Wenn Papa nur noch traurig ist
Claudia Gliemann/Ann Cathrin Raab: Papas bunte Brücke – Papas Seele hat Schnupfen
Depression ist die psychische Volkskrankheit Nummer Eins. In Deutschland leiden laut RKI (Robert-Koch-Institut) fast elf Prozent der Frauen und knapp acht Prozent der Männer darunter, mehr als in den meisten anderen europäischen Ländern. Klar, dass auch ihre Kinder mitbekommen, dass Mama oder Papa anders sind als früher.
So geht es auch Nele. Ihr Vater arbeitet als Hochseilartist im Zirkus. Eigentlich ist er ein sehr fröhlicher Mensch. Doch seit kurzem ist er immer traurig, hat Angst, auf das Seil zu steigen und will eigentlich nur noch im Bett liegen. Er lacht nicht einmal mehr über Neles Kunststücke. Und das lastet ziemlich schwer auf ihrer Seele.
Zum Glück gibt es den Dummen August. Der ist natürlich gar nicht dumm, sondern ziemlich schlau. Er fragt Nele, wo ihr Lächeln geblieben sei. Und da bricht es aus ihr heraus. Sie macht sich Sorgen um ihren Vater, fragt sich, ob sie an der Traurigkeit schuld sei, ob sie etwas falsch gemacht habe, ob sie nicht gut genug sei.
Das ist das Brutale, wenn die Familie tiefgehenden Veränderungen unterliegt: Sie sind für Kinder nicht einzuordnen. Sie zweifeln an sich selbst. Grundsätzlich, existenziell. Deshalb brauchen sie Erwachsene, die sie dabei tatkräftig unterstützen, Geschehnisse einzuordnen und einen Weg aus der Misere hinaus zu finden.
Und die findet Nele. Im Dummen August, der ihr erklärt, was ihrem Papa hilft: Zeit, Zuwendung und ein guter Arzt oder Psychologe. Und natürlich Mama, die ihr bestätigt, dass sie ihren Mann lieb hat. So können sie gemeinsam eine bunte Brücke bauen, über die der kranke Hochseilartist gehen kann – zurück in die Manege.
Depression betrifft alle
Depressive brauchen Unterstützung des gesamten Umfeldes. Alle zusammen müssen wissen, dass es sich um eine Krankheit handelt. Nicht um Unwohlsein oder fehlenden Willen. Wenn es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen, dann braucht es auch ebendieses Dorf, um einen psychisch Kranken ins Leben und die Gemeinschaft zurückzuholen. Dabei brauchen allerdings auch alle aus dieser Gemeinschaft die Unterstützung der anderen: die Ehefrau, die Kollegen, die Freunde, aber vor allem die Kinder.
Das setzt Ann Cathrin Raab mit etwas kindlich-zittrigem Strich und vielen bunten Punkten in ihren Illustrationen angemessen um. Einfache Linien schaffen fröhliche oder traurige Gesichter, für Kinder in diesem Alter einfach zu erkennen, dabei aber niemals süßlich oder niedlich, sondern dem Ernst der Situation entsprechend.
Im Anhang erklärt Dr. Susanne Schmidt, die in einer psychosomatischen Klinik für Kinder und Jugendliche arbeitet, was Depression ist, was am besten hilft und wie Kinder sich Unterstützung holen können. Claudia Gliemann hat mit ihrer Buchreihe Reihe Figuren geschaffen, die für Kinder in unterschiedlichen Altersstufen ab vier Jahren die Problematik der Depression nahe bringen. Es begann mit dem vielfach ausgezeichneten Bilderbuch „Papas Seele hat Schnupfen“, das nach kurzer Zeit auch als Hörbuch erarbeitet wurde. Nach diesem Erfolg erschien mit „Ein Muffin für Nele“ ein Sach- und Erzählbuch für Kinder ab sechs Jahren. „Eine bunte Brücke für Papa“, das hier vorgestellt wurde, ist ein klassisches Bilderbuch für Kinder ab vier Jahren. Gliemann hat weiterführend Unterrichtskonzepte und –materialien entwickelt und setzt sich in Schulklassen und sozialen Einrichtungen für die Belange von Kindern psychisch kranker Eltern ein.
Ralf Ruhl
Bibliographie:
Papas Seele hat Schnupfen – Papas bunte Brücke
Text: Claudia Gliemann
Illustration: Ann Cathrin Raab
Ab 4 Jahren
Hardcover
4-farbig illustriert
62 Seiten
ISBN 978-3-942640-16-9
Preis: 19,80 Euro