OECD-Bericht: So beeinflusst die digitale Welt das Leben von Kindern

Die internationale Wirtschaftsorganisation fordert mehr Schutz, bessere Daten und gemeinsame Verantwortung

Fast jedes Kind ist heute online – und das immer früher. Schon 93 Prozent der Zehnjährigen hatten laut internationalen Bildungsstudien 2021 Zugang zum Internet, 70 Prozent besitzen ein eigenes Smartphone. Bei den 15-Jährigen ist die digitale Welt längst Alltag: 98 Prozent haben ein internetfähiges Smartphone, 96 Prozent Zugriff auf einen Computer oder ein Tablet zu Hause. In manchen Ländern verbringen Jugendliche über 60 Stunden pro Woche online – fast ein Vollzeitjob.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht darin große Chancen – aber auch wachsende Risiken. In ihrem neuen Bericht „How’s Life for Children in the Digital Age?“ fordert sie ein umfassendes Umdenken: Kinder brauchen Schutz, Orientierung und Unterstützung – nicht nur online, sondern auch in ihrem realen Umfeld.

Fakten auf einen Blick: So digital leben Kinder heute

  • 93 Prozent der Zehnjährigen hatten 2021 Internetzugang (2011: 85 Prozent)
  • 70 Prozent der Zehnjährigen besitzen ein eigenes Smartphone
  • 98 Prozent der 15-Jährigen in OECD-Ländern haben ein Smartphone mit Internet
  • Mindestens 50 Prozent der 15-Jährigen verbringen 30+ Stunden/Woche mit digitalen Geräten
  • In Ländern wie Lettland sind es bis zu 43 Prozent, die 60+ Stunden/Woche online sind

Chancen ja – aber nicht um jeden Preis

Digitale Technologien bieten Kindern viele Möglichkeiten: Sie fördern Lernen, Kreativität und soziale Kontakte. Doch die Risiken sind real:

  • Cybermobbing nimmt zu
  • Übermäßige Nutzung kann zu Stress, Schlafproblemen und Isolation führen
  • 17 Prozent der Jugendlichen fühlen sich nervös oder ängstlich ohne ihre Geräte
  • 27,6 Prozent geben an, in sozialen Netzwerken schon falsche Informationen geteilt zu haben

Besonders problematisch wird es, wenn Kinder den Umgang mit digitalen Medien nicht mehr steuern können: Wenn Online-Aktivitäten den Schlaf, die Schulleistungen oder das Selbstwertgefühl beeinträchtigen, sprechen Fachleute von problematischer oder sogar suchtähnlicher Nutzung.

Was Kinder besonders belastet – laut OECD-Bericht

  • Vergleich mit idealisierten Bildern auf Social Media
  • Cybermobbing und Online-Druck
  • Fehlende echte soziale Kontakte
  • Passive Mediennutzung ohne Interaktion
  • Familiäre Belastungen wie Konflikte oder wenig Unterstützung

Und was hilft? Ein gemeinsamer, ganzheitlicher Ansatz

Die OECD schlägt vor, auf vier Säulen zu setzen:

  1. Klare Regeln und kindgerechte Technik
    Digitale Dienste müssen sicher gestaltet werden – mit Schutzfunktionen und Altersgrenzen.
  2. Digitale Bildung für alle
    Kinder brauchen Medienkompetenz – aber auch Eltern, Lehrkräfte und Betreuer müssen mitziehen.
  3. Alltagstaugliche Hilfen für Familien
    Eltern brauchen Unterstützung, um Risiken zu erkennen und digitale Routinen gesund zu gestalten.
  4. Kinder mitentscheiden lassen
    Ihre Sichtweisen und Erfahrungen sind entscheidend, um gute Politik für sie zu machen.

Was noch fehlt: Bessere Daten, mehr Forschung

Ein großes Problem bleibt: Vieles wissen wir noch nicht genau. Die Forschung zur digitalen Kindheit ist oft korrelativ statt kausal, und in vielen Ländern fehlen belastbare Daten zur Bildschirmzeit, Art der Nutzung und den Auswirkungen.

Die OECD fordert daher:

  • Mehr und bessere Datenerhebung
  • Langzeitstudien zum digitalen Verhalten von Kindern
  • Einbindung von Fachwissen aus Gesundheit, Bildung und Sozialarbeit
  • Berücksichtigung vulnerabler Gruppen – etwa Kinder mit psychischen Belastungen

Neue Technologien, neue Herausforderungen

Künstliche Intelligenz (KI) und Virtual Reality (VR) bringen neue Chancen – aber auch neue Risiken. KI kann beim Lernen helfen, aber auch Fehlinformationen und Datenschutzprobleme verursachen. VR kann in der Bildung oder Therapie helfen, birgt aber Gefahren wie Reizüberflutung oder Realitätsverlust, besonders für kleine Kinder.

Deshalb gilt: Neue Technik braucht kluge Regeln, sichere Gestaltung, Zeitlimits – und erwachsene Aufsicht.

Fazit: Kinder brauchen mehr als WLAN

Die digitale Welt ist für Kinder heute selbstverständlich – sie soll sie stärken, nicht überfordern. Dafür braucht es einen Schulterschluss von Politik, Bildung, Forschung, Familien und Unternehmen. Die OECD zeigt: Nur wenn wir die Offline- und Online-Welten zusammendenken, können wir das Wohlergehen der nächsten Generation sichern.

Zur Rolle der OECD

Die OECD spielt im Bereich Kinder und Digitalisierung eine zunehmend wichtige Rolle, indem sie Daten sammelt, internationale Standards entwickelt und Regierungen bei der Ausarbeitung wirksamer Politikstrategien unterstützt. Ziel ist es, die Chancen der digitalen Welt für Kinder nutzbar zu machen – ohne dabei die Risiken für ihre Entwicklung, Gesundheit und Sicherheit zu übersehen.

Quelle: „How’s Life for Children in the Digital Age?“

Gernot Körner