Kitas brauchen eine radikale pädagogische Kehrtwendung zum KIND: BILDUNGSWENDE JETZT!

Eine Analyse der aktuellen Missstände in der frühkindlichen Bildung und Betreuung – warum Kinder, Eltern und Fachkräfte ohne eine grundlegende pädagogische Kehrtwende langfristig Schaden nehmen werden

Der Themenschwerpunkt hätte auch folgende Überschrift tragen können:

  • Mehr Kind! Mehr Persönlichkeit und weniger Formalismus/Dirigismus: BILDUNGSWENDE jetzt! Oder
  • Kinder müssen wieder Ausgangs- und Mittelpunkt der Pädagogik sein! BILDUNGSWENDE jetzt! Oder‘
  • Kinder brauchen Menschen, Spiel und Seelenproviant und keine didaktisierten Förderprogramme: BILDUNGSWENDE jetzt!

Wie schon in der Online-Zeitschrift „spielen + lernen“ (Ausgabe: 30.07.25) zu lesen war und wie alle Fachkräfte im Feld der Elementarpädagogik wissen – im Gegensatz zu vielen politischen Mandatsträger*innen, die sich lediglich nur mit wohlfeilen Worten und ohne persönlichen Praxisbezug zur überaus vielschichtigen Problemlage im Elementarbereich äußern –, hat sich die Realität in Kindertageseinrichtungen in den vergangenen Jahren weiter dramatisch verschärft – nicht nur für pädagogische Fachkräfte, sondern vor allem – neben den Eltern – für die Kinder selbst: und – wie wir wissen – dies mit dramatisch nachhaltigen Folgen für deren Entwicklung.

Wenn Kinderbedürfnisse im Bürokratiedschungel untergehen

Während der Ruf nach notwendigen, real vorhandenen Qualitätsstandards, einer Umsetzungsmöglichkeit für ein professionell tätiges Handeln im Erzieher*innenberuf und eine kindorientierte Konzeptionsumsetzung immer lauter wird, geraten die wirklich grundlegenden, lebensbedeutsamen und dringend notwendigen, entwicklungsunterstützenden Bedürfnisse von Kindern zunehmend ins Abseits einer gesetzlich geforderten Umsetzung des Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrags (SGB). Was jedes Kind, gerade in den ersten Lebensjahren, für eine förderliche Persönlichkeitsbildung unwidersprochen braucht – Beziehungsnähe, Bindungssicherheit, eine zuverlässige Begleitung der kindorientierten Tätigkeiten, Raum für Spiel und vielfältige Welterkundungsmöglichkeiten, Zeit zur Stabilisierung ihres Selbstwertgefühls (statt erwachsenengesteuerte, wirtschaftlich geprägte und zukunftsdefinierte Belehrungsprogramme), Erfahrungswerte eigener Selbstwirksamkeit und eine sozial-emotional geprägte, werteorientierte, inklusiv gestaltete Entwicklungswelt/Entwicklungsatmosphäre –, werden diese im Alltag immer wieder aufs Neue durch Bürokratie, vielfältigste Stressfaktoren, eine häufig dramatische Personalnot, einen ständig zunehmenden Bedarf an individualunterstützenden Hilfsangeboten für Kinder mit Verhaltensirritationen, eine fehlende realexistierende Teamarbeit, die es zumeist nur auf dem Papier gibt, und unsinnige, institutionelle Routinen und tradierte Gewohnheiten verdrängt.

Überlastete Fachkräfte, unerreichbare Eltern, sinkende Ausbildungsstandards

Viele Fachkräfte fühlen sich im Spannungsfeld zwischen einem fachlichen Anspruch, abgeleitet aus wissenschaftlichen Erkenntnissen, und strukturellen, institutionellen und personellen Mangelsituationen zerrieben. Teams sind überlastet, und Vieles zerfällt in ein Einzelkämpfertum bei einer deutlichen Zunahme von ungelösten Teamkonflikten. Viele Eltern sind – aus unterschiedlichen Gründen – zunehmend schwer erreichbar, Ausbildungsstandards in vielen Fachschulen wurden abgesenkt und haben ein Niveau in einem unteren Level erreicht, und manche Quereinsteiger*innen – oftmals nur, wenn überhaupt, mit einer Minimalfortbildung ausgestattet – bringen nicht selten zusätzliche Unruhe in das Kollegium und vor allem in die Aufenthaltswelt der Kinder. Ja, gerade qualifiziertes Personal denkt sogar immer häufiger über einen Ausstieg aus dem Beruf nach. Das Ergebnis: Wir finden eine Pädagogik vor, die Kindern in ihrer sensiblen Entwicklungsphase weder Stabilität noch verlässliche Begleitung bieten kann – mit allen bekannten nachhaltigen Folgen für das kindliche Verhalten und damit auch für die gesellschaftliche Zukunft.

Eine Pädagogik ohne Halt – Kinder verlieren ihre Entwicklungsräume

Nötig ist daher eine „radikale pädagogische Kehrtwende zurück zum Kind“ – weg von einer überakademisierten, praxisfremden und wirtschaftspolitisch verursachten Anspruchswelt, die ohne Unterlass auf Erzieher*innen einzuwirken versucht, weg von ideologisch gesetzten Ansprüchen und Einflüssen, die sich in Form von ständig erscheinenden Förderprogrammen zeigen und häufig von Personen entwickelt wurden, die nicht aus dem (heil-)pädagogischen/entwicklungspsychologischen Berufsfeld kommen, und weg von funktional sowie teilheitlich geprägten Konzepten, die das Kind als ein „defizitäres Objekt“ klassifizieren und zum „Förderprojekt“ degradieren. Was ist daher nötig? Die Elementarpädagogik muss einen Weg finden, der zurück zu einer beziehungsorientierten, kindzentrierten Praxis führt.


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Spiel braucht Raum – Für eine kindgerechte Pädagogik

Das Spiel verliert in Kitas zunehmend an Bedeutung – durch Verhaltensauffälligkeiten, Inklusionsanforderungen, Bildungsdruck, Bürokratie und fachfremdes Personal. Dabei bleibt das Spiel zentral für die Selbstbildung und Entwicklung von Kindern. Diese Publikation fordert eine Rückbesinnung auf eine lebendige Spielpädagogik, die Kinder ins Zentrum stellt – gegen eine funktionalisierte Frühpädagogik.

176 Seiten, Softcover, DIN A5
ISBN: 978-3-96304-616-2
22 €

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Eine radikale Kehrtwende: Zurück zum Kind!

Zunächst sei erlaubt, ein paar FAKTEN wiederzugeben, die die Situation in der Elementarpädagogik auf den Punkt bringen:
Diese Fakten ergeben sich sowohl aus unterschiedlichen Berichten von praktisch tätigen Erzieherinnen und pädagogisch tätigen Personen aus verwandten Berufen und Leitungskräften aus allen 16 Bundesländern als auch aus vielfältigen Veranstaltungen, Coachings, Supervisionen, Qualitätsevaluationen, Fortbildungsveranstaltungen und aus Gesprächen mit Wissenschaftskolleginnen und aus allseits bekannten Untersuchungen.

Fakten, die nicht länger ignoriert werden dürfen

Was eine entwicklungsförderliche/entwicklungsunterstützende Elementarpädagogik einschränkt und damit eine Qualität immer stärker ins Abseits führt:

  1. Laut Bertelsmannstiftung vom August 2024 fehlen in Deutschland 97.000 vollbeschäftigte Fachkräfte (Kostenpunkt 5,8 Milliarden €), und in der aktuellen IW-Arbeitsmarktfortschreibung 2028 des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln ist im Feld des Erzieher*innenberufs mit dem stärksten Beschäftigungszuwachs aller untersuchten Berufsgruppen zu rechnen: plus 136.400 in 5 Jahren! Rechnerisch wird die Fachkräftelücke bis 2028 weiterhin auf rund 30.800 unbesetzte Stellen anwachsen. (Hier sei auf die Stellschraube Beruf der Elternteile/Mütter und Familie sowie auf die Vernetzung mit dem Arbeitsmarkt/der Wirtschaftsentwicklung in Deutschland besonders hingewiesen.)
  2. Nach wie vor ist der Betreuungsschlüssel in Kitas vollkommen unbefriedigend. (EU-Empfehlung, schon seit Jahren: Krippe 1:3, Kita 1:7)
  3. Aufgrund des Fachkräftemangels nimmt die Zahl der Gruppenschließungen bis hin zu Kita-Schließungen ständig zu.
  4. Der vorgegebene Betreuungsschlüssel in der Gruppe muss eingehalten werden, ansonsten wird die Gruppe aktuell geschlossen. Dem hat zum Beispiel das Land NRW versucht entgegenzuwirken, indem vom Familienministerium eine mehr als berechtigt umstrittene Personalverordnung, die im Dezember 2024 in Kraft trat, Anwendung finden könnte: Laut dieser Personalverordnung ist es möglich, den Betreuungsschlüssel „zeitbegrenzt“ (Anmerkung: was das heißt, bleibt vollkommen offen) so zu senken, dass nur ein(e) Erzieherin (mit Unterstützung von vorhandenen Ergänzungskräften) für bis zu 60 Kinder anwesend ist (Anmerkung: Anwesenheit kann nur bedeuten, lediglich als „Dompteurin“ zu wirken! Eine Umsetzung des Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrags ist hierbei vollkommen ausgeschlossen und realitätsfern in höchstem Maße.) Laut einer Kleinen Anfrage der SPD-Landtagsfraktion gingen bis 7/2025 23 Anträge bei den Landesjugendämtern ein, wovon 16 Anträge genehmigt wurden. Und: nur 16 von mehr als 10.700 Kitas in NRW haben überhaupt von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
  5. Beschäftigte in der Kita-Pädagogik waren 2023 knapp 30 Tage/Jahr krankgeschrieben. Das entspricht einem Anstieg um 26 % zwischen den Jahren 2021 und 2023. Hauptursachen: 1. Atemwegserkrankungen, 2. psychische Erkrankungen (Bertelsmannstiftung). Dazu kommen Urlaubstage und Fortbildungstage.
  6. Fortbildungen, die berufsbegleitend wichtig sind und den Mitarbeiter*innen auch auf Grundlage der länderspezifischen Bildungsgesetze zustehen (!), können aufgrund der Personalknappheit gar nicht wahrgenommen werden und werden, wenn überhaupt, entsprechend selten von Trägern genehmigt.
  7. Aufgrund der häufig wechselnden Bezugserzieher*innen ist eine kontinuierliche, dringend notwendige und entwicklungsförderlich gegenwartsbezogene Bezugsperson nicht gegeben, und falls ja, wäre es für Kinder nahezu schon ein großer „Lottogewinn“.
  8. Die Unzufriedenheit und Fluktuation von Mitarbeiter*innen ist in vielen Kindertagesstätten sehr hoch und rasant steigend. Entsprechend ist eine deutliche Zunahme von Kündigungen festzustellen.
  9. Besonders bedenklich ist, dass vor allem auch langjährige, gut ausgebildete und besonders engagierte Fachkräfte immer häufiger kündigen und sich einer anderen Berufstätigkeit zuwenden oder ganz mit einer Berufstätigkeit aufhören!
  10. Eine Umsetzung von projektbezogenen Vorhaben und von konzeptionellen Inhalten kann kaum oder gar nicht realisiert werden.
  11. Statt einer nachhaltigen Bildungsarbeit, ausgerichtet auf die Selbstbildungspotenziale des Kindes, werden den Kindern fast ausschließlich funktionale, didaktisierte, zukunftsorientierte, von Erwachsenen ausgesuchte und den Kindern vorgelegte Bildungsangebote (eine sogenannte „Bildung aus II. Hand“ – siehe Prof. Dr. Gerd Schäfer –) vorgesetzt, in denen vor allem der „kognitive Bereich“ gefördert werden soll. Was für ein entwicklungspsychologisches und neurobiologisches Drama! Damit werden – das zeigen immer wieder neurobiologische und lernpsychologische Untersuchungen – Selbstlernprozesse und ein intrinsisches Neugierdeverhalten nicht nur behindert, sondern nachhaltig geschädigt.
    Erlaubt sei dazu ein Zitat von Heinrich von Kleist. Er schreibt: „Aber das Kind ist kein Wachs, das sich in Menschenhänden zu einer beliebigen Gestalt kneten lässt: Es lebt, es ist frei; es trägt ein unabhängiges und eigentümliches Vermögen der Entwicklung und das Muster aller innerlichen Gestaltung in sich.“ (in: Herbert Renz-Polster + Gerald Hüther: Wie Kinder heute wachsen. Weinheim 2013, S. 16)
    Kinder leben und lernen von Erfahrungen, die „unter die Haut gehen“, die sie aufgrund ihrer aktuellen Biografie emotional (!) berühren und die Kinder mit ihrer aktuellen, realen Lebenssituation verbinden können. Kinder sind auf der Suche nach Echtheit, Freiheitserlebnissen, Sinnlichkeit, Herausforderungen und erlebenswerten Abenteuern! Programme, von Erwachsenen vorgegeben, sind im Grunde genommen eine vorgegebene, wenn auch gut gemeinte Diktatur, die zur >Enteignung der Kindheit< führt. Wo Programme vorherrschen, sind Ziele festgesetzt, und schon geschieht eine Abkehr von der Gegenwart mit dem Ziel einer Vorbereitung auf die Zukunft. Die Psychologin und Pädagogin Anke Ballmann, Institutsgründerin von „Lernmeer – Institut für kindgerechte Pädagogik“, spricht von einem Würgegriff, dem sich Erzieher*innen durch die permanenten Programmanwendungen ebenso unterziehen wie die Kinder, an die dieser Würgegriff weitergegeben wird. Sie bezeichnet die Vielzahl der pädagogischen Programme als „adipöse Bildungspanikdrachen“, mit denen Kinder unaufhörlich gefüttert werden.
  12. Fachkräfte stehen unter einem permanenten Zeitdruck, der sich in der Folge entwicklungshinderlich auf Kinder auswirkt – ganz besonders problematisch ist es für Kinder im Krippenalter (mit irreparablen Folgeschäden) für die psychosoziale Entwicklung, wie verschiedene Untersuchungen aus dem Feld der Entwicklungspsychologie zeigen.
  13. Für wichtige, entspannte Elterngespräche „auf dem Flur“ („Tür- und Angelgespräche“) ist so gut wie keine Zeit (und müssten anschließend schriftlich dokumentiert werden, entweder als Prozess- oder Produktprotokoll!).
  14. Es besteht die permanente, sehr zeitaufwendige Pflicht, vielfältigste Umstände/Ereignisse schriftlich festzuhalten, was tagtäglich zulasten der pädagogischen Arbeit mit den Kindern geht. Diese vielfältigen bürokratischen und sehr viel Zeit in Anspruch nehmenden „Aufschreibepflichten“ stehlen den Kindern ENTWICKLUNGSZEIT.

Und dann gibt es weiterhin ungezählte Aspekte, die nicht zu verstehen sind. So zum Beispiel:

  1. Kühlschranktemperaturen müssten täglich geprüft, schriftlich festgehalten und Speiseproben aus Gründen der Gesundheitssicherung genommen/aufbewahrt werden. Anscheinend ist dies wichtiger, als ein trauriges Kind am Morgen emotional zu begleiten.
  2. Das Klettern auf einen Baum wird Kindern aus möglichen Unfallgründen untersagt, und unübersichtliche Strauchflächen im Außengelände werden gerodet. WAS SOLL DAS? Kinder brauchen auch Rückzugsorte, Flächen zum Budenbau, Orte zum Verstecken sowie jede Menge Bewegungsräume im Freien usw. usf. Hierzu ist anzumerken: Wenn Kinder zunehmend an einer Leine geführt werden, Risikoerfahrungen unterbunden werden, die Welt mit Warnungen und vielen Verboten versehen wird, dann erfahren sich Kinder als beschützte Reakteure und nicht als lebenserfahrene Gestalter*innen der Welt. Wir müssen auch in der Pädagogik begreifen: Ein Schutz vor Risiken und das Erlernen einer damit verbundenen Risikovermeidung stellt selbst ein außergewöhnliches Risiko dar! Ein aktivierter Airbag schützt nicht nur das Kind – er behindert es auch ständig in seiner Selbstwirksamkeit und Lebenserfahrung. Johann Heinrich Pestalozzi hat einmal gesagt: „Lass das Kind gehen und hören, finden und fallen, aufstehen und irren.“
  3. Bestimmte Pflanzen im Außengelände wie Brennnesseln (wichtig für die Eiablage vieler Schmetterlinge) oder Felsenbirnen werden wie Giftpflanzen eingestuft und vernichtet.
  4. Apfelbäume, ebenso andere Obstbäume, werden abgeholzt aufgrund von Wespenbesuchen, die sich am herabgefallenen Obst stärken wollen und Kinder stechen könnten. WARUM wird das Fallobst nicht aufgesammelt und genutzt? Wann lernen wir Menschen in der Pädagogik endlich, Tätigkeiten mit Kindern und nicht für Kinder zu machen?!
  5. Dann gibt es das Datenschutzgesetz: Es dürfen keine Fotos von Gesichtern der Kinder veröffentlicht werden. Ja, selbst auf Gruppenfotos werden Kindergesichter geschwärzt, sodass bei Fotobestellungen nur das Gesicht des eigenen Kindes zu erkennen ist! Eine Anmerkung sei dazu ohne Schnörkel ausgesprochen: Wie krank ist das, und wer hat sich einen solchen „Schwachsinn“ ausgedacht? Hier wurden und werden „Mücken zu Elefanten“ gemacht/aufgewertet und Einzelvorkommnisse zu Allgemeinregeln erhoben! Die Frage bleibt damit offen, warum nun nicht auch anhand der Unfallstatistik im Jahr 2024 (es gab pro Tag 6.883 polizeilich erfasste Unfälle in Deutschland) die Nutzung von Autos generell verboten wird.
  6. Es gibt zunehmend Eltern, die sich ständig bei „Prof. Google“ bedienen und meinen, sie seien die Top-Pädagogen, und machen es nicht selten pädagogischen Fachkräften mit professionellem Entscheidungshintergrund sehr schwer. WICHTIG: Es heißt KINDERGARTEN und nicht ELTERNGARTEN!
  7. Handyverbote stoßen bei pädagogischen Mitarbeiter*innen oftmals auf großes Unverständnis. WICHTIG: Handys haben während der Dienstzeit nichts in Kindergärten zu suchen. Die Zeit gehört den Kindern, nicht den eigenen Kommunikationswünschen.

Was Kinder wirklich brauchen – und was ihnen genommen wird

Es überrascht nicht, wenn Anette Stein, Kita-Expertin der Bertelsmannstiftung, zu folgendem Schluss kommt: (Zitat:) „An eine gute, frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung ist vielerorts gar nicht mehr zu denken!“

Und Prof. Dr. Rahel Dreyer (Alice Salomon Hochschule Berlin) kommt in einem Aufruf/Appell (gemeinsam mit 300 Wissenschaftler*innen) zu folgenden Aussagen: „Das System der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) in Deutschland ist stark belastet und steht kurz vor dem Kollaps. /…/ Die aktuelle Situation widerspricht grundlegend kindlichen Grundbedürfnissen und Rechten von Kindern. Kinder brauchen stabile Bezugspersonen in verlässlichen Strukturen, die pädagogisch qualifiziert sind und passgenau auf die individuellen Bildungs- und Entwicklungsbedürfnisse und Bedarfe von Kindern eingehen können!“ (persönliche Anmerkung: Lassen Sie sich diese Aussage einer ausgewiesenen Expertin einmal auf der Zunge zergehen. Es ist ein Drama höchster Offenbarung.)

Ich frage mich: Wo bleiben die Freude, das Lachen und Strahlen in einer beziehungsgepflegten, professionellen Begleitung von Kindern im gemeinsamen Leben und Lernen im Rahmen einer so wichtigen, ganzheitlich orientierten Pädagogik und einer sozial-/gesellschaftspolitischen überaus wichtigen Aufgabenstellung?

Dr. Herbert Renz-Polster konstatiert dazu Folgendes mit einer Metapher: „Wir werden Menschen brauchen, die wie Bäume in echten Wäldern wachsen: mit dichtem Holz, guter Rinde, tiefen Wurzeln. Lebendige, widerstandsfähige, sozial kompetente, kreative Menschen. Menschen mit einem Fundament.“ (Wie Kinder heute wachsen. 2013, S. 103)

Programme statt Kindheit: Wenn Bildung zur Diktatur wird

Wie beschrieben, muss festgestellt werden: In der Elementarpädagogik brennt es an allen Ecken und Enden! So kann und darf es nicht weitergehen!!

In einer Studie von Prof. Dr. Johann Michael Gleich, Soziologieprofessor in Köln – befragt wurden 600 Erzieherinnen in Kindergärten und in Kindertagesstätten –, kam heraus, dass 60 % der Erzieherinnen mehr oder weniger mit dem Gedanken spielen, ihren Beruf aufzugeben. Häufiger Grund für die Frustration ist die psychische Belastung durch Verhaltensirritationen bei Kindern. Weitere Gründe sind die große Anzahl der zu betreuenden Kinder, der Erwartungsdruck der Eltern, die fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten, die schlechte Bezahlung und das geringe Ansehen in der Öffentlichkeit. Fast 10 % der befragten Erzieherinnen sind fest entschlossen zu einem Berufswechsel, 16 % beschäftigen sich sehr oft mit der Frage, 38 % ab und zu. 62 % der Erzieherinnen fühlen sich stark durch die Verhaltensirritationen bei Kindern belastet. Originalaussage von Prof. Gleich: „Die Entwicklung ist bedrückend, denn der Bedarf an qualifiziertem Personal wird steigen.“ Weiter heißt es: „Der Beruf der Erzieherin ist eine Art Indikator für ungleiche Lebenschancen ganzer Bevölkerungsteile, nämlich der Kinder und ihrer Familien. Man dürfe diese Frauen mit ihrer verantwortungsvollen Aufgabe nicht alleine lassen.“

Meine Frage: Was glauben Sie, wann diese Studie publiziert wurde? /…/ Antwort: im Mai 1993. Meine 2. Frage: Und was hat sich in den nun folgenden 32 Jahren grundlegend geändert???

Dazu ein veröffentlichter Leserinnenbrief vom Februar 2025:
„Der Hilfeschrei einer Erzieherin“
(Oberbayerisches Volksblatt vom 1./2.02.2025, S. 3)

Die 35-jährige Miriam Schultz aus Putzbrunn (Landkreis München) ist seit 18 Jahren Erzieherin. Sie schrieb einen Brief an Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU): „Heute erlebe ich keinen Kindergartentag mehr, sondern versuche ihn zu überleben.“ Sie beobachtet mit Sorge, dass mehr und mehr Kolleginnen und Kollegen den Beruf wegen der Arbeitsbedingungen wechseln. Sie kennt in ihrem Umfeld zehn Personen, die den Beruf erlernt haben, „aber wegen der Arbeitsbedingungen nun etwas anderes machen“.

Nach ihrer Wahrnehmung werden die Berufsanfänger nicht auf den Alltag vorbereitet. „In Fachakademien wird ihnen der Berufsalltag rosarot erklärt; sie kommen mit falschen Erwartungen. Man müsste schon in der Ausbildung viel stärker auf die Alltagsprobleme eingehen.

„Wir haben kaum noch Kinder ohne Förderbedarf. Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt viel mehr auf der Pflege als auf der Pädagogik. […] Wir haben in den Gruppen auch viele Migranten- und Flüchtlingskinder, die kaum Deutsch sprechen. […] Wir müssen zusätzlich beobachten und einen Fragebogen ausfüllen. Also wieder Formalitäten ohne Ende.“ […] Sie fordert in ihrem Brief auch eine Entlastung der Eltern: „Auf ihnen liegt ein wahnsinniger Druck.“ […] Auch der Medienkonsum der Kinder ist eine Katastrophe. „Sie können sich nicht lange konzentrieren, haben eine niedrige Frustrationstoleranz und keine Fantasie mehr. Wir als Kindergarten können mit der virtuellen Welt nicht mithalten. Das ist alles aufregend.“

Auf die Frage, wie lange sie ihren Alltag, so wie er ist, aushalten werde, antwortet Frau Schultz: „Das weiß ich nicht. Aber ich werde bestimmt nicht bis zur Rente in diesem Beruf bleiben.“


Starke Erzieher*innen für starke Kinder

Erzieherinnen prägen Kinder maßgeblich – neben Eltern sind sie zentrale Bezugspersonen im Entwicklungsprozess. Forschung zeigt: Auch familienfremde Beziehungen beeinflussen die Persönlichkeitsbildung. Dieses Buch beleuchtet das Berufsbild, betont Professionalität, Selbstreflexion und die Bedeutung der Erzieherinnen-Persönlichkeit für gelingende Bildungsprozesse.

Softcover, 176 Seiten, DIN A5
ISBN: 978-3-96304-615-5
22 €

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Was daher dringend erforderlich ist:

  • Eine konsequente Umsetzung einer Pädagogik, die von den Entwicklungsnotwendigkeiten der kindlichen Entwicklung ausgeht, und eine Pädagogik, die darauf verzichtet, mit ungezählten Etikettierungszuschreibungen Kinder zu klassifizieren! Als ein Beispiel von Hunderten sei nur mit einem Satz auf das weitverbreitete sogenannte ADHS-Kind eingegangen. In vielen Fällen liegt die Wurzel für ADHS (neben genetisch bedingten Faktoren) in entwicklungshinderlichen Lebensbedingungen in der frühen Kindheit, sodass ADHS häufig ein Passungsproblem ist – hier wurden bzw. werden dem Kind Verhaltensweisen abverlangt, die es von seiner Persönlichkeit und seinem Entwicklungsstand noch gar nicht leisten kann und sich emotional, sozial, kognitiv oder motorisch massiv überfordert fühlt. Das Problem wird dann in der Regel mit der Verabreichung bestimmter Medikamente zu lösen versucht, anstatt zu begreifen, dass im Fall nichtgenetischer Ursachen das soziale Umfeld nicht kindgerecht gestaltet ist! (vgl. Armstrong, Thomas: Das Märchen vom ADHS-Kind. Paderborn, 22. Aufl. 2002)
    Ein Hauptproblem in der entwicklungshinderlichen Pädagogik besteht offensichtlich darin, dass pädagogische Fachkräfte nicht mehr fühlen, wie es Kindern geht. Viele Fachkräfte unterliegen dem „Einstein-Hype“ und meinen, eine Entwicklungsförderung bestehe hauptsächlich darin, Kinder mit jeder Menge Synapsenfutter zu versorgen. Wenn auf Initiative einer Stiftung der Unternehmensberatung McKinsey & Co (in einer Vernetzung mit Wirtschaftsunternehmen wie beispielsweise der Dietmar-Hopp-Stiftung, Siemens Stiftung, Dieter-Schwarz-Stiftung, der Autostadt GmbH, der Bertelsmann-Stiftung und der Deutschen Telekom Stiftung) immer mehr Kitas als „Haus der kleinen Forscher“ zertifiziert wurden und weiterhin zertifiziert werden, bei denen „mathematische, naturwissenschaftliche oder technische Projekte“ im Vordergrund stehen, die die „Begeisterung für naturwissenschaftliche Phänomene und technische Fragestellungen wecken und langfristig zur Nachwuchssicherung der entsprechenden Berufsfelder beitragen“, verwundert es nicht, wenn Prof. Dr. Jürgen Kluge sich wie folgt äußert: „Bildung und damit HUMANKAPITAL ist die Voraussetzung für Innovation, Wachstum und Wohlstand. /…/ Beginnen wir mit dem Lernen ab der Geburt und nicht erst in der Schule.“ (Ziele der Initiative „Haus der kleinen Forscher“: http://www.haus-der-kleinen-forscher.de/de/ueberuns/die-stiftung/; aktuell: www.stiftung-kinder-forschen.de / Zitat Prof. Dr. Jürgen Kluge. In: Kita aktuell NRW, Nr. 01/2006, S. 13 ff.)
    Die Zielsetzung sowie die Haltung/Sichtweise von Kindern offenbart sich in ihrer ganzen Tiefe dadurch, wenn statt von Kindern vom „HUMANKAPITAL“ gesprochen wird.
  • Mitarbeiterinnen in Krippen und Kitas müssen ihr unterwürfiges Verhalten aufgeben, ihre Arbeit nach den Wünschen von Eltern zu gestalten: Pädagogik ist kein Schaulaufen wie beim Eistanz und Aerobicturnen, in der es eine A- und eine B-Note gibt. (Anmerkung: Prof. Helga Fischer, Fakultät der angewandten Sozialwissenschaften an der FH in Köln, kam einmal zu zwei überlegenswerten Aussagen in einem Vortrag. Dort sagte sie: „Das berufliche Selbstverständnis von Erzieherinnen ist geprägt von einer überhöhten Bereitschaft, möglichst allen Erwartungen, die an sie gerichtet werden, gerecht zu werden.“ Und: „Das berufliche Selbstbewusstsein der Erzieher*innen bleibt weit hinter der Bedeutung der tatsächlich geleisteten bzw. zu leistenden Arbeit zurück.“)
  • Ebenso wenig geht es um eine direkte Vorbereitung für die Grundschule und auch nicht um ständig neue Förderprogramme! Es geht in erster Linie um eine achtsame Beziehungspflege in einer gegenwartsorientierten Pädagogik unter erster Berücksichtigung der Kinderwelten mit deren Ideen, Interessen und Unterstützungshilfen! Daher steht an erster Stelle die Frage, wie es zuvorderst und mit der Beobachtungs-, Spiel-, Engagement- und Beziehungskompetenz sowie der Lern- und Entwicklungsbereitschaft der Fachkräfte aussieht. Oscar Wilde, ein irischer Schriftsteller, hat einmal gesagt: „Persönlichkeiten, nicht Grundsätze, bewegen das Zeitalter.“
  • Eine bessere Fachkraft/Kind-Relation (eine Forderung, die schon seit drei Jahrzehnten im Raum steht und klipp und klar von der EU definiert wurde!)
  • Zusätzliche Mittel für weitere Qualitätsverbesserungen (z. B. Raum-/Ausstattungsqualität; Gelder für ein naturnahes und abenteuerorientiertes Außengelände …)
  • Einen deutlich höheren Fortbildungsetat (ich kenne Kitas mit 12 Angestellten, die einen Gesamtfortbildungsetat von 420 € haben!)
  • Regelmäßige Supervisionssitzungen für Mitarbeiter*innen und Coachingssitzungen für Leitungskräfte
  • Einen radikalen Abbau von bürokratischen Aufgaben, die Leitungskräfte und Erzieher*innen zu leisten haben
  • Mehr Zeit für eine qualitätsorientierte Vor- und Nachbereitungszeit
  • Eine trägerunabhängige (!) – wissenschaftlich fundierte Fachberatung für Kita-Mitarbeiterinnen und keine trägergeleiteten Vollzugsbeamtinnen
  • Ein Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht bei der Einstellung neuer Mitarbeiter*innen
  • Ein Mitarbeits- und Mitentscheidungsrecht bei träger-, landes- und bundespolitischen Richtlinien/Gesetzen, wenn es um elementarpädagogische Grundsätze/Entscheidungen geht
  • Eine erhöhte Wachsamkeit seitens der Erzieherinnen gegenüber bildungspolitischen Strömungen, die immer wieder wie Pilze aus dem Boden schießen und zumeist bzw. zudem nur punktuelle Symptomaspekte in den Fokus nehmen (Beispiel: die von den Landesregierungen vorgesehenen Sprachstandserhebungen, bei denen es um ein Zusatzangebot an „Sprachförderung für Kinder“ geht, anstatt dass im Sinne einer ganzheitlichen Pädagogik auf eine gelebte, beziehungspflegende Sprach- und Umgangskultur Wert gelegt wird, die sich zuvorderst als ein Anspruch an Erzieherinnen richtet!)
  • Eine zunehmend und dringend notwendige Teamarbeit, bei der alle Mitarbeiter*innen an einer real vorhandenen Teamkultur mitarbeiten und Konflikte/Probleme offen angesprochen und nachhaltig gelöst werden
  • Ein sozial-politisches Interesse sowie ein berufspolitisches Engagement auf Seiten der Erzieherinnen, um damit auch an der öffentlich notwendigen Erhöhung der Wertigkeit des Erzieherinnenberufs mitzuwirken und auch der Politik klarzumachen: Wir lassen uns nicht wie eine Schafherde bestimmen, was wirtschaftlich und politische Mandatsträger uns vorgeben und von uns fordern, sondern wir sind eine starke Lobby, die sich für Kinder und deren Entwicklungsrechte einsetzt und damit auch für eine humane, demokratisch geprägte Gesellschaft eintritt.

Querverweis – auch für Folgeinstitutionen, von der Schule über die Berufsschule bis zur Universität

  1. So wie die Entwicklung kein Selbstläufer ist, so entwickelt sich auch kein Kind alleine aus sich selbst heraus! Der Mensch entwickelt sich immer auf der Basis von Beziehungen. Also entscheidet die empathische, zuverlässige und entwicklungsbegleitende Beziehungswelt über die Grundlage für eine Entwicklung: körperlich, kognitiv, seelisch, sozial und immunologisch.
  2. Das trifft für Menschen allen Alters zu, so auch in der Krippen-, Kita-, Schul-, Berufs- und Hochschul-/Universitätswelt.
  3. Lernende müssen daher – neben der Familie – in allen Einrichtungen, von der Krippe über die Schule, ihre Berufsausbildung bis zum Universitätsstudium die Möglichkeit haben, ihre Lernmöglichkeiten von Anfang an aktiv mitgestalten zu können.
  4. Die Lernfelder müssen Raum und Zeit zur Erforschung der Lernfelder bieten, verbunden mit der Freiheit, selbst Suchende und Mitgestalter*innen zu sein.
  5. Lernende müssen ihren Lernort als einen Sicherheit bietenden Ort, einen sicheren Hafen erleben, in dem sie Verbindungen und emotional positive Bezüge zu den „Mitlernenden“ (damit sind die sogenannten „Lehrenden“ gemeint) spüren können.
  6. Lernende brauchen auch basal strukturierte Lernorte, die auch unstrukturierte, offene Lernräume beinhalten, um kreative Erkundungsmöglichkeiten zu entdecken, Selbstorganisation vornehmen und damit Selbstwirksamkeit aufbauen zu können. Erwachsene „Lehrende“ müssen lernen, „Wildnis“ in ihren Köpfen zuzulassen.
  7. Lernende haben das Recht, dass sie als Persönlichkeiten von den „Lehrenden“ wahrgenommen werden.
  8. Lernende brauchen ein Partizipationsrecht, thematisch in Frage kommende Projekte von A–Z mitzuplanen und zu gestalten.
  9. Lernende müssen die Erfahrung machen dürfen, dass ihnen zugehört wird und dass auf ihre Vorschläge/Anmerkungen/Kritik eingegangen wird.
  10. Jeder „Lernstoff“ sollte sowohl mit praktischen Umsetzungsmöglichkeiten vertieft als auch durch theoretische Informationen belegt und verstanden werden können.
  11. Ausschlaggebend für alle Innovationen sind offen gehaltene, nur mit basalen Richtlinien erstellte Lehrpläne, die dann durch personen- und berufsmotivierte, engagierte, leidenschaftliche „Lehrende“ mit Grob- und Feinzielen spezifiziert werden können.

Abschlussgedanken

Kinder brauchen Persönlichkeiten, die sich durch Selbstbewusstsein, Leistungsfreude, Arbeitsmotivation, Kommunikationsfreude, Mut, Selbstfürsorge, Freude am Leben, Geduld, Verlässlichkeit, Zutrauen, sprachliche Kompetenz, Humor, Optimismus, Lernmotivation, Anstrengungsbereitschaft, Selbstreflexion und Perspektivziele auszeichnen.

Diese Persönlichkeiten sorgen für ein wertschätzendes, emotional warmes Beziehungsklima, eine fehlerfreundliche, Sicherheit vermittelnde Atmosphäre, eine positive Verstärkung bei Leistungsansätzen, für Klärungsimpulse bei Konfliktsituationen, für eine aktive Selbststeuerung, um Ziele zu erreichen. Sie sind wahrnehmungsoffen für neue Handlungsimpulse, orientieren sich an den Merkmalen einer Bildung aus I. Hand, sorgen für eine Selbstannahme der Kinder, legen Wert auf eine Kommunikation auf gleicher Augenhöhe, sind bewegungsaktiv (im Kopf und auch motorisch), realisieren eine partizipatorische Pädagogik, sind werte- und nicht normorientiert, sehen Probleme als spannende Handlungsherausforderungen an, denken und handeln inklusiv und zeigen jedweder Form von Kindeswohlgefährdung die „Rote Karte“. Sie legen großen Wert auf eine gepflegte Kommunikations-, Spiel-, Sprach- und Naturerlebniskultur (u. v. m.).

Ganz zum Schluss zwei Zitate:

Für alle Kinder
Möge ihnen die Liebe und Zuwendung
zuteilwerden, die sie verdienen.
In ihren Händen liegt die Zukunft dieser Welt.
Und für alle Erwachsenen, auf dass sie die Kinder
so behandeln, wie es ihnen gebührt,
denn sie können sich nicht wehren.
(Vorwort in: Franz, Andreas: Tod des Lehrers. München 2004, S. 5)

Es gibt einen Weg, den keiner geht, wenn Du ihn nicht gehst.
Wege entstehen, indem wir sie gehen.
Die vielen, zugewachsenen Wege von ungelebtem Leben überwuchert.
Es gibt einen Weg, den keiner geht, wenn Du ihn nicht gehst.
Es gibt einen Weg, einen Weg, der entsteht, wenn Du ihn gehst.
(Werner Sprenger)

Zum Themenschwerpunkt passende Literaturangaben

Armin Krenz:

  • Psychologie für Erzieherinnen und Erzieher. Grundlagen für die Praxis. Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin/Düsseldorf/Mannheim, 3., erw. u. überarb. Aufl. 2017
  • Grundlagen der Elementarpädagogik. Unverzichtbare Eckwerte für eine professionell gestaltete Elementarpädagogik. Burckhardthaus Verlag, Körner Medien UG, München 2014
  • Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik. Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln. Burckhardthaus-Laetare Verlag, Körner Medien UG, München 2014
  • Der Situationsorientierte Ansatz – auf einen Blick. Konkrete Praxishinweise zur Umsetzung. Burckhardthaus Verlag, Körner UG, München 2014
  • Armin Krenz / Frank Klein: Bildung durch Bindung. Frühpädagogik: inklusiv und beziehungsorientiert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2. Aufl. 2013
  • Elementarpädagogik aktuell. Die Entwicklung des Kindes professionell begleiten. Burckhardthaus Verlag, Körner Medien UG, München 2013
  • Elementarpädagogik und Professionalität. Lebens- und Konfliktraum Kindergarten. Grundsätze zur Qualitätsverbesserung in Kindertagesstätten. Burckhardthaus Verlag, Körner Medien UG, München 2013
  • Was Kinder brauchen. Aktive Entwicklungsbegleitung im Kindergarten. Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 9. Aufl. 2018
  • Kindorientierte Elementarpädagogik. Frühe Bildung und Erziehung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010
  • Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht. 20 PowerPoint-Präsentationen als Grundlage für Teambesprechungen, Fortbildungsveranstaltungen, Fachberatungen. Burckhardthaus Verlag, Körner Medien UG, Freiburg, November 2022
  • Spiel und Selbstbildung. Kitas brauchen eine pädagogische Revolution. Burckhardthaus Verlag, Körner Medien UG, Freiburg 2024
  • Berufsbild Erzieherin. Grundsatzgedanken zum Selbstverständnis eines sehr anspruchsvollen Berufs, Burckhardthaus Verlag, Körner Medien UG, Freiburg 2024
  • Beobachtung und Entwicklungsdokumentation. Grundlagen – Praxisbeispiele – Beobachtungslisten – Dokumentationsmuster. Burckhardthaus Verlag, Körner Medien UG, Freiburg 2024
  • Pädagogische Haltung entwickeln und leben. Werte und Professionalität für pädagogische Fachkräfte. 50 Bildkarten für Erzieher*innen und Teams. Don Bosco Verlag, München 2025

Autor

Armin Krenz (Jg. 1952), Prof. h.c. Dr. h.c.
Er hat zuletzt viele Jahre als Honorarprofessor für Elementarpädagogik und Entwicklungspsychologie an europäischen und außereuropäischen Universitäten und Instituten gearbeitet, zugleich Leitungskräfte, Trägerverbände und Kita-Teams in Fragen zur Qualität beraten und supervidiert sowie Fachtagungen, Seminare und Vorträge mit Schwerpunktthemen zur pädagogischen Prozess- und professionellen Personqualität durchgeführt. Er ist Autor zahlreicher Buchpublikationen und Fachartikel sowie regelmäßiger Fachbuchrezensent.

Prof. Armin Krenz hat diesen Vortrag für eine Online-Veranstaltung von Bildungswende JETZT! und Kitafachkräfteverband NRW verfasst und gehalten. Weitere Informationen zur Arbeit von Bildungswende JETZT finden Sie hier: www.bildungswende-jetzt.de




KinderVan W6 von WonderFold: 6-Sitzer für den Kita-Alltag

Stabil, komfortabel und mit großem Stauraum – so bewährte sich der Kinderwagen im Würzburger Praxistest

In Kindertagesstätten gehört es zum Alltag, mehrere Kinder gleichzeitig sicher und komfortabel zu transportieren. Für diesen Zweck gibt es spezielle Mehrsitzer-Kinderwagen, die den Anforderungen von Erzieherinnen und Erziehern gerecht werden. Einer der neuesten Vertreter ist der WonderFold W6 KinderVan, ein moderner 6-Sitzer-Kinder- und Transportwagen mit viel Stauraum, stabiler Bauweise und cleveren Sicherheitsfeatures.

Wir haben den WonderFold W6 vier Wochen lang in einer Würzburger Kita getestet und dabei geprüft, wie er sich im täglichen Einsatz mit den Kindern bewährt.

Viel Platz für Kinder – und für alles, was dazugehört

Der WonderFold W6 bietet Platz für bis zu sechs Kinder. Die Sitze sind herausnehmbar, weich gepolstert und mit 5-Punkt-Sicherheitsgurten ausgestattet. Besonders im Vergleich zu herkömmlichen Modellen fiel auf, dass die Kinder bequemer sitzen und auch längere Fahrten entspannt meistern. Eine Erzieherin aus der Kita Würzburg berichtete nach einer Fahrt: „Die Kinder hatten richtig Spaß und saßen entspannt im Wagen. Niemand hat gemeckert, das spricht schon für den Komfort.“ Auch ist der Wagen etwas schmaler als andere, was ein leichtes Durchkommen – vor allem durch Türen – ermöglicht.

Der tiefe Innenraum und die erhöhte Sitzposition ermöglichen es den Kindern, nach draußen zu schauen – ein entscheidender Pluspunkt für neugierige Kita-Kinder, die ihre Umwelt aktiv wahrnehmen möchten.

Handhabung im Alltag: leichtgängig mit kleinen Einschränkungen

Im täglichen Einsatz wurde der W6 mehrere Male pro Woche genutzt, etwa für Spaziergänge, Ausflüge oder Wege über das Kitagelände. Insgesamt ließ sich der Wagen gut fahren. Geradeaus war das Schieben angenehm und kraftsparend, bei Kurven musste jedoch etwas mehr gesteuert werden.

Ein pädagogischer Mitarbeiter fasste es so zusammen: „Wenn es geradeaus geht, fährt er super. Bei Kurven merkt man, dass die Räder unterschiedlich arbeiten. Zieht man den Wagen, wird es leichter – beim Schieben ist der Wendekreis recht groß.“

Das gilt vor allem dann, wenn der Wagen mit sechs Kindern und dem üblichen Gepäck für Ausflüge voll besetzt ist. Bei geringerer Zuladung ist eben alles leichter.

Besonders hilfreich sind die beiden Griffe, die es ermöglichen, den Wagen nicht nur zu schieben, sondern auch flexibel zu ziehen. Damit eignet sich der KinderVan auch für längere Ausflüge oder wenn das Gelände uneben ist.

Sicherheit und Schutz: Stabilität überzeugt

Ein entscheidendes Kriterium im Kita-Alltag ist die Sicherheit. Hier zeigte sich der WonderFold W6 zuverlässig. Der Wagen steht stabil – selbst dann, wenn Kinder sich daran hochziehen oder abstützen. In einem Testversuch kletterten Kinder am Rahmen, ohne dass der Wagen ins Wanken geriet.

Das große Sonnendach sorgt für wirksamen Schutz vor starker Sonneneinstrahlung und Wind. Pädagogische Fachkräfte lobten die Lösung: „Das Dach ist super. Gerade bei Ausflügen im Sommer ist es wichtig, dass die Kinder nicht nur durch eine Mütze geschützt sind.“

Einziger Kritikpunkt war die Handhabung der Gurte, die in der Praxis etwas umständlich wirken. Hier wäre ein vereinfachtes System wünschenswert, damit Kinder schneller und stressfreier angeschnallt werden können. Andererseits sitzen die Kinder, nachdem sie mit den Fünfpunktguten angeschnallt wurden, supersicher.

Fahrkomfort auf unterschiedlichen Untergründen

Im Test fuhr der KinderVan nicht nur auf Asphalt, sondern auch über Kopfsteinpflaster, Schotterwege und sogar über Gartenschläuche. Das Ergebnis: Die Federung und die XL-Räder machten kleine Hindernisse problemlos mit.

Eine Erzieherin erklärte: Wir sind auch über Kopfsteinpflaster gefahren – das war kein Problem. Der Wagen ist robust und federt Unebenheiten gut ab.“

Für steilere Strecken im vollbeladenen Zustand wäre eine zusätzliche Handbremse sinnvoll. Hier bietet der Hersteller mittlerweile eine Lösung an: sogenannte E-Wheels (elektrische Räder), die nicht nur beim Schieben unterstützen, sondern auch aktives Bremsen ermöglichen. Diese Option macht den W6 besonders interessant für Kitas, die Ausflüge in hügeliges oder unwegsames Gelände planen.

Praktische Details: Stauraum und Klappfunktion

Neben den Sitzen überzeugt der W6 auch durch durchdachte Extras. Ein großzügiger Stauraum mit Taschen und ein abnehmbarer Korb mit Kühlfach sorgen dafür, dass Snacks, Getränke und Wechselkleidung problemlos Platz finden. Für den Kita-Alltag, in dem viel Material mitgenommen werden muss, ist das ein großer Vorteil.

Außerdem lässt sich der Wagen mit wenigen Handgriffen zusammenklappen und erstaunlich platzsparend verstauen. Im Gegensatz zu vielen sperrigen Konkurrenzmodellen passt er so auch in kleinere Lagerräume oder Fahrzeuge.

Pro & Contra auf einen Blick

Vorteile:

  • Platz für bis zu sechs Kinder
  • Bequeme, gepolsterte Sitze
  • Sehr guter Sonnenschutz
  • Hohe Stabilität, auch bei Bewegung der Kinder
  • Viel Stauraum und praktisches Kühlfach
  • Klappbar und leicht zu verstauen
  • Geländegängig
  • Hoher Fahrkomfort auch auf unebenen Untergrund
  • Schmaler als andere, kommt deshalb durch Türen

Verbesserungspotenzial:

  • Wendekreis in Kurven relativ groß
  • Gurt-System etwas umständlich
  • Handbremse nur als Zubehör (E-Wheels) erhältlich

Fazit: Ein moderner Kinderwagen für den professionellen Einsatz

Der WonderFold W6 KinderVan hat sich im Würzburger Praxistest als stabiler, komfortabler und zuverlässiger 6-Sitzer Kinderwagen für Kitas erwiesen. Die Kinder fuhren sicher, bequem und mit sichtbarer Freude. Pädagogische Fachkräfte schätzten die hohe Stabilität, den Sonnenschutz und die gute Federung.

Kleinere Kritikpunkte wie das Gurt-System oder der Wendekreis schmälern den positiven Gesamteindruck kaum – zumal der Hersteller mit den optionalen E-Wheels bereits Lösungen anbietet. Damit ist der WonderFold W6 eine intelligente und moderne Transportlösung für Kindertagesstätten, die regelmäßig mit mehreren Kindern unterwegs sind und Wert auf Sicherheit, Komfort und Praxistauglichkeit legen.

Weitere Informationen finden Sie hier…

Gernot Körner




Arme Kinder starten mit Nachteilen – reiche erben Erfolg und ein langes Leben

Neue Langzeitstudie zeigt: Wohlstand schafft Vorteile durch Selbstkontrolle, Wohlbefinden, Netzwerke – und wirkt bis in Gesundheit und Lebenserwartung hinein

Bundeskanzler Friedrich Merz forderte jüngst im Bundestag einen „neuen Konsens der Gerechtigkeit“. Es gehe, so Merz, „um nichts weniger als um Gerechtigkeit“ – und darum, was dieser Begriff in unserer Zeit bedeutet. Diese politische Forderung trifft auf aktuelle Forschung, die deutlich macht, wie stark Herkunft, Wohlstand und Netzwerke das Leben von Kindern und Jugendlichen prägen – von der Karriere bis hin zur Gesundheit und Lebenserwartung.

Das Märchen von der Leistungsgesellschaft

Die Ergebnisse einer neuen Untersuchung der Concordia University in Montreal stellen die Frage neu, ob in modernen Gesellschaften tatsächlich Leistung, Fleiß und Talent über Erfolg entscheiden – oder doch eher der Geldbeutel und die Kontakte der Eltern.

Die Forschenden haben Daten der British Cohort Study ausgewertet, einer Langzeiterhebung mit knapp 6.800 Kindern. Sie alle wurden 1970 geboren und bis ins Erwachsenenalter begleitet. Ergebnis: Kinder aus wohlhabenden Familien haben wesentlich bessere Chancen, schon mit Mitte zwanzig eine Führungsposition einzunehmen.

„Wohlstand bedeutet die Möglichkeit zu haben, Hobbys nachzugehen, zu reisen und eine gute Schule zu besuchen“, erklärt Studienautor Steve Granger. „Diese Möglichkeiten helfen, soziales Kapital aufzubauen – also Ressourcen und Chancen, die wir durch unsere Netzwerke erwerben.“

Vermögen wirkt – Geld öffnet Türen

Vermögen wirkt gleich mehrfach: Es sorgt für materielle Sicherheit, ermöglicht Zugang zu guter Bildung und eröffnet Erfahrungen, die wiederum Kontakte nach sich ziehen. Auch wenn die Studie Selbstkontrolle und psychisches Wohlbefinden als Vermittler herausstellt, spielt die finanzielle Ausgangslage eine kaum zu unterschätzende Rolle.

„Frühe Widrigkeiten – sei es eine dysfunktionale Familie, berufliche Unsicherheit, ständige Umzüge oder wirtschaftliche Belastungen – können Kindern wichtige Ressourcen vorenthalten“, so Granger. „Diese Erfahrungen behindern ihre Entwicklung und wirken bis ins Erwachsenenalter hinein.“

Netzwerke als Karriere-Sprungbrett

Neben dem Geld sind es die Netzwerke der Eltern, die entscheidend sind. In den Befragungen berichteten Jugendliche schon mit 16 Jahren, ob sie jemals durch familiäre Beziehungen an einen Arbeitsplatz gekommen waren. Die Daten zeigen: Wer gut vernetzte Eltern hat, profitiert oft direkt beim Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Das widerspricht der liberalen Erzählung, dass jede und jeder „seines Glückes Schmied“ sei. Zwar spielen Talent und Anstrengung eine Rolle – doch der Zugang zu Gelegenheiten, Praktika oder ersten Jobs ist ungleich verteilt.

Gesundheit und Lebenserwartung – ein doppelter Vorteil

Die ungleichen Startbedingungen wirken sich nicht nur auf Karrierewege aus, sondern auch auf Gesundheit und Lebenszeit. Wer in einer wohlhabenden Familie aufwächst, hat besseren Zugang zu medizinischer Versorgung, gesunder Ernährung und sicheren Wohnumfeldern. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Lebenserwartung zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Gruppen in westlichen Gesellschaften oft um zehn Jahre oder mehr auseinanderliegt.

Reichtum verschafft also nicht nur bessere Chancen auf Bildung und Karriere, sondern auch höhere Chancen auf ein langes und gesundes Leben. Wenn also derzeit so viele Reiche und Prominente ihren 90. oder gar 100. Geburtstag feiern, ist das kein Zufall, sondern schlicht das Ergebnis einer besseren medizinischen Versorgung. Damit stellt sich die Frage nach gesellschaftlicher Gerechtigkeit noch grundlegender: Wenn Herkunft über beruflichen Erfolg, Gesundheit und Lebensdauer entscheidet, kann von gleichen Chancen kaum die Rede sein.

Gesellschaftliche Gerechtigkeit auf dem Prüfstand

Die Befunde werfen Fragen nach Gleichheit der Chancen auf. Wenn Vermögen und soziale Netzwerke schon früh Weichen stellen, wird die Idee eines fairen Wettbewerbs fragwürdig. Kinder aus benachteiligten Familien müssen oft doppelt so hart arbeiten, ohne vergleichbare Chancen auf Förderung oder Protektion.

Gleichzeitig zeigt die Studie: Interventionen sind möglich. Selbstkontrolle und psychisches Wohlbefinden lassen sich durch stabile Umfelder, schulische Unterstützung und außerschulische Aktivitäten fördern. Die Forschenden regen an, diese Ressourcen gezielt zu stärken und zugleich Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen, Talente auch jenseits privilegierter Herkunft zu fördern.

„Sozialneid“ – ein Kampfbegriff gegen Gerechtigkeit

In gesellschaftlichen Debatten wird die Forderung nach gleichen Chancen häufig mit dem Schlagwort „Sozialneid“ abgetan. Doch diese Vokabel ist weniger eine sachliche Diagnose als eine rhetorische Abwehrstrategie: Sie verunglimpft berechtigte Anliegen nach fairen Startbedingungen als Neidreaktion.

Wer aber nüchtern auf die Daten blickt, erkennt: Es geht nicht um Neid, sondern um fundamentale Fragen der Gerechtigkeit. Kinder aus armen Familien leben kürzer, sind häufiger krank und haben geringere Chancen auf Bildung und beruflichen Aufstieg. Das zu kritisieren, bedeutet nicht Neid – sondern den Anspruch auf eine Gesellschaft, in der Herkunft nicht über Lebenschancen entscheidet.

Schlussfolgerung für die Politik

Für die Politik bedeutet dies: Ein „neuer Konsens der Gerechtigkeit“, wie ihn Bundeskanzler Merz einfordert, muss zwar auch über Steuerfragen oder Bildungspolitik geführt werden. Er muss zudem die tiefgreifenden Zusammenhänge zwischen Herkunft, Gesundheit und Lebenschancen berücksichtigen. Wenn die Bundesregierung den Anspruch auf mehr Gerechtigkeit ernst nimmt und nicht nur leere Worthülsen von sich geben will, muss sie Strukturen schaffen, die allen Kindern unabhängig vom Elternhaus faire Chancen ermöglichen – auf gute Bildung, stabile Gesundheit und eine Zukunft, in der Leistung nicht länger hinter Vermögen und Beziehungen zurückstehen muss.

Mag dies alles auch längst bekannt sein, steckt doch der Hauptgrund für die Radikalsierung vieler demokratischer Gesellschaften darin. Eine wirkliche faire soziale Gerechtigkeit böte deshalb viele Chancen auf ein friedliches Leben für alle in Wohlstand. Eine glückliche Kindheit, mehr Motivation und damit bessere Leistungen zählen dazu.

Zur Studie: Early family socioeconomic status and later leadership role occupancy (Journal of Organizational Behavior, 2023): https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/job.2730

Gernot Körner




Mitbestimmung stärkt Demokratie und Motivation in Schule und Ganztag

Neue Studie: Wo Lernende mitentscheiden, wachsen Motivation, Selbstwirksamkeit und Demokratiekompetenzen – besonders im Ganztag

Schulen sind mehr als Lernorte – sie sind Erfahrungsräume für demokratisches Handeln. Das zeigt die aktuelle Meldung „Schulen können die Demokratie noch stärker machen – wenn sie richtig unterstützt werden“, die neue Daten zur Beteiligung von Schüler:innen zusammenfasst (zur Meldung). Dort, wo Lernende mitbestimmen, sind demokratische Kompetenzen und empfundene Selbstwirksamkeit stärker ausgeprägt – besonders in Ganztagsschulen.

„Unsere Demokratie braucht engagierte junge Menschen, die gelernt haben, ihre Stimme zu erheben, unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen und Kompromisse zu finden.“

(Brigitte Mohn)

Was die Daten zeigen

Die Studie „Demokratisierung des Lernens in Schule“ macht deutliche Lücken sichtbar: 63 % der Befragten können selten oder nie über Unterrichtsthemen mitbestimmen, 55 % haben kaum Einfluss auf Methoden und Materialien, 41 % geben an, Lehrkräften selten oder nie Feedback zum Unterricht mitteilen zu können. Nur etwa die Hälfte glaubt, Entscheidungen beeinflussen zu können, die die gesamte Schule betreffen. Besonders in Gymnasien ohne Ganztag erleben Jugendliche wenig Mitbestimmung (Studienhinweis in der Meldung).

Mitbestimmung wirkt – im Unterricht und darüber hinaus

Wissenschaftlich gut belegt ist: Beteiligung stärkt Motivation und Verantwortung. Wenn Lernende mitentscheiden dürfen, was und wie sie lernen, fühlen sie sich ernst genommen – Unterricht lässt sich passgenauer zuschneiden, was Bildungserfolg und Chancengleichheit erhöht.

„Eine zukunftsfähige Schule ist ohne Beteiligung nicht mehr vorstellbar.“

(Arne‑Christoph Halle)

„Den Auftrag, junge Menschen für das Leben in einer sich schnell verändernden Gesellschaft vorzubereiten, können Schulen nur erfüllen, wenn sie sich selbst verändern. Dafür brauchen sie die politische Rückendeckung, die Mittel und die nötigen Freiheiten.“

(Arne‑Christoph Halle)

Empfehlungen: Freiräume, Feedback, Beteiligungsrechte

Die Befunde sind mit klaren Empfehlungen verknüpft: Feedback von Schüler:innen verbindlich und regelmäßig einbeziehen – etwa durch digitale Befragungen, wie sie in kommunalen Monitorings erprobt sind (z. B. UWE – Umwelt, Wohlbefinden und Entwicklung). Dazu gehören mehr Freiheiten in der Unterrichtsgestaltung und flexiblere Lehrpläne sowie eine Lern- und Prüfungskultur, in der Lernende mitbestimmen, was und wie sie lernen (Hintergründe und Materialien u. a. im Schulbereich von jungbewegt). Zentral ist die Qualifizierung von Schulleitungen und Lehrkräften, damit Beteiligung sinnvoll umgesetzt werden kann. Mitbestimmungsrechte der Schülervertretungen sollten gestärkt und enger in schulpolitische Diskussionen eingebunden werden. Für konkrete Situationen zeigt das multimediale Angebot Demokratiekosmos Schule (DEKOS), wie pädagogische Teams bei Antisemitismus und Rechtsextremismus sicher reagieren und demokratische Kultur im Alltag verankern können.

Gelebte Demokratie sichtbar machen

Wie Schulen Demokratie bereits sichtbar leben, illustrieren Auszeichnungen und Initiativen. Ein aktueller Bezugspunkt ist der Themenpreis Demokratiebildung im Rahmen des Deutschen Schulpreises – er würdigt Schulen, die Demokratie vorbildlich in ihren Alltag integrieren.

Studie und Methodik

Die Ergebnisse beruhen auf einer repräsentativen Online‑Befragung von 1.044 Schüler:innen an allgemeinbildenden Schulen (Alter 12–16 Jahre); Erhebungszeitraum: 8. November bis 1. Dezember 2024 (Details zur Erhebung in der Meldung). Ergänzende Materialien finden sich in den Projektseiten von jungbewegt sowie in thematischen Dossiers.

Mehr Inhalte der Bertelsmann Stiftung zum Thema:

Über die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen sowie die aus ihrer Sicht wichtigen Faktoren für gutes Lernen:

Kinder und Jugendliche wollen dazugehören – und wissen, was sie dafür brauchen

Über die Ansichten junger Menschen zu ihren Ausbildungschancen:

Risiko für den Berufsweg: Viele Schüler:innen wollen erst arbeiten, statt Ausbildung zu beginnen

Über das Potenzial von Gaming-Communitys für die Demokratieförderung:

Das demokratische Potenzial von Gaming-Communitys besser nutzen

Über die Bereitschaft junger Menschen zu politischem Engagement:

Mehr Engagement junger Menschen ist möglich – wenn sie sich ernst genommen fühlen




Smartphone-Verbot Schule: Mehrheit will klare Altersgrenzen

Neue Studie zeigt: Erwachsene befürworten Handyverbote an Schulen und fordern spätere Social-Media-Nutzung für Kinder – Welche Altersgrenzen Erwachsene empfehlen

Eine neue Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigt, welche Regeln sich Erwachsene für Kinder wünschen:

  • Eigenes Smartphone: ab 12 Jahren
  • Social Media: ab 14 Jahren
  • Smartphone-Verbot Schule: an Grundschulen sowie ein Nutzungsverbot im Unterricht

„Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass Erwachsene ein Schutzbedürfnis für Kinder und Jugendliche sehen – gerade bei sozialen Medien“, erklärt Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin des BiB.

Informationen verändern die Meinung

Ob Befragte über Chancen oder Risiken digitaler Medien informiert wurden, hatte direkten Einfluss auf ihre Antworten. Wer die Risiken wie Cybermobbing oder ungeeignete Inhalte vor Augen geführt bekam, sprach sich für ein durchschnittlich vier Monate höheres Mindestalter aus.

„Information wirkt“, fasst Mitautorin Dr. Sophia Schmitz zusammen. „Insbesondere, wenn die Risiken hervorgehoben werden, erhöht sich die Altersgrenze für eine eigenständige Nutzung digitaler Medien.“

Smartphone-Verbot Schule: Mehr als ein Handyverbot

Die Mehrheit der Erwachsenen befürwortet nicht nur ein Smartphone-Verbot an Schulen, sondern erwartet auch, dass Politik und Plattformbetreiber mehr Verantwortung übernehmen.

„Ein reines Handyverbot reicht nach Ansicht vieler Befragter nicht aus“, betont Spieß. Schulen sollen Kinder und Jugendliche befähigen, verantwortungsvoll mit digitalen Medien umzugehen und Medienkompetenz zu entwickeln.

Politische Bedeutung

Für die Forschenden sind die Ergebnisse ein Signal: „Erkenntnisse über den Effekt von Information auf Einstellungen können wertvolle Ansatzpunkte für politische Entscheidungen liefern“, so Spieß. „Etwa bei der Akzeptanz potenzieller Regelungen zu einem ‚digitalen Volljährigkeitsalter‘.“

Hintergrund zur Studie

Die Befragung basiert auf einer bundesweiten Stichprobe von 1.312 Erwachsenen. Im Rahmen eines „Surveyexperiments“ erhielten die Teilnehmenden unterschiedliche Informationen zu Chancen und Risiken digitaler Medien und gaben anschließend ihre Einschätzungen zu Altersgrenzen ab.

Originalpublikation:

Schmitz, Sophia; Spieß, C. Katharina; Düval, Sabine; Hübener, Mathias; Siegel, Nico: Digitale Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen. In: BiB.Aktuell 7/2025
https: www.bib.bund.de/Publikation/2025/BiB-Aktuell-2025-7


Digitale Mediennutzung: Verantwortung von Eltern und Fachkräften

Kinder wachsen mit digitalen Medien auf – zu Hause, in Kita und Schule. Die digitale Mediennutzung Kinder stellt Eltern und pädagogische Fachkräfte vor neue Aufgaben: Sie müssen Chancen und Risiken abwägen, Orientierung geben und Regeln entwickeln. Entscheidend ist, welche Inhalte in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt sinnvoll sind. Neue Schwerpunkte in der Elementarpädagogik erfordern daher immer eine sorgfältige Betrachtung.

Broschüre, 28 Seiten, ISBN 978-3-96304-619-3, 5 €




ADHS und Autismus: Wenn das Gehirn anders tickt

FernUni-Forschung zeigt, wie neurodivergente Menschen in Schule und Beruf besser unterstützt werden können

Immer mehr Eltern und Erzieher*innen beschäftigen sich mit den Themen ADHS bei Kindern oder Autismus im Alltag. Noch immer gibt es viele Vorurteile: „Zappelphilipp“, „Modekrankheit“ oder „sozial schwierig“. Doch Fachleute betonen: Menschen mit Autismus oder ADHS sind nicht krank – sie sind neurodivergent. Ihr Gehirn arbeitet anders, und genau das kann eine große Stärke sein.

Forschung für mehr Inklusion

Die Psychologin Dr. Kerstin Erdal untersuchte in ihrer Promotion an der FernUniversität in Hagen, wie sich Menschen mit ADHS und Autismus auf dem Arbeitsmarkt zurechtfinden. Heute forscht sie in Göteborg und arbeitet therapeutisch mit autistischen Erwachsenen. Ihre Ergebnisse zeigen:

  • Nur vier von zehn Menschen mit Autismus in Deutschland haben einen Arbeitsplatz.
  • Erwachsene mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, ihre Stelle langfristig zu behalten.
  • Arbeitslosigkeit wirkt sich stark negativ auf die seelische Gesundheit aus.

Diese Zahlen machen deutlich, dass mehr Inklusion in der Schule und im Arbeitsleben dringend notwendig ist – zum Wohle der Betroffenen und der gesamten Gesellschaft.

Individuelle Unterstützung macht den Unterschied

Ob in Schule, Ausbildung oder Beruf: Menschen mit ADHS oder Autismus profitieren von individuell zugeschnittenen Lösungen. Das können sein:

  • ein ruhiges Arbeitsumfeld,
  • klare Strukturen und verständliche Anweisungen,
  • Rückzugsmöglichkeiten,
  • technische Unterstützung oder
  • die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten.

Wenn Arbeitgeber*innen, Lehrkräfte oder Eltern die besonderen Bedürfnisse berücksichtigen, profitieren alle Seiten. Denn neurodivergente Menschen bringen häufig besondere Fähigkeiten mit: hohe Detailgenauigkeit, Kreativität oder die Fähigkeit, komplexe Prozesse neu zu strukturieren.

Stress wird intensiver erlebt

Erdals Forschung zeigt auch: Menschen mit ADHS und Autismus nehmen Stress stärker wahr. Neurowissenschaftliche Studien weisen auf Unterschiede in der Amygdala, der „Angstzentrale“ des Gehirns, hin. Diese machen Betroffene sensibler für Stress und emotionale Belastungen. Ohne Unterstützung drohen Einsamkeit oder psychische Erkrankungen.

Gleichzeitig gibt es Wege, Resilienz aufzubauen – etwa durch feste Routinen, klare Kommunikation, Bezugspersonen im Team oder gezielte Strategien zur Stressbewältigung.

Neurodivergente Stärken nutzen

Ob im Klassenzimmer oder am Arbeitsplatz: Neurodivergente Menschen haben viel zu geben. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels können wir es uns nicht leisten, auf ihre Talente zu verzichten“, betont Erdal. „Was wir brauchen, sind passende Rahmenbedingungen – und mehr Bewusstsein für ihre besonderen Fähigkeiten.“


ADS-Cover

ADS im Blick: Fachlich fundierte Ratgeber für Schule und Familie

ADS erfordert Wissen und konkrete Strategien. Die vier Ratgeber von Dr. Elisabeth Aust-Claus und OptiMind®-Konzept. Sie bieten praxisnahe Hilfen für Schule, Familie und Alltag – und eignen sich hervorragend, um Eltern fundierte Unterstützung zu empfehlen. Mehr dazu finden sie hier.





Kindergesundheit in Gefahr: Patientensicherheit braucht Systemwandel

Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert bessere Versorgung und mehr Ressourcen für Kinder

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS), die KKH Kaufmännische Krankenkasse und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) schlagen Alarm: Die Versorgung von Kindern im deutschen Gesundheitssystem ist unsicher und unterfinanziert. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Dieser Satz ist mehr als eine medizinische Binsenweisheit, er ist ein Auftrag“, betonte APS-Vorsitzende Dr. Ruth Hecker. Versorgung müsse sich immer an Alter, Größe, Entwicklung und sprachlichen Fähigkeiten der jungen Patientinnen und Patienten orientieren.

Eine zentrale Rolle spielen dabei Eltern. Sie seien die Brücke zwischen Kind und Behandlungsteam, nehmen oft Veränderungen früh wahr und müssten stärker einbezogen werden: „Da sollten wir genau hinhören“, so Hecker.

Strukturelle Defizite in der Kindermedizin

Seit Jahren werde die Kindermedizin vernachlässigt, kritisiert der stellvertretende APS-Vorsitzende und Kinderchirurg Dr. Christian Deindl. „Kindermedizin bedeutet Zuwendung und Empathie und benötigt entsprechende zeitliche und personelle Ressourcen.“ Besonders die geplante Krankenhausreform gerät in die Kritik: DGKJ-Präsidentin Prof. Dr. Ursula Felderhoff-Müser warnt, die speziellen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen drohten aus dem Fokus gesundheitspolitischer Entscheidungen zu verschwinden.

Wachsende Ängste bei Eltern

Eine aktuelle forsa-Umfrage im Auftrag der KKH zeigt, dass die Unsicherheit bei Eltern wächst. 26 Prozent der Befragten mit Kindern bis 12 Jahren äußerten Ängste im Hinblick auf Klinikaufenthalte (2021: 19 Prozent). Hauptsorge sind Infektionen mit Krankenhauskeimen, gefolgt von Befürchtungen vor erneuten Operationen oder Narkosekomplikationen.

„In erster Linie fürchten 77 Prozent der besorgten Eltern eine Infektion mit Krankenhauskeimen“, erläutert Vijitha Sanjivkumar, Expertin für Kindergesundheit im Kompetenzteam Medizin der KKH. Knapp zwei Drittel sorgen sich außerdem vor Narkoserisiken oder erneuten Operationen. Gleichzeitig vertrauen immerhin 73 Prozent der Eltern dem Klinikpersonal.

Forderung nach Paradigmenwechsel

APS-Generalsekretär Joachim Maurice Mielert geht noch einen Schritt weiter: „Wir brauchen nicht nur eine Reform, sondern einen Paradigmenwechsel.“ Patientensicherheit müsse gesetzlich verankert werden – bislang scheue die Politik diesen Schritt aus Angst vor Haftungsrisiken und Kosten.

Konkrete Maßnahmen für mehr Sicherheit

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit, die KKH und die DGKJ fordern eine Reihe von Maßnahmen, um die Sicherheit von Kindern im Gesundheitssystem zu verbessern:

  • standardisierte Checklisten
  • doppelte Kontrollen bei Medikamentengaben
  • Dosierung nach Gewicht
  • pädiatrische Datenbanken in der elektronischen Verordnung
  • Aufbau einer „Speak-Up-Kultur“, die auch Eltern und junge Fachkräfte ermutigt, Bedenken offen anzusprechen

Alle Informationen stammen aus der Pressemitteilung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS). Das APS ist ein bundesweites Netzwerk aus Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen, das sich seit 2005 für mehr Patientensicherheit in Deutschland einsetzt.




Gesunder Medienkonsum für Kinder: Empfehlungen des BIÖG für Eltern

Wie Eltern ihre Kinder im Umgang mit Smartphone, Tablet und Fernseher unterstützen können

Zum Beginn des neuen Schuljahres wird wieder über Handyverbote an Schulen diskutiert. Manche Bundesländer haben feste Regeln, andere überlassen die Entscheidung den Schulen. Für Eltern ist jedoch die zentrale Frage: Wie gelingt es, Kindern von klein auf einen gesunden Umgang mit Smartphone, Tablet und Fernseher zu vermitteln?

Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG), früher Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), hat klare Empfehlungen veröffentlicht. Mit der Präventionskampagne „Ins Netz gehen“ möchte es Eltern Orientierung geben, um problematische Bildschirmzeit und eine mögliche Handysucht bei Kindern zu verhindern.

Bildschirmzeit bei Kleinkindern: klare Empfehlungen des BIÖG

Das BIÖG rät, dass Kinder unter drei Jahren am besten gar nicht fernsehen oder andere Bildschirmgeräte nutzen sollten. In diesem Alter sind direkte Sinneserfahrungen in der realen Welt entscheidend. Videospiele – auch einfache Lernspiele – sind frühestens ab vier Jahren geeignet. Apps auf Smartphones und Tablets sind in den ersten Lebensjahren nicht zu empfehlen und können problemlos durch gemeinsame Aktivitäten im Alltag ersetzt werden.

Handynutzung bei Kindern: Warnzeichen für problematisches Verhalten

Nicht jede intensive Nutzung von Smartphone oder Tablet ist gleich bedenklich. Eltern sollten jedoch aufmerksam werden, wenn Kinder ständig Nachrichten prüfen, gereizt reagieren, wenn sie das Handy nicht nutzen dürfen, oder gedanklich dauerhaft mit Spielen und sozialen Netzwerken beschäftigt sind. Weitere Warnzeichen sind erfolglose Versuche, die Nutzung einzuschränken, das Vernachlässigen von Schule, Hobbys oder Freundschaften sowie körperliche Symptome wie Schlafmangel, Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen. Auch das Verheimlichen oder Verharmlosen des eigenen Nutzungsverhaltens deutet auf eine problematische Mediennutzung hin.

Medienerziehung in der Familie: Tipps für einen gesunden Umgang

Eltern spielen die wichtigste Rolle, wenn es darum geht, Bildschirmzeit zu begrenzen und Mediennutzung gesund zu gestalten. Das BIÖG empfiehlt:

  • Kinderschutzfunktionen am Gerät einrichten, damit ungeeignete Inhalte blockiert werden.
  • Klare Regeln für handyfreie Zeiten festlegen, zum Beispiel bei Mahlzeiten, bei Besuch oder vor dem Schlafengehen.
  • Benachrichtigungen reduzieren, damit das Smartphone weniger Ablenkung erzeugt.
  • Vorbild sein: Eltern, die bewusst mit digitalen Medien umgehen, erleichtern Kindern das Einhalten von Regeln.
  • Digitale Pausen erklären, damit Kinder verstehen, warum Bildschirmzeit begrenzt wird.
  • Freizeit abwechslungsreich gestalten, um Handy und Tablet in den Hintergrund zu rücken.

Handysucht bei Kindern erkennen und Hilfe finden

Wenn Eltern unsicher sind, ob ihr Kind bereits ein problematisches Nutzungsverhalten entwickelt hat, bietet das BIÖG auf seiner Plattform „Ins Netz gehen“ einen Selbsttest an. Kinder und Jugendliche erhalten dort eine Auswertung ihrer Smartphone-Nutzung und können bei Bedarf eine kostenlose Online-Beratung in Anspruch nehmen.

Weitere Informationen zu gesunder Mediennutzung

Eltern, die sich umfassend informieren möchten, finden praxisnahe Tipps auf den Seiten des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit unter www.ins-netz-gehen.de sowie auf dem Portal www.kindergesundheit-info.de. Beide Angebote unterstützen Familien dabei, Kinder altersgerecht an digitale Medien heranzuführen und Handynutzung sinnvoll zu begleiten.

Bildschirmzeit von Kindern bewusst begleiten

Medienerziehung beginnt früh. Eltern, die von Anfang an klare Regeln setzen, Bildschirmzeit begrenzen und Alternativen anbieten, helfen Kindern dabei, Smartphone und Tablet sinnvoll zu nutzen. So lernen Kinder, digitale Medien verantwortungsvoll einzusetzen – ohne dass Handy, Fernseher oder Konsole das Familienleben bestimmen.