranstaltungen in Form von Wagenrennen, Theater- und Schauwettkämpfen, Gladiatorenkämpfen, Tierhetzen bis zu Hinrichtungen, die „das Volk amüsieren sollten“ und als „Spiele“ bezeichnet wurden. Auch wenn sich Inhalte bzw. Schwerpunkte mit der Zeit verändert haben, bleiben Ausgangsstrukturen gleich. Mit einem „Spiel“ im originären Sinne gibt es hierbei keine Deckungsgleichheiten.

Wir finden unsere größten Chancen und Gelegenheiten zu wachsen jenseits unserer Bequemlichkeitsbremse.

Neale Donald Walsch

Der Kulturhistoriker Johan Huizinga hat einmal gesagt: „Um wirklich zu spielen, muss der Mensch, solange er spielt, wieder Kind sein.“ Dieser Rollentausch fällt vielen Erwachsenen, leider auch zunehmend pädagogischen Fachkräften, immer schwerer. Doch gleichzeitig ist dies der einzige zielführende Weg, der zu Innovationen und kreativen Problemlösungen führt. Greifen wir daher am besten auf ein Zitat von Neale Donald Walsch zurück. Er vertritt folgende Ansicht, die im Übrigen auch durch persönlichkeitspsychologische Erkenntnisse unterstützt wird: „Wir finden unsere größten Chancen und Gelegenheiten zu wachsen jenseits unserer Bequemlichkeitsbremse.“ Und an anderer Stelle sagt Walsch: „Hingehen in das, was Unbehagen bereitet, veranlasst letztlich Wachstum und die Erfahrung, wer und was ich bin.“ Dabei gibt es nichts Einfacheres, als in unterschiedliche Spielgeschehnisse einzutauchen, um sich zu entdecken und zu reflektieren, aus den Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen und sich dann auf Entwicklungsprozesse einzulassen, die jeden Menschen immer wieder in ein Staunen versetzen.   

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor/Wissenschaftsdozent
für Entwicklungspsychologie & Elementarpädagogik mit (inter)nationalen
Lehr-, Forschungs- und Vortragsaufträgen – im (Un)Ruhestand – Fachbuchautor




Eine Vorlesegeschichte zum Nikolaustag

Wie Luise versucht, dem Nikolaus auf die Spur zu kommen

Spannend ist die Nacht vom 5. zum 6. Dezember: Der Nikolaus kommt und füllt die geputzten Schuhe, die vor der Tür stehen, mit Nüssen, Obst und Süßigkeiten. Noch nie hat ein Kind den Nikolaus gesehen, höchstens mal gehört.
Luise wollte in diesem Jahr ganz genau wissen, wie der Nikolaus aussieht. Deshalb legte sie sich freiwillig mittags ins Bett, um abends ausgeschlafen zu sein.
Nachmittags saß sie mit ihrem Bruder und Papa in der Küche und putzte Stiefel. (Mama wollte auch was Süßes vom Nikolaus, deshalb polierte Papa ihre Schuhe mit. Hoffentlich würde der Nikolaus den Schwindel nicht merken…). Kurz vorm Schlafengehen stellten sie ihre blitzblanken Stiefel vor die Wohnungstür – genauso, dass man sie mit einem Blick durch den Briefschlitz sehen konnte. „Gute Nacht!“, sagte Papa. „Schlaft fix ein! Denn der Nikolaus kommt erst, wenn er euch schnarchen hört.“
Luise schloss die Augen, blieb aber hellwach. Marcus versuchte, sie noch ein bisschen zu foppen – aber ohne Erfolg.
,Seltsam‘, dachte er ,heute Mittag schläft sie – und jetzt schon wieder.‘ Er las noch ein wenig in seinem Witze-Buch, löschte dann das Licht und war schon bald im Land der Träume.

Luise lag mucksmäuschenstill und lauschte. Die Kirchturmuhr schlug viermal hell, dann zehnmal dumpf: zehn Uhr. Plötzlich raschelte es draußen im Hausflur. Luise sprang aus dem Bett und schlich aus dem Kinderzimmer. Die Tür quietschte ganz leise und Luise sah Papa im erleuchteten Flur. „Was machst du denn hier???“ fragte der überrascht. Irgendwas hielt er hinter seinem Rücken versteckt.
„Ich dachte, der Nikolaus ist da“, murmelte Luise enttäuscht.
Papa wollte den Nikolaus bestimmt auch mal sehen. Beide schauten durch den Briefschlitz in der Tür: Die Stiefel waren leer. Hoffentlich hatten sie den Nikolaus nicht verscheucht. Luise trottete zurück ins Bett.
Als die tiefe Glocke elfmal schlug, waren wieder Geräusche im Flur zu hören. Luise huschte erneut hinaus und sah gerade noch, wie Papa die Wohnungstür aufschloss. In der Hand hielt er einen bunten Beutel.
„Ist er da?“, flüsterte sie.
Papa fuhr blitzschnell herum. „N-n-nein“, stotterte er. „Du sollst doch schlafen!“
„Was ist denn in dem Beutel?“
„Äh – ein Geschenk für den Nikolaus…“


Baumel-Nikolaus

Material: 1 Gardinenring, rote und weiße Wolle, Buntpapier, Papierklebstoff
Anfertigung: Von der Wolle schneidet man ca. 30 cm lange Fäden ab, die – eine Hälfte weiß, die andere rot – eng um den Gardinenring geschlungen werden (Faden doppelt legen und die beiden Enden durch die Schlaufe führen). Nun die Fäden auf gleiche Länge schneiden. Die roten Fäden werden zur Mütze zusammengebunden, die weißen Fäden bilden den Bart. Jetzt wird ein Faden zwischen das weiße und das rote Feld gespannt. Mit kleinen Buntpapierkreisen können darauf Augen und Nase angeklebt werden. Zum Abschluss einen Faden zum Aufhängen anbringen – fertig!


Gute Idee von Papa, dem Nikolaus auch mal was zu schenken. Bloß – mit seinem ewigen Umhergesause würde Papa den Nikolaus am Ende noch vertreiben. Luise schlich wieder ins Bett. Kurz, nachdem die Kirchturmuhr zwölfmal geschlagen hatte, war wieder was zu hören. Luise flitzte sogleich hinaus. Im Wohnungsflur saß Kater Maxe und gähnte. „Ach, du…“ Aber was war das? Draußen im Hausflur raschelte es. Das musste der Nikolaus sein! Luise hob ganz sacht den Deckel vom Briefschlitz an und linste hinaus: Tatsächlich! Alle Stiefel waren bis zum Rand gefüllt – und eine Hand legte noch Süßigkeiten obenauf. Das war die Hand vom Nikolaus! Luise verrenkte sich fast den Kopf, aber der Briefschlitz war so schmal, dass sie nur diese Hand sah.
Plötzlich schob sich ein breiter Hintern ins Bild.,Nanu ‚, dachte Luise,,trägt denn der Nikolaus Jeans?‘ Da drückte der Nikolaus die Türklinke herab. Luise erstarrte: Der Nikolaus hatte bestimmt bemerkt, dass sie ihm zuguckte. Jetzt würde er ihren Stiefel sicher wieder ausleeren.
Luise schaute mit klopfendem Herzen zur Tür. Herein kam – Papa. Gut gelaunt, wieder mit dem Beutel in der Hand. Als er Luise sah, erstarrte er so wie sie. Luise war den Tränen nahe. Ohne ein Wort sauste sie zurück ins Bett.

Am nächsten Morgen saß sie traurig am Frühstückstisch. Marcus lutschte bereits das fünfte Stück Schokolade, aber Luise konnte sich gar nicht recht über den Inhalt ihrer Nikolausstiefel freuen.
Papa schaute verlegen. Mama fragte: „Was ist denn mit dir?“ und nahm sie in den Arm. Luise schluckte zweimal: „Papa hat… heute Nacht… aus meinem Stiefel… genascht…“ Plötzlich lachten Mama und Papa schallend los. Luise war entsetzt.
Papa strich ihr übers Haar. „Ich nasche doch nichts von deinen Süßigkeiten! Ich hab mich bloß leise mit dem Nikolaus unterhalten.“
Luise staunte: „Was hat denn der Nikolaus gesagt?“
„Viele Grüße an die gesamte Familie. Und er hat mir einen Zettel für dich gegeben.“
„Einen Zettel?“ Luise griff aufgeregt nach dem Stück Papier, das Papa ihr hinhielt. „Liest du es mir bitte vor?“
„Also, da steht:
Liebe Luise! Jedes Kind will mich sehen… Aber ich kenne alle Tricks, auch das Gucken durch den Briefschlitz. Bis nächstes Jahr! Dein Nikolaus.
Übrigens: Ich habe dir noch etwas vor die Tür gelegt…“
Marcus feixte, Luise war beeindruckt. Sofort sauste sie zur Wohnungstür und öffnete sie. Gleich neben dem Schuh-Abtreter hatte der Nikolaus aus Russisch-Brot-Buchstaben ein Wort zusammengestellt. Luise kauerte sich hin und begann zu buchstabieren. Hui – ein schwieriges Wort. Marcus, der Neugierige, stand schon hinter ihr.
„Was heißt denn das Wort, Marcus?“
„Ätsch“, las der grinsend vor. „Darf ich das Ä gleich aufessen?“

Reuter Kichenjahr

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Das Kirchenjahr mit Kindern feiern
Ein Vorlesebuch mit lustigen Geschichten, Backrezepten und Spielen.

Reuter, Thomas
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548906
96 Seiten, 9,90 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




Von der Erkenntnis zum Engagement beim Umweltschutz

Studie unter 11- bis 13-Jährigen weist auf große Diskrepanz zwischen Erkenntnis und Handeln hin

Schülerinnen und Schüler sehen zwar einen dringenden Handlungsbedarf in Sachen Naturschutz, legen aber selbst kaum ein umweltfreundliches Verhalten an den Tag. Dies geht aus einer Studie hervor, die in der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) erstellt worden ist. Nach ihren eigenen Angaben setzen nur zwölf Prozent der Schülerinnen und Schüler im Alter von elf bis 13 Jahren aktives Verhalten zum Schutz der Natur in ihrem Alltag um.

„Obwohl sie eine Reihe von Verhaltensabsichten mit dem Naturschutz in Verbindung bringen, berichten nur wenige Schülerinnen und Schüler über ihre eigenen Aktivitäten im Naturschutz. Wir stellen fest, dass zwischen den Äußerungen der Schülerinnen und Schüler und ihren Handlungen eine Lücke klafft“, sagt Laura Christ von der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie, die die Studie durchgeführt hat. „Daher ist es umso wichtiger, dass Naturschutz in der Schule verankert und damit das Engagement der jungen Menschen für den Erhalt von Natur und Umwelt verstärkt wird.“ An der Studie hatten sich 144 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen sechs und sieben an Schulen im Großraum Rhein-Main beteiligt.

Freiwillige befragt

Die Erhebungen fanden zwischen Juni und Oktober 2021 im Biologieunterricht an Partnerschulen der Arbeitsgruppe statt. Die Schülerinnen und Schüler konnten freiwillig an der Studie teilnehmen und sich zu einem fiktiven Szenario äußern. Demnach bat der Gemeinderat die jungen Leute, ihre Meinung zum Naturschutz der Zukunft mitzuteilen und insbesondere zwei Fragen zu beantworten: Was bedeutet Naturschutz für dich? Was bewegt dich, dass du dich schon heute für den Naturschutz der Zukunft engagierst? Ihre Antworten konnten die Schülerinnen und Schüler in Textform direkt an eine angegebene E-Mail-Adresse schicken oder aber die Antworten wurden von den Lehrerinnen und Lehrern gesammelt. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wussten, dass es eine fiktive Situation ist und nicht wirklich vom Gemeinderat in Auftrag gegeben wurde. Wir haben sie gebeten, sich wahrheitsgemäß zu äußern, und sie darüber informiert, dass die Antworten keinen Einfluss auf ihre Noten haben werden“, erklärt Laura Christ die Voraussetzungen.

Naturschutz wird vor allem mit Tieren in Verbindung gebracht

Den Auswertungen zufolge bringen die meisten Schülerinnen und Schüler mit dem Begriff „Naturschutz“ Tiere in Verbindung. Das Wort „Tiere“ wird in 57 Prozent der Antworten erwähnt, gefolgt von „Natur“ mit 55 Prozent. Dagegen werden Insekten und Bienen nur in jeweils sechs Prozent der Antworten mit Naturschutz assoziiert. „Auch die Begriffe Klimawandel oder Kohlendioxid fallen nur selten“, sagt Laura Christ zu den Ergebnissen. Eher wissenschaftliche Begriffe wie „biologische Vielfalt“ kommen in den Antwortschreiben nicht vor.

Hauptsächlich existenzieller Zugang zum Naturschutz

Eine Einteilung der Antworten nach Kategorien ergibt, dass die Schülerinnen und Schüler vorwiegend einen existenziellen Zugang zum Naturschutz haben, das heißt sie äußerten sich in etwa mit „Damit wir auch in Zukunft noch so auf der Erde leben können wie bisher“ oder „Ein Leben ohne Pflanzen und Tiere ist nicht möglich“. 74 der 144 Schülerinnen und Schüler nennen auch konkrete Verhaltensabsichten, wie zum Beispiel „Es wäre gut, wenn die Menschen weniger Auto fahren würden“. Allerdings beschreiben nur 17 Teilnehmende also lediglich zwölf Prozent Verhaltensweisen, die sie tatsächlich aktiv in ihrem alltäglichen Leben umsetzen – anhand von 38 verschiedenen Beispielen wie etwa beim Konsumverhalten: „Ich kaufe regionale Produkte.“

Konzept von Naturschutz wird im Allgemeinen verstanden – Handlungsmöglichkeiten aufzeigen

„Die Erhebung zeigt uns, dass die Schülerinnen und Schüler in diesem Alter das Konzept von Naturschutz im Allgemeinen verstehen, aber nicht so ganz wissen, wie sie es in ihrem eigenen Leben umsetzen können oder umsetzen sollen“, sagt Prof. Dr. Daniel Dreesmann, Leiter der AG Didaktik der Biologie an der JGU. „Fragen zum Artensterben und dem Naturschutz sind für die jungen Menschen relevant, wie auch die Demonstrationen von Fridays for Future zeigen. Wir müssen aber deutlicher wie bisher Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.“

Laura Christ merkt an, dass zum einen Wissenslücken bestehen, die der Schulunterricht nicht schließen konnte, auf der anderen Seite aber auch die Diskrepanz zwischen Erkenntnis und Engagement auffällt. „Wie schafft man den Sprung von der Erkenntnis zur Umsetzung?“, formuliert sie die Herausforderung. Eine Möglichkeit wären beispielsweise Citizen-Science-Projekte, in denen die von Schülerinnen und Schülern erhobenen Daten zum Beispiel Naturschutzbehörden zur Verfügung gestellt werden und in deren Arbeit einfließen. „Damit könnten die Schülerinnen und Schüler direkt erleben, dass ihr Tun nicht nur dem Unterricht und den Noten dient, sondern sie einen aktiven Beitrag leisten, um den Naturschutz voranzubringen.“

Hier geht es zur Studie.

Petra Giegerich, Johannes Gutenberg Universität Mainz




Bereits Sechsjährige weisen Kompetenzen im wissenschaftlichen Denken auf

Kinder aus Elternhäusern mit einem hohen Bildungsniveau schneiden besser in den Testungen ab

Lange Zeit ging man davon aus, dass junge Kinder nicht in der Lage seien, wissenschaftlich zu denken. Das betrifft Fähigkeiten wie Daten zu bewerten, zu beurteilen, ob ein Experiment ein gutes oder ein schlechtes ist, oder ein grundlegendes Verständnis davon zu entwickeln, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eigentlich machen. Eine Studie von Christopher Osterhaus, Juniorprofessor für Entwicklungspsychologie im Handlungsfeld Schule an der Universität Vechta, und Susanne Koerber, Professorin für Frühe Bildung der Pädagogischen Hochschule Freiburg, zeigt nun jedoch, dass bereits Sechsährige erstaunliche Kompetenzen im wissenschaftlichen Denken aufweisen. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse bereits in der renommierten Forschungszeitschrift „Child Development“.

Die beiden Wissenschaftler der Universität Vechta und der Pädagogischen Hochschule Freiburg sind die ersten, die das wissenschaftliche Denken im Kindesalter in dieser Kombination aus besonders langem Zeitraum mit besonders kurz aufeinander folgenden Test-Intervallen und einer besonders hohen Zahl an Test-Aufgaben erfasst haben. Untersucht wurden in der fünfjährigen Längsschnittuntersuchung insgesamt 161 Kindergarten- und Grundschulkinder.

„Wir haben die Kinder zum ersten Mal im Kindergarten interviewt und sie dann bis ans Ende der Grundschulzeit begleitet“, erläutert Osterhaus. „Dabei haben wir jährlich ihre Kompetenzentwicklung gemessen. Auf diese Weise lässt sich sehr genau verfolgen, wann Entwicklungsschritte auftreten und wovon diese abhängen.“

Vorurteil widerlegt: Mädchen nicht schlechter als Jungen

Im Gegensatz zum geläufigen Vorurteil weist die Studie allerdings keine Gender-Unterschiede nach: Mädchen schnitten ebenso gut ab wie Jungen. „Manch eine Studie findet Gender-Unterschiede im wissenschaftlichen Denken“, sagt Osterhaus.

„Dies ist allerdings in der Regel nur der Fall, wenn Aufgaben verwendet werden, die überwiegend aus einem einzelnen naturwissenschaftlichen Inhaltsbereich stammen, wie beispielsweise der Physik. Wir haben in unserer Studie Aufgaben verwendet, die kindgerecht und in Kontexte eingebettet sind, die Jungen und Mädchen gleichermaßen ansprechen.“

Elternhaus entscheidend für Entwicklung

Neben den allgemeinen Fähigkeiten der Kinder (in erster Linie ihrem Sprachverständnis) scheint insbesondere ihr soziales Verständnis eine Rolle dabei zu spielen, wie gut sie wissenschaftlich denken. Aber auch das Elternhaus spielt eine wichtige Rolle. So haben die beiden Wissenschaftlerinnen gezeigt, dass Kinder aus Elternhäusern mit einem hohen Bildungsniveau besser in den Testungen abschnitten als Kinder aus Elternhäusern mit einem durchschnittlichen oder niedrigen Bildungsniveau. Die Grundschule wirkte demnach nicht ausgleichend, sondern schien Unterschiede durch soziale Milieus eher zu verfestigen.

Zu Beginn der Grundschulzeit sind grundlegende Fähigkeiten vorhanden, vieles aber entwickelt sich noch. So müssen Lehrkräfte und Eltern die Kinder gezielt fördern, damit sich ihr wissenschaftliches Denken entfalten kann. Kindergarten und Schule müssen also hier ansetzen, um diesen Unterschieden entgegenzuwirken.

„Bis zum Ende der Grundschulzeit scheint es ein enormes Potenzial zur Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens zu geben“, erläutert Christopher Osterhaus. „Aber während manch ein Kindergartenkind bereits komplexe Datenmuster korrekt interpretiert, haben andere Kinder selbst am Ende der Grundschulzeit Probleme damit, ein gutes von einem schlechten Experiment zu unterscheiden. Das heißt, die Kinder, die bereits im Kindergarten gut sind, sind diejenigen Kinder, die auch am Ende der Grundschulzeit ihren Klassenkameraden weit voraus sind.“

Die Original-Studie finden Sie hier: PM LS Scientific reasoning Osterhaus, C., & Koerber, S. (2022). The complex associations between children’s scientific reasoning and advanced theory of mind. Child Development:

https://srcd.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/cdev.13860