Facebook, Instagram, Snapchat – Kinder und Jugendliche reagieren zunehmend überempfindlich
Die Gehirne von Kindern und Jugendlichen, die soziale Medien intensiv nutzen, entwickeln sich anders als die von Altersgenossen, die sparsamer damit umgehen. Das hat eine Langzeitstudie von Forschern der University of Northern Carolina mit 169 Probanden ergeben, die Mittelschulen in diesem US-Bundesstaat besuchen. Zu Beginn der Untersuchung wurden die Teilnehmer gefragt, wie oft sie die beliebten Plattformen Facebook, Instagram und Snapchat nutzen. Ihre Antworten reichten von weniger als einmal bis mehr als 20 Mal am Tag.
Zwanghafte Nutzung nimmt zu
Innerhalb von drei Jahren haben die Forscher mithilfe eines MRT die Aktivitäten der Gehirne während bestimmter Aktivitäten auf den jeweiligen Plattformen aufgezeichnet, bei denen die Teilnehmer soziales Feedback von Gleichaltrigen erwarteten. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kinder, die häufiger soziale Medien nutzen, auf Feedback von Gleichaltrigen überempfindlich reagieren“, sagt Forschungsleiterin Eva Telzer. Diese erhöhte Sensibilität für soziales Feedback könne die künftige zwanghafte Nutzung sozialer Medien fördern, befürchtet auch Kollegin Maria Maza.
„Die meisten Jugendlichen beginnen mit der Nutzung von sozialen Medien in einer der wichtigsten Phasen der Entwicklung des Gehirns“, sagt Co-Autor Mitch Prinstein, der auch als Chief Science Officer für die American Psychological Association tätig ist. „Unsere Forschung zeigt, dass die Überprüfung des Verhaltens im Social Web langfristige und wichtige Konsequenzen für die neuronale Entwicklung von Jugendlichen haben könnte, was für Eltern und politische Entscheidungsträger entscheidend ist, wenn sie die Vorteile und potenziellen Schäden, die mit der Nutzung der Medien verbunden sind, abwägen.“
Das Gros der Kinder ist gefährdet
Aus früheren Untersuchungen geht hervor, dass 78 Prozent der 13- bis 17-Jährigen sich mindestens stündlich mit ihren Plattformen beschäftigen. 35 Prozent nutzen mindestens eine der fünf wichtigsten Social-Media-Plattformen fast ständig. „Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass das wiederholte Überprüfen von Social Media bei Zwölf- bis 13-Jährigen über einen Zeitraum von drei Jahren die Entwicklung ihrer Gehirne beeinträchtigen kann“, verdeutlicht Telzer abschließend.
Quelle: Wolfgang Kempkens/pressetext.com
Der frühe Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erhöht die Bildungschancen
geschrieben von Redakteur | Januar 5, 2023
Neue Analysen des BiB und bisherige Befunde zu den Wirkungen der Staatsangehörigkeitsreform
30 Prozent der in Deutschland lebenden Kinder haben mindestens ein Elternteil mit eigener Migrationserfahrung. Auch ein Teil von ihnen würde von der derzeit diskutierten Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes profitieren. Analysen zu den Wirkungen früherer Reformen des Staatsangehörigkeitsrechts geben Hinweise darauf, dass die Einführung des Geburtsortsprinzips beim Erwerb der Staatsangehörigkeit die Bildungschancen der davon betroffenen Kinder begünstigt. So zeigen neue Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), dass sich mit dem Erlangen der deutschen Staatsangehörigkeit bei Geburt sowohl Bildungserwartungen als auch schulische Leistungen von Kindern ausländischer Eltern erhöhen können. Erwartungen von Kindern und Eltern hinsichtlich künftiger Schulabschlüsse der Kinder, sogenannte „Bildungsaspirationen“, gelten als wichtiger Indikator für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen. Das zeigen zahlreiche nationale und internationale Studien.
Frühzeitiger Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erhöht den Bildungserfolg bei Kindern
Analysen des BiB auf Basis des Nationalen Bildungspanels (NEPS) haben die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1999 evaluiert, mit der das sogenannte „Geburtsortsprinzip “ ergänzend eingeführt wurde. Dies bedeutet: Kinder ausländischer Eltern, die ab dem 1. Januar 2000 in Deutschland geboren wurden und von denen mindestens ein Elternteil bereits mindestens acht Jahre lang rechtmäßig in Deutschland gelebt hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt, erlangen automatisch bei Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit.
Zur Messung eines möglichen kausalen Effektes des frühen Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit auf den Bildungserfolg von Kindern vergleicht das BiB Kinder auf zwei verschiedenen Ebenen:
Zum einen Kinder, die im Jahr vor der Reform geboren sind mit Kindern, die im Jahr nach der Reform geboren wurden.
Zum anderen Kinder, deren Eltern die vorgeschriebene achtjährige Aufenthaltsbedingung erfüllen mit Kindern, deren Eltern diese Bedingung nicht erfüllen.
Die Ergebnisse des BiB belegen, dass sich der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit von Kindern bei Geburt positiv auf die Wahrscheinlichkeit auswirkt, wonach das Abitur der gewünschte und als realistisch angesehene Schulabschluss des Kindes und der Eltern ist.
„Sowohl Eltern als auch Kinder selbst erwarten sehr viel häufiger als diejenigen, die nicht von der Reform betroffen waren, dass das Kind bzw. es selbst die Schule mit dem Abitur abschließt“, erklärt Elena Ziege, Bildungsforscherin am BiB. Es sind 14 bzw. 16 Prozent mehr, die dies erwarten. Mit der deutschen Staatsangehörigkeit steigt aber nicht nur die Erwartung, das Abitur erfolgreich abzuschließen – es nimmt auch die Wahrscheinlichkeit zu, dass das Kind nach der vierten Klasse tatsächlich ein Gymnasium besucht. Im Vergleich zu den Kindern, die nicht von der Reform betroffen waren, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von 46 auf 62 Prozent. Der Effekt, dass eher ein Gymnasium besucht wird, lässt sich über die gesamte Schulzeit beobachten.
Teilhabe der Kinder steigert soziale Interaktion der Eltern
Andere wissenschaftliche Untersuchungen belegen ebenfalls die positive Wirkung des frühzeitigen Staatsangehörigkeitserwerbs auf Kinder mit Migrationshintergrund: Die deutsche Staatsangehörigkeit vergrößert demnach auch die Wahrscheinlichkeit eines Kitabesuchs. Zusätzlich verbessern sich ihre Deutschkenntnisse, das sozioemotionale Verhalten und die Schulleistungen. Darüber hinaus wiederholen Kinder, die nach der Staatsangehörigkeitsreform die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erwerben konnten, seltener eine Klasse.
Weitere Studienergebnisse zeigen auch, dass sich durch den frühen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit der Kinder die soziale Interaktion der Eltern mit Deutschen erhöht. Darüber hinaus verbessern die Eltern ihre Deutschfähigkeiten und lesen häufiger deutsche Zeitungen, was sich wiederum positiv auf die Kinder auswirken kann. „In der empirischen Forschung gibt es zahlreiche Hinweise darauf, welche positiven Auswirkungen ein früherer Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auf die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland haben könnte – auch das sollte bei der gegenwärtigen Diskussion nicht außer Acht gelassen werden“, so BiB-Direktorin C. Katharina Spieß.
Dr. Christian Fiedler Pressestelle, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)
4 x 2 Kinogutscheine für „Was man von hier aus sehen kann“ zu gewinnen
geschrieben von Redakteur | Januar 5, 2023
Den Bestseller von Maria Leky hat Aron Lehmann für das Kino verfilmt
„Mir ist noch genau vor Augen, wie mir Aron damals die ganze Ausstattung anhand von Moodboards und Bildern von Orten gezeigt hat, lange bevor der ganze Dreh überhaupt losging. Das war fast unheimlich – auf eine gute Art! –, weil ich das Gefühl hatte, als wäre jemand in meinen Kopf hineingekrochen und hätte da drin alles fotografiert, solche Orte gefunden, wie sie mir vorgeschwebt waren, wie es hätte sein können. Das war für mich ein großartiges Erlebnis.“, erzählt Maria Leky über die Verfilmung ihres Buches „Was man von hier aus sehen kann.“ Mit Aron meint sie den Regisseur Aron Lehmann (Die letzte Sau, Highway to Hellas, Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel).
Eben ist der Film in den Kinos gestartet und beide sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Für den Erfolg stehen dabei vor allem bekannte Schauspieler wie Luna Wedler, Corinna Harfouch oder Karl Markovics. Weniger bekannt ist dagegen der Ort, an dem der Film größtenteils gedreht wurde: das Dörfchen Ulrichstein in Hessen. Das einzige Motiv, das nicht in Ulrichstein, sondern südlich von München gedreht wurde, waren die Innenräume von Selmas Haus.
Selma hat eine besondere Gabe: Sie kann den Tod voraussehen. Jedes Mal, wenn sie von einem Okapi träumt, stirbt jemand im Ort. Unklar ist allerdings, wen es treffen wird. Den Optiker (Karl Markovics), der mit inneren Stimmen kämpft und heimlich Selma liebt oder Martins Vater, den zornigen Palm (Peter Schneider), der immer wütend und betrunken ist? Die abergläubische Elsbeth (Hansi Jochmann), die buddhistischen Mönche in ihrem Haus beherbergt, Luise (Luna Wedler), Selmas Enkelin, Luises Mutter, Blumenladenbesitzerin Astrid (Katja Studt), die ein Verhältnis mit dem Eiscafé-Besitzer Alberto (Jasin Challah) hat oder die schlecht gelaunte Marlies (Rosalie Thomass)? Das ganze Dorf hält sich bereit: letzte Vorbereitungen werden getroffen, Geheimnisse enthüllt, Geständnisse gemacht, Liebe erklärt…
Lehmann ist es dabei gelungen, das Witzige aber auch Tiefgründige und Skurrile, das sich bereits im Buch findet, in den Film zu übersetzen. Die Romantiker finden eine ganze Reihe kleiner Liebesgeschichten im Film. So ist ein humorvoller Film mit Tiefgang entstanden, der sein Publikum knapp zwei Stunden lang in den Bann zieht.
Wie verlosen 4 x 2 Kinogutscheine. Das Stichwort ist diesmal Okapi.
Filmographie:
Genre: Drama Produktionsjahr: 2022 Produktionsland: Deutschland Darsteller: Luna Wedler, Corinna Harfouch, Karl Markovics u.v.a. Regie: Aron Lehmann Länge: 109 Minuten FSK: ab 12 Jahren Kinostart: 29. Dezember 2022
Das Gewinnspiel ist beendet.
Dieses Portal bietet reichhaltiges Material zu Kinderrechten
geschrieben von Redakteur | Januar 5, 2023
Auf dem Kinderrechte-Portal finden sich zahlreiche einschlägige Broschüren, Podcasts, Spiele und Unterrichtmaterialien
Zwar kennen immer mehr Menschen die Kinderrechte, dennoch geht der Prozess sehr langsam voran. Erst jüngst hat das Deutsche Kinderhilfswerk die Politik auf allen Ebenen dazu aufgefordert, die Kinderrechte in Deutschland bekannt zu machen. Einen guten Beitrag kann in allen deutschsprachigen Ländern das Kinderrechte-Portal leisten. Dabei handelt es sich um eine stetig wachsende Sammlung an empfehlenswerten Materialien zur Kinderrechtebildung. Sie umfasst viele Themenfelder. Gerade für pädagogische Fachkräfte kann es schwierig sein, das richtige Material für den entsprechenden Bildungsbereich mit einer passenden Medienart zu finden. Das Kinderrechte-Portal bündelt das bestehende diverse Angebot der vielen Mitglieder des Netzwerks Kinderrechte auf einer Plattform und ermöglicht es, Material zu sichten, zu filtern und zu sortieren.
Kinder haben ein Recht darauf, ihre Rechte zu kennen. Das Portal bietet Informationen und Material zu Kinderrechten von Umwelt bis Klimaschutz über Armut und soziale Sicherheit bis hin zu ganz grundlegendem Wissen zu Kinderrechten. Dabei wächst das Angebot an empfehlenswerten Materialien an. Broschüren, Podcasts, Spiele und komplett fertige Unterrichtmaterialien stehen hier zum Großteil für den kostenlosen Download oder zum Bestellen bereit. Zudem kann auch Material eingereicht werden, um es mit anderen Fachkräften zu teilen und so einen Beitrag zur Verbreitung und zum alltäglichen Umgang mit Kinderrechten zu leisten.
Quelle: Pressemitteilung der National Coalition Deutschland
Selbstbildung als Herausforderung und Notwendigkeit
geschrieben von Redakteur | Januar 5, 2023
Wer bin ich, was kann ich, was bewirke ich?
Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, hat einmal den Satz ausgesprochen: Drei Dinge sind extrem hart: Stahl, ein Diamant und sich selbst zu kennen. Gerade in der Pädagogik ist es von eminent hoher Bedeutung, sein eigenes „Ich“ möglichst realistisch zu erfassen, um Wirkungen des eigenen Verhaltens und die daraus mitbedingte, spezifische Reaktion des Gegenübers zu verstehen, weil jedwede Interaktion eine gegenseitige Beeinflussung bedeutet. Gleichzeitig sitzen elementarpädagogische Fachkräfte – und hier in besonderem Maße die Leitungskräfte – immer zwischen allen Stühlen und sind stets aufs Neue aufgefordert, berechtigte Ansprüche von innen und außen fachkompetent zu erfüllen und unberechtigte Ansprüche professionell und klar abzuwehren.
Selbstbildung ist nicht nur ein Recht der Kinder
Die Elementarpädagogik in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker – wenn auch in einer Wellenform – zu einer funktionalen und stark gesteuerten Disziplin entwickelt, in der hohe Erwartungsansprüche an Kinder gestellt wurden bzw. werden. Besonders zeigt sich dies ganz aktuell in den meisten Bildungsprogrammen, in denen festgelegt wird, was Kinder in den unterschiedlichen Bildungsbereichen alles „lernen sollen“. Dabei wird in den wenigsten Bildungsprogrammen – und hier sei vor allem das Bildungsselbstverständnis im Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt sowie in der Bildungskonzeption von Mecklenburg-Vorpommern als überaus rühmliche Ausnahme im Vergleich mit den 14 anderen Bildungsprogrammen besonders hervorgehoben – die Person der elementarpädagogischen Fachkraft in den Mittelpunkt gestellt. Ist sie es doch, die den Ausgangspunkt für Qualität bildet, um dem Mittelpunkt der Pädagogik – dem Kind – entwicklungsförderlich zur Seite zu stehen. Bei einer Schwerpunktlegung auf das Bildungsverständnis einer Selbstbildung geht es nicht um eine „Veränderung von Kindern“ sondern um eine veränderte Einstellung der elementarpädagogischen Fachkräfte zum eigenen Selbstverständnis und dem von Kindern.
Alle Erziehung ist nur Handreichung zur Selbsterziehung
Eduard Spranger, 1882-1963
Bildungsprogramme beinhalten in erster Linie (in indirekter Form) Anforderungen an die Selbstbildungsmotivation der Fachkräfte
Ebenso wie Kinder nicht gebildet werden können sondern sich durch Beziehungsangebote, Bindungserlebnisse und ein impulsgebendes Umfeld selbst bilden, brauchen elementarpädagogische Fachkräfte die innere Motivation, ihre eigenen Kompetenzen kritisch zu beleuchten, inwieweit sie durch ihre Persönlichkeitsstruktur und ihre personalen Ressourcen in der Lage sind, die für eine Unterstützung der Selbstbildungskräfte der Kinder notwendigen Kompetenzen zum Ausdruck zu bringen. Dies entspricht dem Grundsatz Pestalozzis, wenn er die Grundmaxime vertritt, Erziehung sei Liebe und Vorbild, sonst nichts. Und der große, irische Dichter und weitsichtige Humanist, Oscar Wilde, war stets der festen Überzeugung, dass Persönlichkeiten und nicht Grundsätze das Zeitalter bewegen und zugleich der einzelne Mensch keine Beziehung eingehen kann, solange er nicht seine unverwechselbare Individualität für sich entdeckt.
Armin Krenz Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht 20 PowerPointPräsentationen als Grundlage für Teambesprechungen, Fortbildungsveranstaltungen, Fachberatungen Softcover, 336 Seiten, druchgehend vierfarbig ISBN: 978-3-96304-613-1 29,95 € Die Power-Point-Präsentationen und Seminarunterlagen von Armin Krenz haben sich in zahllosen Vorträgen und Weiterbildungen bewährt. Sie vermitteln kurz und prägnant das Wesentliche für die pädagogische Praxis und stützen sich dabei auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse. Mit seinem Buch unterstützt er pädagogische Fachkräfte dabei, in Bereichen wie Raumgestaltung, Kindheitspädagogik oder in der Beziehung zum Kind aktuelles Wissen in die Praxis umzusetzen. Ob in der Ausbildung, als Vorbereitung auf Gespräche im Kita-Team oder zur Auffrischung des eigenen Fachwissens: Dieses Handbuch leistet in allen Bereichen unerlässliche Hilfe!
Das Ganze fordert zur selbstständigen Reflexion auf – vor allem Menschen, die mit anderen Menschen arbeiten und den Anspruch haben, durch ihr Wirken (als PERSON und mittels ihrer Arbeit) förderliche Entwicklungsprozesse beim Gegenüber auszulösen. Fremdbeobachtung wird dann zur Selbstbeobachtung, Bildungsangebote für Kinder werden dann zu Bildungsanforderungen, die die Fachkraft an sich selbst stellt, Erziehungsziele werden dann zu persönlichen Zielen umformuliert und Erwartungen/ Ansprüche an Kinder oder Eltern werden zu Qualitätsansprüchen an die eigene Person umgedeutet. Es ist durch die Bildungsforschung und Neurobiologie weithin belegt, dass alle Bildungsprozesse durch das Kind selbst angetrieben werden: den Treibstoff dafür liefert das Kind mit seiner Neugierde bzw. seinem Wunsch, die Welt zu entdecken und sich selbst zu erkunden und den Funken zur Zündung reicht ihm die Fachkraft mit ihren humanistisch orientierten, kommunikationsförderlichen Persönlichkeits- und hilfreichen Interaktionsmerkmalen.
Zwischen Lachen und Spielen werden die Seelen gesund
Arabisches Sprichwort
Ausgangspunkte für die Berechtigung der Selbstbildung
Alle Erwachsenen – so auch die elementarpädagogischen Fachkräfte – leiten ihre Vorstellungen über Kinder und ihre Entwürfe zur Pädagogik aus unbewussten Bildern sowie Erfahrungen/ Erinnerungen aus ihrer eigenen Kindheit ab und übertragen diese auch auf die ihnen anvertrauten Kinder. Bowlby, der Pionier der Bindungsforschung, vertrat die Ansicht, dass jeder Mensch dazu neigt, anderen das anzutun, was ihm selbst angetan wurde, so dass der tyrannisierende Erwachsene das tyrannisierte Kind von gestern ist. Selbstverständlich geschieht dies unterbewusst, unbeabsichtigt und gleichzeitig in der festen Überzeugung, die an den Tag gelegten Handlungen seien „gut für das Kind“. Insofern sind Maßstäbe, normativen Sichtweisen und verinnerlichten Grundsätze, die alle im Alltagsgeschehen zum Ausdruck kommen, weder per se professionell, mit Kompetenz ausgestattet oder durch Qualität gekennzeichnet. Um von einer Defizit- zu einer Ressourcenorientierung bei Kindern zu kommen, sind die folgenden fünf Kehrtwendungen notwendig:
1.) Ein radikaler Paradigmenwechsel von einer Defizit- zu einer Ressourcenorientierung (verbunden mit der Forderung, dass die Selbstbildung von Kindern nicht durch permanente, funktionalisierte und teilisolierte erzieherische Förderprogramme eingeschränkt/ abgebaut/ zerstört wird), 2.) Ein Verständnis, dass Kindheit eine eigenständige Lebensphase darstellt (und nicht als ein „unfertiges Erwachsenensein“ verstanden wird), 3.) Ein Selbstverständnis der elementarpädagogischen Fachkräfte, dass sie selbst mit ihren Ausdrucksweisen und Umgangsformen die wichtigste Bildungsmethodik darstellen und diese nicht an künstlich inszenierte Angebote delegieren. 4.) Der Begriff „Bildung“ ist als ein Prozess der „Persönlichkeitsbildung“ zu verstehen (in deutlicher Abgrenzung von einer kognitiv orientierten Belehrungsabsicht). 5.) Selbstbildungsarbeit muss sich in erster Linie auf die Fachkräfte beziehen – sie beginnt mit einer anspruchsvollen, selbsterfahrungsorientierten Ausbildung, setzt sich über die gesamte Berufstätigkeit in Form von Fort-/ und Weiterbildungen (als Pflicht) fort und wird von Trägerseite aktiv gefördert und unterstützt.
Um diese Perspektivwechsel umsetzen zu können, bedarf es einer hohen Selbstmotivation, Mut, Anstrengungsbereitschaft, Belastbarkeit und Neugierde, um Innovationen zu initiieren, zuzulassen und voranzutreiben. Diese Arbeit im Sinne einer Selbstbildung ist schwer. Neale Donald Walsch hat daher folgerichtig die Konsequenz formuliert, dass der Mensch seine größten Chancen und Gelegenheiten zum Wachstum stets nur jenseits persönlicher Bequemlichkeitsbremsen findet.
Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden
Hermann Hesse
Selbstbildung führt in einen laufenden Prozess der Identitätsentwicklung
Es geht im Selbstverständnis der Selbstbildung stets darum, Ziele, die beispielsweise für Kinder formuliert werden, zunächst zu eigenen Zielen zu erklären und dabei zu überprüfen, inwieweit die eigenen Verhaltensweisen den externen Zielen entsprechen.
Jeder Mensch besitzt ein ganz bestimmtes Selbstbild von sich und ist der festen Überzeugung, sich selbst gut zu kennen. Doch demgegenüber haben viele Wissenschaftler/innen immer wieder deutlich gemacht, dass die Fähigkeit des Menschen, sich selbst zu (er)kennen, eher mangelhaft bis ungenügend ausgeprägt ist. Die eigene Selbsteinschätzung entspricht häufig einer Selbstüberschätzung und Fehleinschätzung. Es erscheint notwendig, sich selbst mit Fragen auseinanderzusetzen, die dazu geeignet sind, dem „inneren Kind“ immer stärker auf die Spur zu kommen und den Prozess der Selbstbildung in Gang zu setzen bzw. zu vertiefen:
Fragestellungen, die eine Selbstbildung initiieren:
Welche Interessen und Motive liegen meiner Berufstätigkeit zugrunde und welchen persönlichen „Profit“ ziehe ich aus meiner Arbeit?
Wann/ wo/ wie habe ich mich mit meiner Sozialisation/ Biographie aktiv beschäftigt und dazu beispielsweise Selbsterfahrungsseminare besucht/ ein Individualcoaching in Anspruch genommen?
Wie motiviert bin ich, mich in Kollegiumsgesprächen/ Supervisionssitzungen persönlich aktiv einzubringen, um mein pädagogisches Handeln zu überprüfen/ zur Diskussion zu stellen?
Fällt es mir schwer oder leicht, eigene Gedanken und Gefühle öffentlich zu äußern und welche Hintergründe gab/ gibt es dafür in meiner Biographie?
Vereinbare ich (un)regelmäßig Ziele mit mir selbst, die ich im Hinblick auf meine weitere Persönlichkeitsentwicklung erreichen will?
Welche Handlungsschritte habe ich bisher unternommen, um meine Fähigkeiten/ Fertigkeiten realistisch einschätzen zu können (Selbstwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung) und zu welchen Handlungsschritten hat mich diese Erkenntnis geführt?
Welche Zielsetzungen verfolge ich grundsätzlich in meiner Arbeit und was haben meine Zielsetzungen mit meiner Biographie zu tun?
Welche Werte bestimmen meine Handlungen, leiten mich in meinen Handlungsausführungen und welche Werte habe ich in meiner Sozialisation erlebt?
Welche Normen bestimmen mein Denken/ Handeln und wie (entwicklungsförderlich – entwicklungshinderlich) wirken sie sich auf kindliche Selbstbildungsprozesse aus?
Besitze ich eine grundsätzlich persönlichen/ pädagogischen Optimismus oder Pessimismus und worauf führe ich diese Haltung im Hinblick auf meine Biographie zurück?
Welche Handlungsstrategien zeige ich in der Regel bei persönlich erlebten Verletzungen, Angriffen, Ungerechtigkeiten – woher kenne ich solche Reaktionen aus meiner Kindheit und welche Bedeutung hat diese Erkenntnis für mich heute?
Besitze ich eine eher positive Einstellung zu einem lebenslangen Lernen oder fällt es mir schwer, mich von „alten Denk-./Handlungsstrukturen“ zu lösen?
Schaffe ich es, mich selbst in belastenden Situationen zu motivieren, problemlösungsorientiert zu denken/ zu handeln oder halten mich Belastungen eher in einer starren Problemfixierung fest? Wann bzw. wo/wie habe ich gelernt, problemlösungsorientiert vorzugehen?
Durch was bzw. wie sorge ich in der Einrichtung für eine eher positive oder negative Atmosphäre?
(Dieser Fragebogen kann mit vielen weiteren, eigenen Fragen ergänzt werden.)
Lernen ist Vorfreude auf sich selbst Peter Sloterdijk
Peter Sloterdijk
Selbstbildung führt zu einer stabilen Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz
Selbstgerechtigkeit, Selbstbefangenheit, Selbstsucht, Selbstisolierung, Selbstbeschuldigung, Selbstvernichtung, Selbsthass, Selbstvorwürfe, Selbsttäuschung oder Selbsterniedrigung führen zu einer fortschreitenden Selbstentfremdung. Hingegen trägt eine Selbstbildung dazu bei, Selbstüberwindung, Selbstfindung, Selbstbefreiung, Selbstständigkeit, Selbststeuerung, Selbstachtung, Selbstvertrauen, Selbstbejahung, Selbstheilung und Selbstbestimmung in der Person voranzubringen. Die erweiterte Transaktionsanalyse würde hier im ersten Fall von einem Kindheits- bzw. Eltern-Ich, im zweiten Fall von einem stabilen Erwachsenen-Ich sprechen. Selbstbildungsorientierte Fachkräfte besitzen eine intrinsisch orientierte Reflexionsbereitschaft zur Selbstbetrachtung, gehen mit einer großen Wahrnehmungsoffenheit auf bekannte und unbekannte Situationen zu, um aus selbst formulierten Fragen unterschiedliche Antworten abzuleiten, wollen den Auswirkungen ihrer Biographie auf ihr jetziges Verhalten auf die Spur kommen, betrachten ihre Kommunikationsstruktur und Interaktionskultur sorgsam und kritisch, überprüfen immer wieder ihre Handlungsauswirkungen, zeigen eine hohe Bereitschaft, aus eigenen Fehlern zu lernen, setzen sich mit eigenen Vorurteilen auseinander, arbeiten an ihrer Selbstmotivation, gehen mit Leistungsfreude auf schwierige Herausforderungen zu und schätzen die Möglichkeit eines lebenslangen Lernens als ein höchstes Gut ein.
Ich fürchte, unsere allzu sorgfältige Erziehung liefert uns Zwergenobst Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799
Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799
Fazit:
Selbstbildung ist die Grundlage für eine humanistisch geprägte Pädagogik im pädagogischen Selbstverständnis von Pestalozzi, Rousseau, Rogers, Freinet sowie Korczak und gehört zum festen Bestandteil einer qualitätsgeprägten Entwicklungsarbeit an sich und einer verantwortungsvollen Entwicklungsbegleitung von Kindern. Mit einer kontinuierlichen Zunahme und Ausweitung einer funktionalisierten und von wirtschaftlichen Interessen geprägten Elementarpädagogik geriet dieser fundamentale Aspekt immer mehr ins Abseits, obgleich der Begriff selbst – vor allem durch die Ergebnisse der Bildungsforschung und Neurobiologie – im Rahmen der „Bildungsarbeit mit Kindern“ eine herausgehobene Wertigkeit zugesprochen bekam. Doch anstatt diese für sich selbst in Anspruch zu nehmen wurde sie theoretisierend und häufig dogmatisch geprägt den Kindern zugesprochen. Es ist an der Zeit, einen notwendigen Perspektivwechsel vorzunehmen, um im Sinne der Erkenntnisse aus den Feldern der Bindungsforschung sowie der Lernpsychologie einen beziehungsintensiven und kommunikationsaktiven „Lernalltag“ zur entscheidenden Grundlage einer lebendigen sowie natürlichen Elementarpädagogik werden zu lassen. Damit würde sich der Kreis schließen, um Kindern durch das eigene, positive Selbstkonzept (Ich bin…), die eigenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (Ich kann…) und ein eigenes, stabiles Selbstwertgefühl (Ich habe…) in effizienter Form zu helfen, diese drei basalen Ausgangsdaten für eine förderliche Entwicklung gleichsam auf- und auszubauen bzw. zu stabilisieren.
Literaturempfehlungen
Bradshaw, John: Das Kind in uns. Wie finde ich zu mir selbst? Verlag Knaur MensSana, München 3. Auf. 2018 Fleisch, Sabrina: Meine Reise zu mir selbst. Finde die Antwort in dir selbst, die dir sonst niemand beantworten kann. Remote Verlage, Oakland, 5. Edition 2021 Missildine, W. Hugh: In dir lebt das Kind, das du warst. Seelische Belastungen bewältigen. Verlag Klett-Cotta, 21. Aufl. 2012 Rohr, Richard + Ebert, Andreas: Das Enneagramm. Die 9 Gesichter der Seele. Claudius Verlag, München 47. Aufl. 2013 Skiera, Ehrenhard: Reflexive Selbsterfahrung als Weg zur Seele. Übungen zur Vertiefung der Beziehung zu sich selbst, zu anderen und zur Natur. Klinkhardt Verlag, München 2011 Stahl, Stefanie: Das Kind in dir muss Heimat finden. Kailash Verlag, München 2015 Tillmetz, Eva: Familienaufstellungen – sich selbst verstehen, die eigenen Wurzeln entdecken. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2012
Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor a.D. Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik
Zukunft sichern und Kinderrechte stärken
geschrieben von Redakteur | Januar 5, 2023
Deutsches Kinderhilfswerk zum Jahrensauftakt
Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) appelliert zum Jahresbeginn an Bund, Länder und Kommunen, in diesem Jahr die Kinderrechte endlich umfassend zu einer Leitlinie von Politik, Rechtsprechung und Verwaltungshandeln zu machen. „Derzeit brennt es an allen Ecken und Enden. In den Kitas, in den Schulen, bei der Versorgung von Kindern in Krankenhäusern und mit Medikamenten. Das alles ist das Ergebnis einer Politik, die Kinderinteressen über Jahre systematisch ausgeblendet hat und es vielfach noch immer tut. Deshalb gehören die Interessen und Rechte von Kindern und Jugendlichen endlich als ein vorrangiger Gesichtspunkt ins Zentrum politischen Handelns. Dafür braucht es zuvorderst eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, eine aktive Politik zur Überwindung der Kinderarmut in Deutschland sowie eine deutliche Stärkung der demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Wirksame Maßnahmen für ein kinderfreundliches Deutschland gehören auf der politischen Agenda ganz nach oben, nicht allein im besten Interesse der Kinder und Jugendlichen selbst, sondern letztlich für nichts weniger als die Sicherung der Zukunftsfähigkeit unserer gesamten Gesellschaft. Obwohl Kinderfreundlichkeit in Sonntagsreden immer wieder beschworen wird, kommt der Kinder- und Jugendpolitik nach wie vor nicht der Stellenwert zu, den dieses Zukunftsthema verdient“, betont Thomas Krüger, Präsident des DKHW.
Kinderrechte ins Grundgesetz
Der Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz kommt aus Sicht des DKHW besondere Bedeutung zu. „Deshalb brauchen wir zügig einen neuen Anlauf zur verfassungsmäßigen Verankerung der Kinderrechte, um eine nachhaltige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention sicherzustellen. Dabei müssen die Kinderrechte auf Förderung, Schutz und Beteiligung sowie der Kindeswohlvorrang Grundlage der Normierung sein. Es braucht im Grundgesetz einen eigenen Artikel für die Kinderrechte, die unabhängig von den Elternrechten und ohne mit ihnen in Konflikt zu geraten gegenüber dem Staat gelten. Kinderrechte im Grundgesetz könnten sich mit eindeutigen Formulierungen für Kinder und Jugendliche positiv bei der Planung und Gestaltung in allen Politikfeldern auswirken und auch zu einem Umdenken in der Verwaltung führen“, so Krüger weiter.
Das DKHW fordert die Bundesregierung nachdrücklich dazu auf, neben der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz weitere wirksame Maßnahmen für ein kinderfreundliches Deutschland auf den Weg zu bringen. „Wir müssen endlich das strukturelle Problem der Kinderarmut nachhaltig beseitigen. Viele Familien trifft die Inflation und die Energiekrise mit beispielloser Wucht. Sie geraten über die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten, sind finanziell schlicht am Ende. Wir brauchen deshalb schnellstmöglich eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen verdient. Gerade Familien mit wenig Einkommen kann die Kindergrundsicherung dazu verhelfen ihre Kinder zu versorgen, ohne auf weitergehende staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. Bis zu ihrer Einführung muss es deutlichere Aufschläge auf die Transfersysteme geben als bisher geplant“, so Krüger weiter.
Beteiligung von Kinder sollte selbstverständlich sein
„Zudem sollte die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an sie betreffenden Entscheidungen endlich zu einer Selbstverständlichkeit werden. Verbindliche Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen müssen systematisch ausgebaut und strukturell verankert werden, zuvorderst im Grundgesetz. Kinder und Jugendliche werden durch frühe Beteiligungserfahrungen in ihren sozialen Kompetenzen gefördert, gleichzeitig leistet frühe Beteiligung von Kindern einen fundamentalen Beitrag zur langfristigen Stärkung unserer Demokratie. Hier kann das geplante Demokratiefördergesetz eine gute Grundlage bilden. Kinder dürfen nicht als eine Altersgruppe begriffen werden, die auf demokratische Mitwirkung im Erwachsenenalter vorbereitet wird, sondern die bereits als Kinder konstitutiver Teil der gesamtgesellschaftlichen demokratischen Praxis sind. Daher ist es im Feld der Demokratiearbeit unverzichtbar, demokratische Kompetenzen sowie ein Miteinander zu fördern, in dem Vielfalt wertgeschätzt wird sowie alle Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit erhalten, dieses aktiv mitzugestalten“, sagt Thomas Krüger.
Quelle: Pressemitteilung DKHW
Kinderhilfswerk fordert deutliche Erhöhungen bei den Bürgergeld-Regelsätzen
geschrieben von Redakteur | Januar 5, 2023
Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann: Infrastruktur und monetäre Leistungen müssen ineinandergreifen
Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert deutliche Nachbesserungen bei den ab Januar geltenden Bürgergeld-Regelsätzen für Kinder und Jugendliche. „Bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland können wir nicht auf die Kindergrundsicherung, die im Jahr 2025 kommen soll, warten. Wir brauchen jetzt eine signifikante Erhöhung der Transferleistungen, ohne die es bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland einen drastischen Rückschlag geben wird. Trotz der ab Januar vorgesehenen Verbesserungen bei den Regelsätzen wird das Geld in vielen Familien vorne und hinten nicht reichen. An dieser Stelle sollten mehr finanzielle Mittel in die Hand genommen werden, um allen Kindern und Jugendlichen ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. Dabei müssen soziale Infrastruktur und monetäre Leistungen ineinandergreifen. Nur so kann das strukturelle Problem der Kinderarmut in Deutschland umfassend beseitigt werden“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Wichtigstes Instrument ist eine Kindergrundsicherung
„Das wichtigste Instrument dafür ist eine Kindergrundsicherung. Wir freuen uns, dass dieses Projekt ganz oben auf der Agenda von Bundesfamilienministerin Paus steht und sind gespannt auf die für nächsten Monat angekündigten Eckpunkte. Das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben muss Referenz der Eckpunkte sein. Wir sehen derzeit, dass viele Familien die Inflation und die Energiekrise mit unfassbarer Wucht treffen. Dadurch geraten Familien mit geringem Einkommen an oder sogar über die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten, viele sind finanziell am Ende. Deshalb braucht es eine gezielte Förderung armer Familien und ihrer Kinder sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen“, so Hofmann weiter.
Erstellung einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut
Wichtig ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes die Erstellung einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland, die mit einer umfassenden Kinder- und Jugendbeteiligung an diesem Prozess einhergehen muss und einen ressortübergreifenden Ansatz braucht. Dieser muss neben monetären Leistungen auch ein starkes Augenmerk auf infrastrukturelle Bedingungen zur Unterstützung von Familien und ihren Kindern legen. Die Kinderarmut in Deutschland kann aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes nur dann effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck in einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Die Erarbeitung des Nationales Aktionsplans im Rahmen der von Deutschland mitbeschlossenen EU-Kindergarantie kann hierfür einen guten Ansatz bieten.
Qualität der Kindertagesbetreuung in Deutschland
geschrieben von Redakteur | Januar 5, 2023
Umfassende Auswertung der Surveys und amtlichen Daten zur „Entwicklung von Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung“ (ERiK)
Die umfassende Auswertung der Surveys und amtlichen Daten zur „Entwicklung von Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung“ (ERiK) zeigt, dass es in jeder vierten Kindertageseinrichtung Stellen gibt, die länger als sechs Monate nicht besetzt werden konnten. Personalausfälle werden überwiegend zu Lasten des bestehenden Personals beispielsweise durch Überstunden aufgefangen. Über die Hälfte der Leitungen gibt an, dass der häufigste Grund für eine Kündigung des Personals eine andere Arbeitsstelle im Feld der frühen Bildung ist. Hier zeichnet sich somit die Mobilität innerhalb des FBBE-Feldes ab. Die Befunde des Forschungsberichts II spiegeln die zentralen Herausforderungen der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) aus unterschiedlichen Perspektiven wider.
Beiträge für die Kindertagesbetreuung sind für manche Eltern einfach zu hoch
Nach wie vor konnten die Forschenden des Deutschen Jugendinstituts (DJI) soziale Selektivität und ungleiche Teilhabe beobachten, wie die geringere Inanspruchnahme von FBBE-Angeboten durch Kinder mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Kindern ohne Migrationshintergrund zeigt. Ein Zugangshindernis sind die Beiträge, die Eltern für die Kindertagesbetreuung entrichten müssen. Trotz der durch das KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz (KiQUTG) eingeführten Maßnahmen zur Entlastung von Beiträgen berichtet die Mehrheit der Träger, dass in ihren Kindertageseinrichtungen Elternbeiträge anfallen. Zudem berichten fast alle Träger, dass sie Verpflegungskosten von den Eltern verlangen. Etwa ein Drittel der Eltern aus der KiBS-Studie 2020 gibt wiederum an, dass sie aus unterschiedlichen Gründen keine Elternbeiträge zahlen. Dabei variiert der Anteil der Eltern mit einer Beitragsbefreiung stark zwischen den Ländern.
Über die im KiQuTG genannten Themen hinaus ist die Bedeutung des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung in der frühen Bildung während der Pandemie deutlich geworden. Fort- und Weiterbildungen zu gesundheitsbezogenen Themen werden vom pädagogischen Personal vergleichsweise häufig besucht. Während der Coronapandemie entstanden unter anderem durch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen teilweise herausfordernde strukturelle Voraussetzungen. Diese erschwerten die Förderung von Kindern erheblich.
Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und -sicherung
Damit rücken zentrale Fragen nach möglichen Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Kindertagesbetreuung und den damit einhergehenden Steuerungsansätzen im System in den Fokus. Etwa zwei Drittel der befragten Träger in den ERiK-Surveys 2020 geben interne Evaluation als die Maßnahme an, die in den von ihnen verantworteten Einrichtungen vorgeschrieben ist. Externe Evaluationen werden bei einem Drittel der Träger genutzt. Sie sind selten verpflichtend. Während die Träger Vorgaben für die Umsetzung interner und externer Evaluationen in Kindertageseinrichtungen machen, sind Qualitätsmaßnahmen im Bereich der Kindertagespflege überwiegend beim Jugendamt angesiedelt.
Das Projekt ERiK am DJI
Das Projekt ERiK am DJI in Kooperation mit dem Forschungsverbund DJI/TU Dortmund setzt mit dem ERiK-Forschungsbericht II die Veröffentlichungsreihe über die empirischen Grundlagen, Analysen und Ergebnisse des Monitorings zum KiQuTG fort. Ziel des Vorhabens ist es, herauszuarbeiten, welche Veränderungen sich in der Qualität und Teilhabe im System seit dem Inkrafttreten des KiQuTG abzeichnen.
Der ERiK-Forschungsbericht II beinhaltet sowohl umfassende Auswertungen aus amtlichen Statistiken als auch erstmals Auswertungen der Daten aus den ERiK-Surveys 2020. Die Daten aus den bundesweiten Befragungen von Leitungen und pädagogischem Personal in Kindertageseinrichtungen, von Kindertagespflegepersonen und Jugendämtern sowie von Trägern von Kindertageseinrichtungen bilden die Grundlage für viele Auswertungen zu weiteren Indikatoren und Kennzahlen. Einzelheiten zu den Surveys 2020 sind in den ERiK-Methodenberichten I und II dokumentiert. Darüber hinaus werden die amtlichen Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik (KJH) und die Daten der Kinderbetreuungsstudie (KiBS) des DJI aus dem Jahr 2020 ausgewertet. Die kombinierte Auswertung dieser verschiedenen Datenquellen ist in dieser Breite einzigartig.
Analysegrundlage für die komplexen Steuerungsanforderungen
„Die Beobachtung der Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung ist von zentraler Relevanz für die komplexen Steuerungsanforderungen, die sich dem System stellen. Die Daten der ERiK-Surveys 2020 liefern eine breite Analysegrundlage, die es bisher in diesem Umfang noch nicht gegeben hat. Durch die Berücksichtigung der verschiedenen Akteurs-Perspektiven im Erhebungsprogramm liegen nun Daten und Informationen vor, zu denen es bisher kein empirisches Wissen gab. Hinzu kommt die Kombination mit den amtlichen Daten, die den Monitoringansatz des KiQuTG auch international einzigartig macht,“ erläutert Nicole Klinkhammer, die das Projekt bis September 2022 geleitet hat.
Der ERiK-Forschungsbericht II bildet zusammen mit den Fortschrittsberichten der Länder die empirische Grundlage für die jährlichen Monitoring-Berichte des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), wie den Gute-Kita-Bericht 2021, und für die Evaluationsberichte der Bundesregierung. Die zusätzliche Veröffentlichung des ERiK-Methodenbericht II bietet in Verbindung mit dem ersten ERiK-Methodenbericht einen umfassenden Überblick über die im Rahmen des ERiK-Projekts erhobenen Survey-Daten. Das ERiK-Projekt wird durch das BMFSFJ gefördert.