Während des Lockdowns sind Karsten Knigge und sein Sohn Findus durch Göttingen gezogen, haben spektakuläre Fotos gemacht – und sind sich dabei deutlich näher gekommen. Ralf Ruhl sprach mit den beiden.
Kalenderbasteln ist ja eine typische Vorweihnachtsaktion. Ihr habt aber wesentlich früher angefangen…
Findus: Ja, wir haben schon im Frühjahr im ersten Lockdown angefangen. Ich hatte lange schulfrei, so hatten wir viel Zeit für den Kalender… Wegen Corona durfte man ja gar nicht zu Mehreren raus, aber wir waren ja Familie, da konnte niemand meckern.
Habt Ihr auch schon vorher Foto-Aktionen gemeinsam gemacht?
Karsten: Wir haben im letzten Jahr angefangen mit den Lightpaintings. Auslöser war ein Fotoangebot von mir in Findus´ Schule, in dem wir unter anderem in einem dunklen Raum einfache Lichtmalereien ausprobiert haben. Als das Angebot vorbei war, hatten wir beide Lust, damit noch weiter zu experimentieren.
Findus: Im Internet und bei Youtube gibt es viele Anregungen, wenn man ein bisschen sucht.
Karsten: Der erste Schritt war dann ein Kalender, den gab es letztes Jahr zu Weihnachten für Freunde und Bekannte. Und irgendwie dachten wir: Lass uns versuchen, ob wir daraus nicht auch einen richtigen gedruckten Kalender machen können, der sich verkaufen lässt.
Habt Ihr die Orte und die Art der Objekte zusammen ausgesucht?
Karsten: Meistens kamen die Anregungen von mir. Findus hat dann vor Ort mit überlegt, wie wir die Figuren setzen, wie es am besten gestaltet wird. Mit der Zeit hat sich da auch eine Art Arbeitsteilung entwickelt, wer für welche Figuren zuständig ist…
Was ist das Coolste am Lightpainting?
Findus: Ich finde die Figuren mit Feuer am besten, wir haben Stahlwolle oder Wunderkerzen benutzt um brennende Figuren zu gestalten. Das war dann auch immer mein Job. Spannend ist, dass man beim Arbeiten nie genau weiß, was rauskommt.
Jeden Abend zusammen unterwegs
Wart ihr immer einer Meinung über die Produktion?
Karsten: Nö, am Anfang nicht. Aber wenn wir die ein oder zwei Bilder, die wir pro Abend im Kasten hatten, dann zu Hause am Rechner angesehen haben, fanden wir meist die selben Sachen gelungen oder noch verbesserungswürdig. So dass wir dann beim nächsten Versuch beide wussten, was wir noch verändern wollen.
Hat Euch die Aktion näher zusammengebracht?
Findus: Ja klar, wir waren ja fast jeden Abend zusammen unterwegs.
Karsten: Finde ich auch. Findus hat ja inzwischen seine eigene Welt in der er lebt, schneidet Filme, hört seine Podcasts oder guckt Tutorials. Und ich hab meinen Beruf und meine Interessen, die er nicht alle teilt. Im Alltag gibt es da weniger Begegnung als früher. Normalerweise ist dann ja der Urlaub immer eine Zeit, in der wir mehr gemeinsam erleben. Aber der ist ja dieses Jahr weggefallen. Da fand ich es gut, dass wir das Kalenderprojekt hatten. Jetzt wo der Kalender fertig gedruckt ist, geht es ja drum, den Vertrieb zu organisieren, die Öffentlichkeitsarbeit zu machen, die Buchhaltung… Das ist gut, dass wir das zum Teil gemeinsam machen können oder auch aufteilen, wer sich um was kümmert.
Das Schuljahr ist ja durch Corona ein ziemlich besonderes. Untericht hat oft nur stark eingeschränkt stattgefunden. Hast du das Gefühl, auch durch euer Kalenderprojekt etwas gelernt zu haben?
Findus: Auf jeden Fall, von Kameraeinstellungen bis zum Marketing und Vertrieb gab es viel Neues für mich.
Gibt es Ideen für weitere Projekte?
Karsten: Erstmal bin ich froh, wenn wir bis Januar möglichst viele Kalender verkauft haben. 50% des Gewinns gehen ja an einen Verein, der soloselbstständige Kulturschaffende in der Region unterstützt. Da müssen wir erstmal noch viel Energie reinstecken. Grundsätzlich kann ich es mir aber gut vorstellen, irgendwann noch mal ein gemeinsames Projekt mit Findus anzugehen. Ich hoffe, er auch (lacht).
Interview: Ralf Ruhl
Malen mit Licht
Das Geheimnis der Lightpaintings ist die Langzeitbelichtung. Das Problem: Man braucht Geduld. Und das richtige Licht. Das scheint nur etwa eine Stunde lang abends oder früh morgens. Und es darf niemand durchs Bild latschen. Den Ort suchen, die „Location“, Kamera aufbauen, Lichtobjekte installieren – das braucht Zeit. Und Geduld. Oft kommen nicht mehr als ein oder zwei Fotos am Tag zustande. Die Lichteffekte werden mit Taschenlampen oder anderen Leuchtstoffen erzeugt. Aufpassen muss man unbedingt, wenn man mit Feuer hantiert. Klassisch ist die brennende Stahlwolle, Topfreiniger sind dafür recht preisgünstig. Die wird in einen Stahlkäfig gestopft, z.B. einen Schneebesen. Mit dem Feuerzeug anzünden und sobald sie glimmt, kann man losschleudern. Brennende Teile lösen sich und hinterlassen als Funken Spuren auf dem Foto.
Gebärdensprache und Bildkarten – Broschüre gratis zum Download
geschrieben von Redakteur | Dezember 6, 2020
Inklusive sprachliche Bildung in Kitas:
Die „Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte“ (WiFF) beschäftigt sich seit ihren Anfängen mit Sprachbildung. Schließlich ist Sprache das zentrale Mittel zu Teilhabe und Partizipation. Um Sprachbildung mit Gebärden und Bildkarten geht es in der Broschüre des WiFF. Sie steht kostenlos zum Download bereit.
Frühe inklusive Sprachbildung wird meistens im Zusammenhang mit Lautsprachen diskutiert. Aber auch Kinder mit Hör- und Sprechbeeinträchtigungen sowie kognitiven Einschränkungen haben Anspruch auf positive Kommunikationserfahrungen und individuelle sprachliche Unterstützung im Kita-Alltag.
Visuelle Verständigungsformen – etwa mit Hilfe von Gebärden und Bildkarten – können alternative Wege für die Sprachförderung eröffnen. Die Expertise erschließt das Potenzial dieser Kommunikationszugänge für eine inklusive Sprachförderung. Dazu skizziert die Autorin Aufbau und Struktur verschiedener visueller Verständigungssysteme und erläutert, wie Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen davon profitieren. Zudem formuliert sie konzeptionelle Rahmenbedingungen und gibt am Beispiel eines Pilotprojekts Handlungsempfehlungen, die als Fortbildungsmaterialien genutzt werden können.
Sprache kann Selbstbildungswelten im Menschen öffnen oder verschließen. Sie wirkt unbemerkt und ständig entwicklungsförderlich oder entwicklungshinderlich auf Kinder. Im Sinne eines entwicklungsförderlichen Prozesses stellt das Kind durch Erlebnisse in den ersten Lebensjahren… einen Bezug zwischen sich und der Welt her, vergewissert sich seiner individuellen Identität und ordnet sich seinem Umfeld zu. Auf der anderen Seite muss festgehalten werden, dass beispielsweise „bei einer Sprachentwicklungsstörung auch Störungen auf der kommunikativ-pragmatischen Ebene bestehen. Eine Störung auf dieser Ebene äußert sich in der verminderten Fähigkeit, Gedanken, Gefühle und Erlebnisse in einer nachvollziehbaren Art und Weise sprachlich zu äußern.“ (Bunse/Hoffschildt, 2008, S. 119). Doch allzu sehr wird derzeitig in der deutschen (Elementar-)Pädagogik die Sprache als ein funktionalisiertes Methodenkompendium betrachtet – dies belegen die ungezählten „Sprachtrainings- bzw. Sprachförderprogramme“.…
Die Sprache ist weitaus mehr als eine bloße Bündelung von gesprochenen und zumeist zusammenhängenden Worten. Sie ist ein lebendiger, lebensnotwendiger, der menschlichen Existenz alltäglicher und Sinn gebender Kommunikationsdialog, der Tag für Tag erlebt, gepflegt und genutzt werden kann und soll … .
Sprache ist Erlebnis – und kann Menschen in Erstaunen versetzen.
Sprache ist Genuss – und lässt immer wieder manche kleinen und großen Zuhörer/innen mit offenem Mund besonders spannenden Erzählungen folgen.
Sprache verbindet – und lässt im ersten Augenblick unüberbrückbar erscheinende Grenzen zusammenbrechen.
Sprache erfreut – und bringt Sonne in die Herzen trauriger Menschen.
Sprache beglückt – und eröffnet in einem Gespräch gedankliche Perspektiven, die bis dahin kaum zugelassen werden konnten.
Sprache berührt – und lässt die Menschen in nachsinnende Gedankenwelten kommen, sodass die Gegenwart teilweise in völlige Vergessenheit gerät.
Sprache ist wie die Feder eines Vogels – leicht, beschwingt und wundervoll zu betrachten. Sprache ist wie ein heller Sonnenstrahl – wegweisend, zielgebend und richtungsorientierend.
Gleichzeitig kann Sprache aber auch wie ein Schwert sein: scharf wie eine frisch geschliffene Klinge, zerstörend und vernichtend. Sie kann sich wie ein Feuer in die Herzen mancher Menschen brennen und eine nachhaltige Wirkung auf den Gesprächspartner haben. Sprache kann aber auch ermüden, abschrecken, Ängste provozieren und krank machen. Sprache kann damit Selbstbildungswelten im Menschen öffnen oder verschließen und wirkt (unbemerkt) permanent entwicklungsförderlich oder entwicklungshinderlich auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene …
Sprache als alltagsbedeutsamer Kommunikationswert
Grundvoraussetzungen und zugleich Lernbedingungen für einen entwicklungsförderlichen Sprachauf- und Sprachausbau ergeben sich primär aus folgenden Aspekten:
einer sicheren und vertrauensvollen Beziehung zwischen dem Kind und dem Erwachsenen,
dem Zusammenspiel von Sinneswahrnehmung und einer aktiv beteiligten Motorik,
einer sich momentan vollziehenden Persönlichkeitsentwicklung des Kindes,
dem aktuellen Erleben von Sprach- und Sprechfreude,
einer engagierten Selbsttätigkeit und Selbstaktivität,
einer lebendigen und zuverlässig erlebten Interaktion,
einer im Alltag sorgsam gestalteten Dialogpflege,
einer vielfältigen Sprachnutzung in Alltagssituationen und Alltagsbezügen, die für das Kind bedeutsam und interessant sind,
einem anregungsreichen Umfeld, das zwar reizvoll, nicht aber reizüberflutend auf das Kind wirkt sowie
einer Sprachnutzung und einem Spracherleben, das sich an der aktuellen Lebenswelt des Kindes orientiert.
Wie Sprache im Sinne eines alltagsbedeutsamen Kommunikationswertes auf Kinder und dabei besonders auf deren Sprach-/Sprechentwicklung wirkt, zeigen vor allem die vielfältigen Untersuchungsergebnisse von Prof. Dr. Gisela Szagun, die zu den renommiertesten Spracherwerbsforscherinnen Deutschlands gehört (Szagun, G., 2006) und entsprechend formulierte Konsequenzen (2007) konstatiert. Darüber hinaus finden sich viele sprachunterstützende Hinweise in den Arbeiten von Dr. Martine F. Delfos, die seit Jahren über das Thema „Gesprächsführung mit Kindern“ forscht. Weitere Praxishinweise für hilfreiche Grundvoraussetzungen und Lernbedingungen für einen erfolgreichen Sprachauf- und -ausbau liefern Rita Steininger (2004), Bernd Reimann (2009) und Sabine Bunse/Christiane Hoffschildt (2009), Marlies Koenen (2009)und Karin Jampert et al. (2006).
Nur wenn Sprachsituationen in lebendigen Handlungszusammenhängen einbezogen und darüber hinaus gleichzeitig mit gegenwartsorientierten Lebenswirklichkeiten der Kinder verbunden sind, in denen sie selbst Sprechfreude erleben und eigene Deutungen vornehmen können, wird Sprache von Kindern als ein Zielmedium und ein spannendes Ausdrucksmittel angenommen und gerne genutzt. Doch die pädagogische Praxis sieht zumeist diametral anders aus – und das nicht erst seit 2009!
Zwar mag es auf den ersten Blick so wirken, als hätten es Kinder der heutigen Generation besser bzw. leichter, weil sie mehr Spielmittel, größere Bildungschancen, bessere Förderungsmöglichkeiten oder vielschichtigere Kommunikationswege nutzen können. Ein genaueres Betrachten macht aber deutlich, dass es vor allem um eines geht: Kinder müssen eine ständige Zunahme an Erfahrungsverlusten hinnehmen (vgl.: Ellneby, Y., 2001; Konrad, F.-M. + Schultheis, K., 2008; Rittelmeyer, Chr., 2007; DJI, 2009; Alt, Chr., 2008; Hurrelmann, K. et al., 2007)
Sprachaufbau geschieht im Sinne eines beziehungsorientierten „concomitant learning“
Entwicklungspädagogisch muss diese Tatsache sowohl Eltern als auch pädagogische Fachkräfte immer wieder aufs Neue aufrütteln, weil bekannt ist, dass Kinder in den ersten Lebensjahren vor allem aus den vielfältigsten Situationen eines Alltagshandelns lernen (= concomitant learning) (vgl.: Holt, J., 2003; Markowa, D., 2005; Jackel, B., 2008; Astington, J. W., 2000). So entwickeln sich alle kognitiven Prozesse aus einem begeisterten Tun, dem selbst beteiligten Aktiv-Sein, der selbst motivierten Tätigkeit und motorisch herausfordernden Aktivität. Nicht umsonst heißt es in einem alten Spruch: „Aus Erfahrung wird man klug.“ Wenn Kinder in zunehmendem Maße den Erfahrungsverlusten ausgesetzt sind, es aber gleichzeitig ihrer Bestimmung entspricht, sich als mitgestaltende und gleichzeitig lernende Mitakteure in dieser Welt zu begreifen, gibt es nur vorbestimmte Auswege: Entweder resignieren Kinder, ziehen sich zurück und klagen darüber, dass ihnen „so langweilig ist“, oder sie suchen vielfältige Chancen, die Welt dennoch zu entdecken, etwa durch Regel- und Grenzüberschreitungen, Bewegungsüberschüsse oder Aktionismen, indem sie auf sich aufmerksam machen (müssen) nach dem Motto: „Seht doch, hier bin ich.“ Einerseits ist es die Angst davor, übersehen zu werden, die Kinder dazu veranlasst, sich zurückzuziehen oder „auf die Pauke zu hauen“, weil sie ihrem Umfeld klar machen wollen, dass die Planungen bzw. Angebote an ihren originären Bedürfnissen vorbeigehen und andererseits verlieren die Kinder durch diese alltagsfernen Angebote immer stärker ihre Neugierde, ihr Umfeld auf eigene Faust mit Zeit und Ruhe zu erkunden. Langeweile ist das Resultat aus dem anerzogenen Verhaltensmuster, außengesteuerte Erwartungen zu erfüllen, so dass die Bereitschaft, Akteur der eigenen Entwicklung zu werden, nach wiederholten Aufstandsversuchen systematisch nachlässt. Damit gewinnt die Überzeugung Oberhand, dass eigene Vorhaben nicht so bedeutsam zu sein scheinen sondern stattdessen eine Abwartehaltung, um sich als Reakteur in Szene zu setzen, erwünscht zu sein scheint.
Viele elementarpädagogische Fachkräfte und berufspolitische Mandatsträger können die aufgezeigten Gefahren einer völligen Verplanung von Kindheiten nachvollziehen und reagieren entsprechend bedauernd. Doch was ist von dem Versuch, Kindheit als ein eigenständiges Zeitfenster zu begreifen und entsprechend mit Kindern zu erleben, geblieben? Die Praxis zeigt: wenig. Es wird f ü r Kinder gedacht und f ü r sie geplant, f ü r Kinder arrangiert und f ü r Kinder gehandelt anstatt zu begreifen, dass eine „Pädagogik vom Kinde aus“ eine Pädagogik m i t dem Kind ist. Viele elementarpädagogische Fachkräfte haben sich schon vor Jahren darüber aufgeregt, dass Eltern ihren Kindern in immer jüngerem Alter immer mehr Kindheitszeiten vorenthalten haben, indem sie die Tendenz unterstützt haben, Kinder in Arrangements unterzubringen. Mit dem Babyschwimmen, den Krabbelgruppen und frühkindlichen Förderprogrammen fing es an, zog sich über die ungezählten Kurse und Trainings für Kinder weiter (Montag: Ballett/Judo; Dienstag: Flöten-/Klavierunterricht; Mittwoch: Turnen/Fußball; Donnerstag: Reiten/Handball; Freitag: Tennis/frühes Leselernen; Samstag: Sportturniere; Sonntag: frei!?) und setzt(e) sich dann über die Kindergartenzeit fort. Viele Kinder hatten und haben ein Tagesprogramm, das dem eines Managers ähnlich ist.
D.h.: die entfernt gesehene Zukunft wird in die Gegenwart hineingeholt, so dass die Zukunft zur Gegenwart gemacht wird! Diese alltagsweltliche Vorstellung von Erziehung hat eine außergewöhnlich lange Tradition – sie ist von der Antike über die Zeit der Aufklärung, der Moderne, des Faschismus und des Kommunismus bis zur heutigen Zeit bekannt und findet sich erneut und hier besonders stark ausgeprägt in der aktuellen Pädagogik der „bildungsgeprägten Lernpädagogik“. Erlaubt sei ein Rückblick. Der polnische Arzt und Pädagoge Dr. Janusz Korczak gab dazu schon vor über 90 Jahren eine klare Stellungnahme ab, indem er sagte: „Wer die Kindheit überspringen will und dabei in die fern liegende Zukunft zielt – wird sein Ziel verfehlen.“ (1978, S. 20) Statt suchender Fragen, die wir uns aus den Beobachtungen der Kinder ableiten und immer wieder aufs Neue stellen, danach was Kinder am heutigen Tage brauchen, um in weitere Selbstbildungsanstrengungen kommen zu können, trachtet – so Korczak – „die ganz moderne Pädagogik … danach, bequeme Kinder heranzubilden, sie strebt konsequent und Schritt für Schritt danach, alles einzuschläfern, zu unterdrücken und auszumerzen, was Willen und Freiheit des Kindes ausmacht, seine Seelenstärke, die Kraft seines Verlangens und seiner Absichten. Artig, gehorsam, gut, bequem, aber ohne Gedanken daran, dass es innerlich unfrei und lebensuntüchtig sein wird.“ (1987, S. 12) Was Kinder brauchen sind „Abenteuer für eine echte Kindheit“ (Lee, J., 2005) Wenn Antoine de Saint-Exupery einmal sagte: „Wenn du mit anderen ein Schiff bauen willst, so beginne nicht, mit ihnen Holz zu sammeln, sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer“, dann sei die Frage erlaubt, was vielerorts in der Pädagogik tatsächlich passiert. Viele Arbeitsimpulse in der Elementarpädagogik besitzen in zunehmendem Maße den Charakter einer „Kinderbelehrung“ mit der Folge, dass die gesamte Kindergartenpädagogik zu einer „vorgezogenen Schulpädagogik“ mutiert und Kinder zusätzlich irritiert, weil uns neurobiologische Erkenntnisse zeigen, dass Kinder in Zusammenhängen fühlen, denken und handeln (wollen), im Sinne einer nachhaltigen Bildung in Handlungsvernetzungen begreifen müssen und nur das als lernbedeutsam aufnehmen werden, was sie selbst als lernherausfordernd klassifizieren.
Sprachaufbau und -entwicklung ist in Sinnzusammenhänge integriert
Eine so genannte „ganzheitliche“ sprachunterstützende Pädagogik (im Sinne einer nachhaltigen Bildung bzw. Bildung aus erster Hand) ist dann gewährleistet, wenn möglichst alle Entwicklungsbereiche in einer Spiel-, Erlebnis-, Erfahrungs- und Alltagsaktivität des Kindes gleichzeitig angesprochen und beteiligt sind. Entwicklungspsychologisch ist eine Trennung oder ein Herauslösen einzelner Entwicklungsbereiche nicht nur unmöglich, sondern kann auch keine nachhaltigen Bildungsprozesse im Kind bewirken. So sucht man bis heute vergeblich nach Studien, die das Gegenteil beweisen würden.
Kinder sind stets mit all’ ihren Entwicklungsfeldern – gleichzeitig und untrennbar – beteiligt, wenn es ihnen darum geht, die Welt zu erkunden, eigene Stärken zu erleben, neue Entwicklungsmöglichkeiten auszutesten und für sie bedeutsame Lebenserfahrungen zu machen. Die kindeigenen Entwicklungsfelder offenbaren sich in ihrem Denken, ihrer Fantasie, ihrer Kreativität, ihrer Sprache und ihrem Sprechen, ihrer Motorik, ihrer Soziabilität, ihrer Intelligenz, ihrer Motivation und vor allem ihren Gefühle.
Doch statt diese entwicklungspsychologisch bedeutsame Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, steckt die Elementarpädagogik und stecken viele Eltern die Kinder in immer mehr pädagogisierte Arrangements, durch die sie ihre eigenen Lernimpulse immer weiter verdrängen und darauf warten, dass es vielleicht noch etwas Spannenderes gibt als ihre erlebte Realität. Der Weg vom Säugling über das Kind zum Jugendlichen und Erwachsenen wird immer kürzer und damit weniger nachvollziehbar für die Kinder selbst und ihr eigenes Leben. Nicht selten entstehen sogenannte Entwicklungsbrüche vielfältigster Art – ausgedrückt als Verhaltensirritationen, auf die die Erwachsenenwelt mit immer neuen, heilsversprechenden therapeutisierten Pädagogikprogrammen reagiert. Dort, wo ein Leben zunehmend in Bedingungen geschieht – und das macht den Alltag auch in manchen Kindertagesstätten aus – wird und ist die aktive Selbstbestimmung vieler Kinder radikal reduziert. Der Alltag ist aus „Fertigbausteinen“ zusammengesetzt, die den Kindern wenig Raum lassen, Forscher, Entdecker, Wissenschaftlermit eigenen Neigungen sein zu können. Janusz Korczak, der bekannte polnische Arztpädagoge, hat einmal gesagt:
„Wir belasten Kinder mit neuen Pflichten des Menschen von morgen, ohne ihnen die Rechte des Menschen von heute zuzugestehen. [ ] Um der Zukunft willen wird gering geachtet, was es heute erfreut, traurig macht, in Erstaunen versetzt, ärgert und interessiert. Für dieses Morgen, das es weder versteht noch zu verstehen braucht, betrügt man es um viele Lebensjahre.“Verteidigt die Kinder, Gütersloh 1987, S.47
Kinder brauchen andere Erlebnisse als funktionalisierte Sprachübungen
Damit Kinder nicht noch mehr „Ohnmachtserlebnisse, Auslieferungserlebnisse, Trennungserlebnisse, Beziehungsnöte und Bedrohungsängste“ erfahren müssen, ist es vielleicht hilfreich, sich an das Wort eines unbekannten Apachenkriegers zu erinnern: „Großer Geist, bewahre mich davor, über einen Menschen zu urteilen, ehe ich nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bin.“ Kinder laden uns jeden Tag dazu ein.
Was Kinder dringender denn je brauchen ist ein Lebens- und Lernumfeld, das vor allem durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist:
Sie brauchen ungeteilte Zeiten, in denen sie mit Ausdauer und nach eigenen Zeitempfindungen Dinge in Ruhe zu Ende führen können, und sie brauchen vor allem Erwachsene, die ihre Ausdrucksformen wirklich verstehen, die Symbole ihres Handelns und Erzählens begreifen, und sie brauchen den Kindergarten als einen Ort, an dem sie ein aktives Mitspracherecht haben: von der Gestaltung des Tagesablaufes bis hin zur Kinderkonferenz.
Kinder brauchen offene Ohren, die hören, was Kinder zur Zeit beschäftigt, und sie suchen vielfältige Möglichkeiten, das wirkliche Leben – und keine künstlich gestaltete und strukturierte Welt – kennenzulernen.
Kinder brauchen eine Umgebung, in der sie sich in ihrer Individualität entwickeln können, bevor eine so genannte Sozialentwicklung auf sie einströmt, und sie brauchen Menschen, die ihnen einen Raum zugestehen, in dem sie mit Versuch und Irrtum das Weltgeschehen um sie herum begreifen können.
Sie brauchen Erwachsene (und ein entsprechendes Umfeld), mit denen der Prozesshaftigkeit eine höhere Beachtung geschenkt wird als dem Herstellen von irgendwelchen „ästhetischen Produkten“ und sie brauchen diese Erwachsenen als Bündnispartner zur Umsetzung ihrer ureigenen Interessen.
Sie brauchen und suchen einen Ort, an dem ihr magisch-mythisches Denken – also ihre subjektiv bildhafte Vorstellung von der Welt und deren wirksamen Zusammenhängen – ausreichend Platz findet, erlebt und ausgedrückt wird.
Sie brauchen Mitspieler und keine Dirigenten, die wirklich auf der Ebene von Kindern – im wahrsten Sinne des Wortes – sind, und sie brauchen Erwachsene, die mit ihnen sprechen anstatt auf sie einzureden oder über sie zu sprechen.
Sie brauchen Menschen, die ihre Stärken sehen und nicht gegen ihre vermeintlichen Schwächen kämpfen, und sie suchen Erwachsene, die statt eines Pessimismusses einen hohen Optimismus ausstrahlen, die ihre Stärken sehen und nicht ihre „Schwächen“ minimieren wollen.
Sie suchen Mitmenschen, die sich auf Erfahrungen einlassen und keine Dogmen (Lehrsätze) verbreiten, und sie brauchen Erwachsene, die statt „moralisierender Ratschläge für andere Werte“ selbst ihr eigenes Leben auf der Grundlage einer verinnerlichten Wertemoral gestalten.
Sie wünschen sich Menschen, die loslassen können, statt sich auf bestimmte Rollen und Vorhaben/Ziele zu fixieren, und sie suchen Erwachsene, die sie, statt erziehen zu wollen, ganzheitlich begleiten.
Kinder brauchen Menschen, die Selbsterfahrung auf sich nehmen, statt eigene Gedanken, Gefühle und Muster zu projizieren, und sie suchen Erwachsene, die mit ihnen auf die Suche nach Wahrheiten gehen, statt im Sinne von Recht oder Unrecht zu debattieren und eigene Standpunkte auf Kinder zu übertragen.
Wenn diese (und sicherlich viele weitere) Merkmale für den Kindergarten zutreffen sollen, bedarf es immer wieder einer selbstkritischen Reflexion einrichtungsspezifischer Normen und eingefahrener Verhaltensmuster – im Interesse von Kindern und Erwachsenen sowie einer tatsächlich bildungsorientierten Frühpädagogik.
So bedarf es in der Elementarpädagogik keiner zusätzlichen Intensivräume für besondere Arbeiten, sondern Räume, in denen es überall „intensiv“ zugeht.
Die Kindergartenzeit ist auch keine Zeitspanne eines vorgezogenen Schulübens, sondern ein Leben und Lernen mit Kindern in sinnzusammenhängenden, ganzheitlichen Vorhaben, die sich auf das aktuelle Leben der Kinder mit ihren Themenschwerpunkten beziehen.
Die Elementarpädagogik ist kein Ort, an dem Kinder gesagt bekommen, was sie machen können/sollen/müssen, sondern an dem die Themen der Kinder verstanden und aufgegriffen werden (vgl.: Wiebe, E., 2010, S. 118-134).
Der Kindergarten hat für eine Atmosphäre zu sorgen, in der sich Kinder angenommen und wertschätzend behandelt fühlen. Dabei ist die Umgebung von Kindern als ein Ort zu erfassen, an dem sie sich selber fordern und eigenmotiviert fördern können.
Der Kindergarten hat sich Kindern als ein Ort zu zeigen, an dem das Leben pulsiert, in dem bestehende Alltagsrealitäten ihres erlebbaren Umfeldes erfahren werden können und der jede aufgesetzte Künstlichkeit von inszenierten, erwachsenengesteuerten und herbeigeführten „teilisolierten Förderprogrammen“ aufgibt (vgl.: Lill, G., 2007, S. 18 ff.; Krenz, A.: 2010, S. 121 ff.).
Er hat Kindern die entwicklungsförderliche Möglichkeit zu bieten, unverarbeitete Erfahrungen aufzuarbeiten, um sich von alltäglichem Erwartungsdruck und biographisch ausgelösten Belastungen zu befreien (vgl.: Krenz, A., 2008, S. 201 ff.).
Der Kindergarten muss ein Ort sein, an dem der Phantasiereichtum von Kindern jede Arbeitsschablone überflüssig macht und die Person der Erzieherin bzw. des Erziehers ein von den Kindern geliebter Teil der Gruppe ist.
Der Kindergarten gestaltet dabei seine Arbeit aus einem Selbstverständnis heraus, in dem zunehmend eingesetzte Therapieprogramme durch das gemeinsame, ganzheitliche Leben immer mehr überflüssig werden.
Alltagstaugliches Sprachgeschehen als lernprovozierender Lebensraum
Damit wird der Kindergarten zu einem Ort, an dem mit Kindern zusammen gekocht und gelacht wird, Freude regiert und Regeln gemeinsam ausgehandelt werden, Kinder noch Kinder sein können und nicht als „unfertige Erwachsene“ betrachtet werden, geachtete Rückzugsecken bestehen und Kinder selbstverständlich jeden Tag ihr Spielzeug mitbringen können, Jungen ebenso wie Mädchen zu ihren besonderen Rechten kommen und Gewalt von einer natürlichen Aggression unterschieden wird. Ein Ort, an dem es ebenso Ablehnung, Abgrenzung und Auseinandersetzungen gibt wie unter den Erwachsenen und dabei natürliche Wege gesucht und miteinander gegangen werden, um solche Grenzen zu überwinden; an dem jedes Kind das verbriefte Recht auf Meinungsäußerung – ein in der UN-Charta „Rechte des Kindes“ festgeschriebenes Recht (Artikel 12/13) – besitzt und vor allem das Kind in Erwachsenen ein Modell für das Gesagte erlebt. Viele elementarpädagogische Fachkräfte behaupten mit fester Überzeugung, dass sie sich genau durch diese Merkmale auszeichnen. Doch trifft dabei ein Wunsch- bzw. Ideal-Ich nicht selten auf ein widersprüchliches Realbild. (Hinweis für die Praxis: Es lohnt sich durchaus, diesen Anspruch gezielt in einer Selbstbeobachtung zu überprüfen. Vgl. Krenz, A., 2009, S. 22)
Dort, wo der Kindergarten zu einem alltagstauglichen, bildungsorientierten und lernprovozierenden Lebensraum geworden ist, fühlen sich Kinder angenommen und verstanden. Dies schafft die notwendige Sicherheit für Kinder, sich auf neue Erfahrungen einzulassen, alte Muster zu verändern und mit neuen Verhaltensweisen zu experimentieren.
Der Kindergarten ist in Gefahr, sich allzu schnell auf wieder neue Programme und Richtungen einzulassen – ein Beweis für eine oftmals zu beobachtende Orientierungslosigkeit der gegenwärtigen Elementarpädagogik. Wenn Kinder diesen „lernprovozierenden Bullerbü-Effekt“ (vgl.: Lindgren, A., 2006) – d.h. Sinn gebende, in der Lebensrealität erfahrbare Zusammenhänge zwischen dem real-aktuellen Kinderleben und ihrem real existenten Umfeld – nicht mehr im Kindergarten erleben können, dann müssen sie auch hier resignieren und entwickeln bzw. verfestigen auffällige Verhaltensweisen, die sich folgenotwendig weiter in die Schulzeit verlagern oder die Kinder suchen ihre Erfahrungen „auf der Straße“. Das ist – auf die Gegenwart bezogen – dramatisch und wäre im Hinblick auf die Zukunft fatal. Kinder brauchen nötiger denn je einen beziehungsorientierten und lernintensiven Alltags-Lebensraum – der Kindergarten kann ihn bieten und Kindern nutzbar machen.
Sprachentwicklung braucht sprach- und sprechfreundliche Rahmenbedingungen/Begleiterscheinungen
Wenn Erzieherinnen und Erzieher Wert darauf legen, dass sich Sprache entwickeln, auf- und ausbauen soll, sind zunächst die Faktoren zu identifizieren und zu verändern, die die Sprach- und Sprechentwicklung eines Kindes massiv hemmen:
unübersichtliche Beziehungsverhältnisse durch zu große Gruppen oder pädagogische „Ansätze“, die sogenannte „feste Gruppen“ ablehnen;
wenig oder sehr eingeschränkte Bewegungsangebote, die zumeist darauf ausgerichtet sind, den Kindern „gezielte“ Bewegungsmöglichkeiten anzubieten;
ein wahrnehmungsstörender Lärmpegel, der es Kindern nahezu unmöglich macht, aufeinander zu hören, miteinander in Ruhe zu reden, gemeinsam die Sprache zu erleben; (Hinweis: in einer „pulsierenden Pädagogik“, wo Kinder mit für sie interessanten Themen beschäftigt sind, geht es zwar lebendig und handlungsaktiv, nicht aber automatisch auch „lärmend“ zu.);
ein gereiztes Sprach-/Sprechklima – ausgelöst durch zunehmend „genervte“ Erwachsene, die voller lernzielorientierter Fördervorgaben oftmals nur noch „Lernergebnisse bei Kindern“ feststellen und dokumentieren wollen;
Sprachkorrekturen, die die Sprechfreude der Kinder hemmen;
Hektik, Unruhe, Chaos, Streit, Zeitfresser, Sprachunterbrechungen, die eine sprachunfreundliche Atmosphäre ausbreiten;
ein Zeit unterbrochenes Zuhören, weil Erwachsene mit allzu vielen Nebentätigkeiten beschäftigt sind und immer weniger Ruhe besitzen, sich ganz und gar auf Gesprächserlebnisse mit Kindern einzulassen;
ein „Nachäffen“ von Sprach-/Sprechfehlern, das vielleicht als „Ansporn“ gedacht, aber immer als „Verletzung“ erlebt werden wird;
ein monologisierendes Einreden auf Kinder, das nicht selten als sprachabschreckend von Kindern empfunden wird;
wenn Kindern Sprach-/Sprechäußerungen abgenommen werden;
wenn Kindern viel zu früh Antworten auf ihre Fragen gegeben werden, anstatt mit ihnen nach Antworten zu suchen und
wenn eine „kognitive“ Sprache eingesetzt wird, statt einer emotional positiv besetzten – beziehungsorientierten – Sprache. Eine solche beziehungsorientierte Sprache kann nur dort geschehen, wo elementarpädagogische Fachkräfte Kinder nicht nur >verstehen< sondern ihr Verhalten/ihre Sprachaussagen fühlend fühlen.
Der/die Erzieher/in als sprachunterstützender Ausgangspunkt für Sprachentwicklung
Es besteht heute überhaupt kein Zweifel daran, was die Sprache nachhaltig fördert (vgl.: Mannhard, A. + Braun, W. C., 2008; Weinert, S., 2007 + 2008; Weinert, S. + Grimm, H., 2008; Mietzel, G., 2002; Tracy, R., 2007). Entsprechende Hinweise finden sich daher auch in nahezu allen länderspezifischen Orientierungs- und Bildungs(rahmen)richtlinien für Kindertageseinrichtungen! Eine „integrierte Sprachförderung“ (Best, P. + Zehnbauer, A., 2009/Michalak, M., 2008) geschieht vor allem durch die Merkmale, die Sprachäußerungen außergewöhnlich stark aktivieren, provozieren, lebendig werden lassen: alltäglich miteinander sprechen; miteinander singen; miteinander dichten und reimen; Dialoge lebendig pflegen und gemeinsam auf die Suche nach Antworten gehen; miteinander philosophieren; Kinderaktivitäten sprachlich begleiten; gemeinsames Genießen einer lebendigen Bewegungskultur; Geschichten vorlesen und nacherzählen; Märchen vorlesen und nachspielen; Geschichten erfinden und aufschreiben; miteinander spielen; sorgsam aufeinander hören; Hörspiele erfinden und aufzeichnen; Kindergartenzeitungen erstellen und drucken; Kinderkonferenzen gemeinsam gestalten.
Entsprechend der bekannten Aussage von Pestalozzi, dass „Erziehung Liebe und Vorbild ist – sonst Nichts!“, muss es in einer sprachförderlichen Erziehungs- und Bildungsatmosphäre vor allem um die eigeneSprach- und Sprechkultur der elementarpädagogischen Mitarbeiter/innen und die der Elementarpädagogik zugeordneten Fachkräfte gehen.
Sprache ist für Kinder ein alltägliches, lebendiges, entwicklungsförderliches Kommunikationserlebnis mit Kindern und Sprachbildung von Kindern versteht sich in erster Linie als eine Herausforderung an die hohe Sprachkompetenz von bindungsorientierten Erwachsenen!
Die verschiedenen Merkmale des eigenen Sprechverhaltens, die eine sprachförderliche oder sprachhinderliche Auswirkung auf Kinder haben, äußern sich in der Stimmfarbe, der Stimmkraft, im Sprechtempo, der Aussprache, dem Satzbau, den möglicherweise genutzten Sprachmarotten und dem Sprechausdruck. (vgl.: Mannhard, A. + Braun, W.C., 2008)
Wir alle haben sicherlich ein Bild von unserer gelebten Alltagssprache. Wir glauben, eher einfühlsam, annehmbar, freundlich, aufgeschlossen, einladend, und insgesamt kommunikationsförderlich zu sprechen.
Gleichzeitig ist es so, dass unser Wunschbild häufig einem Idealbild entspricht und mit der Wirklichkeit – dem Realbild – nicht unbedingt übereinstimmen muss.
Aus diesem Grunde sei ein Sprach-/Sprechreflexionsbogen vorgestellt, der wie ein Spiegel zur Hand genommen werden kann, um einerseits selbst eine Sprach- bzw. Sprechanalyse vorzunehmen oder andererseits – was noch effektiver ist – eine Kollegin/einen Kollegen zu bitten, bei der Spracherfassung sowie einer kritischen Bestandsaufnahme behilflich zu sein.
So kann der folgende Reflexionsbogen gezielt dabei helfen, sein eigenes Sprach- und Sprechverhalten zu erfassen und ggf. Maßnahmen zu ergreifen, um notwendige Veränderungen vorzunehmen:
Aussprache
Satzbau
Sprach-marotte
Sprechbeginn/-ausdruck
Sprechtempo
Stimmkraft
Stimmfarbe
deutlich
einfach struk-turiert
häufige Wiederholungen
ängstlich
langsam
leise
weich
undeutlich
mittellang
„Ich würde sagen“
ungeduldig
mittel
(zu) laut
hart
näselnd
lang
„irgendwie“
fragend
schnell
dynamisch
melodisch
nuschelig
eintönig (nur: Subjekt, Prädikat, Ergänzung)
viele „Äh“
originell
hastig, rasend
gepresst
voluminös
akzentuiert
verschach-telt
viele „und“
bestimmend
abgehackt
entspannt
flach
stockend
kompliziert
viele „ich“
schüchtern
ohne Pausen
schrill
hell
näselnd
vollständig
viele Fremd-wörter
rücksichtsvoll (nicht mit der „Türe ins Haus fallen“)
mit Pausen
schneidend
dunkel
lispelnd
abgebro-chen
viele Angli-zismen
rücksichtslos
mit zu langen Pausen
gleichbleibend
kippend (wechselnd zwischen hoch + tief)
über-deutlich
abstrakt
„Ich sag‘ mal …“
lebhaft
„ohne Luft zu holen“
wechselnd
betonend
sorgfältig
konkret
viele „ne“ am Satzende
sicher
einschläfernd
gewaltig
voll
rhyth-misch
grammati-kalisch korrekt
„eigentlich“
spannend
gehetzt
zurückhaltend
leer
fließend
grammati-kalisch falsch
„Man sollte …“
fesselnd
„Ja aber …“
interessant
„Gute Sprachförderung“ ist alltäglich hörbar. Test- und Sprachförderverfahren mögen Erwachsene beruhigen – Kinder werden durch sie nicht selten massiv beunruhigt. Die Methodengläubigkeit und didaktisierte Vielfalt in der Elementarpädagogik setzt den eigenen Entwicklungszeitraum Kindheiten mit seinen besonderen Erfordernissen zunehmend aufs Spiel. Insofern ist aus entwicklungspsychologischer, sprachwissenschaftlicher und entwicklungspädagogischer Sicht ein Perspektivwechsel dringender denn je notwendig!
Literatur
Alt, Christian (Hrsg.) (2008): Kinderleben – Industrielle Entwicklungen in sozialen Kontexten. Band 5. Wiesbaden: Schriftenreihe des Deutschen Jugendinstituts
Astington, Janet W. (2000): Wie Kinder das Denken entdecken. München: Ernst Reinhardt
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Fink, Michael (2005): Gute Sprachförderung sieht man nicht. Sprachtest im Vergleich. in: klein&groß, Heft Nr. 07-08, S. 22–25
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Richtig loben – Wie echte Anerkennung motiviert
geschrieben von Redakteur | Dezember 6, 2020
Falsches Lob kann böse Folgen haben, echtes Lob motiviert:
Richtig loben will gelernt sein. Erst unlängst forderte der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, dass es Ältere doch mehr würdigen sollten, dass Jugendliche in Corona-Zeiten Verzicht üben und eben nicht auf Partys und in Clubs gehen würden. Was so manchem wie ein schlechter Witz erscheinen mag, meinte der Vorsitzende der Jugendorganisation jener Partei, die sich mit dem C auch die christlichen Werte ins Stammbuch geschrieben hat, völlig ernst. Hier wünscht jemand Lob und Anerkennung für das einhalten von Regeln. Etwas, das eigentlich selbstverständlich sein sollte und von jedem erwartet werden darf. Sicher ist das ein prominentes Beispiel. Aber es ist auch keine Seltenheit.
Vorsicht – Lob kann demotivieren
Was ist da schief gegangen? Viele erinnern sich sicher noch an den Spruch „Hast Du Dein Kind heute schon gelobt?“. Das führte zu einer Flut von regelrechten Lobhudeleien, die Kinder aber weder bestärkten, noch motivierten. Ganz im Gegenteil: Es führte zu einer regelrechten Sucht nach Lob, um letztlich aber die von den Eltern erwarteten Aktionen zu blockieren. Um das zu verstehen, hilft es, sich Lob aus Erwachsenensicht anzusehen:
Stellen Sie sich vor, sie lernen gerade Tennisspielen. So sehr Sie sich auch mühen, Ihr Ball landet beim Aufschlag meist im Netz oder im Aus. Heute spielen Sie im Doppel mit einem neuen Partner. Ihr erster Aufschlag sitzt perfekt. Ihr Partner sagt: „Hey, Deine Aufschläge sind ja der Hammer!“
Wie fühlen Sie sich? Sind Sie stolz auf sich? Fühlen Sie sich selbstbewusster? Oder haben Sie vielleicht doch mehr Angst davor, dass Sie beim nächsten Mal den Ball nicht mehr so gut treffen?
„Lob ist kompliziert. Forschung und Beobachtung legen nahe, dass es nicht darum geht, wie viel wir loben, sondern wie wir Kinder richtig loben“, erklärt Joanna Faber. Sie ist die Tochter der berühmten amerikanischen Familienberaterin Adele Faber, mittlerweile selbst Pädagogin, Autorin und Mutter von drei Kindern. Sie hat anhand von etlichen praktischen Fällen festgestellt, dass falsches Lob zu Misstrauen, Demotivation, Verzweiflung und Angst führen kann. Eben hat sie in Deutschland das Buch „Wie Sie sprechen sollten, damit Ihr Kind sie versteht“, herausgebracht. In den USA ist das Buch längst ein Bestseller. Der Grund: Obwohl ihr Buch auf dem wissenschaftlich neuesten Stand ist, sind die beschriebenen Tipps und Ratschläge vielfach erprobt und lassen sich direkt in die Praxis umsetzen.
Falsches Lob mit Folgen
Dabei wollen Eltern doch gerade das Gegenteil. Auf die Frage, warum sie ihre Kinder loben, antworten die meisten: „Wir versuchen, sie auf ihre eigenen Stärken aufmerksam zu machen.“, „Wir möchten sie dazu ermutigen, mehr von dem Gleichen zu tun.“, „Wir möchten, dass sie sich sicher fühlen … oder noch mehr versuchen“. „Es erscheint nur natürlich, dass wir unsere Kindern häufig und mit Begeisterung loben, wenn wir versuchen, ihr Selbstwertgefühl zu steigern: Sie sind großartig, klug, wunderbar, schön, das Beste!“
Laut einem Bericht über eine Studie des psychologischen Instituts der Universität Zürich ist mittlerweile erwiesen, dass ein Fähigkeitslob („Du bist so clever!) im Gegensatz zu einem Anstrengungslob („Da hast Du Dir aber Mühe gegeben“) dazu führt, dass Kinder herausfordernde Aufgaben in Zukunft künftig eher meiden. Der Grund dafür ist, dass Fähigkeiten im Gegensatz zur Anstrengung weniger veränderlich erscheinen. Und Kinder es eher vermeiden möchten, als „unfähig“ dazustehen. Auch ein Vergleichslob („Das hast Du besser gemacht als die anderen“) wirkt im Gegensatz zum Meisterungslob („Jetzt hast Du es geschafft“) auf die intrinsische Motivation eher negativ, stellt Dr. Martin Tomasik in diesem Bericht fest.
Der Grund: Es suggeriert Kindern, dass es wichtiger ist, besser zu sein als andere als etwas tatsächlich zu können. Auch übertriebenes Lob wie „Das ist das schönste Bild, das ich jemals gesehen habe“, statt „Das ist ein schönes Bild, das Du da gemalt hast“, schadet dem Kind. Besonders Kinder mit einem schwachen Selbstwertgefühl steigern daraufhin nicht ihre Anstrengungen, sondern suchen sich dann meist die einfachsten Aufgaben.
Besonders drastisch beschreibt der jüngst verstorbene dänische Familientherapeut Jesper Juul die Folgen übertriebenen Lobs in seinem Buch „Aus Erziehung wird Beziehung“. Auf die Frage, wie es dazu kommen kann, dass Jugendliche in Amerika, die aus sogenannten „guten Familien“ kommen, Gewalttaten begehen, antwortet er: „Was aber typisch für ,gute Familien’ … ist, dass sie die ganze Zeit Loblieder auf ihre Kinder anstimmen. Und was diese Kinder dann entwickeln, ist kein gesundes Selbstwertgefühl, sondern sie werden zu angeheizten, aufgeblasenen Egos. Da braucht nur eine Kleinigkeit vorzufallen, und schon lösen sich diese Egos in Nichts auf. Eine kleine Enttäuschung, dass die Zensuren nicht gut genug sind… reicht diesem jungen Menschen, um in Wut auszubrechen. Diese Kinder wurden zwar dauernd gelobt und mit großen Worten betört…, aber sie haben keine Wärme und authentische Nähe erfahren. Mit anderen Worten: Diese Kinder sind von ihren Eltern konsequent betrogen worden.“ Aus: Jesper Juul, Aus Erziehung wird Beziehung, ISBN 978-3-451-05533-1)
Kinder richtig loben und motivieren
Die beste Antwort darauf, hat der israelische Familienpsychologe Dr. Haim Ginott gegeben: „Das wertvollste Geschenk, das wir einem Kind machen können, ist ein positives und realistisches Bild von sich selbst. Nun, wie formt sich dieses Selbstbild? Nicht von einem Moment auf den anderen, sondern langsam, eine Erfahrung nach der anderen.“ Das trägt zu einem Bewusstsein der Kinder über sich selbst bei. Daraus entsteht: echtes Selbstbewusstsein. Wer also richtig loben will, muss wissen, dass Lob nichts anderes als das Gegenteil von negativer Kritik ist. Und deshalb muss es realistisch und begründet sein. Echtes Lob ist ehrliche Anerkennung. Deshalb ist es nicht immer angemessen zu loben. Aber es gibt eben auch Zeiten, zu denen Kinder ermutigende Sätze brauchen. Sie zeigen ihr gemaltes Bild und wollen wissen, ob wir es mögen. Was ist die beste Reaktion darauf? Gemeinsam mit Julie King hat Joanna Faber einige Regeln für echtes Lob in ihrem Buch „Wie Sie sprechen sollten, damit ihr Kind Sie versteht“ aufgestellt:
1. Beschreiben Sie, was Sie sehen
Wer richtig loben will, sollte nicht bewerten. Beschreiben Sie einfach, was Sie sehen. Statt: „Das ist ein schönes Bild!“ Versuchen Sie: „Ich sehe grüne Linien, die auf der Seite nach oben und unten laufen. Und sieh, wie sie all diese roten Formen verbinden!“ Anstelle von: „Gute Arbeit!“ Versuchen Sie: „Ich sehe, du hast alle Autos und Bücher weggeräumt und sogar die schmutzigen Socken mitgenommen! Ich sehe blanken Boden. Das war ein prima Job.“ Oder wenn Sie keine Lust auf viele Worte haben, können Sie einfach sagen: „Du hast es geschafft!“ Durch diese Aussagen versteht Ihr Kind, dass Sie es beachten und seine Leistung anerkennen, ohne eine Bewertung oder ein Urteil vorzunehmen, das es von künftigen Bemühungen abhalten könnte.
2. Beschreiben Sie die Auswirkungen auf andere
Wir alle möchten, dass unsere Kinder gute Mitmenschen sind. Wir wollen sie ermutigen, anderen zu helfen. Hüten Sie sich vor der Versuchung, ihren Charakter zu beurteilen. Bleiben sie bei der Beschreibung! Anstelle von: „Du bist ein gutes Mädchen!“, können Sie sagen: „Du hast diese Einkaufstüten bis zur Küche getragen. Das war eine große Hilfe!“ Anstelle von: „Du bist der beste große Bruder!“, können Sie sagen: „Das Baby liebt es, wenn du diese lustigen Geräusche machst. Ich sehe ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht.“
3. Beschreiben Sie den Aufwand
Lob ist mächtig. Auf falsche Weise eingesetzt, kann es Kinder von Aktivitäten und Verhaltensweisen abhalten, zu denen wir ermutigen wollten. So klingt es, wenn Sie Anstrengungen loben, anstatt das Kind zu bewerten: Anstelle von: „Was für ein kluger Junge du bist!“, können Sie sagen: „Du hast weiter an diesem Rätsel gearbeitet, bis du es herausgefunden hast.“ Anstelle von: „Du bist ein talentierter Turner.“, können Sie sagen: „Ich habe gesehen, wie du immer wieder auf diesen Schwebebalken geklettert bist, bis du den ganzen Balken entlanggelaufen bist, ohne herunterzufallen.“
4. Beschreiben Sie den Fortschritt
Ein Vorteil des beschreibenden Lobes ist, dass Sie es auch verwenden können, wenn die Dinge nicht besonders gut laufen. Wenn ein Kind Chaos fabriziert oder mit einer Aufgabe zu kämpfen hat, sind wir versucht zu sagen, was es falsch gemacht hat. Aber das hilft wirklich nicht. Andererseits kann unechtes Lob: „Mach dir keine Sorgen, du machst das gut!“, wütend machen: „Nein, es geht nicht gut!“. Mit beschreibendem Lob können wir den Fortschritt auf eine Weise aufzeigen, die sich unterstützend und aufrichtig anfühlt. Anstatt darauf hinzuweisen, was los ist … „Diese Handschrift ist so schlampig, dass man sie kaum lesen kann.“, sollten Sie zunächst hervorheben, was richtig ist: „Seht euch diesen Buchstaben ,B’ an! Er ist Sieger des Schönheitswettbewerbs. Er steht so hübsch auf der Linie. Er geht nicht durch den Boden und stört die Nachbarn im Erdgeschoss.“ Manchmal müssen wir darauf hinweisen, was falsch ist. In diesem Fall ist es wichtig, das Positive zuerst zu würdigen. Wenn Sie möchten, dass Kritik angenommen wird, sollten Sie drei positive Dinge sagen, bevor Sie das Negative erwähnen. Und selbst dann ist es am nützlichsten, Ihre Kritik positiv zu formulieren. Sprechen Sie darüber, was „getan werden muss“ und nicht, was immer noch falsch ist.
5. Widerstehen Sie dem Drang, im Vergleich zu loben
Kinder auf Kosten anderer zu loben, führt letztlich dazu, dass sie lernen, dass es wichtiger ist, besser zu sein, als wirklich etwas zu können. Stattdessen sollten Sie bei der Beschreibung seiner Handlungen, seiner Bemühungen, seines Fortschritts und seiner Auswirkungen Ihr Kind darauf aufmerksam machen, welche Auswirkungen es auf andere haben wird: „Du hast deine Schuhe selbst angezogen. Ich weiß, wer dem Baby beibringt, seine Schuhe zu binden, wenn es etwas größer wird.“ Jetzt kann es sich selbst als Lehrer seines kleinen Bruders sehen und nicht als Rivale.
Indem wir beschreibend loben, halten wir unseren Kindern einen Spiegel vor, um ihnen ihre Stärken zu zeigen. So gestalten Kinder ihr Selbstbild und wir schaffen einen Vorrat an Erinnerungen, die nicht weggenommen werden können.
Mit einem Appell für eine ganzheitliche, an den Kinderrechten orientierte Demokratiebildung in Kindertageseinrichtungen, Ganztagsgrundschulen und Schulhorten hat heute in Berlin der Fachtag „Demokratiebildung im Kindesalter – nachhaltig verankern, krisensicher gestalten!?“ begonnen. Stefan Zierke, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, betonte dabei, wie wichtig frühe Demokratiebildung gerade angesichts zunehmender Angriffe auf die Demokratie und auf das Zusammenleben in Vielfalt ist.
Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter
Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, Thomas Krüger, unterstrich die Notwendigkeit, bei der Förderung demokratischer Kompetenzen frühzeitig und vor allem lebensweltbezogen anzusetzen. Ausgerichtet wird der Fachtag vom „Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter“, bestehend aus den Trägerorganisationen Institut für den Situationsansatz (ISTA) und Deutsches Kinderhilfswerk.
Grundvoraussetzung für ein gutes Zusammenleben
„Demokratiebildung ist keine Schönwetterveranstaltung, sondern Grundvoraussetzung für ein gutes Zusammenleben. Sie sollte deshalb fest im Alltag unserer Kinder verankert sein. Mit unserem Bundesprogramm ,Demokratie leben!’ fördern wir die Demokratiebildung vom Kleinkindalter an. Das Kompetenznetzwerk ist für uns dabei ein wichtiger Partner. Frühe Demokratiebildung ist gerade angesichts der zunehmenden Angriffe auf unsere Demokratie und unser Zusammenleben in Vielfalt besonders wichtig. Auch im Zuge der Pandemiebekämpfung dürfen Kinderrechte und Partizipation nicht aus dem Blick geraten. Wenn Kinder erleben, dass sie sich jederzeit auf ihre Rechte und auf demokratische Prozesse verlassen können, werden sie unsere Demokratie auch im Erwachsenenalter zu schätzen und zu verteidigen wissen“, sagte Zierke,
Vermittlung von demokratischen Prozessen
„Die Vermittlung von demokratischen Prozessen und Werten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Fokus muss dabei auch die Förderung demokratischer Kompetenzen bei Kindern stehen. Wenn diese Förderung von nachhaltiger Wirkung sein soll, muss sie frühzeitig ansetzen und vor allem in Bezug auf die direkte Lebenswelt von Kindern erfolgen. Demokratie normiert unser Zusammenleben und gibt den geregelten Rahmen für politische Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse vor. Sie ist aber nur dann verwirklicht, wenn jeder einzelne sie unabhängig vom Alter als Möglichkeit zur Selbstentfaltung begreift und gleichzeitig die vielfältigen Meinungen und Bedürfnisse anderer nicht aus dem Blick verliert. Wir müssen unsere Demokratie mit Leben füllen, ihre Voraussetzungen bewahren und sie offensiv gegen Bedrohungen verteidigen – und zwar jeden Tag aufs Neue“, betonte Krüger.
Fachtag nachhaltig verankern
Der Online-Fachtag „Demokratiebildung im Kindesalter – nachhaltig verankern, krisensicher gestalten!?“ widmet sich verschiedenen Fragen: Wie kann es gerade in Krisenzeiten gelingen, die in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Rechte der Kinder stark zu machen? Welche Strategien sind zu entwickeln, um sie in der Lebenswelt ALLER Kinder präsent zu halten? Welche Bedeutung hat dies für eine demokratische Kultur des Aufwachsens? Dabei sollen aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse sowie Konzepte, Methoden und Erfahrungen vorgestellt und vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und bildungspolitischer Entwicklungen gemeinsam diskutiert werden. Das „Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter“ wird im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert. Der Fokus der Arbeit liegt auf einer ganzheitlichen, an den Rechten von Kindern orientierten Demokratiebildung in Kindertageseinrichtungen, Ganztagsgrundschulen sowie Schulhorten.
Quelle: Pressemitteilung DKHW
Gratis „GRIPS Theater-Power-Paket“ für die Grundschule
geschrieben von Redakteur | Dezember 6, 2020
Kulturelle Bildung für Kinder in der Corona-Zeit:
Das Berliner GRIPS Theater hat ein „Theater-Power-Paket“ für Grundschulkinder entwickelt, das ab sofort zum kostenlosen Download auf der Website grips-theater.de online steht, außerdem ist es auf dem Deutschen Schulportal (deutsches-schulportal.de) abrufbar.
Ab Dezember erhalten 360 Berliner Grundschulen jeweils zehn Theater-Power-Pakete mit einer Broschüre und einer CD zugeschickt. Die Idee dahinter ist, das Kinderrecht auf Kulturelle Teilhabe auch während der Corona-Pandemie zu ermöglichen. Finanziert wird diese Aktion vom GRIPS-Förderverein „mehr grips!“.
Fähigkeiten für den Schulalltag nutzbar machen
„Kinder waren und sind zwar ganz unmittelbar von den Covid-19-Maßnahmen betroffen, aber nicht immer ist ihr Wohlergehen ausreichend berücksichtigt worden. Nicht immer hatten und haben Kinderrechte Vorrang, wie etwa die Rechte auf Bildung, Spiel, Freizeit, Privatsphäre, Gesundheitsversorgung und Schutz vor Gewalt“, so GRIPS-Leiter Philipp Harpain. „Seit Beginn der Krise versuchen wir am GRIPS Theater andere Wege zu erproben, um Kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Im ersten Lockdown haben wir eine Online-Bühne mit dem Schwerpunkt für Kinder angeboten, jetzt liegt unser Augenmerk darauf, wie wir unsere Fähigkeiten für den Schulalltag nutzbar machen können. Uns war es wichtig, Schüler*innen und Lehrer*innen in Ihrem alltäglichen Handeln zu unterstützen. Aus diesem Gedanken ist das Theater-Power-Paket geboren.“
Kinder stärken
Um Kinder während der Corona-Pandemie zu stärken, ihnen Raum für ihre Gefühle und Träume zu geben und trotz allem Freundschaft, Zusammenhalt und Nähe zu spüren, haben die Theaterpädagoginnen Oana Cîrpanu, Anna-Sophia Fritsche und Wiebke Hagemeier für alle Berliner Grundschulen das „Theater-Power-Paket“ entwickelt. Dieses besteht aus einer 46-seitigen Broschüre mit theaterpraktischen Übungen und Spielanregungen für die Klassenstufen eins bis sechs, ergänzt mit einer CD mit Liedern und Texten aktueller und bekannter GRIPS-Stücke und ihren Figuren.
Empathie und Urteilsbildung fördern
„Um überhaupt Unterricht in diesem Jahr bewerkstelligen zu können, haben Schulen sich auf die Kernfächer konzentriert, der Unterricht in den musischen Fächern wurde stark zurückgefahren“, so Prof. Dr. Petra Anders, die am Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin lehrt und dem GRIPS Theater beratend zur Seite stand.
Mit dem Theater-Power-Paket „können Kinder ihre Empathiefähigkeit und ihre Vorstellungsbildung sowie das Kerngeschäft von Schule – die Ausbildung der Fähigkeit zur Urteilsbildung – zunehmend weiterentwickeln. Sie können sich (wieder) handelnd ausprobieren, mit anderen und zu anderen sprechen, ihre Deutungsangebote zu Inhalten und Situationen mitteilen, sich außerhalb der Familie über Ängste und Wünsche äußern und eigene Beziehungen aufbauen, gestalten und reflektieren.“
Bedeutung kultureller Bildung
Auf die Bedeutung Kultureller Bildung im Unterricht geht auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres in ihrem Vorwort zur Broschüre ein: „Auch unsere Kultureinrichtungen müssen mit vielen Einschränkungen umgehen. Besonders betroffen ist das Theater, das als sozialer Ort von der gemeinsamen Interaktion, dem Erleben und Aushandeln von Beziehungen lebt. Aber kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen ist auch und vor allem in Krisenzeiten wichtig.“ Und Kultursenator Dr. Klaus Lederer stellt in seinem Vorwort fest, „dass das GRIPS Theater einen Weg gefunden hat, das Theatererlebnis an die Schulen zu bringen. Es sind manchmal die Umwege, die neue, beglückende Erlebnisse ermöglichen.“
Für Ihre Fragen stehen Ihnen Anna-Sophia Fritsche, Leitung Theaterpädagogik, und GRIPS-Leiter Philipp Harpain zur Verfügung. Das TheaterPowerPaket finden Sie untenstehend zum Download, die dazu passenden Songs und Texte in unserem YouTube-Kanal als Playlist: https://cutt.ly/ehwyDRG
Einen echten Grundkurs zum Thema „Theater für Kinder“ auch im Bereich Kindergarten haben vor einigen Jahren die Brüder Norbert und Thomas Landa entwickelt. Ihr Buch „Kinder machen Theater – Spiele und Stücke, Kostüme und Kulissen“ ist zum Preis von 19,95 € im Burckhardthaus erschienen. Es hat 160 Seiten und erklärt Stück für Stück den Aufbau eines Theaterstücks. Weitere Informationen dazu finden Sie bei Oberstebrink und Burckhardthaus.
Quelle: Pressemitteilung GRIPS und Redaktion SPIELEN UND LERNEN
Online-Veranstaltung „Systemsprenger*innen – Ein Hilfeschrei?!“
geschrieben von Redakteur | Dezember 6, 2020
Zum sozialpädagogischen Fachtag 2020 in St. Pölten:
Eben hat online der sozialpädagogische Fachtag stattgefunden. Die gemeinsame Veranstaltung der Fachhochschule St. Pölten und des Sozialpädagogischen Betreuungszentrums Schauboden widmete sich den Chancen, Möglichkeiten und Herausforderungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Feld der Sozialpädagogik.
Systeme nicht für alle geeignet
Bildungs- und Betreuungseinrichtungen müssen sich immer wieder mit dem Thema auseinandersetzen, dass Systeme offensichtlich nicht für alle Kinder und Jugendliche geeignet sind. Auswirkungen und massive Probleme in der Zusammenarbeit und im Zusammenleben, sowie Betreuungsabbrüche und Exklusion sind die Folge. Häufig ist die Rede von sogenannten „Drehtür-Klient*innen“ oder „Systemsprenger*innen“. Wie wir mit diesem Thema umgehen können und wie die Betreuung von Kindern und Jugendlichen am besten sichergestellt werden kann, war Thema des sozialpädagogischen Fachtags 2020.
Ziel: Gewährleistung des Kindeswohls
„Die Herausforderungen und die Ressourcen, die diese Kinder und Jugendlichen aufzeigen, können aber von zentraler Bedeutung für die Weiterentwicklung von Angeboten und Strukturen sein. Ziel ist die Gewährleistung des Kindeswohls in allen Facetten“, sagt Christine Schmid, Leiterin des Lehrgangs Sozialpädagogik an der FH St. Pölten.
„Im SBZ Schauboden haben wir oft mit Kindern und Jugendlichen zu tun, bei denen wir mit der Betreuung in sozialpädagogischen Wohngruppen an Grenzen stoßen. Neue kreative, individuell angepasste Betreuungsformen, die eine positive Entwicklung der Kinder und Jugendlichen ermöglichen, zu finden, ist unsere tägliche Herausforderung. Ein fachlicher Austausch mit Kolleg*innen aus unseren und anderen Fachbereichen ist für eine qualitative Betreuung unumgänglich“, erläutert Sabine Sommerer, die Direktorin des SBZ Schauboden.
Eingehen auf Jugendliche, die Hilfe ablehnen
Eine Keynote zur Veranstaltung hielt Wolfgang Hagleitner vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck zum Thema „Systemsprenger*innen – Symptomträger der Kinder- und Jugendhilfe?“. Er stellte die Frage, wie das System der Kinder- und Jugendhilfe auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen wirkt. Hagleitner präsentierte dazu Ergebnisse einer Untersuchung von SOS Kinderdorf und Pro Juventute zu Eintritts- und Austrittsalter sowie der Verweildauer in der stationären Erziehungshilfe. Davon leitete Hagleiter mögliche Folgen dieser Entwicklungen für die sozialpädagogische Arbeit und für das System der Kinder- und Jugendhilfe ab.
Damit wir hilfreich sein können
Beate Huter und Michael Nesler vom Kinderdorf Vorarlberg hielten die zweite Keynote zu „Was es braucht, damit wir hilfreich sein können. Kreative Settings und mentalisierende Haltung in der Arbeit mit Teams und komplexen professionellen Netzwerken rund um schwer zu erreichende Kinder und Jugendliche“.
Sie präsentierten, wie die Arbeit mit schwer zu erreichenden Klient*innen die Fachpersonen, Teams und Organisationen vor große Herausforderungen stellt. Huter und Nesler zeigten unter anderem, wie öffentliche und private Kinder- und Jugendhilfe variable, kreative und individuelle Rahmen schaffen kann, um Jugendliche zu erreichen, die Hilfe ablehnen, und wie auf deren Bedürfnisse eingegangen werden kann.
Praxis, Forschung, Austausch
Der sozialpädagogische Fachtag bot neben den Inputs auch Austausch zum Thema und Kontakte ins zukünftige Forschungsfeld. So stellte er den Start eines Lehrforschungsprojektes vor: 26 Studierende des Masterlehrgangs Sozialpädagogik forschen bis 2022 zu Themen wie Best-Practice-Beispielen aus dem In- und Ausland, Umgang mit Extremsituationen im sozialpädagogischen Alltag sowie innovativen Ideen und Instrumenten rund um dieses Phänomen.
Mehr als 300 TeilnehmerInnen nahmen am sozialpädagogischen Fachtag teil, darunter unterschiedliche Berufsgruppen, VertreterInnen von Praxis-Einrichtungen, sozialpädagogischen Initiativen, verschiedenen Ausbildungseinrichtungen und EntscheidungsträgerInnen sowie FördergeberInnen. Damit erfüllt der Fachtag neben der inhaltlichen Auseinandersetzung auch eine wichtige Funktion für Sinne von Austausch und Vernetzung zum Thema.
Die Ergebnisse des Fachtags sollen Thema einer Folgeveranstaltung im Jahr 2022 sein.
Über die Fachhochschule St. Pölten
Die Fachhochschule St. Pölten ist Anbieterin praxisbezogener und leistungsorientierter Hochschulausbildung zu den Themen Medien, Wirtschaft, Digitale Technologien, Informatik, Security, Bahntechnologie, Gesundheit und Soziales. 26 Studiengänge und zahlreiche Weiterbildungslehrgänge bieten ca. 3400 Studierenden eine zukunftsweisende Ausbildung. Neben der Lehre widmet sich die FH St. Pölten intensiv der Forschung. Die wissenschaftliche Arbeit erfolgt zu den oben genannten Themen sowie institutsübergreifend und interdisziplinär. Die Studiengänge stehen in stetigem Austausch mit den Instituten, die laufend praxisnahe und anwendungsorientierte Forschungsprojekte entwickeln und umsetzen.
Über das SBZ Schauboden
Das Sozialpädagogische Betreuungszentrum Schauboden ist eines von sechs Betreuungszentren des Landes Niederösterreich und bietet in der Region Scheibbs, Melk, Amstetten und St. Pölten eine Vielzahl an verschiedenen Betreuungsformen für Kinder/Jugendliche und Mütter bzw. Väter an. Das Angebot umfasst sozialpädagogisch-inklusive Wohngruppen, teilstationäre Gruppen (Betreuung von Mo. – Fr.), Mutter-Kind-Wohnen, die Brücke – ein Zentrum für Krisenintervention und Abklärung, sozialpädagogische Kleingruppen für vier oder auch sechs Kinder und eine Wohngruppe mit dem Schwerpunkt der tiergestützten Pädagogik. Insgesamt betreut das SBZ Schauboden derzeit 111 Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis 18 Jahren.
Quelle: Mark Hammer FH St. Pölten
St. Martin mit Marcus und Luise – Eine Geschichte zum Vorlesen und Backen
geschrieben von Redakteur | Dezember 6, 2020
Wenn schon der Martinsumzug in diesem Jahr ausfallen muss, können wir uns mit Laternen, Geschichten und schönen Liedern auch ein tolles Martinsfest machen. Die Geschichte von St. Martin gehört dazu … und auch die Geschichte von Marcus und Luise. Prima passen auch die Martinshörnchen. Das Rezept für 30 Hörnchen gibt es im Anhang unserer Geschichte. Geschrieben hat die Geschichte Thomas Reuter.
Nichts los im November. Kaum noch Sonne, noch kein Schnee. Na, wenigstens gab‘s das Martinsfest am 11. November. Marcus und Luise freuten sich schon riesig auf den Laternenumzug im Dunkeln, den reitenden Sankt Martin und natürlich auf die Martinshörnchen.
Das Martinsfest erinnerte daran, dass Sankt Martin vor vielen, vielen Jahren an einem kalten Wintertag seinen Mantel mit einem frierenden Bettler geteilt hatte.
Die Martinshörnchen sahen aus wie Hufeisen von Martins Ross, schmeckten aber viel besser. Bevor man ein Hörnchen anknabberte, musste man es zerbrechen und eine Hälfte verschenken. Halb so wild, denn meistens bekam man ja auch von jemandem eine Hälfte geschenkt.
Hmm – Martinshörnchen! Und was das Beste war: Die Hörnchen wurden zu Hause bei Marcus und Luise gebacken. Genau drei Tage vor dem Martinsfest. Und weil das ‚ne Menge Arbeit machte, kamen Freunde von Mama und Papa zum Helfen. In diesem Jahr sollten es über einhundert Martinshörnchen werden!
Also – zuerst wurden alle Backzutaten gemischt, dann musste daraus ein großer Teigklumpen geknetet werden. Das machte Grit, Mamas Freundin. Grit war nämlich Body-Builderin und ging fast jeden Tag zum Krafttraining ins Fitness-Center. Heute allerdings nicht, denn heute durfte sie ja Teig kneten.
Die anderen saßen drumherum, tranken Kaffee und bestaunten Grits Muskeln. Eins, zwei, drei war der Teig fertig. Nun wurde er ausgerollt. Da durften die Männer ran. Die Frauen schnitten Teig-Dreiecke heraus, klecksten Heidelbeermarmelade darauf, rollten die Hörnchen ein und legten sie aufs Backblech. Und dann ab damit in die Backröhre. Vom ersten fertigen Blech durften Marcus und Luise je ein Hörnchen naschen. Köstlich! Und Kater Max strich durch die Küche und futterte alle Teigstückchen auf, die zu Boden fielen. Später wurden die Hörnchen noch mit Zuckerguss bepinselt. Das alles dauerte bis spät in den Abend – und Grit fragte immer wieder, ob nicht noch ein bisschen Teig zum Kneten da sei.
Endlich – morgen war Martinsfest.
Der Wäschekorb voller Hörnchen stand im Schlafzimmer, denn da war es schön kühl. Es duftete in der ganzen Wohnung. Aber die Hörnchen waren nachgezählt. Doch morgen … Morgen kam Sankt Martin auf dem Pferd geritten und verteilte die Hörnchen. Sankt Martin war in Wirklichkeit auch Grit. Die hatte nicht nur Muskeln, sondern konnte auch toll reiten. Außerdem war sie die Einzige, die den Korb mit den Hörnchen vor den Kindern schützen konnte. Also – noch einmal schlafen!
Mama saß gerade gemütlich im Wohnzimmer und las, als sie plötzlich Marcus schreien hörte: „Raus da! Du spinnst wohl!! Mama!!!“ ,Aha’, dachte Mama, ,Luise wollte sicher naschen.’
Sie sauste ins Schlafzimmer. Marcus hockte an der einen Seite des Korbes, Luise an der anderen, mitten im Korb hockte Kater Max. Marcus zerrte an dessen Vorderpfoten, Luise am Schwanz, Max fauchte.
„Was macht ihr denn da?“, wunderte sich Mama. „Zum Martinsfest sollen die Hörnchen geteilt werden, nicht die Katze. „Luise war furchtbar aufgeregt.“ Weißt du, was der Max gemacht hat? Er hat in die Hörnchen gepinkelt!“
Ach du liebe Zeit! – Mama jagte Kater Max unters Bett und besah sich die Bescherung. Max hatte mitten in die Hörnchen ein Loch gescharrt und hineingepullert. Die Hörnchen waren nass und klebrig, der Zuckerguss war aufgeweicht, es roch gar nicht mehr feierlich.
„Wer hat Max ins Schlafzimmer gelassen?“, fragte Mama ganz langsam.
„Papa war‘s!“, antwortete Luise ganz schnell und Marcus nickte heftig. Papa war arbeiten. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass er nicht auf Max aufgepasst hätte!
„Was machen wir denn jetzt?“, Mama war völlig ratlos.
„Die trocknen doch“, tröstete Marcus sie. „Das merkt schon keiner.“
„liih!“, rief Luise. „Ich esse kein Hörnchen, wo Max draufgepinkelt hat. Außerdem erzähl ich‘s allen!“
Marcus wollte schon ärgerlich werden, aber Mama beruhigte ihn. „Die Hörnchen sind hin. Wegen diesem blöden Kater!“ „Und weil Papa nicht aufgepasst hat“, nahm Luise Max in Schutz.
Dann saßen die drei in der Küche und überlegten. Wenn es morgen zum Martinsfest keine Hörnchen gäbe, wären die Kinder furchtbar enttäuscht. Und dann müssten sie auch zugeben, was passiert war. Außerdem hätte Grit nichts zu beschützen. „Wir müssen nochmal backen“, meinte Marcus. „Ich helf dir.“ „Ich auch“, sagte Luise.
Mama schaute auf die Uhr. Es war abends um acht. Die Geschäfte hatten gerade schon geschlossen. Aber glücklicherweise war Papa gestern einkaufen gewesen. Der hamsterte immer. „Damit sich‘s lohnt“, sagte er, wenn er angeschleppt kam.
Mama seufzte. Dann begann sie, Mehl, Milch, Backpulver, Zucker, Eier und Marmelade zusammenzusuchen. „Könnte gerade so reichen“, meinte sie. „Bloß die Heidelbeermarmelade muss ich mit Pflaumenmus strecken.“
Halb acht waren die Zutaten gemischt. Jetzt ging‘s ans Kneten. Grit war um diese Zeit im Fitness-Center, also musste Mama selbst ran. Sie kämpfte mit dem Teig. Luise guckte ihr mitleidig zu und Marcus feuerte sie an: „Da kriegst du Muskeln wie Grit!“
Um acht lag der fertige Teigklumpen auf dem Tisch. Mama rollte ihn aus. Marcus formte die Hörnchen. Luise kleckste die Marmelade darauf. Halb elf reihten sich einhundertzwanzig Hörnchen auf dem Tisch aneinander – nur gebacken und bestrichen werden mussten sie noch.
Marcus und Luise waren hundemüde. Sie wollten ganz freiwillig ins Bett. „Wo ist eigentlich Max?“, fragte Luise. Wo wohl? Marcus öffnete sacht die Tür zum Schlafzimmer. Max lag zusammengerollt mitten in den Hörnchen und schlief.
Marcus und Luise schliefen auch sofort ein und träumten von Martinshörnchen-Bergen. Und von Grit, die diese Berge bewachte. Mama stand in der Küche und backte und backte. Ihre Arme waren schwer, ihr Rücken schmerzte und sie konnte kaum noch stehen.
Kurz vor elf kam Papa von der Arbeit nach Hause. „Hmm“, schnupperte er schon an der Tür. „Du hast gebacken, Schatz?“ Er betrat die Küche und blieb staunend stehen: „Du kannst wohl gar nicht genug kriegen vom Hörnchenbacken?“ „Sehr lustig!“, fauchte Mama. „Du und dein Kater! Du kannst gleich mit im Hörnchenkorb schlafen! Aber pinkel nicht auch noch hinein!!“
„Was ist denn passiert?“, Papa begriff gar nichts. Und nun erzählte ihm Mama die ganze Kater-Geschichte. Am Schluss mussten sie beide drüber lachen – und Papa gab zu, dass Kater Max mit ihm ins Schlafzimmer gehuscht war. Dort verkroch er sich unterm Bett – und Papa hatte keine Lust gehabt, ihn zu fangen…
„Na toll!“, sagte Mama. „Dafür musst du mir jetzt helfen.“
Und schon drückte sie ihm den Topf mit dem Zuckerguss in die Hand: „Viel Spaß!“
Einsichtig setzte sich Papa an den Küchentisch, betrachtete seufzend die Reihen Martinshörnchen und begann, eins nach dem anderen mit Zuckerguss zu bepinseln…
Martinshörnchen (für ca. 30 Hörnchen)
Zutaten: 500 g Mehl, 250 g Zucker, 2 Eier, 150 g Margarine, 1 Päckchen Vanillinzucker, 1/2 Päckchen Backpulver, 1 kleine Prise Salz
Zubereitung:
Aus allen Zutaten einen festen Teig kneten und möglichst eine Stunde ruhen lassen. Anschließend den Teig ca. 0,5 cm dick ausrollen, Teigdreiecke ausschneiden, aus diesen dann Hörnchen formen (dabei nach innen aufrollen) und in Hufeisenform biegen. Auf Backpapier goldgelb backen.
Tipp:
Es erleichtert die Arbeit, wenn man aus dem gerollten Teig zunächst mit Hilfe einer runden Form einen Kreis aussticht und diesen achtelt. Die Hörnchen werden auf diese Weise auch gleich groß und schön.
Diesen Artikel haben wir folgendem Buch entnommen:
Das Kirchenjahr mit Kindern feiern
Ein Vorlesebuch mit lustigen Geschichten , Backrezepten und Spielen. Reuter, Thomas Burckhardthaus-Laetare ISBN: 9783944548906 96 Seiten, 14,95 €