Lässt sich der Bildungs-Unsinn noch mal zurückdrehen?

Harald Lesch, Ursula Forstner: Wie Bildung gelingt – Ein Gespräch

Zu den wichtigsten Aufgaben der Gesellschaft gehört die Ausbildung der nachfolgenden Generation. Doch da die Entwicklung eines Kindes zum gebildeten Zeitgenossen eine Weile dauert, fällt es oft schwer zu erkennen, was dafür wirklich notwendig ist.

Der bekannte Astrophysiker, Naturphilosoph und Wissenschaftsjournalist Harald Lesch und die Philosophin Ursula Forstner versuchen dem in einem Gespräch auf den Grund zu gehen. Mit dabei ist der Philosoph Wilhelm Vossenkuhl. Virtuell bringt Forstner noch den Philosophen Alfred N. Whitehead (1861-1947) mit ins Gespräch, den sie aus ihrer Studienzeit kennt. Es sind seine modern anmutenden Thesen, die Ausgangspunkt für die Diskussion sind. Dabei nehmen sie auch die Praxis an unseren Schulen und Universitäten unter die Lupe.

Und so verwundert es nicht, wenn die Gesprächsteilnehmer Noten und Prüfungen als unnötig erachten, wenn diese totes Wissen bewerten und prüfen. Und es wird uns mitgeteilt, dass Schulen und Universitäten Freiheit, Wissen und Fantasie benötigen, um dem lebendigen Lernenden gerecht zu werden und gebildete Menschen hervorzubringen.

Von Whitehead erfahren wir, wie wichtig Selbstdisziplin und der erlernte Umgang mit Wissen ist. Dem werden, so führen Lesch und Vossenkuhl aus, unsere Schulen und Universitäten durch Testwut und die Bolognareform nicht gerecht. Im Gegenteil: Diese Vorgaben töten die notwendige Freiheit und Fantasie ab.

Das Buch ist durch seinen Erzählstil in Gesprächsform kurzweilig zu lesen. Die Lektüre sei vor allem allen Lehrkräften, Dozenten und Professoren dingend an Herz gelegt. Und im Anschluss benötigt es weitgreifende Reformen. Weg von dicken Lehrplänen, weg vom Testwahnsinn, weg von Noten, unsinnigen Prüfungen und ständigem Vergleichen. Eine Schule des Lebens in Schule und Universitäten, in Ausbildungsbetrieben und einfach überall, eine Schule des Lebens für den gebildeten Menschen und seinen Verwirklichungsraum.

Das Buch ist aber auch eine Hommage an den kaum bekannten Philosophen Alfred North Whitehead und zeigt, dass das Wissen um den richtigen Weg des Umgangs mit jungen Menschen seit vielen Jahrzehnten bereits offen liegt. Die Bildungssysteme aber nicht in der Lage sind umzusetzen, was nötig wäre.

Spannend, wenn man erfährt, dass die Freiheit der deutschen Universitäten mal Vorbild war für den Wissenserwerb und das Bild des Forschers. Spannend, wenn wir erfahren, was den gebildeten Menschen ausmacht und dass die Lehrenden da sind, um Verschwendung, die durch das „Aussortieren“ vorgenommen wird, zu vermeiden.

Ein lesenswertes Buch. Kaufen Sie gleich einige Bücher mehr und schenken Sie sie den Lehrkräften, Dozenten und Bildungsverantwortlichen in Ihrem Umfeld. Vielleicht schaffen wir es dann gemeinsam, den Unsinn wieder zurückzudrehen.

Daniela Körner

Bibliographie

Harald Lesch/Ursula Forstner
Wie Bildung gelingt
Ein Gespräch
Hardcover, 144 Seiten
ISBN 978-3-8062-4083-2
20 €