Sprachförderung mit dem Startchancen-Programm inklusive

Gezielte Unterstützung von Schulen mit hohem Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler

Im Deutschland hängt der Bildungserfolg noch immer stark vom Elternhaus ab. Mit dem Startchancen-Programm, das Anfang des Schuljahres gestartet ist, wollen Bund und Länder etwas dagegensetzen. Dabei geht es nicht einfach nur um finanzielle Unterstützung des Bundes, sondern auch um systemische Veränderungen und eine Stärkung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens.

2.125 Schulen mit dabei

Aktuell haben 2.125 Schulen in ganz Deutschland begonnen, das Startchancen-Programm umzusetzen. Das sind mehr als doppelt so viele, wie ursprünglich angedacht. Bis zum Schuljahr 2026/27 soll es in ganz Deutschland etwa 4.000 Startchancen-Schulen geben.

Die Auswahl der geförderten Schulen erfolgte laut Bundesbildungsministerium durch das jeweilige Bundesland anhand geeigneter und transparenter Kriterien. Diese seien wissenschaftsgeleitet und orientierten sich an den Zielsetzungen des Startchancen-Programms.

Sollten Sie an Ihrer Schule ebenfalls einen hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler haben, die gezielter gefördert werden sollten, und nicht am Startchancen-Programm beteiligt sein, sollten Sie dringend beim Bildungs- bzw. Kultusministerium Ihres Bundeslandes nachhaken. Immerhin stellen Bund und Länder ganz erhebliche Mittel bereit.

Zwei Milliarden Euro jährlich

Das Programm ist auf zehn Jahre angelegt. Der Bund stellt dafür jährlich eine Milliarde Euro zur Verfügung. Die 16 Bundesländer beteiligen sich ebenfalls mit einer Milliarde, so dass den ausgewählten Schulen erhebliche Mittel zur Verfügung stehen. Die Gelder sollen bedarfsgerecht an Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler verteilt werden.

Die Höhe der Fördergelder, die ein Land vom Bund für das Startchancen-Programm erhält, berücksichtigt die sozialen Rahmenbedingungen. Insbesondere der Anteil junger Menschen in Armut und mit Migrationsgeschichte soll hierbei entscheidend sein. Die Länder verteilen die Fördermittel innerhalb des jeweiligen Landes gezielt auf die Startchancen-Schulen.

Stärkung der Basis- und Zukunftskompetenzen

Bund und Länder haben sich darauf verständigt, insbesondere Grundschulen zu unterstützen. Vor allem in den ersten Schuljahren werden die entscheidenden Weichen für den Bildungserfolg gestellt. Konkret sollen 60 Prozent aller Mittel den Grundschulen zur Verfügung gestellt werden. 40 Prozent erhalten die weiterführenden und beruflichen Schulen.

Der Fokus der Unterstützung liegt auf der Stärkung von Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Dazu gehört auch die Sprachförderung. Ziel ist, die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards in Mathematik und Deutsch verfehlen, bis zum Ende der Programmlaufzeit an den Startchancen-Schulen zu halbieren.

Erst in zweiter Linie geht es Bund und Ländern um die Entwicklung sozialer Kompetenzen wie Demokratie lernen oder soziales und kooperatives Lernen. Aber immerhin heißt es: „Gegenstand der Unterstützung ist außerdem die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Das Programm soll die jungen Menschen dabei unterstützen, die nötigen Zukunftskompetenzen zu erwerben, wie die Befähigung zur demokratischen Teilhabe.“

Unterstützung der Schulentwicklung

Um die Ziele des Startchancen-Programms zu erreichen, werden die Strukturen im Unterricht und im Kollegium an den Startchancen-Schulen entsprechend professionalisiert und weiterentwickelt. Das beinhaltet unter anderem eine stärkere Vernetzung der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Eltern, des pädagogischen Personals und der außerschulischen Akteure wie Ausbildungsbetriebe oder Schulnetzwerke. Außerdem wird in eine bessere Infrastruktur und Ausstattung der Schulen investiert.

Die Länder bauen ergänzend dazu entsprechende Strukturen in der Bildungsverwaltung hinsichtlich Zielbestimmung, Prozessbegleitung und Zielerreichung des Startchancen-Programms auf.

Drei Programmsäulen

Säule I: Investitionen in eine zeitgemäße und förderliche Lernumgebung

Ziel des Investitionsprogramms sind Beiträge zu modernen, klimagerechten und barrierefreien Lernorten. Angestrebt werden Investitionen in eine hochwertige Ausstattung und moderne Infrastruktur. Weitere Informationen zu der Frage, was genau aus Säule I gefördert werden kann, finden sich in § 1 der Verwaltungsvereinbarung über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an die Länder nach Artikel 104c des Grundgesetzes zur Umsetzung der Säule I des Startchancen-Programms (VV).

Säule II: Chancenbudgets für bedarfsgerechte Lösungen in der Schul- und Unterrichtsentwicklung

Das Chancenbudget soll Spielräume für diejenigen eröffnen, die vor Ort Verantwortung tragen und das Miteinander an der Schule jeden Tag aufs Neue gestalten. Es geht um eine deutliche Stärkung der Schulautonomie. Eine Einordnung zur Verwendung des Chancenbudgets nimmt das Orientierungspapier zur Verwendung der Chancenbudgets an den Startchancen-Schulen (BLV-Anlage 3) vor. Weitere Konkretisierungen zur inhaltlichen Verwendung sowie zum administrativen Prozess der Verausgabung werden von den einzelnen Ländern vorgenommen. Es ist davon auszugehen, dass die konkrete Umsetzung von Säule II in den 16 Ländern im Rahmen der bundesweiten Vorgaben unterschiedlich erfolgen wird.

Für die einzelnen Schulen spielen – sowohl zeitlich als auch inhaltlich – die individuellen Entwicklungsziele gem. Kapitel D.I.1 der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Umsetzung des Startchancen-Programms (BLV) eine entscheidende Rolle, da hieraus konkrete Fördermaßnahmen abgeleitet werden. Fragen zur konkreten Ausgestaltung sollten daher an die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Ländern gerichtet werden.

Säule III: Personal zur Stärkung multiprofessioneller Teams

Vor allem geht es hier um die Beratung und Unterstützung der Schülerinnen und Schüler, eine lernförderliche Elternarbeit, die Entwicklung einer positiven Schulkultur sowie darum, Betroffene bei der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen zu stärken. Neben Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern sollen vor allem auch pädagogische Fachkräfte anderer Disziplinen ihre Stärken und Expertise einbringen können. Hierdurch soll die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams an den Startchancen-Schulen ausgebaut und weiterentwickelt werden. Die konkrete Schwerpunktsetzung und Ausgestaltung erfolgt bedarfsorientiert und schulbezogen in den Ländern unter Berücksichtigung der dortigen Spezifika. Fragen zur konkreten Ausgestaltung sollten daher an die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Ländern gerichtet werden.

Freiräume eröffnen und bedarfsgerechte Lösungen ermöglichen

Die Chancenbudgets sollen den Startchancen-Schulen Freiräume eröffnen und bedarfsgerechte Lösungen ermöglichen, die den Gegebenheiten vor Ort Rechnung tragen. Um eine Verwendung der Chancenbudgets im Sinne der Programmziele zu unterstützen, wurde in Abstimmung mit der Wissenschaft ein sogenanntes Orientierungspapier (BLV-Anlage 3) entwickelt.

Dieses Orientierungspapier richtet sich vorrangig an die Kultusministerien in den Ländern. Es enthält Maßnahmenbereiche, die eine leistungsfördernde sowie ungleichheits- und diversitätssensible Unterrichts- und Schulgestaltung unterstützen. Die Maßnahmenbereiche sollen entsprechende Professionalisierungsprozesse fördern und sind nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie praktischen Erfahrungen aus den Ländern entstanden.

Zur Veranschaulichung der Maßnahmenbereiche werden in dem Orientierungspapier einzelne Maßnahmen beschrieben und auch konkrete Beispiele genannt. Diese sind keinesfalls abschließend. In der Praxis gibt es eine Vielzahl weiterer, ebenso qualifizierter Beispiele.

Für die in dem Orientierungspapier genannten Maßnahmenbereiche sollen zwei Drittel der Chancenbudgets an den Startchancen-Schulen aufgewendet werden. Für bedarfsgerechte Maßnahmen, die über die im Orientierungspapier genannten Maßnahmenbereiche hinausgehen, steht den Startchancen-Schulen ein Drittel ihres Chancenbudgets zur freien Verfügung.

Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation

Das Startchancen-Programm soll größtmögliche Wirkung entfalten, Vorbild für die Zukunft sein und Modellcharakter entwickeln. Deshalb wird das Vorhaben auch nach dem Start als lernendes Programm wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/startchancen/startchancen-programm.html

Quelle: Die Bundesregierung und Bundesministerium für Bildung und Forschung




Runter vom Gas 1 – Impulse für entspannten Unterricht in der Grundschule

Wie Sie Ihren Unterricht entschleunigen, um stressfrei und entspannt zu unterrichten

Die Volksschule langweilte mich vier Jahre. Während meines neunjährigen Eingewecktseins an einem Augsburger Realgymnasium gelang es mir nicht, meine Lehrer wesentlich zu fördern. (Bertolt Brecht)

Diese Äußerung Bertolt Brechts ist zwar vordergründig zum Schmunzeln. Doch eigentlich ist sie bitter ernst, denn im Grunde spricht sie etwas an, was auch heute noch für die Institution „Schule“ in weiten Teilen symptomatisch ist:

Der Sinn der ganzen Veranstaltung kann unseren Schülern nur bedingt vermittelt werden und das umso weniger, je länger sie dem schulischen Zugriff ausgesetzt sind.

Liebe Kollegin, lieber Kollege, vielleicht bist du jetzt entsetzt von dieser Einschätzung, empfindest das womöglich sogar als Nestbeschmutzung. Dann frage doch einmal in deinem Bekanntenkreis bei Schulabgängern, wie sie auf ihre Schulzeit zurückschauen.

ABER das soll nun kein Aufruf zur Pädagogikverdrossenheit sein, sondern es soll vielmehr eine Chance markieren, nämlich die Chance, es anders – und zwar besser – zu machen.

Viele Kolleginnen haben sich bereits auf den Weg gemacht, alte verkrustete Strukturen aufzubrechen und ich hatte in den vergangenen Jahrzehnten eine Reihe von positiven Begegnungen mit solchen Vertretern unserer Zunft und kann auf geglückte Kooperationen zurückblicken. In der Summe allerdings sind diese innovativen und begeisterten Lehrer, die mit Kreativität, Mut und Entschlossenheit das Leben und Lernen in einer Klasse gestalten, noch stark in der Minderzahl.

Um diesen Kolleginnen den Rücken zu stärken und um weitere Kolleginnen mit dem Virus der Innovation, des Selber-Denkens und der Eigenverantwortung anzustecken, möchte ich von den Erfahrungen berichten, die möglich sind, wenn wir Lehrer das Heft selbst in die Hand nehmen und uns auf das besinnen, was uns dank unserer Lehrpläne und der Lehrerdienstordnung alles möglich ist: nämlich ein Maß an Selbstbestimmtheit, von dem viele andere Beamte nur träumen können.

Der autonome Lehrer

Hast du tagtäglich das Gefühl, mit „dem Stoff“ nicht fertig zu werden und fühlst du dich von „dem Lehrplan“ gehetzt und gegängelt? Dann sitzt du, wie viele deiner Kolleginnen und Kollegen, einem gewaltigen Irrtum auf. In diesem Fall empfehle ich dir, dem Lehrplan einmal genau „aufs Maul zu schauen“ und zuallererst die Präambel aufmerksam zu lesen. Da findet sich nämlich eine so unglaublich sinnvolle Bestimmung wie jene:

Um der Schule ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten für das Lernen auch über einzelne Fächer hinaus zu ermöglichen, sind die Fachlehrpläne auf 26 Wochen ausgelegt. Bei insgesamt 38 Schulwochen steht damit ein pädagogischer Freiraum zur Verfügung, der von der Schule in Einklang mit ihrem pädagogischen Profil gestaltet wird. Hierdurch können in der Klasse Lehrplanthemen entsprechend den Interessen der Kinder weiter vertieft und weiterführende Schülerinteressen und –bedürfnisse aufgegriffen werden. Dazu gehören z.B. das Aufgreifen aktueller Tagesereignisse sowie die Gestaltung des Schullebens einschließlich Klassenfahrten, Wanderungen, Schulfesten und Gottesdiensten. (Lehrplan PLUS 2014, S. 19)

Nun kann mit der in unserem Beruf leider häufig vorhandenen Ja-aber-Mentalität gleich ein Haar in der Suppe gefunden werden, nämlich: Da werde ich ja mit „dem Stoff“ erst recht nicht fertig.

Dann schau dir doch einmal den Lehrplan vor allem in den drei Kernbereichen Lesen, Schreiben und Rechnen genau an. Da wird alles Mögliche verbal aufgebläht, aber letztendlich kannst du die dort aufgeführten Kompetenzen ganz leicht auf das Wesentliche eindampfen.

Am Beispiel Texte verfassen möchte ich das exemplarisch genauer ausführen:

Das, was im Folgenden über die Spracharbeit gesagt wird, lässt sich aber auch auf die anderen Kernfächer anwenden. Es ist nicht „der Lehrplan“, der uns hetzt. Es ist das Bestreben, alle in Büchern und Arbeitsheften angebotenen Möglichkeiten lückenlos abzuarbeiten.

Für den Bereich „Texte verfassen“ bleibt, wenn wir nur das Wesentliche herausfiltern, in der 3. und 4. Klasse lediglich Folgendes übrig:

Die Kinder sollen Texte verschiedener Art verfassen, ordentlich und passend zum Inhalt gestalten, ihre Rechtschrift überprüfen und gegebenenfalls den Text überarbeiten und verbessern.

Und wie lernen sie das am besten? Natürlich, indem sie es tun und nicht indem sie darüber reden oder in einem Arbeitsheft Lückentexte ausfüllen, Satzanfänge verändern, Textteile nummerieren, Pronomina einsetzen und Multiple-choice-Kreuzchen machen, so wie ich es zum Thema Texte verfassen 24 Seiten lang in einem Arbeitsheft für die 3. Klasse gefunden habe. 24 Seiten, jede mit einem eigenen Schwerpunkt, das sind womöglich 24 Schulstunden! Du hast die Entscheidungsgewalt, solche Seiten einfach nicht anzubieten und stattdessen die Kinder selber schreiben zu lassen.

Vor der Korrekturarbeit musst du keine Angst haben. Denn wenn du die Kinder häufig Texte verfassen lässt und in diesen Texten wirklich nur falsche Rechtschrift und fehlerhafte Grammatik anstreichst, dann hast du auch nur einen Bruchteil an Korrekturarbeit und die Kinder werden wesentlich motivierter arbeiten, weil du damit zeigst, dass du vor ihrem sprachlichen Konstrukt Respekt hast und nicht einfach die Ausdrücke der Kinder durch solche ersetzt, die dir geeigneter erscheinen.

Wie schreibt Goethe so wunderbar:

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.

Johann Wolfgang von Goethe, Willkommen und Abschied

Kannst du dir vorstellen, hier als Korrektur anzumerken: Die Nacht hängt nicht?

Eigene Sprache ist etwas sehr Persönliches. Und wenn wir hier wirklich nur das objektiv Falsche anstreichen und die ureigene Sprache der Kinder – oder manchmal auch die Sprachschöpfungen – akzeptieren, dann wird das von den Kindern auch verstanden und gebilligt.

Meine Tochter hatte in der 3. und 4. Klasse einen Lehrer, der es genau anders machte, in den Aufsätzen der Kinder herumstrich und regelmäßig deren Ausdrücke durch das ersetzte, was er für besser hielt. Das machte meine Tochter so wütend, dass sie zu Hause schimpfte wie ein Rohrspatz, wenn wieder einer ihrer Aufsätze von Herrn M. „verunstaltet“ worden war, denn so empfand sie das. Als ich einmal versuchte, sie mit dem Argument zu beruhigen: „Wenn der Herr M. dir etwas beim Rechnen anstreicht, dann ärgerst du dich doch auch nicht!“, da gab sie mir eine Antwort, die genau den Kern der Sache trifft: „Ja, schon, Mami, aber weißt du, da kränkt es mich nicht so!“

Damit ist eigentlich alles gesagt. Nun kann man sich natürlich fragen, wie denn dann an Verbesserungen gearbeitet werden soll, wenn man einfach alles lässt,  wie es ist. Diese Frage ist berechtigt und dafür gibt es eine ganz einfache Lösung. Du kannst den Kindern einen von dir verfassten Text zu dem bearbeiteten Thema vorlegen, in den du Fehler oder Sprachschwächen einbaust, die entweder wirklich vorkamen oder die du auch erfindest und diesen Text dürfen die Kinder dann verbessern. Das kann in Gemeinschaftsarbeit an der Tafel, in Gruppenarbeit, Partnerarbeit oder auch einzeln gemacht werden. Ich ließ bei diesen Arbeiten die Kinder immer einen Rotstift verwenden, das hatten sie gern, sie erlebten dadurch so etwas wie einen Rollentausch – vom Schüler zum Lehrer.

In meinen zweiten Klassen betitelte ich diese Texte auch oft mit: Kasperl hat geschrieben.

Nun zurück zu unserem Thema: Stress und Hetze in der Schule verhindern.

Wenn du so wie beschrieben vorgehst, dann ermöglichst du den Kindern ein In-die-Tiefe-Lernen, das heißt, ihr verzettelt euch nicht mit allen möglichen Einzelthemen, sondern ihr bleibt an der Sache, um die es geht: am Verfassen von Texten.
Die Kinder verbessern unweigerlich ihr Schreiben, wenn sie dazu oft Gelegenheit haben und das angstfrei und ohne Sorge tun können, weil sie wissen, dass du achtsam und respektvoll mit ihrer Arbeit umgehst.
Du musst dich nicht mit den langweiligen Arbeitsblättern herumplagen und das Korrigieren ist schnell erledigt. Die Kinder sind motivierter bei der Sache und die Möglichkeit des Verbesserns und Reflektierens ist auch vorhanden.

Das Ganze hat nur Vorteile. Und die Entscheidung, wie du vorgehen möchtest, liegt allein bei dir. Dass du das wirklich „darfst“, ist dir ganz explizit im Lehrplan gestattet. Da heißt es:

Die Lehrkraft initiiert und beeinflusst das Lernen, indem sie Lernanlässe schafft und gezielt Lernformen, Materialien und Methoden auswählt. (Lehrplan PLUS, 2014, S.17)

Da steht nicht, dass du ein Schulbuch von vorne bis hinten durcharbeiten musst.

Du bestimmst, mit welchem Material und mit welcher Methode du deine Schüler sprachlich fördern möchtest.

Dass einzelne isolierte Sprachschnipsel, bei denen zum Beispiel die Vorsilbe ver- oder vor- oder um-, passend zu vorgegebenen Sätzen, in eine Lücke eingesetzt werden soll, die Sprachkompetenz der Kinder mit einer Effektstärke gegen Null fördern, müsste eigentlich jedem einleuchten. Die Zeit für solche Übungen – die noch dazu sterbenslangweilig für Kinder und Lehrerin sind – kannst du dir getrost sparen.

Sprachbetrachtung kann stattdessen, wenn du sie für nötig hältst, wunderbar beim Reflektieren über den von dir verfassten Korrektur-Aufsatz untergebracht werden, und zwar so, wie es für das Schülergehirn am besten geeignet ist: Kontextspezifisch und in kleinen Häppchen.

Was für den Bereich „Texte verfassen“ gilt, ist überhaupt bei jeder Spracharbeit das Entscheidende: Kinder lernen Sprache, indem sie mit echter Sprache aktiv umgehen, sie also aktiv gestalten, oder passiv erleben.

Wenn du alleine für die Bereiche Texte verfassen und Sprachbetrachtung so vorgehst, dass du das Überflüssige und Demotivierende weglässt und dich auf das konzentrierst, was effektiv und wesentlich ist, gewinnst du Zeit und die kannst du extrem gewinnbringend einsetzen: zum Beispiel für das Vorlesen schöner Bücher.

Das ist kein bloßer Zeitvertreib, sondern Sprachförderung in Höchstform. Wo haben denn unsere Schulanfänger ihren Wortschatz her? Von Wörtern, die sie von Erwachsenen gehört haben. Nun wird in der Alltagssprache der Reichtum unserer Ausdrucksmöglichkeiten nicht annähernd ausgeschöpft. Deshalb ist das Vorlesen schöner Geschichten so wichtig. Wir wissen aus zahlreichen Untersuchungen, dass entscheidende Determinanten für Lern- und Leseerfolg Wortarmut oder Wortreichtum sind. Wir wissen auch, dass viele Kinder in der Vorschulzeit sehr wenig, andere hinwiederum sehr viel vorgelesen bekommen. Das betrifft eine Spannweite von 30 bis 1700 Stunden! Was soll es denn so spracharmen „30-Stunden-Kindern“ nützen, wenn sie irgendwelche Sprachschnipsel in Lücken einsetzen sollen? Wenn sie hingegen in der Schule schöne Geschichten hören, von der Lehrerin ausdrucksvoll und – je nach persönlicher Neigung – dramatisch ausgestaltet vorgetragen, dann haben sie auch eine Chance, allmählich ihre Defizite zu verringern.

Vorlesen ist für die sprachverwöhnten 1700-Stunden-Kinder schön, für die spracharmen 30-Stunden-Kinder aber sprachlich lebensnotwendig.

Ich habe in jeder meiner Klassen – von der ersten bis zur neunten – jeden Tag 15 bis 20 Minuten vorgelesen. Das lässt sich gut mit der Brotzeitpause verbinden, in der zuerst 10 Minuten „freie Konversation“ stattfinden kann und danach die Lesezeit beginnt. Einige meiner Kolleginnen haben das tägliche Vorlesen ebenfalls in ihr festes Programm aufgenommen und ebenso wie ich die allerbesten Erfahrungen damit gemacht.

Keine starren Stundengrenzen

Was hier exemplarisch für die Deutschbereiche Sprachbetrachtung und Texte verfassen gesagt wurde, lässt sich natürlich in abgezirkelten 45-Minuten-Einheiten nur schwer unterbringen. Aber das muss auch gar nicht sein, denn auch hier haben wir die explizite „Erlaubnis“, das starre Stundengerüst aufzubrechen:

Die zeitliche Strukturierung des Unterrichtsvormittags orientiert sich an kindgerechten Phasen für konzentriertes Lernen und berücksichtigt das Bedürfnis nach Bewegung und Pausen. […] Rituale strukturieren den schulischen Alltag und schaffen eine Atmosphäre der Sicherheit und des Vertrauens […] (Lehrplan PLUS, 2014, S.17)

Du hast nicht nur die Freiheit, deinen Schultag so zu gestalten, wie es zur Situation in deiner Klasse passt, du wirst sogar ausdrücklich dazu aufgefordert. Es ist gar nicht sinnvoll, eine Stunde nach der anderen zu halten, jede mit dem Glockenschlag zu beenden, womöglich gar noch mit dem Bestreben, nach jeder einzelnen Unterrichtsstunde ein Ergebnis zu erzielen. Schlimm genug, dass so etwas in den Lehramtsprüfungen immer noch verlangt wird.

Aber du kannst selbst entscheiden. Was spricht denn gegen eine Unterrichtspraxis, in der nicht jedes Thema künstlich auf 45 Minuten gedehnt wird? Ganze Rechtschreibstunden sind zum Beispiel völlig sinnlos. Es profitieren bestenfalls die Verleger von Arbeitsheften davon, dass Schüler seitenweise in Lücken „z“ oder „tz“ einsetzen oder aus Silben Tiernamen bilden und dann bei „Tiger, Biber, Nilpferd und Krokodil“ die lang gesprochenen, aber kurz geschriebenen „i“ farbig markieren. Weit wirkungsvoller ist es, kontextspezifisch immer wieder – oft und kurz – Rechtschreibprobleme und echte – von Schülern wirklich gemachte – Fehler zu besprechen und so aus vielen Reflexionen allmählich Strukturen und Regeln zu entwickeln.


So wird Unterricht entspannt

Stress, Druck und Hetze bestimmen oft bereits in der Grundschule den Alltag von Lehrern, Schülern und Eltern. Doch es ist möglich, trotz starrer Rahmenbedingungen und zahlreicher Anforderungen den schulischen Alltag für alle Beteiligten angenehm zu gestalten – ohne Hektik und Stress.
Der Fokus liegt auf der Autonomie der einzelnen Lehrer. Du findest erprobtes Handwerkszeug für eine alternative Umsetzung des Lehrplans. Methodenfreiheit neu gedacht, fächerübergreifendes Unterrichten und Projektarbeit ermöglichen einen entschleunigten Unterricht. Zusätzlich gibt es noch Online-Materialien.

Buch, broschiert, 260 Seiten
ISBN:978-3-407-25762-8
24,95 €

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Andererseits brauchen manche Themen Zeit. Und es wäre kontraproduktiv, Schüler, die gerade dabei sind, konzentriert etwas zu üben oder auszuprobieren, aus dieser Arbeit zu reißen, nur, weil „die Zeit“ um ist.

Ein Schultag braucht ein Design: Phasen des selbstbestimmten Lernens, der Selbsttätigkeit, Partner- oder Gruppenarbeit wechseln ab mit Phasen konzentrierten Zuhörens und Mitmachens. Dann muss es noch gemeinsame Aktivitäten geben wie Singen, Tanzen, Musizieren, Rhythmik, aber auch Zeit für Entspannung.

Das geht nur, wenn du über die Zeit bestimmst und nicht die Zeit über dich!

Du bestimmst und du trägst die Verantwortung

Doch bereits an den wenigen hier aufgeführten Beispielen wird klar: Wenn du dich auf den Weg hin zu einer entspannten, stressfreien Schule machst, in der du die gemeinsame Zeit mit sinnvollem Lernen und gemeinschaftsfördernden Aktivitäten verbringen willst, dann bist du die Person, die bestimmt, die aber  auch selbst die Verantwortung trägt. Das Verschanzen hinter dem Lehrplan, den Vorschriften oder dem „So-machen’s-doch-alle“ greift dann nicht.

In den weiteren Artikeln werde ich noch einige wesentliche Themen ansprechen wie zum Beispiel das Classroom Management, die Klimaarbeit im sozialen Bereich, die Kommunikation mit den Eltern, einen sinnvollen Leselehrgang und die Bereiche Authentizität, Sinnerfüllung und Anerkennung.

Zum Abschluss möchte ich Immanuel Kant zitieren, der in seinem Aufsatz „Was ist Aufklärung?“ aus dem Jahr 1784 alles Wesentliche zum Selber-Denken und der damit verbundenen Verantwortung gesagt hat. Niemand könnte das heute treffender formulieren:

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter majorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt u.s.w., so brauche ich mich ja nicht selber zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen.

(Immanuel Kant, 1999, 1784, Was ist Aufklärung? Philosophische Bibliothek Hamburg, Nachdruck aus der Berlinischen Monatsschrift)

Wage es also, mit Kant, selber zu entscheiden, was für das Erreichen der angestrebten Ziele wichtig ist, verwende Schulbücher so, dass du das Nützliche herausgreifst und das Überflüssige weglässt und werde zum Herrn oder zur Herrin über die Zeit in deiner Klasse. Dann hast du einen wichtigen Schritt hin zu deiner eigenen Autonomie getan und damit auch ganz entscheidend zu mehr Entspannung und weniger Stress im Schulalltag beigetragen.

Christina Buchner

Die Autorin:

Christina Buchner arbeitete viele Jahre als Lehrerin an Grund- und Hauptschulen und war 16 Jahre Rektorin an Grundschulen im Landkreis München.
Sie ist in Oberbayern auf dem Land aufgewachsen. Ihre Kindheit war geprägt durch große Freiheit, Nähe zur Natur, Freude an Büchern und die Möglichkeit, kreative Einfälle in die Tat umzusetzen.
Vor diesem Hintergrund war es ihr von Anfang an ein zentrales Anliegen, für ihre Schüler eine bunte und anregende Lernwelt zu schaffen.

Sie ist nach wie vor fest davon überzeugt, dass in der Schule ohne Freude, Begeisterung und ohne Erfolgserlebnisse sehr wenig läuft. Die Mischung aus Pflicht und Freude, aus Begeisterung und konsequenter Übung, aus Disziplin und individueller Freiheit beim Lernen ist ihr Markenzeichen. Für diese Mischung wirbt sie in ihren Büchern und in Vorträgen und Lehrerfortbildungen in Deutschland, Österreich, Italien, der Schweiz und Luxemburg.
Christina Buchner entwickelte eigene Methoden für das Lesenlernen, für Rechtschreiben und Schreiberziehung, für den elementaren Mathematikunterricht und für das Theaterspielen mit einer Klasse.
Ihr MatheBlog: www.die-rechentante.de
Ihre Website: www.christina-buchner.de




Studie: Mangelnde Deutschkenntnisse belasten schulische Leistungen

Potenziale der Zuwanderung im Bildungssystem müssen besser gehoben werden

Nicht der Migrationshintergrund generell, aber fehlende Deutschkenntnisse und Bildungsferne der Eltern haben stark-negative Auswirkungen auf die Bildungs- und späteren Arbeitsmarktchancen von Zuwandererkindern, so das Ergebnis des neuesten INSM-Bildungsmonitors, das die Bildungsexperten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter Leitung von Professor Axel Plünnecke im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erstellt haben.

Die Studie zeigt, dass nicht Zuwanderung das Problem im Bildungsbereich verschärft, sondern die unzureichende Integration der Kinder bildungsferner Familien. (INSM-Geschäftsführer Thorsten Alsleben)

Damit würden erhebliche demografische Potenziale ungenutzt gelassen.

Der Migrationshintergrund ist nicht alleine der Grund

15-jährige Kinder mit Migrationshintergrund weisen im Durchschnitt geringere Kompetenzen im Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften auf. Die Analysen der IW-Bildungsexperten zeigen, dass Kinder in den PISA-Kompetenzen dann schlechter abschneiden, wenn die Eltern gering qualifiziert sind, wenn wenig Bücher zu Hause vorhanden sind und wenn im Elternhaus nicht deutsch gesprochen wird. Der Migrationsstatus an sich hat keinen signifikanten Effekt. Dies zieht sich durch bis hin zur Arbeitsmarktintegration: Auch hier wirkt sich Migrationshintergrund allein in keiner Weise negativ aus, sondern erst dann, wenn die Menschen mit Migrationshintergrund schlechtere Sprachkenntnisse aufweisen und geringer qualifiziert sind.

Weniger vorgelesen und weniger Kindergarten

Die IW-Experten zeigen durch Auswertungen von PISA- und SOEP-Daten weiterhin, dass Kleinkindern mit Migrationshintergrund weniger oft Bücher vorgelesen werden und sie seltener über einen längeren Zeitraum den Kindergarten besuchen. Besonders groß sind die Herausforderungen bei Kindern, die selbst zugewandert sind. Rund 40 Prozent dieser Kinder hat kein Elternteil mit guten deutschen Sprachkenntnissen und ihnen steht seltener ein eigener Raum für die Hausaufgaben zur Verfügung.

Schulen mit höherem Anteil mit Schüler*innen mit Migrationshintergrund sind mehr gefordert

Zudem besuchen 54 Prozent dieser 15-jährigen Jugendlichen Schulen, in denen über die Hälfte der Mitschüler einen Migrationshintergrund haben – bei Kindern ohne Migrationshintergrund sind dies lediglich knapp 28 Prozent. Diese Schulen sind besonders herausgefordert, Kinder und Jugendliche bei den Sprachkompetenzen zu fördern. Die Sprachförderung der Kinder ist von zentraler Bedeutung und muss bereits vor der Grundschule in der frühkindlichen Bildung alle betroffenen Kinder erreichen. Die Bundesländer in Deutschland gehen dabei sehr unterschiedlich vor und erreichen zum Teil nicht alle Kinder mit verpflichtenden Angeboten.

Über 40 Prozent der Kinder im Alter unter 15 Jahren haben einen Migrationshintergrund. Die Zuwanderung stellt damit ein großes Potenzial dar, die demografische Herausforderung bei der Fachkräftesicherung zu meistern. Gute Lese- und Sprachkompetenzen sind der Schlüssel, diese Potenziale zu heben. (Studienleiter und IW-Bildungsökonom Professor Dr. Axel Plünnecke)

Deshalb müsse der volle Fokus der Bildungspolitik darauf liegen, zielgerichtet die Kinder zu fördern, die aus bildungsfernen Haushalten stammen und die zu Hause nicht gut in der deutschen Sprache gefördert werden können.

Bei der Förderung in Kindergärten zeigt sich ein besorgniserregender Trend. So ist der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund im Alter zwischen drei und sechs Jahren, die in einer Kita betreut werden, von 85 Prozent im Jahr 2013 auf nur noch 78 Prozent im Jahr 2022 gesunken. Zum Vergleich: Bei den Kindern ohne Migrationshintergrund stieg der Anteil im selben Zeitraum von 98 auf 100 Prozent.

Der Psychologe und Integrationsexperte Ahmad Mansour fordert bei der Vorstellung des INSM-Bildungsmonitors ebenfalls eine zielgerichtetere Förderung für benachteiligte Kinder:

„Wenn eine Klasse überwiegend aus Schülern besteht, die die deutsche Sprache nicht beherrschen und aus bildungsfernen Familien stammen, kann dies das Lehrpersonal überfordern und zu einer Leistungssenkung führen, was die Chancen dieser Schüler auf Erfolg deutlich verringert.“

Kitapflicht gefordert

Mansour fordert daher eine Kitapflicht bei Sprachdefiziten und gezielte Förderung von Schulen in Problembezirken.

„Wir haben hier riesige Potenziale, die uns helfen können, die Herausforderungen unserer überalternden Gesellschaft zu meistern. Doch die Politik kümmert sich nicht richtig darum.“ (INSM-Geschäftsführer Thorsten Alsleben)

Die INSM und die Bildungsökonomen des IW fordern, dass viel gezielter in die frühkindliche Bildung investiert wird. Die Kinder mit Sprachdefiziten müssten bundesweit im Alter von vier Jahren durch verpflichtende Tests identifiziert werden, und für sie müsste eine Pflicht gelten, damit die Defizite aufgeholt werden können, bevor sie in die Schule kommen.

Jeder investierte Euro spart später viel Geld

„Jeden Euro, den wir zielgerichtet in die frühkindliche Bildung investieren, spart uns später ein Vielfaches bei drohenden Reparaturarbeiten und trägt langfristig zu Fachkräftesicherung und Wohlstand bei“, so Alsleben. Auch müsse das Startchancenprogramm für benachteiligte Schüler deutlich ausgeweitet werden. So dürften nicht nur rund zehn Prozent der Schulen mit einem ungünstigen Sozialindex besonders gefördert werden, sondern das Programm sollte auf rund 40 Prozent der Schulen ausgeweitet werden. Ansonsten erreiche man nur einen zu kleinen Anteil an Kindern mit besonderen Bildungsproblemen und trage die Probleme immer weiter in die Zukunft.

Weitere Informationen unter https://insm.de/bildungsmonitor-2024

Quelle: Pressemitteilung INSM




Trotz Hitzewellen sind viele Schulhöfe versiegelt und unbeschattet

Deutsche Umwelthilfe und Deutsches Kinderhilfswerk fordern bundesweit klimaangepasste Schulhöfe

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) fordern in einem neuen Bündnis bundesweite Maßnahmen für naturnahe und klimaangepasste Schulhöfe. Konkret fordern die Organisationen die konsequente Entsiegelung unnötig verschlossener Flächen und klare Mindestanforderungen für die klimafreundliche Umgestaltung. Enorm viele Schulhöfe in Deutschland sind stark versiegelt und bieten Kindern und Jugendlichen viel zu wenig Grün zum Schutz vor der zunehmenden Hitze. Entsiegelte Schulhöfe verringern zudem drohende Schäden durch Folgen des Klimawandels wie Dürre und Starkregen, tragen zur Verbesserung der kommunalen Klimaanpassung bei und entlasten hitzegeplagte Wohnquartiere.

Jeder kann Anträge stellen

Die DUH ruft darüber hinaus alle Bürgerinnen und Bürger auf, mit einem Antrag in ihrer Stadt auch kurzfristig grüne Schulhöfe zu fordern. Mit wenigen Klicks ist dies ab sofort über die Webseite der DUH möglich: https://www.duh.de/projekte/gruene-schulhoefe/

Schulhöfe entsiegeln und naturnah gestalten

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Es ist erschreckend, dass die meisten der über 32.000 Schulhöfe in Deutschland immer noch aus grauen Asphaltwüsten bestehen. In Deutschland gibt es rund neun Millionen schulpflichtige Kinder und Jugendliche. Sie sollten draußen lernen und sich in ihrer Schulpause erholen können, statt der drückenden Hitze ihres Schulhofs ausgeliefert zu sein. Schulhöfe in Deutschland müssen dringend entsiegelt und naturnah umgestaltet werden. Dafür braucht es verbindliche Regelungen für Mindeststandards beim Neubau und der Sanierung von Schulgeländen. Wir fordern Bildungsministerin Stark-Watzinger und Bauministerin Geywitz auf, umgehend eine Gesetzesinitiative für grüne Schulhöfe auf den Weg zu bringen. Bis dahin müssen es die Kommunen aber selbst in die Hand nehmen. Wir rufen daher alle Bürgerinnen und Bürger, Eltern, Schülervertreterinnen und Lehrkräfte auf: Machen Sie mit und stellen Sie jetzt einen Antrag für klimafreundliche Schulhöfe in Ihrer Stadt!“ 

Weg aus der Tristesse

Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des DKHW: „Wir müssen endlich wegkommen von Schulhöfen, die außer Tristesse nichts zu bieten haben. Insbesondere im Zuge des Ganztagesausbaus muss diesem wichtigen Lebensraum der Kinder und Jugendlichen deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden als bisher. Wir brauchen flächendeckend Schulhöfe mit Aufenthaltscharakter, von denen nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Natur deutlich profitieren. Durch viele tolle partizipative Projekte, die es schon gab und gibt, wissen wir, dass bei der Umgestaltung der Kreativität und der Bereitschaft, auch selbst mit anzupacken, fast keine Grenzen gesetzt sind – wenn die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden. Schülerinnen und Schüler brauchen naturnah gestaltete Außenräume, die einen Aufenthalt und sogar Unterricht an der frischen Luft, in grüner und anregender Umgebung gewährleisten. Hierzu zählen neben der naturnahen Umgestaltung von Schulhöfen auch die Einrichtung von grünen Klassenzimmern oder Schulgärten mit vielfältigen Möglichkeiten zum Naturerleben und mit hoher Aufenthaltsqualität.“ 

Die DUH hat in verschiedenen Projekten bereits mehr als 80 Schulen bei der Umgestaltung unterstützt. Zur Aktionsseite: https://www.duh.de/projekte/gruene-schulhoefe/

Quelle: Pressemitteilung DUH




Die Folgen der Pandemie auf die Arbeit von Lehrkräften

Neues Impulspapier des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen diskutiert empirische Befunde

Die staatlich angeordneten Maßnahmen zum Schutz vor dem Covid-19-Virus trafen den Bildungsbereich in umfangreicher Hinsicht. Nicht nur Kinder und Jugendliche waren starken Belastungen ausgesetzt, auch die Lehrtätigkeit an Schulen erfuhr massive Einschränkungen. Wie blicken Lehrkräfte aus heutiger Perspektive zurück auf die pandemische Zeit zwischen 2020 und 2022? Welche langfristigen Folgen hinterlässt die Krise für die Arbeit von Lehrkräften?

Soziologische Pandemiefolgenforschung

Diesen Fragen geht das Forschungsprojekt „Soziologische Pandemiefolgenforschung am SOFI Göttingen“ nach, welches vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) im Zeitraum vom 01.10.2021 bis 31.12.2024 gefördert wird. Ziel des Projekts ist die Analyse arbeitsweltlicher Nachwirkungen der Pandemie in verschiedenen Branchen. Eine davon ist der Bildungsbereich, in dem die Arbeit von Lehrkräften in den Blick genommen wurde. In diesem Kontext entstand die Masterarbeit von Lena Schwerdt, Mitautorin der Publikation, an der Universität Göttingen. Einige empirische Befunde werden im neuen Impulspapier diskutiert. Die empirische Basis bilden sieben Interviews von Lehrkräften aus verschiedenen weiterführenden und allgemeinbildenden Schulformen zu ihren Erfahrungen und ihrer Bilanz aus der Pandemie.

Beschleunigte Digitalisierung

Als sichtbarste Veränderung wird die beschleunigte Digitalisierung in den Schulen gesehen. Der Ausbau digitaler Kommunikationssysteme und der Einzug von Tablets und digitalen Tafeln in die Klassenräume wirken sich in hohem Maße auf den gegenwärtigen Arbeitsalltag der Lehrkräfte aus. Möglichkeiten der digitalen Kooperation unter den befragten Lehrkräften bieten Potenziale der Arbeitserleichterung. Im Gegenzug bringen zunehmende Kommunikationsmöglichkeiten aber auch neue Belastungen mit sich. Spürbar sind laut Aussage der befragten Lehrkräfte ebenfalls Veränderungen im sozialen Verhalten der Schüler:innen. „Hieraus ergeben sich neue Anforderungen an die pädagogische Arbeit“, kommentiert Lena Schwerdt die empirischen Befunde. Bilanzierend stellen die Lehrkräfte im Rückblick auf die Pandemie die Bedeutung der Beziehungsarbeit heraus.

Weitere Impulspapiere sollen folgen

Sarah Herbst, Co-Autorin und Forscherin am SOFI, weist darauf hin, dass aus dem Projekt noch weitere Impulspapiere in der Reihe „Arbeitsweltliche Folgen der Coronakrise“ folgen werden und es spannend sein wird, die Diskussionsbeiträge über das Pandemiegeschehen in unterschiedlichen Branchen und Bereichen zu vergleichen.

Veröffentlichung:

Schwerdt, Lena; Herbst, Sarah (2024): Arbeitsweltliche Folgen der Coronakrise I. Empirische Einblicke in die Arbeit von Lehrkräften. SOFI-Impulspapier.
Kostenfreier Download des Impulspapiers: https://sofi.uni-goettingen.de/fileadmin/user_upload/Impulspapier_Corona_I_Lehrkraefte.pdf

Dr. Jennifer Villarama, Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI)




Bilderbuchkino: Herr Rock, eine Burg und ein überraschendes Happy End

Video-Boris

Der Künstler und Illustrator Boris Zatko hat sein Bilderbuch verfilmt – Hier das Video

Boris Zatkos Bilderbuch „Die Festung des Herrn Rock“ ist ein lustiges und bezauberndes Plädoyer für eine bunte, lebendige Gesellschaft. Dabei will Herr Rock doch endlich einmal seine Ruhe haben. Darum beschließt er, sich eine eigene Burg mit dicken Wänden zu bauen. Das kann er natürlich nicht alleine. So holt er sich notgedrungen Hilfe von Frau Tasar, der Architektin, die ihm zu großen Fenstern rät, Herrn Batir, dem Bauunternehmer, der ihm bunte Farben für die Wände vorschlägt und vielen anderen. Am Ende kommt alles anders, als es sich Herr Rock ausgedacht hatte.

boris-video

Der Schweizer Künstler, Autor und Illustrator hat sein Bilderbuch nun selbst „verfilmt“. Der richtige Ort dafür ist selbstverständlich die Ruine einer mittelalterlichen Burg, genauer auf der Burg Pfeffingen im Baselland. Hier liest er seine lustige Geschichte und illustriert sie mit seinen bezaubernden Bildern. Wir wünschen allen kleinen und großen Zuschauern viel Spaß dabei.

Das Bilderbuch

Das Bilderbuch „Die Festung des Herrn Rock“ von Boris Zatko ist im Oberstebrink Verlag erschienen. Das Buch gibt es im Buchhandel oder direkt beim Verlag versandkostenfrei.

Boris Zatko
Die Festung des Herrn Rock
28 Seiten, gebundenes Buch
Oberstebrink Verlag 2016
ISBN: 978-3-934333-68-0
12,95 €




Die Hälfte der Schulkinder nutzt im Unterricht ein Tablet

Ein Drittel der Eltern fürchten eine Ablenkung vom Schulunterricht

Während die meisten skandinavischen Länder, Frankreich, Großbritannien und selbst Italien Bildschirmgeräten im Unterricht den Rücken kehren, geht man in Deutschland einen anderen Weg. Wie eine repräsentative Umfrage von Civey im Auftrag der DEVK Versicherungen festgestellt haben will, verwenden rund 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler inzwischen ein Tablet im Unterricht. Im Mai wurden dazu 2.000 Eltern von Kindern befragt, die eine Grundschule oder eine weiterführende Schule besuchen. In den westdeutschen Bundesländern sind es 54,1 Prozent, in den ostdeutschen 35,8 Prozent. Einer der Gründe könnte sein, dass an westdeutschen Schulen Tablets vielfach schon vorgeschrieben sind (55,8 Prozent), an ostdeutschen Schulen weniger (40,2 Prozent). Im Bundesdurchschnitt sind sie für 53,1 Prozent der Kinder obligatorisch. Darüber hinaus verwenden Schülerinnen und Schüler sie oft freiwillig.

Gen Z sorgt sich offenbar mehr um Unversehrtheit der Geräte

Fast ein Drittel der Eltern, deren Kinder Tablets im Unterricht nutzen, haben keine Bedenken, dass ihre Söhne und Töchter in der Schule damit arbeiten. Allerdings sorgen sich fast genauso viele, dass es vom Unterricht ablenken könnte. Rund ein Viertel der Befragten befürchtet Diebstahl (27,3 Prozent) oder Verlust (23,5 Prozent). Große Unterschiede zeigen sich hier beim Alter der Eltern. Junge Väter und Mütter zwischen 18 und 29 Jahren, die schon zur „Gen Z“ zählen, befürchten vor allem eine Beschädigung am Tablet (54,6 Prozent), haben aber kaum Bedenken, dass es vom Unterricht ablenken könnte (rund 1 Prozent). Dagegen vermutet fast die Hälfte der Väter und Mütter zwischen 30 und 39 Jahren, die noch zur „Gen Y“ gehören, eine Ablenkung (47,8 Prozent), hat aber weniger Angst vor Beschädigung (19,5 Prozent).

Quelle: Pressemitteilung DEVK




Kinder können eine einmal begonnene Bewegung nicht einfach unterbrechen

Unfallforschung der TU Graz: Rennende Grundschulkinder benötigen 1,8 Meter zum Stehenbleiben

Die unfalltechnische Rekonstruktion von Verkehrsunfällen liefert wichtige Erkenntnisse hinsichtlich deren Vermeidbarkeit. Sind Fußgänger*innen beteiligt, nutzen Sachverständige kinematische Modelle, die typische Werte für Beschleunigung, Geschwindigkeit, Reaktionszeit und die zum Stehenbleiben benötigte Strecke umfassen. Für Kinder gab es bislang allerdings keine entsprechenden Daten, obwohl sich ihre Bewegungsmuster deutlich von denen Erwachsener unterscheiden. Im Rahmen des Forschungsprojekts KISIMO haben Ernst Tomasch vom Institut für Fahrzeugsicherheit der TU Graz und Bettina Schützhofer vom verkehrspsychologischen Institut „sicher unterwegs“ nun solche Daten für Kinder im Volksschulalter erhoben und für die Unfallforschung zur Verfügung gestellt.

1,8 Meter bis zum Stillstand – unabhängig vom Alter

„Anders als Erwachsene können Kinder bis zu einem gewissen Alter eine begonnene Bewegung nicht einfach unterbrechen“, sagt die Verkehrspsychologin Bettina Schützhofer. Daher brauchen sie im Straßenverkehr mehr Zeit und mehr Strecke, bis sie stehenbleiben können. Die Forschenden haben daher mit Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren Bewegungsversuche durchgeführt, bei denen diese gehen oder laufen mussten, um beim Ertönen eines Pfiffs schnellstmöglich anzuhalten. Ein zentrales Ergebnis dabei: Unabhängig vom Alter brauchten rennende Kinder rund 1,8 Meter, um zum Stehen zu kommen. „Die älteren Kinder reagierten schneller auf das Signal und konnten auch stärker abbremsen“, erläutert Ernst Tomasch. „Aufgrund ihrer höheren Ausgangsgeschwindigkeit war ihr Bremsweg aber gleich lang wie der der jüngeren Kinder.“

Die Forschenden haben mit Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren Tests durchgeführt, bei denen diese gehen oder laufen mussten, um beim Ertönen eines Pfiffs schnellstmöglich anzuhalten.

Verkehrsraum für Kinder einsehbar gestalten

Ihre Daten zu Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeiten und Anhalteweg von Volksschulkindern haben die Forschenden bereits auf Workshops mit Unfallsachverständigen präsentiert. Die Erkenntnisse können aber auch die verkehrssichere Planung des Straßenraums erleichtern. „Der Verkehrsraum sollte für Kinder daher soweit einsehbar sein, dass sie bei Gefahr rechtzeitig stehen bleiben können“, sagt Ernst Tomasch.

Das Forschungsprojekt KISIMO wurde gefördert mit Mitteln des Österreichischen Verkehrssicherheitsfonds im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Rahmen der 6. VSF-Ausschreibung „schwer-Verkehr-sicher!“.

Weitere Informationen:

https://www.tugraz.at/forschung/fields-of-expertise/mobility-production/ueberblick-mobility-production

Diese Forschung ist im Field of Expertise „Mobility & Production“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.

Philipp Jarke, Technische Universität Graz