Metastudie zur Wirksamkeit und Akzeptanz von ADHS-Behandlungen

Bislang größte Netzwerk-Metaanalyse von Daten aus randomisierten kontrollierten Studien (RCTs)

Das Universitätsklinikum Bonn (UKB) hat zusammen mit der University of Oxford, der University of Southampton und des Psychology Services London eine neue Studie herausgegeben. Prof. Alexandra Philipsen, kommissarische Ärztliche Direktorin am UKB und Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Dr. Marcel Schulze, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKB, untersuchten mit ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen die Wirksamkeit und Akzeptanz pharmakologischer, psychologischer und neurostimulierender Interventionen bei ADHS bei Erwachsenen in einer Metastudie, die im Lancet Psychiatry veröffentlicht wurde.

2,5 Prozent der Erwachsenen und etwa 5 Prozent der Kinder von ADHS betroffen

Weltweit sind ca. 2,5 Prozent der Erwachsenen und etwa 5 Prozent der Kinder im Schulalter von ADHS betroffen. Oftmals ist ADHS mit weiteren Begleiterkrankungen, einer erhöhten Sterblichkeit und ungünstigen psychosozialen Folgen für die Betroffenen verbunden. Die Kosten für die Behandlung von ADHS sind mit durchschnittlich 18.000 Dollar pro Jahr sehr hoch. Weiterhin bestehen Unsicherheiten über die beste Behandlung für Erwachsene mit ADHS. In aktuellen Leitlinien spielt die pharmakologische Behandlung eine herausragende Rolle. Zu nicht-pharmakologischen Behandlungsmethoden gab es in den letzten Jahren immer mehr randomisierte kontrollierte Studien.

Netzwerkanalyse aus über 100 Studien

Deswegen wurde die bislang größte Netzwerk-Metaanalyse von Daten aus randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) zum Vergleich einer breiten Palette verfügbarer Medikamente und nicht-pharmakologischer Behandlungen für Erwachsene mit ADHS anhand mehrerer Endpunkte durchgeführt. Dafür wurden 2416 Datensätze aus 113 einzigartigen RCTs (14887 Teilnehmer, 45,6 % Frauen) zu pharmakologischen Therapien, psychologischen Therapien und neurostimulierenden Therapien sowie Neurofeedback geprüft. In Bezug auf die Wirksamkeit wurde eine Verringerung der Schwere der ADHS-Symptome (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität) untersucht. Daneben wurden die Akzeptanz, die Verträglichkeit, die Emotionale Dysregulation, exekutive Funktionen und der Einfluss auf die Lebensqualität genauer analysiert. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass es keine universelle Lösung für die Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter gibt. Neben der kurzfristigen Wirksamkeit pharmakologischer Ansätze ist es entscheidend, auch nicht-pharmakologische Methoden weiter zu untersuchen und individuell abgestimmte Behandlungsstrategien zu entwickeln“, sagt Prof. Alexandra Philipsen, kommissarische Ärztliche Direktorin des UKB und Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.


Dr. Elisabeth Aust-Claus, Dr. Dieter Claus, Dr. Petra-Marina Hammer

ADS – Das Erwachsenenbuch

Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom: Neue Konzentrations- und Organisationshilfen für Ihr Berufs- und Privatleben. ADS-Ursachen, Symptome und Therapie bei Erwachsenen.

Dieser ADS-Ratgeber bietet wichtige Hilfestellungen und praktische Tipps für Betroffene und klärt über Symptomatik und Umgang mit der Diagnose ADS im Erwachsenenalter auf.

Taschenbuch, zahlreiche Abbildungen, 352 Seiten
ISBN: 978-3-934333-06-2
22 €


Ergebnisse im Vergleich zu Placebo

Nur Stimulanzien und Atomoxetin als Therapien schnitten bei den Symptombewertungen durch Kliniker und bei der Selbstbewertung besser ab als die Placebo-Bedingungen und zeigten Anzeichen für positive Auswirkungen bei der kurzfristigen Reduzierung der ADHS-Kernsymptome. Kognitive Verhaltenstherapie, kognitives Training, Achtsamkeit, Psychoedukation und transkranielle Gleichstromstimulation schnitten nur bei Fremdbeurteilungen von Klinikern besser ab als Placebo. Außerdem fand man bezüglich der Akzeptanz heraus, dass fast alle Behandlungen ähnlich wie Placebo abgeschnitten haben. Die Medikamente waren weniger verträglich als Placebo. Auf die exekutive Dysfunktion und die Lebensqualität konnten keine Auswirkungen festgestellt werden, ADHS-Medikamente waren nicht wirksam bei der Verbesserung dieser Bereiche.

Notwendigkeit weiterer Langzeitstudien

Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Langzeitstudien, um die langfristige Wirksamkeit und Akzeptanz von ADHS-Behandlungen besser zu verstehen. Ein besonderer Fokus sollte auf der Kombination pharmakologischer und nicht-pharmakologischer Strategien liegen, um sowohl Symptome zu lindern als auch die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. „Die Abwägung zwischen positiven Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten ist zentral, insbesondere da Langzeitbeweise für ADHS-Medikamente begrenzt sind. Es besteht ein klarer Bedarf an weiteren Studien, um sowohl alternative Medikamente als auch nicht-pharmakologische Strategien und deren Kombinationen langfristig besser bewerten zu können“, sagt Dr. Marcel Schulze, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKB.

Originalpublikation: https://www.thelancet.com/journals/lanpsy/article/PIIS2215-0366(24)00360-2/fulltext

Jana Schäfer, Universitätsklinikum Bonn




Viermal mehr Kinder mit Scharlach in Deutschland

Die hochansteckende Erkrankung tritt meist gehäuft in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten oder Schulen auf

Scharlach ist eine häufige bakterielle Infektionskrankheit bei Kindern, die durch Streptokokken verursacht wird. Die hochansteckende Erkrankung tritt meist gehäuft in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten oder Schulen auf. Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 800.000 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2018 bis 2023. Der Fokus der Analyse liegt auf den 1- bis 14-Jährigen, da Scharlach hier am häufigsten auftritt.

„Der starke Anstieg bei Scharlach-Erkrankungen zeigt einmal mehr, dass die Nachwirkungen der Corona-Pandemie für Kinder noch nicht vorbei sind“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. „Wir müssen die Entwicklung im Blick behalten. Wichtig ist eine Aufklärung der Eltern über Infektionskrankheiten wie Scharlach – und das Einhalten der einschlägigen Hygieneregeln.“

Vor allem junge Kinder leiden unter Scharlach

Der DAK-Kinder- und Jugendreport zeigt, dass sich 2023 der Anteil der Kinder im Alter von einem bis 14 Jahren, die aufgrund von Scharlach ärztlich behandelt wurden, im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht hat. Konkret gab es einen Anstieg um 308 Prozent. Wurden 2022 noch 9,6 Fälle je 1.000 Kinder von Ärztinnen und Ärzten dokumentiert, so waren es 2023 39,1 Fälle je 1.000 Kinder. Die Diagnosehäufigkeit von Scharlach erreichte damit 2023 den höchsten Stand seit fünf Jahren. Besonders betroffen waren 10- bis 14-jährige Schulkinder: In dieser Altersgruppe haben sich die Infektionen verfünffacht (plus 412 Prozent).

„Die Ergebnisse des Kinder- und Jugendreports spiegeln die Realität in den Praxen eindrucksvoll wider“, so Dr. Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e. V. (BVKJ). „Der starke Anstieg von Scharlach-Fällen bei Kindern ist auf Nachholeffekte nach der Pandemie zurückzuführen. Die pandemiebedingte ‚Infektvermeidung‘ hatte neben den schwierigen sozialen auch negative infektiologische Folgen. Das sehen wir am Beispiel Scharlach. Das kindliche Immunsystem braucht ‚physiologische‘ Infekte genau wie das ‚soziale Immunsystem‘. Von zentraler Bedeutung ist die Arzneimittelversorgung: Wir brauchen eine stabile Versorgung mit oralem Penicillin.“

Nachholeffekte nach der Pandemie

Die vom BVKJ thematisierten Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie sind in der DAK-Sonderanalyse sichtbar. Während der COVID-19-Pandemie gingen die Scharlach-Diagnosen von Ärztinnen und Ärzten stark zurück – mit dem niedrigsten Stand 2021. Ab 2022 nahmen die Scharlach-Infektionen aber merklich zu. So wurden 2023 mit einem Plus von 97 Prozent knapp doppelt so viele Scharlach-Diagnosen in deutschen Praxen gestellt wie im letzten Vor-Pandemie-Jahr 2019.

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit.

Weitere Informationen zum Thema Scharlach gibt es unter: https://www.dak.de/scharlach

Quelle: Pressemitteilung DAK




Leere Aussagen untergraben das Vertrauen und wirken nicht

Umfrage in den Vereinigten Staaten: Viele Eltern drohen ihren Kindern

Viele Eltern in den USA greifen bei der Kindererziehung auf Drohungen zurück. Laut der „C.S. Mott Children’s Hospital National Poll on Children’s Health“ reicht die Bandbreite vom Wegnehmen von Spielzeug bis dahin, dass der Weihnachtsmann dieses Jahr nicht kommen wird. Eltern von Kindern zwischen drei und fünf Jahren setzen eigenen Angaben nach am ehesten Drohungen ein, um ein Fehlverhalten anzusprechen. Ein Viertel droht entweder mit der Abwesenheit des Weihnachtsmanns oder dem Verweigern von Geschenken.

Verstärkung und Disziplin

Der Erhebung nach haben viele Eltern zudem damit gedroht, eine Aktivität oder einen Ort zu verlassen, Spielzeug wegzunehmen oder, dass das Kind kein Dessert bekommt. Fast die Hälfte der Befragten will den eigenen Nachwuchs zudem bestochen haben. Laut Co-Direktorin Susan Woolford hilft Disziplin kleinen Kindern dabei zu lernen, welche Verhaltensweisen sicher und angemessen sind. Sie können, so die Expertin, eine entscheidende Rolle dabei spielen, dass diese Kinder lernen, was richtig ist und was falsch.

„Leere Drohungen hingegen untergraben das Vertrauen und sind normalerweise nicht wirksam. Eine positive Verstärkung und die konsequente Disziplin formen das langfristige Verhalten viel eher.“ Die Hälfte der Befragten sehen sich beim Disziplinieren ihrer Kinder als sehr konsequent. Trotzdem geben viele an, dass sie gerade mit der Konsistenz ihre Probleme haben. Die Umfrage basiert auf 725 Antworten von Eltern mit mindestens einem Kind. Die Befragung wurde im August dieses Jahres in den USA durchgeführt.

Strategie besser vorausplanen

Zu den größten Herausforderungen gehören, dass das Kind zu klein ist, um zu verstehen, dass die eingesetzten Strategien nicht immer funktionieren und dass die Eltern versuchen, einen öffentlichen Wutanfall zu verhindern, heißt es. Fast ein Viertel der Eltern gibt zu, dass auch sie irritiert sind, wenn ihr Kind ungezogen ist und sie reagieren, bevor sie sich an ihre Strategien erinnern oder dass sie einfach zu müde sind, um sich stimmig zu verhalten.


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Wie Sie sprechen sollten, damit Ihr Kind Sie versteht

Ein Überlebenshandbuch für Eltern mit Kindern von 2 bis 7 Jahren. Richtig kommunizieren, Konflikte lösen: Hilfe bei der Kindererziehung

Der tägliche Kampf beim Anziehen, Gequengel am Mittagstisch, Trotzanfälle im Supermarkt: „Klassiker“, die alle Eltern schon erlebt haben. Wie lassen sich solche Alltagskonflikte lösen? Der Schlüssel liegt in der Art, wie wir zuhören und reden. Joanna Faber und Julie King haben einen Erziehungsratgeber entwickelt, in den sowohl eigene Erfahrungen mit ihren Kindern als auch Erkenntnisse aus der Wissenschaft eingeflossen sind. Mit ihren erprobten „Erziehungs-Werkzeugen“ gelingt ihnen eine respektvolle Eltern-Kind-Beziehung ohne Streit und Drama!

Taschenbuch, 384 Seiten, zahlreiche Abbildungen
ISBN: 978-3-96304-026-9
24 €


Woolford nach kann es schwierig werden, beim Durchsetzen von Disziplin einen konsistenten Ansatz zu haben, wenn genaue Überlegungen und eine Planung fehlen. Sogar dann kann Beständigkeit schwierig sein. Das sei vor allem dann der Fall, wenn Eltern müde oder abgelenkt seien und sie sich überfordert fühlten. „Es ist wichtig, dass Eltern vorausplanen und bei Strategien auf der gleichen Seite stehen, um eine Grundlage für das Verstehen von Erwartungen zu liefern. Damit können auch gemischte Signale in Hinblick auf Grenzen vermieden werden.“

Viele Eltern sind unsicher

Eltern sind sich zudem nicht immer sicher, ob ihre Disziplinierungsstrategien funktionieren. Zwei Fünftel gehen davon aus, dass sie sehr wirksam sind. Drei von fünf Elternteilen glauben hingegen, dass diese Strategien einigermaßen effektiv sind. Die meisten Studienteilnehmer erhalten ihren Input zu Disziplinierungsstrategien von verschiedenen Quellen. Bei vielen ist es der andere Elternteil, das Reden mit der Familie oder Freunden sowie Erziehungsratgeber, Artikel oder Posts in den sozialen Medien.

Weniger als ein Fünftel der Eltern diskutiert das Thema Disziplin mit dem Gesundheitsdienstleister. Eines von acht Elternteilen sagt, dass er sich keine Gedanken über diese Disziplinierungsstrategien gemacht hat. Manche Teilnehmer geben auch zu, dass sie Strategien angewendet haben, die von Experten nicht empfohlen werden. Zwei von fünf Eltern schlagen ihre Kinder manchmal. Das kann, so die Experten, bei Vorschülern und Schülern zu Trotz und in weiterer Folge zu einer verstärkten Aggression führen.

Moritz Bergmann/pressetext.redaktion




Maßnahmen gegen ungesunde Lebensmittel dringend gefordert

DEGAM: Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu

Großbritannien macht einen wichtigen Schritt, um insbesondere Kinder vor ungesunden Lebensmitteln zu schützen. Ab Oktober 2025 wird Werbung für bestimmte Lebensmittel im Fernsehen tagsüber und im Internet rund um die Uhr verboten. Die britische Regierung hat eine Liste der Lebensmittel mit hohem Fett-, Salz- und Zuckergehalt (zum Beispiel Muffins, Croissants, Waffeln, Kekse, Frühstücksflocken, Müsliriegel etc.) vorgelegt, die von dem Werbeverbot betroffen sind. Damit will Großbritannien jährlich 20.000 Fälle von Fettleibigkeit bei Kindern verhindern. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM) begrüßt diesen Schritt nicht nur, sondern fordert ein ähnliches Vorgehen in Deutschland.

Die Briten machen Nägel mit Köpfen

„Während in Deutschland seit Jahren ergebnislos über die Einführung einer Zuckersteuer oder Werbeverbote für Süßigkeiten oder andere ungesunde Lebensmittel diskutiert wird, machen die Briten Nägel mit Köpfen“, kommentiert Prof. Dr. Martin Scherer, Präsident der DEGAM. „Als wissenschaftliche Fachgesellschaft weist die DEGAM seit Jahren darauf hin, dass es für breit ansetzende Elemente der Verhältnisprävention wie Werbeverbote oder erhöhte Steuern eine gute Evidenz gibt, um einen gesunden Lebensstil zu erleichtern. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland in der Verhältnisprävention endlich aufholt.“

Stärkung der Prävention in den Lebenswelten der Menschen

Für die Wirksamkeit der Verhältnisprävention – also die Stärkung der Prävention in den Lebenswelten der Menschen wie Kita, Schule, Nachbarschaft, Arbeitsplatz – liegen international gute wissenschaftliche Belege vor. Werbeverbote sind eine verhältnispräventive Maßnahme, von denen Kinder und Jugendliche auch über soziale Schranken hinweg profitieren können. „Die Evidenz ist in jedem Fall stark genug, um politische Reaktionen zu rechtfertigen. Es ist doch absurd, wirtschaftliche Interessen höher einzustufen als den Schutz vor gesundheitlichen Risiken bei Generationen von Kindern. Wir sollten Kindern und Jugendlichen Chancen eröffnen und nicht durch frühe Fehlernährung verschließen“, so Martin Scherer weiter.

Limonadensteuer senkt Konsum durch Norm

Laut einer aktuellen Studie der UC Berkeley wird das Warnen vor den Gefahren des Trinkens zuckerhaltiger Getränke zu radikalen Veränderungen bei sozialen Normen und beim Konsum führen. Eine Limonadensteuer wurde in der Stadt Berkeley bereits vor zehn Jahren eingeführt. Gemeinsam mit der später erfolgten Erhöhung der Limonadensteuer in der kalifornischen Bay Area ist es nicht nur zum Rückgang der Umsätze gekommen. Es gibt laut der Seniorautorin Kristine A. Madsen in Hinblick auf die Gesundheit der zuckerhältigen Getränke auch deutliche Veränderungen bei sozialen Normen und Haltungen.

Informelle Regeln wichtig

Binnen weniger Jahren haben Steuern gemeinsam mit einer großen medialen Aufmerksamkeit die allgemeine Wahrnehmung von Getränken mit Zucker deutlich verändert – insbesondere bei Limonaden, manchen Fruchtsäften und Sportgetränken. Madsen zufolge hat eine Veränderung der informellen Regeln, wie Menschen denken und handeln, erhebliche Folgen auf die Bemühungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. „Soziale Normen sind wirklich mächtig. Die deutliche Veränderung, die wir beim Denken über Limonaden gesehen haben, zeigt auch, was sonst noch möglich sein sollte.“ Details sind in „BMC Public Health“ nachzulesen.

Gemeinsam mit Kollegen von der UC San Francisco und der UC Davis hat die Forscherin Umfrage-Ergebnisse von 9.128 Personen aus einkommensschwächeren Vierteln in Berkeley, Oakland, San Francisco und Richmond analysiert. Diese Daten sind zwischen 2016 bis 2019 und 2021 erhoben worden und Jahr für Jahr untersucht. Gefragt worden ist, wie oft die Teilnehmer vermuten, dass ihre Nachbarn Limonaden, Fruchtsäfte oder Sportgetränke konsumieren. Zudem wurde bewertet, wie gesund mehrere Getränke sind und wie die Teilnehmer ihr eigenes Verhalten beim Konsum dieser Getränke erkennbar werden ließen. Die Akzeptanz gegenüber dem Konsum von mit Zucker gesüßten Getränken sank um 28 Prozent.

Umfeld entscheidet mit

In Oakland ging die positive Wahrnehmung des Konsums von Sportgetränken nach der Erhöhung der Steuern zurück. Auch in San Francisco haben die Forscher eine ähnliche Veränderung der Haltung bei gesüßten Fruchtgetränken festgestellt. Die Annahme, dass die Nachbarn nicht mehr so viele gesüßte Getränke konsumierten, beeinflusste auch das eigene Interesse am Konsum von Limonaden, Säften und Sportgetränken. Laut Madsen ist es damit zu einer erstaunlichen Veränderung in der Denkweise gekommen: „Wir trinken keine Limonaden, weder so viel noch die ganze Zeit. Die ,Penny-per-Ounce Tax‘ auf solche Getränke ist eine wichtige Möglichkeit der Kommunikation mit der Öffentlichkeit“, urteilt Madsen abschließend.

Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu

Die DEGAM hält fest: Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu. Gleichzeitig ist bekannt, dass wichtige Weichen zum gesunden Verhalten in den frühen Jahren gestellt werden. „Werbung, die die Kinder zu übermäßigem Konsum ungesunder Nahrungsmittel verleitet, schadet ihnen langfristig,“ ergänzt Dr. Wolfgang Schneider-Rathert, Sprecher der DEGAM-Sektion Prävention und niedergelassener Hausarzt in Niedersachsen. „Zielgenaue Werbung, die Kinder früh im Leben mehrfach jeden Tag in ihren Zeitschriften, auf ihren Handys und Bildschirmen erreicht, prägt so stark, dass das daraus resultierende Übergewicht später nur noch teilweise erfolgreich behandelt werden kann. Deshalb plädieren wir aus wissenschaftlicher Sicht dafür, mit dem Werbeverbot für Junk-Food die Verhältnisse zu ändern, da das Verhalten bereits übergewichtiger Kinder und Jugendlicher später kaum noch zu ändern ist.“

Neue Studie: Zuckerhaltige Getränke als Herz-Kreislauf-Risiko

Erst eine am 9. Dezember veröffentlichte Studie über den Zusammenhang von zugesetztem Zucker und dem Auftreten von sieben verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei 69.705 schwedischen Männern und Frauen bestätigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) fordert deshalb ebenfalls Maßnahmen wie eine Herstellerabgabe auf zuckerhaltige Getränke und strikte Beschränkungen für Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet, den Konsum dieser gesundheitsschädlichen Produkte zu reduzieren bzw. die Hersteller zu animieren, die Rezepturen gesünder zu gestalten. Die Gesundheit der Bevölkerung müsse oberste Priorität haben.

Weitere Informationen:

Zum Umgang mit Übergewicht und Adipositas in der hausärztlichen Praxis hat die DEGAM letztes Jahr ein Positionspapier zu Prävention und Therapie von Adipositas vorgelegt: https://tinyurl.com/ycy9kxdz

Neue Studie: Frontiers | Added sugar intake and its associations with incidence of seven different cardiovascular diseases in 69,705 Swedish men and women: https://www.frontiersin.org/journals/public-health/articles/10.3389/fpubh.2024.1452085/full

Quellen: Pressemitteilung Natascha Hövener Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V., Moritz Bergmann, pressetext.redaktion, Christina Seddig, Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten




Lungenärzte fordern besseren Schutz vor Nikotin- und Feinstaubbelastung

Weil Passivrauchen überall gesundheitsschädlich ist, sollen Nichtraucher auch im Freien geschützt werden

„Nichtraucher und insbesondere Kinder müssen in Deutschland besser vor Nikotin- und Feinstaubbelastungen geschützt werden – vor allem im öffentlichen Raum, gerade auch im Freien!“ Das fordern führende Lungenärztinnen und -ärzte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Deutschen Atemwegsliga (DAL) sowie der Deutschen Lungenstiftung (DLS). Hintergrund: In Deutschland erkranken jährlich rund 57.000 Menschen neu an Lungenkrebs. Darüber hinaus versterben noch einmal rund 45.000 Menschen pro Jahr, da die Erkrankung meist erst im fortgeschrittenen Tumorstadium festgestellt wird.

Schlusslicht in Europa

„Gerade beim Schutz von vulnerablen Gruppen, wie Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen oder auch Schwangeren und Heranwachsenden, dürfen wir nicht länger das Schlusslicht Europas sein. Andere EU-Länder sind fortschrittlicher, hierzulande ist der Einfluss der Tabaklobby deutlich zu spüren“, heißt es von den Verbänden. Ihr Aufruf an die Politik: „Setzen Sie ein Zeichen und schreiben Sie jetzt konkrete Nichtraucher-Schutzmaßnahmen in die Parteiprogramme zur nächsten Bundestagswahl!“

An vielen Plätzen übersteigen die Feinstaubwerte zulässige Höchstgrenzen

Was seit Jahren für Innenräume akzeptiert werde, müsse auch für öffentliche Räume gelten: „Passivrauchen ist unbestritten überall gesundheitsschädlich. Nichtraucher müssen auch im Freien geschützt werden“, erklärt Professor Wolfram Windisch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. „Immer wieder übersteigen an vielen Plätzen die Feinstaubwerte zulässige Höchstgrenzen um das Vielfache. Gefährlich hohe Konzentrationen an gesundheitsschädigenden Substanzen finden sich vor allem dort, wo mehreren Rauchenden zusammenkommen – insbesondere an Orten mit einer geringen Winddurchlässigkeit“, so der Chefarzt der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln und Inhaber des Lehrstuhls für Pneumologie an der Universität Witten/Herdecke. „Tabakqualm und E-Zigaretten-Dampf halten sich nicht an die Grenzen von gekennzeichneten Raucherbereichen.“

Passivrauchen: „Auch im Freien so weit wie möglich reduzieren“

„Rauchen an belebten öffentlichen Plätzen – zum Beispiel an Bahnhöfen, in Sportstätten oder Stadien sowie auf Open-Air-Konzert-Flächen – sollte verboten werden, um nichtrauchende Menschen vor Gesundheitsgefahren zu schützen“, erklärt Professor Marek Lommatzsch, Vorstandsmitglied der Deutschen Atemwegsliga. „Das Passivrauchen ist generell schädlich für die Gesundheit, daher muss Passivrauch-Exposition so weit wie möglich, auch im Freien, reduziert werden. Nur so können wir es schaffen, dass weniger Menschen unverschuldet einem vermeidbaren Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind – beispielsweise durch das Einatmen von Feinstaub“, so der leitende Oberarzt der Abteilung Pneumologie an der Universitätsmedizin Rostock. Lommatzsch ist zudem Koordinator der deutschen fachärztlichen Asthma-Leitlinie. Seine Einschätzung: „Gerade Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma leiden unter Passivrauch-Exposition. Diese Patienten müssen geschützt werden.“

Schutz auf dem Spielplatz: „Echte Vorbilder rauchen nicht vor Kindern!“

„Die deutsche Gesetzgebung entspricht aktuell eher einem Raucher-Schutz“, kritisiert Dr. Barbara Weckler, Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Lungenstiftung. „Die aktuelle wissenschaftliche Evidenz zu den Gefahren des Passivrauchens sollte aber zum Vorteil der Bevölkerung eingesetzt werden. Auch wenn das politischen Willen und natürlich auch Rücksicht von Rauchern erfordert“, so die Oberärztin und Leiterin der Hochschulambulanz für Atemwegsinfektionen am Universitätsklinikum Marburg. Was Raucher trotz besseren Wissens mit ihrer Gesundheit machen, liegt in der Eigenverantwortung des Individuums. „Um aber Menschen im unmittelbaren Umfeld vor den Auswirkungen des Passivrauchens zu schützen, brauchen wir deutlich bessere Gesetze, die den Schutz der Menschen regeln.“ Barbara Weckler geht es dabei auch um den Schutz von Kindern, Jugendlichen und vom ungeborenen Leben in der Schwangerschaft. „Wir müssen zudem das generationenübergreifende Modelllernen verhindern. Schon den Kleinsten auf dem Spielplatz sollte nicht suggeriert werden, dass Rauchen zum Standardverhalten gehört. Echte Vorbilder rauchen nicht vor Kindern!“

Torben Brinkema, Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP)




Weihnachten ist viel besser und schöner als sein Ruf

Ergebnisse der Weihnachtsstudie 2024 der Universität der Bundeswehr München

Jedes Jahr führt die Universität der Bundeswehr München eine Weihnachtsstudie durch und beleuchtet Trends, Unerwartetes und Kurioses. Auch diesmal haben die Studienautoren wieder mehr als 1.200 Deutsche repräsentativ befragt – und zeigen, warum die Weichen für ein schönes Weihnachtsfest schon jetzt gestellt sind.

Weihnachtsgeschenke und -stimmung

Die beliebtesten Weihnachtswünsche der Deutschen sind nach wie vor Geld, gemeinsame Erlebnisse, Reisen und Bücher. Auch traditionelle Geschenke wie Selbstgebasteltes erfreuen sich großer Beliebtheit. Studienleiter Prof. Philipp A. Rauschnabel rät von Geldgeschenken ab: „Die Wirkung verpufft recht schnell“.

16 Prozent der Befragten haben bereits Geschenke zum Black Friday gekauft – im Vorjahr waren es vier Prozentpunkte weniger. Auch der stationäre Einzelhandel hat in diesem Jahr leicht an Attraktivität gewonnen: 32 Prozent kaufen überwiegend offline – im Vorjahr waren es nur 27 Prozent. Zu früh sollte der Einzelhandel das Weihnachtsgeschäft nicht einläuten: Erst ab November befürwortet die Mehrheit der Befragten (75 Prozent) den Verkauf typischer Weihnachtsartikel. Frühere Starttermine finden hingegen nur bei rund jedem Fünften Zustimmung.

Dass in diesem Jahr wieder mehr Weihnachtsstimmung aufkommt, lässt sich ebenfalls belegen: Jeder Siebte (14 Prozent) erwartet ein überdurchschnittlich schönes Weihnachtsfest. Zum Vergleich: Während der COVID-Pandemie war es nur jeder Vierzehnte, und im vergangenen Jahr äußerte dies lediglich jeder Achte.

Weihnachtslieder: Geliebt und gehasst

Zur Weihnachtsstimmung gehört zweifelsfrei auch die entsprechende Musik. Aber auch hier kann die Wahl der Songs die Stimmung kippen lassen. Kaum ein Weihnachtslied polarisiert so stark wie der Klassiker „Last Christmas“ von Wham!: Während 39 Prozent, insbesondere Frauen, den Song gerne hören, empfinden ihn fast ebenso viele (38 Prozent) als überstrapaziert – allerdings überwiegend Männer. Unangefochten bleibt jedoch Chris Reas „Driving Home for Christmas“ als beliebtester Weihnachtssong.

Weihnachten ist schöner als sein Ruf

Die Ergebnisse zeigen, dass Weihnachten in vielerlei Hinsicht unterschätzt wird. So glauben 54 Prozent der Befragten, dass sich viele Menschen finanziell übernehmen, und 53 Prozent nehmen an, dass viele an Weihnachten einsam sind – jedoch beobachtet nur rund jeder Zehnte diese Phänomene bei sich selbst. 38 Prozent sind der Meinung, dass viele Menschen den Druck verspüren, eine festliche Stimmung zu erzeugen; nur 16 Prozent fühlen sich aber selbst dazu gedrängt. Ein gegenteiliges Bild ergibt sich beim Thema Solidarität: 29 Prozent glauben, dass viele Menschen an Weihnachten besonders solidarisch sind, sich selbst schätzen aber nur 14 Prozent so ein.

Religion und Traditionen

Religiöse Aspekte spielen für viele Menschen eine immer geringere Rolle, doch die Teilnahme an Weihnachtsgottesdiensten bleibt mit 16Prozent vergleichbar wie im Vorjahr (15 Prozent), wenngleich deutlich unter dem Vor-COVID Niveau (2019: 24 Prozent). Bei der Frage nach den Themen, die Menschen an Weihnachten an wichtigsten sind, landen kirchliche Themen auf dem letzten Platz (13 Prozent) – deutlich hinter Zeit mit den Liebsten (73 Prozent), Ruhe/Besinnlichkeit (64 Prozent) und gutem Essen/Plätzchen (60 Prozent).

Auch wenn viele christliche Aspekte für viele Menschen nur eine untergeordnete Rolle spielen, ist das Wissen rund um das Weihnachtsfest dennoch beachtlich. In diesem Jahr haben die Autoren der Studie, gemeinsam mit einem Pfarrer, den Probanden Wissensfragen rund um das Fest gestellt. Dabei zeigte sich, dass grundlegende Begriffe und Geschichten durchaus bekannt sind. So wussten 60 Prozent der Befragten, dass das Wort Advent „Ankunft“ bedeutet, und 57 Prozent konnten König Herodes mit dem Kindermord von Bethlehem in Verbindung bringen. Weniger bekannt waren dagegen spezifische oder ungewöhnliche Details: Nur 27 Prozent hatten schon einmal von der Gurke als Weihnachtsbaumschmuck gehört und nur 57 Prozent wussten, dass der rot-weiße Weihnachtsmann von Coca-Cola erfunden wurde.

Michael Brauns, Universität der Bundeswehr München

Studienleitung & Anfrage von Ergebnissen
Prof. Dr. Philipp A. Rauschnabel
Professur für Digitales Marketing und Medieninnovation
Universität der Bundeswehr München
philipp.rauschnabel@unibw.de
Tel.: 089 6004 3374

Weitere Informationen:




Von Recycling Weihnachtskarten und Wichtelkegeln

ALLE JAHRE WIEDER…

Jedes Jahr dasselbe: Zu den großen Feiertagen wird gebastelt wie die Weltmeister. Das muss zwar nicht sein, aber es bietet auch schöne Möglichkeiten zum Recyceln. Alles, was so im Laufe des Jahres an farbigen Bildern und Flächen entstanden ist, kann jetzt, wenn es sonst keine Verwendung mehr findet, sehr gut weiter verarbeitet werden, zu wunderschönen Weihnachtskarten zum Beispiel. Ausschnitte aus großen, vor allem abstrakten Wandbildern mit ausdrucksstarken Farbübergängen und interessanten Strukturen eignen sich besonders als poetische Stimmungsmotive. Man braucht dazu lediglich noch ein paar Weihnachtsbaum-Schablonen (am besten stark vereinfacht) und Sternmotivausstecher, eine Auswahl an bunten Kartenhintergründen, Schere, Kleber, und Faden. Egal ob Doppel-Klappkarten oder ganz einfache Postkarten, es geht meist schnell und sieht oft wunderbar aus. Wenn bei dem Material auch etwas mit Glitzer dabei war, wird´s ganz besonders schön feierlich. Dann glänzen nicht nur die Karten, sondern auch die Augen.

SCHNEEMANN STATT WEIHNACHTSMANN

Wer weltliche Motive bevorzugt, findet auch im Schneemann (oder im Tannenbaum oder mit einem Selbstportrait) eine nette Alternative. Ein paar sparsame Elemente dazu (Schneehorizont, blauer Himmel, Schneeflocken) ausgeschnitten oder gezeichnet und einfach das Hauptmotiv mittig und schräg mit Klebefalz aufgeklebt, schon hebt sich die Figur beim Aufklappen nach vorne. In zusammengeklapptem Zustand sollte sie aber nicht zu sehen sein (vorher das richtige Maß und den besten Klebepunkt dafür ausprobieren). Je schräger das Mittelmotiv eingeklebt wird, desto mehr kommt es beim Aufklappen nach vorne. Wer sich traut, kann auch noch die Nase in Pop-Up-Technik konstruieren. Ist nicht schwer und sieht gut aus.

WICHTELKEGELN

wichtelkegeln

Alle Jahre wieder kommt die Vorweihnachtszeit mit all ihren liebgewonnenen aber auch mit den nervtötenden Ritualen. Muss man das alles immer wieder mitmachen? Oder kann man den gewohnten Abläufen auch mal etwas Neues entgegensetzen? Wie wäre es zum Beispiel mit einer witzigen, spielfreudigen und die Fantasie anregenden Aktion aus dem Themenkreis dieser besinnlichen Zeit aber mit einem deutlich erhöhten Spaßfaktor? Mein bewährter Vorschlag: Wichtelkegeln! Wir basteln manchmal eine Kegelbahn aus Wellpappe. Das Wichtigste aber sind die lustigen Figuren, die dann mit einer Glasmurmel munter umgekegelt werden.

MACHT HOCH DIE TÜR, DIE TOR MACHT WEIT

Denn je offener die Tür zur eigenen kreativen Gestaltung, desto weiter wird der Horizont des eigenen Erlebens. Und in dieser fantastischen Vielfalt spiegelt sich der unendlich wunderbare Reichtum menschlicher Möglichkeiten. Uns verbindet der Spaß beim Basteln und Spielen und uns bereichert das Staunen über die große Vielseitigkeit der verschiedenen Interpretationen
derselben Aufgabenstellung. Was sich da auf den Kegelbahnen tummelt, ist voller Witz und eigenwilligem
Stil. Und doch – wenn dann die Kugel rollt, sind sie alle gleich. Entweder sie fallen um oder nicht.

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

cover-kinderkunst

Kinderkunst und Kreativität

Praxis und Philosophie. Fantasie und Selbstbewusstsein fördern. Kunst mit Kindern: mehr als malen und basteln! Kreativbuch für Schule, Hort, Workshops und Kunstwerkstatt

Nyncke, Helge

25,00 € (inkl. MwSt.)




Dem Zivilisationsübel Sitzen und dem Pulverfass Bewegungsmangel begegnen

schafft die stühle ab

Renate Zimmer: Schafft die Stühle ab! Plädoyer für einen bewegten Alltag.

Nun ist einer der Klassiker von Prof. Dr. Renate Zimmer in einer neuen, sehr ansprechenden Aufmachung erschienen, nachdem das Buch schon zuvor – seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts – in vielen Auflagen herausgegeben wurde.

In diesem Buch problematisiert die Autorin das tag-/tägliche viele Sitzen und seine Folgen im Hinblick auf die körperliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit, das allgemeine Wohlbefinden, die Aufmerksamkeitsbereitschaft und damit auf das kognitive, emotional-soziale und motorische Entwicklungsgeschehen bei Kindern und Erwachsenen. Auch wenn in der Veröffentlichung die Kinder und die Institutionen Kindertageseinrichtung und Schule im Fokus stehen, betreffen alle Aussagen auch die Erwachsenen in gleicher Weise!  Das lateinische Wort ‚sedere‘ bedeutet übersetzt ‚sitzen‘ und gleichzeitig leitet sich das Verb ‚sedieren‘ (= ruhigstellen) auch aus dem Wortstamm ‚sedere‘ ab. Doch das LEBEN besteht aus Bewegung, dem Klettern, Laufen, Hüpfen, Tanzen, Gehen und Springen!

Nachdem im ersten Kapitel das ‚Zivilisationsübel Sitzen‘ genauer unter die Lupe genommen wird und im zweiten Kapitel dem ‚Pulverfass Bewegungsmangel‘ nachgegangen wird, folgen im dritten Kapitel Vorschläge zum alternativen Sitzen sowie für Alternativen zum Sitzen. Kapitel vier stellt Bewegungsaktivitäten im Rahmen von Bewegungspausen vor und Kapitel fünf fordert dazu auf, vom Sofa runterzukommen und sich aus dem Sessel zu erheben, verbunden mit Vorschlägen, wie die ganze (Familien)Gruppe ordentlich auf Trab gebracht werden kann. In den zwei Folgekapiteln liefert die Autorin weiterhin viele Praxisbeispiele für eine ‚bewegte/ sich bewegende Kita‘ und für eine ‚bewegte Schule‘, beschrieben unter der doppeldeutigen Aussage: „Wer sich nicht bewegt bleibt sitzen“!       

Dabei spickt die Autorin ihre inhaltlichen Ausführungen ab und zu mit gezielten, humorvoll-provokanten Zitaten, z.B.: >Raus aus der Sitzfalle! Schickt die Stühle in den Urlaub< oder >Jeder Stuhl müsste im Grunde genommen mit dem Warnsignal >“Vorsicht – Sitzen schadet der Gesundheit!“ versehen werden, analog der Warnung auf den Zigarettenschachteln. < So hat sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die körperliche Inaktivität – zu langes und zu häufiges Sitzen – heute als weltweit viertgrößte der vermeidbaren Todesursachen eingestuft (2019).      

Dieses Buch reiht sich wunderbar in die Vielzahl ihrer ebenso empfehlenswerten Publikationen ein, wie beispielsweise:

  • >BEWEGUNG ERLEBEN in der Kita<,
  • >BEWEGUNG ERLEBEN in der Krippe<,
  • >Kreative Bewegungsspiele – Psychomotorik in der Kita<,
  • >Der Bewegungskindergarten< oder
  • >Eine kleine Ballgrammatik – Spielerische Zugänge zur Sprache<

und sorgt (hoffentlich) weiterhin dafür, dass sich die Anzahl der „Sitzkindergärten“ deutlich verringern wird. Auch Prof. Dr. Carla Hannaford, Neurophysiologin und Pädagogin, hat die Bedeutung der Bewegung für eine allumfassende (= ganzheitliche), förderliche Entwicklung des Kindes schon am Ende des letzten Jahrhunderts mit ihrem vielbeachteten Buch „Bewegung – das Tor zum Lernen“ auf den Punkt gebracht.

So kann die Neuauflage von Prof. Zimmer einerseits als ein wichtiger Ratgeber zur Reflexion der eigenen (Sitz)Pädagogik und als ein ideenliefernder Impulsgeber für Raumumbauten und spannende Spielideen dienen.

Gleichzeitig ist es aber auch möglich, ihr Buch mit dem wohl ideenreichsten PRAXISBUCH zur Kreativität von >Helge Nyncke: KINDERKUNST und KREATIVITÄT. spielen und lernen, c/o Körner Medien UG, Freiburg 2023< zu kombinieren.

So könnten als Beispiel für weitere, ungezählte Möglichkeiten, die sich aus den Impulsen des Buches ableiten lassen, farblich und größenmäßig abweichende, mit ganz unterschiedlichen Materialien erstellte (Fantasie)Vögel den Raum bevölkern, Ruhepausen in Nestern einlegen, durch den Raum fliegen und Geschichten von Beobachtungen erzählen, die sie auf ihren Flügen erlebt haben, bevor sich dann alle Vögel (an den Händen der Kinder) zum nächsten Vogelnest bewegen (S.30 f.).

Oder Kinder kleiden sich wie Marionetten, sind mit kurzen Kordelbändern an ihren Händen und Füßen verbunden und werden wie Marionetten – zum Tanzen – in Bewegung gebracht (S. 34 f.). Oder farbenfrohe Schmetterlinge und Libellen besuchen sich im Garten, treffen sich an hergestellten Blütenblättern, die im Garten verteilt sind, und erzählen erdachte oder selbst erlebte Geschichten (S. 50 f.) Oder Kinder mit selbst hergestellten Tiermasken treffen sich im Urwald (in einem entsprechend umgebauten Raum) und bauen sich mit unterschiedlichen Hilfsmitteln Höhlen usw. (S. 60 f.). Riesenbilder (S. 125 f.) könnten als Gemeinschaftsaufgabe zu einmaligen, einzigartigen Kunstwerken werden und Eltern, Nachbarn, Ortsanwohner*innen zu einer öffentlichen Ausstellung einladen.

Es könnten aus Verpackungskartons von Waschmaschinen u.Ä. kleine Städte entstehen, mit bunt bemalten Häusern und Geschäften, die von den Kindern bevölkert werden, so dass die ‚Kartonstadt‘ mit Leben gefüllt wird … Hier sind der Fantasie und Kreativität keine Grenzen gesetzt, alles unter dem Motto: „Auf die Plätze, fertig und los geht es mit kreativen, fantasievollen Bewegungsaktivitäten, an denen auch die Fachkräfte mitmachen.“

Armin Krenz

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Renate Zimmer: Schafft die Stühle ab!

Plädoyer für einen bewegten Alltag.
Mit Illustrationen von Julia Ginsbach.
Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Br. 2023.
109 Seiten, 15,00 €.
ISBN: 978-3-451-39485-0