Influencer-Marketing: foodwatch deckt illegale Gesundheitsversprechen auf

Verbraucherschützer kritisieren massive Verstöße gegen EU-Recht in Instagram-Werbung – und fordern schärfere Kontrollen im Netz
Ein neuer Report der Verbraucherorganisation foodwatch zeigt in alarmierender Deutlichkeit: In sozialen Netzwerken kursieren massenhaft gesundheitsbezogene Werbeaussagen für Nahrungsergänzungsmittel – häufig in rechtlich unzulässiger Form. foodwatch hat im Rahmen einer aktuellen Untersuchung die Instagram-Stories von 95 Fitness- und Gesundheitsinfluencer*innen analysiert und dabei systematische Verstöße gegen geltendes EU-Recht festgestellt.

Verstöße gegen EU-Recht in jedem einzelnen untersuchten Fall
Laut foodwatch verstießen sämtliche untersuchten Beiträge mit Gesundheitsversprechen gegen die europäische Health-Claims-Verordnung (HCVO). Diese schreibt genau vor, wie mit gesundheitsbezogenen Aussagen geworben werden darf – mit dem Ziel, Verbraucher*innen vor Irreführung zu schützen.
„Was sich in sozialen Medien abspielt, ist der Wilde Westen der Gesundheitswerbung. Ohne Kontrolle, ohne Regeln, ohne Rücksicht auf Risiken“, sagte Dr. Chris Methmann, Geschäftsführer von foodwatch. „Die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln sind in Goldgräberstimmung – Verbraucher*innen zahlen, im schlimmsten Fall mit ihrer Gesundheit.“

Jeder dritte Post enthält unzulässige Aussagen
Untersucht wurden 358 Instagram-Stories mit Bezug zu Nahrungsergänzungsmitteln, in denen insgesamt 152 verschiedene Produkte beworben wurden. Rund ein Drittel der Stories enthielt laut foodwatch gesundheitsbezogene Aussagen – und in jedem einzelnen dieser Fälle seien die Aussagen nicht mit der HCVO vereinbar gewesen.

Beispiele für unzulässige Werbung: Heilversprechen und Scheinwissenschaft
Die Verstöße reichten von unzulässigen Heilungsversprechen über wissenschaftlich unbelegte Wirkungsbehauptungen bis hin zu allgemeinen Gesundheitsversprechen ohne zulässige Referenzierung. Drei exemplarische Fälle aus dem Report:
- Heilungsversprechen: Influencerin Corinna Roloff („thecosmococo“) schreibt, ihre verbesserten Leberwerte seien auf ein Präparat von Sunday Natural zurückzuführen. Solche Aussagen sind laut HCVO nicht erlaubt.
- Wissenschaftlich unbelegte Aussagen: Dmitrij Kreis („dimakreis“) wirbt für Kollagenprodukte seiner eigenen Marke und behauptet, sie machten Haut und Gelenke elastischer. Für Kollagen sind laut foodwatch keine entsprechenden Gesundheitswirkungen offiziell zugelassen.
- Unspezifische Versprechen: Albert Häußler („albert.fitlifestyle“) bewirbt Produkte der Marke ESN mit dem Versprechen von besserem Schlaf und Regeneration – ohne die laut Verordnung nötige Absicherung durch zugelassene Aussagen.

Zwei Unternehmen besonders im Fokus
Besonders häufig fielen zwei Hersteller auf: die in Schleswig-Holstein ansässige „The Quality Group“ (u. a. Marken ESN und More Nutrition) sowie der Berliner Hersteller Sunday Natural. Die Marke ESN wurde laut foodwatch in 47 Stories mit unzulässigen Aussagen beworben. Beide Unternehmen kooperieren mit einer Vielzahl prominenter Influencer:innen, die in ihren Communities als besonders vertrauenswürdig gelten.

Kontrolle im digitalen Raum kaum möglich
foodwatch sieht die Ursache für die ausufernde irreführende Werbung in einem strukturellen Vollzugsdefizit. Die kommunale Lebensmittelüberwachung in Deutschland sei personell unterbesetzt und auf analoge Aufgaben fokussiert. Die Kontrolle digitaler Werbeinhalte sei damit kaum noch möglich. Deshalb fordert foodwatch eine zentrale, bundesweite Überwachungseinheit, die mit ausreichend Personal und finanziellen Mitteln ausgestattet ist, um den Online-Markt effektiv zu regulieren.

Der vollständige Report mit dem Titel „Zu #gesund um wahr zu sein? Wie Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln mit falschen Versprechen Kasse machen“ steht auf der Website von foodwatch zur Verfügung. Dort finden sich auch eine Fotostrecke mit Beispiel-Stories, eine Liste der 145 bewerteten Aussagen sowie weitere Informationen zur Methodik der Untersuchung.
Quellen und weiterführende Informationen:
- foodwatch-Report: „Zu #gesund um wahr zu sein? Wie Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln mit falschen Versprechen Kasse machen”
- Fotostrecke mit Beispielen für irreführende Influencer-Werbung (Download)
- Beispiel-Instagram-Stories mit irreführenden Gesundheitsversprechen
- Liste der 145 von foodwatch bewerteten gesundheitsbezogenen Aussagen