Hängen Musik und Verstand zusammen?

Wissenschaftler:innen aus Australien, England und Deutschland können bisher keine direkte Verbindung nachweisen

Immer wieder wird diskutiert, inwieweit musikalische Bildung auch für andere kognitive Fähigkeiten oder schulische Leistungen von Vorteil sein kann. Forscher:innen der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, der Goldsmiths University of London, der Macquarie University in Sydney, des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main und der University of Cambridge haben sich dieser Frage nun mithilfe einer neuen wissenschaftlichen Methode genähert. Die Ergebnisse der Studie sind vor einiger Zeit im Fachmagazin „Music Perception“ erschienen.

Die wesentliche Komponente ist das Arbeitsgedächtnis

Eine wesentliche Komponente für alle kognitiven Fähigkeiten ist das Arbeitsgedächtnis, also die Fähigkeit, Dinge im Gedächtnis zu behalten und sie ohne externe Hilfsmittel wie Stift oder Papier kognitiv zu verarbeiten. Noch ist jedoch unklar, ob das Arbeitsgedächtnis universell oder bereichsspezifisch funktioniert, sprich: ob das Gehirn für Musik, Bilder, Sprache oder Mathematik dieselben Bereiche und Kapazitäten nutzt – oder verschiedene.

In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler:innen insgesamt 148 Personen. Anhand sechs verschiedener Tests glichen sie das musikalische und das visuelle Arbeitsgedächtnis der Studienteilnehmer:innen mit deren Grad an musikalischer Bildung ab.

Neue wissenschaftliche Methode

„In den bisherigen Forschungen zum Zusammenhang von musikalischer Bildung und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten wurde das musikalische Gedächtnis häufig nicht berücksichtigt. Wir haben diese Triade nun mithilfe des ‚Causal Modeling‘-Ansatzes untersucht, einer relativ neuen wissenschaftlichen Methode, mit der man unter gewissen Voraussetzungen kausale Zusammenhänge feststellen kann“, erläutert Seniorautor Peter Harrison vom MPIEA.

Die Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen: Wenn musikalische Bildung das visuelle Arbeitsgedächtnis beeinflusst, dann über den „Umweg“ des musikalischen Arbeitsgedächtnisses. Das heißt, musikalische Bildung verbessert in erster Linie das musikalische Arbeitsgedächtnis, was dann wiederum einen positiven Effekt auf das visuelle Arbeitsgedächtnis haben könnte. Darüber hinaus ergaben die Tests, dass – andersherum – ein allgemein gutes Arbeitsgedächtnis grundsätzlich eine musikalische Bildung erleichtert.

Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es eine gemeinsame bereichsübergreifende Komponente gibt, die sowohl das visuelle als auch das musikalische Arbeitsgedächtnis beeinflusst. Ein direkter Zusammenhang zwischen musikalischer Bildung und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten scheint dagegen eher unwahrscheinlich. Langzeitstudien, bei denen die Entwicklung musikalischer und kognitiver Fähigkeiten bei Personen mit und ohne musikalische Bildung verglichen werden, könnten diese Ergebnisse weiter konkretisieren.

Originalpublikation:

Silas, S., Müllensiefen, D., Gelding, R., Frieler, K. & Harrison, P.M.C. (2022). The Associations Between Music Training, Musical Working Memory, and Visuospatial Working Memory: An Opportunity for Causal Modeling. Music Perception, 39(4): 401–420. https://doi.org/10.1525/mp.2022.39.4.401

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik
Klaus Frieler
klaus.frieler@ae.mpg.de

Ina Wittmann (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik)