Wie Lesen die Aufmerksamkeit fördert – und Bildschirmzeit sie schwächt

Studie der Universität Leipzig untersucht Zusammenhang zwischen Bildschirmzeit, Lesen und Konzentrationsfähigkeit bei Kindern
Kinder, die häufig fernsehen, Videos schauen oder Computerspiele spielen, zeigen tendenziell eine geringere Konzentrationsleistung – während selbstständiges Lesen die Aufmerksamkeit stärkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig im Rahmen der Life Child-Studie, die im Fachjournal BMC Pediatrics erschienen ist.
Medienkonsum fordert die Aufmerksamkeit – Lesen fördert sie
Elektronische Medien wie Fernseher, Tablets oder Smartphones präsentieren Kindern ständig neue Reize. Das führt zu schnellen Aufmerksamkeitswechseln. Beim Lesen hingegen bleibt der Fokus länger auf einem Inhalt – eine Fähigkeit, die für schulisches Lernen und Alltagsbewältigung entscheidend ist.
Das Forschungsteam um Dr. Tanja Poulain prüfte deshalb, ob häufiger Mediengebrauch mit geringerer und regelmäßiges Lesen mit besserer Langzeitaufmerksamkeit einhergeht.
Über 1000 Kinder im Computertest
Insgesamt nahmen 1057 Kinder im Alter von drei bis elf Jahren an einem computerbasierten Aufmerksamkeitstest teil. Sie sollten innerhalb von sieben Minuten nur auf bestimmte Bilder reagieren. Dabei wurde gemessen, wie oft Kinder Reaktionen verpassten (Auslassungsfehler, Hinweis auf verminderte Langzeitaufmerksamkeit) oder zu früh reagierten (Fehlreaktionen, Hinweis auf mangelnde Impulskontrolle).
Parallel berichteten die Eltern, wie lange ihre Kinder täglich Bildschirmmedien nutzten und – bei älteren Kindern – wie häufig sie selbstständig lasen.
Ergebnisse: Weniger Fehler bei Leser:innen
„Kindern, die häufiger Bildschirmmedien nutzten, unterliefen im Test mehr Fehler als denen mit geringerer Mediennutzung“, erklärt Dr. Poulain, Leiterin der Studie. Besonders bei Vorschulkindern zeigte sich ein Zusammenhang zwischen dem Anschauen von Filmen oder Serien und eingeschränkter Impulskontrolle. Im Grundschulalter war eine intensive Nutzung von Filmen, Serien oder Videospielen mit geringerer Langzeitaufmerksamkeit verbunden.
Dagegen machten Kinder, die regelmäßig lasen, weniger Fehler im Test – ein Hinweis auf bessere Konzentrationsfähigkeit. Auch zeigte sich, dass Mädchen insgesamt aufmerksamer reagierten als Jungen.
Leseförderung wichtiger denn je
Die Ergebnisse stützen frühere Befunde, wonach häufiger Mediengebrauch mit geringerer Aufmerksamkeit verbunden ist. Besonders bemerkenswert: Die Leipziger Studie stützt sich nicht auf Elternangaben, sondern auf standardisierte kognitive Tests. Außerdem zeigte sich, dass nicht nur die Leseleistung, sondern auch die Lesehäufigkeit positiv mit der Aufmerksamkeit verknüpft ist.
Auch wenn die Studie keine direkte Kausalität belegt, macht sie deutlich: Eine bewusste Begrenzung der Bildschirmzeit und die Förderung regelmäßigen Lesens können einen wichtigen Beitrag zur Aufmerksamkeitsentwicklung von Kindern leisten.
Über die Life Child-Studie
Die Life Child-Studie der Universität Leipzig läuft seit 14 Jahren und umfasst Daten von über 6000 Kindern aus Leipzig und Umgebung. Sie untersucht, wie Umwelt- und Lebensstilfaktoren die körperliche und geistige Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beeinflussen.
Originalpublikation:
Performance on an attention test is positively related to reading but negatively related to watching TV and playing video games in children.
BMC Pediatrics (2025). DOI: 10.1186/s12887-025-06260-w