Demokratische Erziehung sollte dem Leitbild von Korczaks „Grundgesetz für das Kind“ folgen

Inklusion als gelebte Haltung, situationsorientierte Hilfe, Führung und Begleitung

Mit Janusz Korczaks „Grundgesetz für das Kind“ ist die inklusive Pädagogik neu zu vermessen. Denn das Maß liegt im Menschen und nicht in den Dingen. Gefragt ist besonders die Früh- oder auch Elementarpädagogik: Denn sie legt den Grundstein für eine menschengerechte demokratische Erziehung und Bildung. Korczaks Erziehungskunst steht als Angebot. Jedes Kind gibt der pädagogischen Fachkraft neue Rätsel auf. Darin liegt der immer wieder neue Anreiz, sich mit Kindern auf eine nie endende Entdeckungsreise zu begeben.

Im Grundgesetz für das Kind gründet Korczaks Pädagogik der Achtung

Die im Jahre 2006 verabschiedete UN-Charta der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, kurz UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), ist mit der großen Hoffnung verbunden, dass das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert der Menschlichkeit werden kann. Nach dem Untergang der Humanität im 20. Jahrhundert, wird nun das Jahrhundert der Humanisierung ausgerufen und entschieden darauf hingewiesen, dass Menschen mit Behinderungen „einen bedeutsamen Beitrag zur Humanisierung der Menschheit leisten“ (Krenz/Klein 2012, S. 49 ff.).

Die Konvention gibt uns einen Spiegel in die Hand, jeden Menschen zu achten, sich für ihn wirklich zu interessieren und ihm bei seiner Entwicklung beizustehen, ihm soweit zu helfen, bis er das werden kann, was in ihm keimhaft angelegt ist: Aus eigener Initiative seine Entwicklung selbst in die Hand nehmen und gestalten. Danach sehnt sich in der Tiefe seines Herzens jeder Mensch. Das erkannte der feinfühlende polnische Arzt, Pädagoge und Schriftsteller Janusz Korczak, der mit seinen 200 Heimkindern am 5. August 1942 in das Vernichtungslager Treblinka ging. Er lehnte alle Versuche zu seiner Rettung ab. Denn er wollte die Kinder nicht allein lassen.

Die Kinderrechte nach Korczak

Bereits 1919 formulierte Korczak Kinderrechte: „Ich fordere die Magna Charta Libertatis (die große Charta der Freiheiten; Anm. F. K.) als ein Grundgesetz für das Kind. Vielleicht gibt es noch andere – aber diese drei Grundrechte habe ich herausgefunden:

1. „Das Recht des Kindes auf seinen Tod“ = dem Kind die Ausformung seines Lebens zutrauen.
2. „Das Recht des Kindes auf seinen heutigen Tag“ = die Gegenwart des Kindes achten, die nicht einer ungewissen Zukunft geopfert werden darf.
3. „Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist“ = dem Kind sein Kindsein erlauben und ermöglichen (Klein 2018, S. 70 f.).

Mit diesem Grundgesetz für das Kind wird erstmals in der Geschichte der Erziehung die Respektierung von Kinderrechten gefordert.

Das erste Grundrecht kann irritieren. Korczak stellt das Leben mit seinen Gefährdungen und Risiken in die Eigenverantwortung des Kindes. Doch durch Angst und Überfürsorge werden ihm die Möglichkeiten vorenthalten am eigenen Leib seine Erfahrungen zu sammeln und zu ordnen. Eine pädagogische Fachkraft, die hingegen dieses Grundrecht achtet und dem Kind auf sein eigenes Risiko hin seine Erfahrungen ermöglicht, gibt die fordernde Zukunftsorientierung auf und hat die Gegenwart des Kindes im Blick, seine Individualität hier und heute. Es kennt weder Vergangenheit noch Zukunft, es freut sich der Gegenwart.  Mit Korczak erhält die pädagogische Verantwortung gerade deswegen einen neuen Akzent, weil die pädagogische Fachkraft die Gegenwart für das Kind einfühlsam und gründlich zu gestalten hat.

Jeder Versuch eines einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.

Friedrich Dürrenmatt

Den drei Grundrechten stellt Korczak ein oberstes Prinzip voran: „Das Recht des Kindes auf Achtung. Es ist das erste und unbestreitbare Recht des Kindes, seine Gedanken auszusprechen und aktiven Anteil an unseren Überlegungen und Urteilen über seine Person zu nehmen. Wenn wir ihm Achtung und Vertrauen entgegenbringen und wenn es selbst Vertrauen hat und sich ausspricht, wozu es das Recht hat, – wird es weniger Zweifel und Fehler geben.“ (Korczak 1978, S. 40 f.).

Fazit: Korczaks Kinderrechte haben einen wesentlichen Einfluss auf die UN-Behindertenrechtskonvention. Dieses Behindertengrundrecht ist für alle Beteiligten ein einfühlsamer Lernprozess – für behinderte und nichtbehinderte Kinder, für Eltern, Erzieher und alle Bürger: Inklusion ist gelebte Demokratie, ein demokratischer Begriff und eine demokratische Notwendigkeit.

Rechtskonvention, ein verbindlicher Handlungsrahmen

Die Rechtskonvention stellt Inklusion als umfassende kulturelle Herausforderung ins Zentrum der weltweiten öffentlichen und fachlichen Diskussion. Sie will für alle Bürger ein Leitbild moderner Sozialpolitik und ein verbindlicher Handlungsrahmen für die Praxis sein. Sie spricht von der Verpflichtung in allen Bereichen und bei allen Mitgliedern der Gesellschaft ein Bewusstsein für die Rechte und Würde behinderter Menschen zu schaffen, diskriminierende Praktiken und Vorurteile abzubauen.

In Artikel 26 der Konvention heißt es: „Die Vertragsstaaten treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, […] um Menschen mit Behinderungen in die Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren. Die deutschsprachige Übersetzung finden Sie hier.

Die Konvention wird seit März 2009 in deutsches Recht umgesetzt. Sie

  • geht davon aus, dass Behinderung ein soziales Phänomen ist, das aus einstellungs- und umweltbedingten Barrieren resultiert; dadurch wird seine volle gesellschaftliche Teilhabe verhindert oder beeinträchtigt.
  • würdigt Behinderung als Teil der Vielfalt menschlichen Lebens.
  • will Teilhabe stärken und Ausgrenzungen verhindern.
  • versteht die gemeinsame Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern von der frühen Kindheit an als Menschenrecht – und nicht als Wohltätigkeit.

Alle Menschen haben das Recht auf gemeinsame Erziehung und Bildung

Alle Menschen mit Behinderungen haben nun von Anfang an einen Rechtsanspruch auf gemeinsame Erziehung und (Aus-)Bildung sowie gesellschaftliche Teilhabe ohne Diskriminierung und Marginalisierung. Ihre volle gesellschaftliche Teilhabe ist ein einklagbares Recht.

Diese uneingeschränkte Anerkennung und Achtung der Würde jedes Menschen und die daraus folgende Gleichheit der Verschiedenen sind im beginnenden 21. Jahrhundert ein zentrales ethisches Prinzip geworden. Das Prinzip kann als Antwort auf extrem demütigende Erfahrungen vieler Menschen in zurückliegenden Jahrhunderten, besonderes im 20. Jahrhundert und damit als Ergebnis eines Bildungsprozesses der westlichen Demokratien verstanden werden. Das Recht ist die Basis für unser Zusammenleben. Es schützt die unantastbare Würde des Menschen.

Das Bewusstsein der gleichen Würde jedes Menschen hat sich durchgesetzt. Es erfordert eine Vertiefung und Erweiterung der frühpädagogischen Professionalität. Wie kann die (Früh-)Pädagogik in Wissenschaft, Forschung und Praxis dieser Aufgabe entsprechen? (Klein 2018, S. 14 ff.)

Inklusive Erziehung von Anfang an

Das Menschenrechtsverständnis der UN-BRK achtet das Kind als Subjekt und Akteur seiner Entwicklung, ebenso seine Grundbedürfnisse und Grundbedarfe, seine Individualität und Sozialität; unterstützt (begleitet, leitet, führt) den Willen des Kindes zur Eigenaktivität, sein Selbstwirksamwerden, sein sich entwickelndes Verantwortungsbewusstsein für das eigene Recht, für das Recht des anderen Menschen und seine wachsende Selbstbestimmung in sozialer Abhängigkeit.

Die Rechtstexte machen keine Aussagen über die gesellschaftliche Wirklichkeit, enthalten aber verbindliche Normen, an denen die Wirklichkeit der inklusiven Kindertageseinrichtung gemessen werden kann. Aus dem, was ist, soll durch handelnde Menschen das werden, was sein soll. Diese Spannung zwischen Realität und Idealität ist eine bewegende Kraft des republikanischen Rechtsstaats, die Inklusion ohne moralische Überhöhung als Realvision zu sehen hat. Inwieweit die Entwicklung sich dem Ziel annähert und vor allem, ob es wirklich erreicht werden kann, bleibt eine offene Frage. Ihre Beantwortung hängt von vielen Faktoren ab, die nicht allein in der Hand der pädagogischen und therapeutischen Fachkräfte liegen. Doch durch professionelle Selbstdarstellung der Kita in der Öffentlichkeit kann vieles erreicht werden.

Kinder geben ermutigende Beispiele für eine inklusive Lernkultur

Auf dem Weg zur inklusiven Erziehung von Beginn an können Kinder heterogene Gruppen Mut machen: Im Umgang miteinander nehmen sie die Unterschiede als gegeben an, entwickeln Neugierde füreinander und wollen einander helfen. Kinder mit Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, der Bewegung, des Denkens (der kognitiven Entwicklung) oder des Verhaltens können wie selbstverständlich in der Gruppe lernen.

Neurobiologische Forschungen zeigen, dass bereits Säuglinge Urformen der Sympathie empfinden. Bald beginnen sie zwischen ‘guten‘ und ‘bösen‘ Taten zu unterscheiden. Gut ist, anderen zu helfen und böse, anderen zu schaden. Schon einjährige Kinder helfen ohne vorherige Übung fremden Erwachsenen: Sie heben beispielsweise heruntergefallene Gegenstände auf, wenn die Person, die diese aufheben will, nicht heranreicht.

Therapeutische Erziehung

Mit Prof. Gerhard Neuhäuser und Prof. Ferdinand Klein berichten ein Arzt und ein Pädagoge gemeinsam von langjährigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Anhand zahlreicher Fallbeispiele wird deutlich, wie Kinder durch therapeutische Erziehung Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit und Gleichwürdigkeit von Beginn an erleben und wie sie von der Entwicklungsunterstützung persönlich profitieren können. Das Buch enthält viele Anregungen für ein kindgemäßes pädagogisches Handeln. 

Neuhäuser/Klein: Therapeutische Erziehung, 192 Seiten, ISBN: 978-3-96304-605-6, Burckhardthaus 2019

Kleine Kinder spüren also die Gefühle und Absichten bei anderen Menschen und sind fähig, Mitgefühl und Mitleid zu erleben. Sie pflegen mit ihren veranlagten Kräften eine Willkommenskultur, bei der die Unterschiede im Wollen, Wissen und Können von herausragender Bedeutung sind: Die Unterschiede fördern ihre Kommunikation, weil sie ein angeborenes Grundverständnis für soziale Situationen haben und anderen Menschen helfen wollen (Klein 2018, S. 113 f.).

Kinder wollen miteinander selbstwirksam tätig sein

Auf diese sozio-emotionale Grundfähigkeit des Kindes baut der Perspektivwechsel auf, der für die inklusive Lernkultur bedeutsam ist: Wenn Kinder mit Behinderungen wie selbstverständlich in der Gruppe sind, dann sind die Herausforderungen und Anregungen zum Perspektivwechsel groß.

Kinder wollen miteinander selbstwirksam tätig sein, aus eigener Kraft ihre Lebenswelt erfahren und gestalten. Ihr veranlagtes Bedürfnis ist in der hochtechnisierten Welt gefragter denn je. Ihrem Ur-Bedürfnis ist in Projekten, Erlebnis- und Handlungsfeldern zu entsprechen. Kinder mit und ohne Behinderung können gemeinsam in Spiel- und Lernsituationen ihre Alltagserfahrungen machen und ordnen und auf diese Weise ihre persönliche Identität aus eigener Kraft aufbauen.

Fazit: Geboten ist Inklusion als gelebte Haltung, als situationsorientierte Hilfe, Führung und Begleitung, was ohne (selbst)kritisches Nachdenken der pädagogischen Fachkraft nicht möglich ist. Darauf macht uns der international bekannte Kindheitspädagoge Armin Krenz nachdrücklich aufmerksam. Sein „Situationsorientierter Ansatz“ (Krenz 2021) ist tief im Humanismus der Reformpädagogik von Janusz Korczak verwurzelt, er wird im heilpädagogischen Buch „Inklusive Erziehung in Krippe, Kita und Grundschule“ von Ferdinand Klein (2018) und im heilpädagogisch-ärztlichen Buch von Gerhard Neuhäuser und Ferdinand Klein „Therapeutische Erziehung“ (2019) näher ausgeführt.

Literatur

Gruen, A. (2003): Wie man ein Kind lieben soll. In: publik-forum, journal nr. 6

Klein, F. (2018): Inklusive Erziehung in Krippe, Kita und Grundschule. Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Geiste Janusz Korczaks. München, BurckhardtHaus

Korczak-Bulletin (2015): 24. Jg., Ausgabe September, S. 2

Korczak, J. (1973): Wenn ich wieder klein bin. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht

Korczak, J. (1978): Wie man ein Kind lieben soll. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht

Krenz, A. (2021): Der Situationsorientierte Ansatz – auf einem Blick. 2. Auflage, München, BurckhardtHaus

Krenz, A./Klein, F. (2012): Bildung durch Bindung. Frühpädagogik: inklusiv und beziehungsorientiert. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen

Neuhäuser, G./Klein, F. (2019): Therapeutische Erziehung. Resiliente Erziehung in Familie, Krippe, Kita und Grundschule. München, BurckhardtHaus

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Regelmäßiges Anschreien, Schlagen oder Schütteln schädigt das Gehirn

Internationale Studie belegt erstmals nachhaltige körperliche Schäden durch negative Elternschaft

Bei Kindern nimmt die Größe bestimmter Gehirnstrukturen ab, wenn sie immer wieder angeschrien, geschlagen oder geschüttelt werden. Das belegt eine Studie, die an der Universität Montreal und dem Forschungszentrum CHU Sainte-Justine in Zusammenarbeit mit einem Forscherteam der Stanford University entstanden ist.

Gleiche Folgen wie bei Kindesmissbrauch

Schon bei früheren Untersuchungen stellte sich heraus, dass schwere Kindesmisshandlungen wie sexueller, körperlicher und emotionaler Missbrauch, Vernachlässigung oder Heimunterbringung oftmals zu Angstzuständen und Depressionen führen. Es hat sich auch gezeigt, dass Kinder, die einen solchen Missbrauch erlebt haben, eine Verringerung der Größe des präfrontalen Kortex und der Amygdala aufweisen. Das sind zwei Schlüsselstrukturen bei der Verarbeitung von Emotionen und der Entstehung von Angst- und Depressionsproblemen.

MRT-Bilder, die die Schädigung von Gehirnstrukturen bei Jugendlichen zeigen, die eine gewalttätige Erziehung erlebt haben.

Negative Elternschaft schädigt das Gehirn nachhaltig

Die Erkenntnisse der aktuellen Studie beziehen sich jedoch nicht auf die so genannten „schweren Kindesmisshandlungen“, sondern auf „negative Elternschaft“, die durch stetiges Schreien, Schlagen, Schütteln oder andere stetig sich wiederholende aggressive Aktionen gegen das eigene Kind identifizieren.

Zudem haben die Forscher in der aktuellen Studie auch eine Verringerung der Größe des präfrontalen Kortex und der Amygdala bei Jugendlichen festgestellt (vgl. Abbildung), die in ihrer Kindheit wiederholt negativen Erziehungspraktiken ausgesetzt waren, aber nicht schwer misshandelt wurden.

„Abgesehen von den Veränderungen im Gehirn denke ich, dass es wichtig ist, dass Eltern und Gesellschaft sich bewusst sind, dass die häufige Anwendung negativer Erziehungspraktiken potenziell schädliche Folgen für die Entwicklung von Kindern hat. Es geht um ihre soziale und emotionale Entwicklung, aber auch um die Entwicklung ihres Gehirns“, sagt Sabrina Suffren, Doktor der Psychologie und Erstautorin der Studie.

Gewalttätige Erziehungspraktiken existieren noch immer

Tatsächlich sind solche „Erziehungsmethoden“ in Teilen unserer Gesellschaft und in allen Milieus noch immer üblich. Erst Ende vergangenen Jahres hat das Kinderhilfswerk UNICEF eine repräsentative Studie publiziert publiziert, in der sich herausstellte, dass trotz des Rechtes der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung, Körperstrafen oftmals noch immer üblich sind. Und in Zeiten von Corona hat nach den Forschungsergebnissen des Forschungsnetzwerks Medizinischer Kinderschutz des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) die Gewalt gegen Kinder sogar noch zugenommen.

Sicher geht es nicht um den berühmten „Ausrutscher“ oder darum, dass Eltern auch mal schimpfen, statt am Ärger zu ersticken. Aber konstante Wutausbrüche und körperliche Gewalt in der Erziehung sind eben auch keine Seltenheit. Alternativen dazu gibt es seit vielen Jahrzehnten. Die bekannteste und erfolgreichste Methode stammt von Adele Faber und Elaine Mazlish, die mit dem Buch „So sag ich’s meinem Kind“ den erfolgreichsten Elternratgeber aller Zeiten verfasst haben. Der Grund dafür ist eindeutig: Er zeigt Eltern einen praktischen Weg aus ihrer gefühlten Ohnmacht gegenüber ihren Kindern und zu einem nachhaltig kooperativen Umgang miteinander. Rund 35.000 Elternkurse werden dazu jährlch veranstaltet. Ers jüngst hat die Tocher von Adele Faber Joanna Faber gemeinsam mit ihrer Freundin aus Kindertagen Julie King in ihrem Buch „Wie Sie sprechen sollten, damit ihr Kind sie versteht“, das Konzept weiter ausgebaut und um etliche praktische Beispiele und Lösungsansätze erweitert. Erst jüngst hat Joanna Faber im Interview mit spielen und lernen die Entstehung von Erziehungskonflikten beschrieben und Lösungsstrategien empfohlen.

Der erfolgreichste Elternratgeber aller Zeiten mit 3,5 Millionen verkauften Exemplaren!!!

Adele Faber / Elaine Mazlish

So sag ich’s meinem Kind
Wie Kinder Regeln fürs Leben lernen

276 Seiten
ISBN: 9783963040337
22,90 €

Dennoch haben die Ergebnisse der Studie die Fachwelt überrascht. Suffren erklärt dazu: „Diese Ergebnisse sind wichtig und neuartig, da dies das erste Mal ist, dass negative Elternschaft, ohne schwere Misshandlung, mit Unterschieden in der Größe der Hirnstruktur verbunden ist, ähnlich dem, was in Verbindung mit schwerer Misshandlung beobachtet wurde.“

Die Kinder wurden von Geburt an im CHU Sainte-Justine beobachtet

Eine der Stärken dieser Studie ist die Nachbeobachtung der Kinder von der Geburt an, die am Sainte-Justine CHU in den frühen 2000er Jahren von der Groupe de recherche sur l’inadaptation psychosociale chez l’enfant (GRIP) der Université de Montréal und vom Institut de la statistique du Québec eingerichtet wurde. Das Center Hospitalier Universitaire Sainte-Justine (CHU) ist das größte Mutter-Kind-Zentrum in Kanada und eines der vier wichtigsten pädiatrischen Zentren in Nordamerika. Das GRIP setzt sich aus Forschern zusammen, die die Nachsorge dieser Kinder organisierten und langfristig sicherstellten: Dr. Jean Séguin, Michel Boivin und Richard Tremblay.

Die elterlichen Praktiken und Ängste wurden jedes Jahr bei Kindern im Alter von 2 bis 9 Jahren untersucht. Basierend auf diesen Daten wurden die Kinder in Gruppen eingeteilt, die ein niedriges oder hohes Maß an negativen Erziehungspraktiken repräsentierten, die über die Zeit hinweg konsistent waren.

„Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass negative Erziehung durchgängig im Alter von zwei bis neun Jahren erlebt wurde. Die Unterschiede im Gehirn hängen also mit negativen elterlichen Praktiken zusammen, die während der Kindheit wiederholt erlebt wurden“, sagt Sabrina Suffren, die mit ihren Mitarbeitern den Grad der Angst bei diesen Kindern gemessen und eine anatomische Magnetresonanztomographie verwendet hat, als sie zwischen zwölf und 16 Jahre alt waren.

Diese Studie ist der erste Versuch, die Querverbindungen zwischen der Hirnanatomie, negativer Elternschaft und der von Kindern erlebten Angst zu bestimmen.

Miteinander richtig sprechen lernen

Joanna Faber/Julie King

Wie Sie sprechen sollten, damit Ihr Kind Sie versteht
Ein Überlebenshandbuch für Eltern mit Kindern von 2 bis 7 Jahren

384 Seiten
ISBN/EAN: 9783963040269
24 €

Über die Studie

Im Rahmen ihrer Doktorarbeit der Abteilung Psychologie und unter der Leitung der Professoren Françoise Maheu und Franco Lepore hat Sabrina Suffren die Studie durchgeführt.

Der Artikel  „Prefrontal cortex and amygdala anatomy in youth with persistent levels of harsh parenting practices and subclinical anxiety symptoms over time during childhood“ von Sabrina Suffren und Kollegen, wurde am 22. März 2021 in der Zeitschrift Development and Psychopathology veröffentlicht. Die Pressemitteilung dazu finden Sie hier.

Die Studie wurde von den Canadian Institutes of Health Research, dem Quebec Ministry of Health and Social Services, dem Fonds de recherche du Québec – Société et culture, dem Social Sciences and Humanities Research Council of Canada, dem CHU Sainte-Justine Research Centre und der Foundation of Stars sowie den Universitäten von Montreal und Laval finanziert.




Spielen und lernen: Grundsatzgedanken zur Psychologie des Spiels

Die hohe Bedeutung des Spiels als Bildungsmittelpunkt für Kinder und als Basiswert einer späteren „Schulfähigkeit“ (Teil 1)

Spielen und lernen ist unser Thema, weil uns Kinder wichtig sind und das der einzige Weg ist, wie Kinder wirklich lernen können. Zum Thema „Spielen“ hat Prof. Dr. Armin Krenz in seinem Buch „Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik“ einen sehr umfassenden Beitrag über rund 50 Seiten verfasst. Da die Erfahrung zeigt, dass aktuell eher kürzere Beiträge viele Leser finden, veröffentlichen wir daraus, seine „Grundsatzgedanken zur Psychologie des Spiels“. Alle 14 Tage publizieren wir einen weiteren Teil.

Die Frage nach dem Warum

Wenn sich (sozial)pädagogische Fachkräfte mit dem großen und gleichzeitig bedeutsamen Thema „Psychologie des Spiels“ auseinandersetzen wollen, wird zunächst eines sehr deutlich werden: Es gibt kaum einen zweiten Themenschwerpunkt in der Psychologie und Pädagogik, der in einem gleichen Maße so umfangreich in der Literatur berücksichtigt und behandelt wurde/wird. So sind hunderte von Büchern auf dem Markt, die sich dem „Spiel“ zuwenden und es gibt weltweit ungezählte wissenschaftliche Untersuchungen, die sich ganz bestimmten Phänomenen des Spiels gewidmet haben. Die Frage nach dem „warum“ ist auf den ersten Blick vielleicht schnell zu beantworten – weil das Spiel(en) in allen Kulturen und zu allen Zeiten ein fester Bestandteil im Leben des Menschen war bzw. ist und dadurch überall eine große Beachtung findet.

Das Spiel gehört zum Leben des Menschen

Ob in der Steinzeit, der Antike, im Hochland von Mexiko oder im alten Ägypten, im Mittelalter, in sakralen Handlungen oder auf Hinterhöfen: auf der ganzen Welt legen Aufzeichnungen, Dokumente und Berichte Zeugnis davon ab, dass das Spiel aus dem Leben des Menschen nicht wegzudenken war und es damit ganz offensichtlich eine wichtige Funktion im Leben von Menschen erfüllt hat. Insofern kann dieses wichtige Phänomen Spiel auch in der Alltagspädagogik gar nicht ausgeblendet werden, sondern muss zweifelsohne eine Berücksichtigung in der Kleinkindpädagogik finden. Andreas Flitner, einer der großen Spielforscher des letzten Jahrhunderts, schrieb:

„Das Kinderspiel ist eine zu auffällige Erscheinung aller Zeiten und aller Kulturen, als dass die Menschen es nicht von jeher beachtet […] hätten […]. Schon die frühesten Bilder des alten Reichs der Ägypter zeigen Puppen, Spieltiere, Bälle und Wagen zum Ziehen; sie zeigen Kinder, die tanzen und hüpfen, übereinander wegspringen und sich balgen, ja sogar theatralische Szenen spielen und dabei Masken tragen […]. In der vorindustriellen Gesellschaft haben die Kinder auch unmittelbar an den eigenen Spielen der Erwachsenen teilgenommen […], so wie ihr ganzes Kinderleben noch in das Leben und Arbeiten der Erwachsenen eingefügt war. Erst das Industriezeitalter zerstörte diese Gemeinschaft. Erst an der Schwelle entstand deshalb die moderne pädagogische Reflexion, welche Theorie und Erforschung des Kinderspiels ermöglichte.“

Flitner, A. (1977): Spielen- Lernen. Praxis und Deutung des Kinderspiels. München: Piper, S. 13

Heute hingegen verbinden viele Menschen mit dem Begriff „Spiel“ weniger bedeutsame Lebensrituale oder gesellschaftspolitische Aspekte als vielmehr die einfache Gleichung, dass das Spiel vor allem etwas sei was zu Kindern gehöre. Jeder, der sich mit seiner eigenen Kindheit beschäftigt wird automatisch auch an eigene Kinderspiele denken.

„Das ganze Leben ist ein Spiel“

Nebenbei fällt aber auch auf, dass das Wort selbst in unserer Sprache häufiger vorkommt als auf den ersten Blick gedacht. So sagen wir bei Dingen, die uns unwichtig erscheinen: „Das spielt doch keine Rolle.“ Menschen, die ein hohes Risiko eingegangen sind, haben „alles aufs Spiel gesetzt“ und wenn eine befreundete Person etwas getan hat, durch das man selbst tief verletzt wurde und von der man sich nun trennen wird, hat sie „ein für alle Mal verspielt“. Menschen, die das Leben nicht so ernst nehmen, besitzen aus Sicht der ernsthafteren Personen eine „Spielernatur“ und andere wiederum sind der festen Überzeugung: „Das ganze Leben ist ein Spiel“. Wenn jemand ein außergewöhnlich hohes Risiko eingeht, dann sagen wir, er „spielt mit dem Feuer“ und wenn jemand etwas nicht versteht heißt es: „Der weiß gar nicht, was hier gespielt wird.“ Menschen, die viele Schicksalsschläge hinnehmen mussten, wurde „im Leben übel mitgespielt“ und einem Übeltäter kann es passieren, dass er bei seiner Festnahme die Worte hört: „Das Spiel ist aus.“

Phänomen Spiel

So vielschichtig die jeweiligen Bedeutungen dieser alltagssprachlichen Aussagen sind, so unterschiedlich werden auch in der „Psychologie des Spiels“ bestimmte Phänomene betrachtet. Doch darf diese Tatsache nicht dazu führen, dass man sich weniger ernsthaft diesem „Phänomen Spiel“ zuwendet. Im Gegenteil: es kommt darauf an, in der ungewöhnlich großen Menge fachwissenschaftlicher Arbeiten das Wesentliche zu entdecken und für die Praxis nutzbar werden zu lassen. Im Rahmen des 16. Weltkongresses der Internationalen Gesellschaft für Spiel (IPA- International Play Association), die 2005 in Berlin tagte und bei der sich Fachleute aus aller Welt darüber austauschten, welche Rolle das Spiel(en) heute einnimmt, äußerten sich beispielsweise Fachleute und Politiker wie folgt:

„Allzu oft wird Spiel als Zeitvertreib betrachtet, um Kinder ruhig zu halten bis sie erwachsen sind. Allzu oft wird Spiel auch als ein Bildungswerkzeug angesehen. Aber nur selten ist man sich der Tatsache bewusst, dass Kinder beim Spielen für das Leben lernen.“

Jan van Gils, IPA Präsident 2005

„Beim Spielen lernen Kinder den Umgang mit anderen; sie probieren sich aus, entwickeln körperliche Fähigkeiten und geistige Talente. Darum müssen Kinder spielen dürfen… Ich freue mich besonders, wenn Erwachsene den Lärm spielender Kinder als Zukunftsmusik empfinden.“´

Horst Köhler, ehem. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland

„Spielen ist ein Kinderrecht. Wir alle sind aufgefordert, uns für dieses Recht einzusetzen.“

Edelgard Bulmahn, damalige Bundesministerin für Bildung und Forschung

„… für Kinder ist die Fähigkeit zu spielen einzigartig. Hier können sie ihre Gefühle artikulieren und aktiv ihre Umgebung mitgestalten.“

Renate Schmidt, ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

„Kinder lernen im Spiel am besten. Und sie eignen sich dabei mehr an als es jede Paukerei vermag: nämlich ein lebendiges Wissen, das nicht auswendig gelernt werden kann …“

Klaus Wowereit, ehem. Regierender Bürgermeister von Berlin

kirenz elementarpaedagogik

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik
Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln

Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548029
200 Seiten, 24,95 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




Eine Ostergeschichte mit Marcus und Luise

Eine extra lange Vorlesegeschichte mit einem tollen Rezept für einen Osterzopf

Weder Mama noch Wecker brauchte Marcus morgens, um wach zu werden. Denn an jedem Wochentag weckte ihn früh um sieben das Läuten der Kirchenglocken. Dann drehte er sich noch mal auf die andere Seite und hörte den Glocken zu: Erst begann die große mit dem tiefen Klang zu schlagen. Dann stimmten die anderen nach und nach ein. Schließlich läuteten alle Glocken volle Pulle, wurden wieder leiser; bald hörte man nur noch ab und zu einen Glockenton, zuletzt schlug die große noch zwei-, dreimal – dann war wieder Ruhe. Zeit zum Aufstehen!

Marcus mochte den Glockenklang – und fand es daher schade, dass die Glocken am Karfreitag zum vorerst letzten Mal läuteten. Er wusste, warum: An diesem Freitag vor vielen hundert Jahren war Jesus gestorben. Deshalb schwiegen die Glocken. Am Freitagabend, am gesamten Samstag hörte man keinen Ton von ihnen. Erst Sonntag früh, wenn die Sonne aufging, erklangen sie wieder. Klar, denn am Ostersonntag war Jesus damals auferstanden.

Und weil die Glocken so viele Stunden schweigen mussten, schien es, als ob sie am Ostersonntag besonders fröhlich läuteten. Der Ostersonntag war überhaupt einer der schönsten Tage des Jahres. Marcus freute sich auf das Osterfrühstück mit den buntgefärbten Eiern, auf den Familiengottesdienst, der mit einem Osterfeuer vor der Kirche begann und natürlich auf das Suchen der Osternester. Das würde heute dreimal passieren: erst auf der Kirchwiese, dann daheim und schließlich noch am Nachmittag bei Oma und Opa.

Ach ja – und dann war da in diesem Jahr noch etwas ganz Besonderes: Sehr zeitig, noch vor dem Frühstück, würde die ganze Familie spazieren gehen. Könnte ja sein, dass der Osterhase schon unterwegs war und dabei ein paar Süßigkeiten verloren hatte.

Papa hatte erzählt, solch ein Osterspaziergang frühmorgens sei eine alte Tradition – also, das täten die Leute schon seit vielen, vielen Jahren. So, wie die Frauen damals am Ostermorgen zum Grab von Jesus gelaufen seien und dann festgestellt hätten, dass Jesus gar nicht mehr tot sei. Und weil die Frauen unterwegs noch ganz traurig waren, wird bei so einem Osterspaziergang nicht geredet. Ganz schön schwierig: kein Wörtchen durfte gesagt werden. Marcus würde das schon hinkriegen, klar. – Aber Luise! Ihr Schnattermäulchen konnte nicht mal drei Minuten ruhig bleiben. Immerhin, sie hatte sich vorgenommen, während des Spazierganges keinen Pieps zu sagen.

Es war ungefähr um sechs, als sie loszogen. Papa hatte Marcus und Luise noch versprochen: „Wer unterwegs nicht redet, bekommt zur Belohnung einen Schokoladen-Osterhasen.“ Na, wenn das nichts war!

Sie liefen nebeneinander durch die Wiesen Richtung Waldrand. Ganz schön seltsam, wenn keiner spricht. Marcus entdeckte einen gelben Schmetterling, einen Zitronenfalter. Aber er durfte es den anderen nicht sagen. Dann bemerkte er, dass die aufgehende Sonne ganz rot aussah. Aber er durfte nichts sagen. Allerdings hatte das Schweigen auch Vorteile: Beim Schließen seiner Jacke hatte Marcus sich verknöpft. Ihn selbst störte das nicht. Und wenn es Papa oder Mama störte: Dazu sagen konnten sie ja nichts…

osterhase

Zum Waldrand wollten sie spazieren und zurück. Sie waren noch nicht mal bei der alten Eiche angekommen, da rief Luise plötzlich: „Ich glaube, da saust eine Eidechse!“ Und legte sich gleich die Hand auf den Mund. Zu spät. Der Schokoladenhase war weg. Marcus musste feixen: Das hatte er sich gleich gedacht. Aber dazu sagen durfte er nichts. „Zählt das schon?“, fragte Luise. Aber niemand antwortete ihr. „Das zählt noch nicht“, entschied sie. Ganz in der Nähe rief ein Kuckuck. „Der Kuckuck und der Esel, die hatten einen Streit“, fing Luise an zu singen und merkte erst nach der zweiten Strophe, dass sie schon wieder geredet hatte. „Singen zählt auch nicht“, sagte sie. Marcus, Mama und Papa schmunzelten über das ganze Gesicht. Aber sie sagten kein Wort.

„Das muss ich dann in der Kirche gleich meiner besten Freundin Claudia erzählen, dass ich heute früh nicht geredet hab“, schnatterte Luise. „Da drüben sind Schneeglöckchen.“ Alle schauten hin, aber keiner sagte was. „Erzählen ist sowieso viel schöner“, plapperte Luise, die es keine zehn Minuten ausgehalten hatte zu schweigen. „Außerdem schmeckt mir sowieso kein Schokoladenosterhase, so!“ „Klar schmeckt er dir!“, hätte Marcus um ein Haar gerufen. Er konnte sich gerade noch bremsen.

Luise schnatterte durch die Wiesen, die anderen drei waren still. Schließlich kam Luise auf die Idee, ihren großen Bruder reinzulegen. „Marcus?“, fragte sie zuckersüß. Aber Marcus konnte sich gut konzentrieren. „Marcus, ich schenke dir meinen Spielzeugbagger, wenn du was sagst.“ Marcus sagte nichts. Mit dem Bagger spielte er sowieso hin und wieder. Das wusste Luise bloß nicht. „Dann erzähle ich eben alleine“, meinte seine Schwester und machte das auch. Mal sang sie, mal schwatzte sie, mal kicherte sie. Die anderen schwiegen.

Als sie wieder zu Hause angekommen waren, platzte Marcus heraus: „He, Luise, du solltest ruhig sein!“ „Na, das war ja ein ,stiller‘ Osterspaziergang“, flunkerte Papa, „man hat die Vögel kaum singen hören.“ Und dann gab er Marcus den verdienten Schokoladen-Osterhasen. „Tut mir leid, Luise“, sagte er, „aber du hast unterwegs geredet.“ „Aber fast nichts“, antwortete sie. „Und außerdem bin ich noch klein.“ Doch da war nichts zu machen. Luise war sauer. Sie ging ins Kinderzimmer und setzte sich aufs Bett. Marcus kam hinterher. „Jetzt spiel nicht die beleidigte Leberwurst“, sagte er. „Du weißt selber, dass du andauernd geschnattert hast.“ „Ich sag ‚ überhaupt nichts mehr! Nie wieder!!“ Luise ärgerte sich riesig, als sie sah, wie Marcus den Hasen auswickelte und in die Schokolade biss. Wirklich – Luise saß auf dem Bett, starrte vor sich hin und gab keinen Mucks von sich. „Sei nicht blöd“, meinte Marcus. „Heute wird so ein schöner Tag.“ Aber Luise sagte nichts. Richtig ungewöhnlich. Komisch: Mit einem Mal fehlte Marcus Luises Geschnatter. Jedenfalls war ihm das lieber, als wenn sie bloß da saß und schwieg. Also brach er ein großes Stück Schokolade ab und hielt es seiner Schwester hin: „Hier – aber erst musst du was sagen.“

Luise guckte noch ein Weilchen böse, dann brummte sie: „Danke…“ und steckte sich die Schokolade fix in den Mund. „Hmm…“, sagte sie, „meine Lieblingssorte. Weißt du was, Marcus, als wir vorhin spazieren waren, da habe ich einen Schmetterling gesehen, der war ganz gelb. Weiße habe ich schon oft gesehen und bunte auch, aber so einen gelben noch nicht. Der ist immer rumgeflattert; manchmal wollte er sich hinsetzen, aber da war ihm bestimmt das Gras zu nass. Und dann…“ „Weiß schon, Luise. Das war ein Zitronenfalter. Den hab‘ ich auch gesehen.“ „Aber ich zuerst“, erwiderte Luise. „Und außerdem… !“

Das Hefezopfrezept haben wir selbst ausprobiert. Das ist das Ergebnis. Er ist erstaunlich groß geworden und war richtig fluffig.
hefezopf

Hefezopf

Zutaten: 750 g Mehl, 500 g am Vortag gekochte Kartoffeln,
100 g Margarine, 125 g Zucker, 1/4 Liter Milch, 40 g Hefe,
350 g Rosinen, 1 Prise Salz

Zubereitung: Alle Zutaten zu einem lockeren Teig verkneten.

Diesen warm stellen und gehenlassen, zusammenstoßen und in drei gleich große Stücke teilen. Daraus drei dünne Stangen rollen und zu Zöpfen verflechten. Diese auf einem gefetteten Blech mit Zuckerwasser bestreichen und bei Mittelhitze (180°-200°) ca. 50 Min. goldgelb backen.

PS: Ein Hefezopf sollte nicht aufgeschnitten, sondern abgerissen werden. So bleibt er luftiger und macht mehr Spaß beim Verzehr.

Reuter Kichenjahr

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Das Kirchenjahr mit Kindern feiern
Ein Vorlesebuch mit lustigen Geschichten, Backrezepten und Spielen.

Reuter, Thomas
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548906
96 Seiten, 9,90 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




Kinderrechte vermitteln in Schule und Hort – kostenloses Unterrichtsmaterial

Ein neues Webangebot des Deutschen Kinderhilfswerks für pädagogische Fachkräfte

Für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte gibt es jetzt die neue Webseite schulsache.de, herausgegeben vom Deutschen Kinderhilfswerk e.V. Hier sind Praxis- und Informationsmaterialien zur Vermittlung der Kinderrechte in Schule und Hort zu finden.

Praxis- und Informationsmaterialien

Auf der neuen Homepage www.schulsache.de finden die LeserInnen verschiedene Praxis- und Informationsmaterialien zur Vermittlung der Kinderrechte in Schule und Hort. Die kostenlosen Materialien sind für 1. bis 6. Klasse geeignet, beinhalten jeweils zwei Praxisübungen und können im Unterricht, im Hort und der außerschulischen Bildung angewandt werden.

Für SchülerInnen aller Schularten

Mit dabei sind etwa Materialien für digitales Lernen zum Thema „Fake News“. Das Material ist zur eigenständigen Arbeit für SchülerInnen der 5. und 6. Klasse am Computer gedacht. Sie lernen, was sich hinter dem Begriff „Fake News“ verbirgt und wo diese vermehrt vorkommen. Dafür nutzen sie Artikel der Kinderwebseite www.kindersache.de. Für SchülerInnen ab der zweiten Klasse ist „Das ultimative Kinderrechtebuch“ gedacht. Die Broschüre in DIN A4 mit 80 Seiten Umfang gibt es hier gratis zum Download.

Praxismethoden direkt umsetzbar im Unterricht

Neben weiterem umfangreichen Informationsmaterial, digitalen Broschüren, einer Kinderzeitschrift und Büchern gibt es eine Reihe „Praxismethoden“. Dabei handelt es sich um Methodenmaterial zur Vermittlung verschiedener Themen. Die didaktisch sauber aufbereiteten Materialien lassen sich direkt etwa im Ethik- oder Sachunterricht umsetzen. Bisher gibt es drei Angebote der Praxismethoden:

  • Kinder über ihre Kinderrechte informieren
  • Beteiligung und Mitwirkung in der Schule
  • Mobbing in der Schule

Weitere Informationen finden Sie auf www.schulsache.de




Kinder mit Down-Syndrom schon ab dem Säuglingsalter fördern

ErgotherapeutInnen betreuen Kinder mit Trisomie 21 und deren Eltern

Eltern lieben ihre Kinder – vielleicht umso mehr, wenn sie besonders sind. Zu diesen Kindern zählen auch jene, die etwa eine Beeinträchtigung haben wie Trisomie 21. Diese ist landläufig als Down-Syndrom bekannt. Der Betreuungsaufwand der Kinder ist jedoch groß und stresst so manchen Elternteil. Entlastung dabei können etwa ErgotherapeutInnen leisten, die die Kinder entsprechend fördern.

Entwicklung der Feinmotorik unterstützen

ErgetherapeutInnen kümmern sich bereits um Säuglinge mit Down-Syndrom. Wegen der fehlenden Muskelspannung haben Kinder mit dem Down-Syndrom häufig schon in den ersten Monaten ihres Lebens Schwierigkeiten mit der Feinmotorik. Diese trainieren Ergotherapeuten mit Babys mit Trisomie 21. Das verbessert und fördert deren Verständnis für die eigene Umwelt ebenso wie ihre intellektuellen Fähigkeiten.

Ungezwungenen Vielfalt lernen

Dank steigender Zahlen an inklusiven Kitas und Schulen sind Kinder mit Down-Syndrom zunehmend Teil der Gesellschaft. Sie gehen ausgesprochen gerne in die Schule und auch ihre Mitschüler profitieren: sie können so einen natürlichen und ungezwungenen Umgang mit Kindern entwickeln, die ‚anders‘ sind. ErgotherapeutInnen bahnen daher bei ihren kleinen Klienten mit Trisomie 21 schon früh alle nötigen Fähigkeiten an, damit sie im für sie möglichen Rahmen Lesen und Schreiben lernen können. Zudem führen sie eine größtmögliche Selbstständigkeit dieser Kinder herbei – ganz wichtig, um in der Schule zurechtzukommen. Das wirkt sich auch auf den Alltag zuhause und das Miteinander im Familiensystem positiv aus. Der Stress wird weniger, es läuft öfter rund.

Das Positive verstärken

Das Erfolgsgeheimnis ergotherapeutischer Interventionen, an der auch die Eltern teilnehmen sofern es ihnen möglich und sinnvoll ist, besteht darin, das Positive zu verstärken. Ergotherapeuten fokussieren sich auf die Fähigkeiten und Ressourcen. Nicht die Krankheit, also hier das Down-Syndrom, steht im Mittelpunkt, sondern die vorhandenen Begabungen und Fertigkeiten. Und die bauen ErgotherapeutInnen konsequent aus und holen für mehr Nachhaltigkeit ihrer Arbeit die Eltern mit ins Boot, um die positiven Effekte auch außerhalb ihrer Intervention weiter zu verstärken.

Weitere Informationen und Ergotherapeuten vor Ort gibt es auf der Homepage des Verbands (dve.info); Aktuelles auch auf facebook (der dve) und twitter (@DVEergotherapie)




Laufen, springen und toben machen Kinder klug

lernen mit allen sinnen

Wie Kinder durch Bewegung lernen

Vieles hat die Kindheit in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Zu diesen Veränderungen rechnen die meisten Menschen die Digitalisierung mit Tablets, Smartphones oder Spielkosolen. Viel zu wenige haben dagegen bemerkt, wie die freien Bewegungsräume für Kinder geschwunden sind. Dabei ist Bewegung für die physische Entwicklung genauso wichtig, wie für die kognitive. Darüber schreibt Regina Grabbet im folgenden Beitrag. Er stammt aus Ihrem wunderbaren Buch „Laufen, toben, springen… loben“.

Von unterschiedlichen Anlagen und vorhandenen Födermöglichkeiten

Kinder vervollkommnen ihre vielfältigen Bewegungsformen vom dritten bis siebten Lebensjahr. In dieser Zeit eignen Sie sich auch erste Bewegungskombinationen an. Dabei müssen wir die Entwicklung der Motorik als Prozess fortschreitender Veränderung begreifen. Der Entwicklungsstand eines Kindes sollte zwar in etwa einem Vergleich mit anderen Kindern standhalten, zu berücksichtigen sind aber immer die individuell doch oft unterschiedlichen Anlagen und vorhandenen Fördermöglichkeiten.

  • Jedes Kind ist auch in seiner Entwicklung als Individuum zu begreifen. Leistungsvergleiche und Leistungsdruck sind schädlich und verunsichern.
  • In den vergangenen Jahren haben die Haltungsschäden bei Kindern zugenommen. In der Entwicklungsbegleitung von Kindern sollte man versuchen, darauf zu achten, dass sie bei ihren Aktivitäten nicht einseitig grobmotorisch belastet werden. Angebote, die eine gute Haltung unterstützen, sind sinnvoll.
  • Maßgebend für eine positive motorische Entwicklung ist die sensorische Integration.

Sensorische Integration

Diesen Begriff möchte ich etwas ausführlicher erklären: Jeder Mensch lernt von Geburt an, Empfindungen, die er wahrnimmt, einzuordnen, um sie gebrauchen zu können. Dies ist die Integration der Sinne. Unsere Sinne geben uns verschiedene Informationen, etwa über den physikalischen Zustand unseres Körpers. Sie geben uns aber auch Informationen über unsere Umwelt. Laufend erreichen uns neue Signale, die wir sinnlich wahrnehmen.

Diese verschiedenartigen Empfindungen werden vom Gehirn geordnet – damit wir uns etwa normal bewegen lernen. Erst wenn diese gespeicherten Empfindungen geordnet und in der nötigen Reihenfolge abgerufen werden können, können sie auch zielgerecht genutzt werden, um Lernprozesse in Gang zu setzen und gewünschtes Verhalten zu verinnerlichen. 

Bewegung für das Gehirn

Verhaltenschaos entsteht dagegen bei unorganisierten Empfindungen. Das Kind muss in diesem Fall seine Sicherheit neu gewinnen. Sensorische Integration ist also sinnliche Verarbeitung von Wahrnehmungen ganz verschiedener Art. Bei der Integration werden Empfindungen in Wahrnehmungen überführt und etwa als Verhaltensanleitung gespeichert. So muss ein Kind sehr viel an sensorischer Integration aufbringen, um die ersten Bewegungen auszuführen. Es ist dabei für uns Erwachsene wichtig zu wissen, dass das Gehirn bis zum Alter von sieben Jahren vorwiegend eine Verarbeitungs- und Speicherfunktion für sinnliche Wahrnehmungen darstellt. Das Kind sammelt seine Erfahrungen weitgehend über die Gefühle und Empfindungen.

Der Körper reagiert in Beziehung zu diesen Empfindungen, die Reaktionen gehen eher von den Muskeln als vom Verstand aus. Sie sind eher motorisch als geistig konzipiert. Die ersten sieben Jahre sind also Jahre der sensomotorischen Entwicklung.

Auch wenn später geistige und soziale Reaktionen diese sensomotorischen Impulse ersetzen, so ist die sensorische Integration, die etwa in der Bewegung Ausdruck findet, die Grundlage für die komplexere sensorische Integration, die nötig ist für intellektuelles und soziales Verhalten. 

Laufen und Springen fördern die Intelligenz

Ermöglichen wir dem Kind in den ersten sieben Jahren vielfältige Erfahrungen in diesem Bereich, so wird es später in intellektuellen und komplizierteren motorischen Abläufen leichter lernen können, weil es über eine gute Grundsicherheit verfügt. Kinder möchten sich bewegen; das Erlebnis der Bewegungen stimuliert ihr Gehirn. Toben, Hüpfen, Laufen und Springen, all diese körperlichen Empfindungen fördern die Intelligenz und das Selbstbewusstsein. Das Kind wächst mit seinen Aufgaben. Geben wir ihm welche. Aber ohne Druck!

Es gibt sehr viele motorisch unruhige und gehemmte Kinder. Die Ursachen dafür sind oft in der Bewegungsarmut zu finden. Traut man Kindern nicht viel zu, werden sie in ihrem Bewegungsdrang eingeschränkt, so werden sie schließlich leicht verstört, verkrampfen sich, verlieren an Selbstvertrauen – werden auffällig. 

Reizüberflutung

Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) hat in den vergangenen Jahren extrem zugenommen. Kinderärzte haben festgestellt, dass man Kindern zu wenig Bewegungsfreiräume lässt, außerdem spielt die Reizüberflutung beim Medienkonsum eine große Rolle.

Kinder müssen viel sitzen und bekommen selten die Möglichkeit sich auszutoben. Die Erwachsenen sind schnell durch unruhige ADS-Kinder genervt. Statt notwendige Bewegungsaktionen möglich zu machen, werden den Kindern schnell Ritalin oder ähnliche Beruhigungsstoffe verabreicht. Dadurch werden die Kinder chemisch ruhiggestellt und die Erwachsenen sind wieder zufrieden.

Hirnforscher warnen in neusten wissenschaftlichen Untersuchungen vor der passiven Aktivität der Kinder mit Computern, da im Kontakt mit dem Computer die sinnliche Erfahrung fehlt. Dadurch findet Lernen einseitig statt. Das selbstständige Denken kommt zu kurz, die Hirnsynapsen verkümmern. In seinem Buch, „die digitale Demenz“ weist der bekannte Hirnforscher Manfred Spitzer auf diese Gefahren hin. Sein Kollege Gerald Hüter berichtet von Beispielen emotionaler Defizite durch passiven Medienkonsum. Die Hirnforschung warnt vor passivem Kopflernen und empfiehlt Bewegungseinheiten zwischen den Lernphasen oder während der Lernphasen!

Kinder müssen in der Familie, im Kindergarten oder in der Schule häufig stillsitzen, nehmen passiv auf und lernen, indem sie das Gesagte geistig verarbeiten. Wir beobachten oft, dass Kinder, die in der Schule zu geistigen Höchstleistungen in der Lage sind, Bewegungsstörungen aufweisen. Eltern machen oft den Fehler, dass sie Geist und Körper nicht als Ganzes, eine Einheit begreifen. Sie richten ihr Augenmerk überwiegend auf die Leistungen im geistigen Bereich und versuchen diese entsprechend dem Leistungsideal unserer Gesellschaft zu verstärken. 

Überforderung statt Bewegungsfreiraum

Der Leistungsdruck der Kinder ist enorm gestiegen, die Kinder müssen viel intellektuelle Kopfarbeit leisten und sind damit oft überfordert. Im Kindergarten werden Erzieher/innen von den Eltern oft danach befragt, ob sie auch Vorschulübungen anbieten, ob die Kinder im intellektuellen Bereich gefördert und auf die Schule vorbereitet werden. Selten wird dagegen nach der Entwicklung im motorischen Bereich gefragt, also ob das Kind genügend Bewegungsfreiräume hat, ob es sich etwas zutraut. Bildung findet in verschiedenen Bereichen statt und nicht nur durch eine „Vorschulübungsmappe“. Kinder lernen spielerisch und durch Bewegung. Sie erleben, erforschen, entdecken und gestalten. Diese Aktivitäten finden nicht nur im Kopf statt, sondern auch durch Körpererfahrungen.

Körper und Psyche im Einklang

Interesse zeigen Eltern erst dann, wenn Kinder im Sport Höchstleistungen erbringen. Die ganz normale Bewegungsförderung des Körpers, dem Bewegungsdrang der Kinder mit Anregungen entgegenzukommen, das haben Erwachsene verlernt oder sehen es nicht als für ihr Kind wichtig an. Der Grund ist vielleicht, dass sie selbst ihre Bewegungsstörungen, ihre Bewegungsarmut nicht mehr wahrnehmen. Sie

haben es verlernt oder nie gelernt, Körper und Psyche in Einklang zu bringen, ihren Gefühlen und Stimmungen durch Bewegung Ausdruck zu verleihen.

Warum laufen wir nicht einfach los, wenn uns danach ist, statt gesittet auf dem Gehweg zu schreiten? Warum springen wir nicht einfach in die Luft, wenn wir uns freuen, statt nur zu lächeln und die Freude durch Sprache auszudrücken? Sind wir nicht auch schon bewegungsgestört? Wir kompensieren Frust durch Konsum, der in der Regel wenig Bewegungsaktivität erfordert.

Toben bringt gute Laune

Um das Bewegungsverhalten und Bedürfnis unserer Kinder zu verstehen, müssen wir aber auch unser eigenes Verhalten in diesem Bereich kritisch überprüfen und möglichst einer Veränderung unterziehen; es lohnt sich.

Tobespiele machen Spaß. So habe ich in der Arbeit auf Seminaren mit Kindern und Erwachsenen festgestellt, dass Erwachsene solchen Spielen erst sehr ablehnend gegenüber standen, nach einer Gewöhnungsphase aber viel Spaß daran hatten. Gerade beim Toben wird viel gelacht. Je wilder das Spiel, je mehr Bewegung im Spiel ist, umso lustiger wird die Stimmung. Auch in diesem Sinn hat Bewegung etwas mit psychischer Verfassung zu tun. Warum sehen wir meist die Familien gesittet und gemächlich bei ihrem Sonntagsspaziergang die Parks abschreiten? Warum veranstalten sie nicht mal wilde Tobespiele miteinander? Weil sich das nicht gehört? Sie würden mit Sicherheit in einer ausgelasseneren Stimmung den Heimweg antreten.

Bewegungsspiele können ermüdete und verspannte Menschen, Frustrierte und Ängstliche, Langsame und Verkrampfte, Unsportliche und Gehemmte wieder in bessere Form und gute Laune bringen.

Diesen Artikel haben wir aus Regina Grabbets Buch mit dem Titel „Laufen, Toben, Springen … Loben“ entnommen. Das Buch ist bei Burckhardthaus-Laetare erschienen.

laufen toben

Regina Grabbet
Laufen toben springen loben
Bewegungsspiele in Kindergruppen
Broschur, 96 Seiten
4 fbg. Abb. und Illustrationen 
ISBN 978-3-944548-11-1
14,95 €
Mehr dazu auf oberstebrik.de




Tablet-Nutzung ändert bei Vorschulkindern offenbar die Wahrnehmung

tablet kita

Studie: Tablet-Kinder im Vorschulalter sehen den Wald vor lauter Bäumen oft nicht

Schon seit geraumer Zeit fordern unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO oder der Berufsverband der Kinder und Jungendärzte (bvkj), Kinder unter drei Jahren gar nicht und Kinder im Kindergartenalter nur maximal eine halbe Stunde pro Tag vor Bildschirmen sitzen zu lassen. Dazu zählen neben TV-Geräten und Computermonitoren auch die Bildschirme von Smartphones und Tablets. WHO und bvkj stützen sich dabei auf Langzeitstudien, die vor schädlichen Folgen für die geistige, emotionale und körperliche Entwicklung von Kindern warnen.

Tablet Spiele haben eigene Anforderungen

Das Alpha Generation Lab des Diagnostik- und Therapie-Exzellenz-Programms an der Eötvös Loránd Universität (Budapest) hat nun speziell für Kleikinder entwickelte Tablet-Spiele unter die Lupe genommen. Damit die Kinder hier erfolgreich sind, müssen sie eine ganze Reihe Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Einsatz bringen, wodurch Feinmotorik und Sensorik trainiert werden. Die Experten haben sich deshalb der Frage gestellt, inwieweit die bei diesen Spielen entwickelten Fähigkeiten Einfluss auf die Wahrnehmung der Kinder haben:

Vom Detail zum Gesamtbild

Die meisten Menschen erfassen zunächst das große Ganze und dann die Details, also zum Beispiel erst den Wald und dann die Bäume. Bei den untersuchten Tablet-Spielen geht es aber darum, die Details möglichst schnell zu erfassen und zu verarbeiten.

Mit Hilfe von Wahrnehmungstests und psychologischen Tests konnten die Wissenschaftler bei den Kindern im Vorschulalter vor allem zwei Dinge feststellen. Jene Kinder, die häufig mit Tablets spielten, konnten Details besser erfassen als andere. Im Gegensatz dazu hatten sie Probleme, das große Ganze zu identifizieren. Zudem hatten die trainierten Kinder größere Schwierigkeiten, sich in andere hineinzuversetzen.

In nur sechs Minuten

„Interessanterweise reichten sechs Minuten Spielzeit mit einem Ballonschießspiel aus, um einen detailfokussierten Aufmerksamkeitsstil in einer konsekutiven (direkt darauf folgenden) Aufgabe zu induzieren. Im Gegensatz dazu zeigten die Kinder, die mit einem nicht-digitalen Spiel spielten, den typischen globalen Fokus“, sagt Ádám Miklósi, Leiter der Gruppe.

Der Gebrauch von digitalen Geräten verändert also die Art und Weise, wie Kinder die Welt wahrnehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Art der Erfahrungen, mit denen Kinder konfrontiert werden, entscheidend ist. Denn in diesem Alter ist das Gehirn sehr plastisch, so dass eine solch massive frühe Exposition einen signifikanten Langzeiteffekt haben kann.

„Der atypische Aufmerksamkeitsstil bei Kindern, die Mobiltelefone benutzen, ist nicht unbedingt schlecht, aber mit Sicherheit anders, und wir können das nicht ignorieren – zum Beispiel in der Pädagogik“, sagt Krisztina Liszkai-Peres, eine Mitarbeiterin der Gruppe und Zweitautorin der Publikation.

Neues Bildungsmaterial nötig?

Diese Kinder brauchen wahrscheinlich eine neue Art der Präsentation von Bildungsmaterial. Wie die Forscher betonen, sind Menschen, die auf Details achten, geschickter im analytischen Denken, aber weniger kreativ und haben schwächere soziale Fähigkeiten. Daher ist es möglich, dass – wenn sich dieser Trend nicht ändert – es unter den Kindern der neuen Generation mehr wissenschaftliche Denker und weniger künstlerische oder soziale geben wird, und das wird wahrscheinlich die Welt, in der wir leben, verändern.

Studienverlauf

Die Studie wurde mit insgesamt 40 Kindern, die aus insgesamt 1270 Kindern aufgrund bestimmter Kriterien ausgewählt wurden, durchgeführt. Sie waren im Durchschnitt fünf Jahre alt. 20 Kinder waren regelmäßige Nutzer von Tablets, 20 kamen mit diesen Geräten so gut wie nicht in Verbindung. Bei der Auswahl der Kinder aus der großen Gruppe unter wissenschaftlichen Kriterien sind diese sehr wahrscheinlich repräsentativ für ihre Altersgruppe. Allerdings ist die Gruppe sehr klein, weshalb die Ergebnisse der Studie als wahrscheinlich oder Tendenz betrachtet werden können. Ob sie aber repräsentativ sind muss offen bleiben. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, findet die Studie hier.