Für einen notwendigen Perspektivwechsel auf das „schwierige Kind“

Tures, Andrea (Hrsg.): Das schwierige Kind? Herausforderndem Verhalten professionell begegnen

Schon das Fragezeichen hinter dem Buchtitel lässt aufhorchen und die Fragen aufkommen: ja, geht es um ein schwieriges Kind (als Etikettierung des ganzen Menschen) oder handelt es sich um ein Kind mit Schwierigkeiten in bestimmten Handlungsfeldern? Oder sind die Lebensbedingungen/ biographischen Einflüsse, denen das Kind ausgesetzt ist, schwierig? Sind es vielleicht die schwierigen, entwicklungshinderlichen Konzepte/ pädagogischen Strukturen in einer Einrichtung, die dem Kind Schwierigkeiten bereiten? … So macht schon der Titel mehr als neugierig und problematisiert die Formulierung >Das schwierige Kind<, wie es in den Köpfen und Sichtweisen sicherlich vieler pädagogischer Fachkräfte schnell bei einem Kind mit problembehafteten Ausdrucksformen herumgeistert.

Damit hat schon alleine der Titel des Buches für eine bedeutsame und wichtige Problematisierung der Zuordnung, es handele sich aufgrund eines bestimmten kindlichen Verhaltens um ein >schwieriges Kind<.

In 17 Fachartikeln, die diese Veröffentlichung beinhaltet, geht es um folgende Schwerpunkte, die gleichzeitig als Zielsetzung dienlich sind:

  • 1.) Nur mit einem konkreten, wissenschaftlich fundierten Hintergrundwissen können Fachkräfte eine professionelle Sichtweise entwickeln, durch die so genannte aggressive, desinteressierte, unsoziale, überdrehte, unkooperativ handelnde, systemsprengende Kinder nicht von vornherein als ‚verhaltensgestört‘ oder ‚therapie-/ veränderungsresistent‘ abgestempelt werden. Das führt zu einem Perspektivwechsel auf die Aspekte, was einem Kind fehlt, was es an ‚Seelenproviant‘ braucht und wo der tatsächliche Problemkern vorhanden ist.
  • 2.) Durch konkrete Hilfs-/Handlungsstrategien erfahren Leserinnen, was getan werden kann/ muss, um aus einer salutogenetischen Haltung heraus kritische Situationen in entwicklungsförderliche Veränderungsprozesse zu wandeln.
  • 3.) Nur durch das authentische Verstehen der Ursachen von herausforderndem Verhalten geschieht ein Perspektivwechsel auf das Kind – vom Negativ-Blick zum Konzept einer Arbeit, die sich auf das Kindeswohl und eine bedürfnisbefriedigende Pädagogik richtet.

Im ersten Teil des Fachbuches finden Leserinnen Grundlagen im Umgang mit herausforderndem Verhalten des Kindes (z.B. systematisches Handeln/ ethische Ausrichtung der Pädagogik/ Professionalität als unabdingbare Voraussetzung für eine bedürfnisorientierte Pädagogik).

Der zweite und umfangreichste Teil des Buches geht auf unterschiedliche Phänomene eines herausfordernden Verhaltens von Kindern ein (z.B. Verhaltensweisen, die so genannte >überdrehte, unkooperative und destruktiv handelnde, beißende, aggressive, theatralische, wilde, heikle, unsympathische, sprachlose< Kinder), wobei alle Beiträge ein festes Strukturmuster haben:

  • (a) Vermittlung von Wissensbausteinen, um das Kind zu verstehen und das gezeigte Verhalten des Kindes fachkompetent einordnen zu können;
  • (b) Vorstellung von konkreten Handlungsstrategien, Vorgehensweisen und Konzepten, um das Kind bei entwicklungsförderlichen Prozessen angemessen zu begleiten;
  • (c) Es folgt ein konkretes Beispiel aus der Praxis;
  • (d) Jedes Kapitel endet dann mit Hinweisen für Leitungskräfte/ Träger, welche Rahmenbedingungen und Strukturen die Praxisarbeit stabilisieren.

Außerdem werden Literaturhinweise, Podcasts/ Filme/ Videos und Weiterbildungshinweise gegeben. Merksätze, Reflexionsfragen, Kernbotschaften und Tipps werden in so genannten ‚Merkkästen‘ aufgeführt.

Fachkräfte in Krippen/ Kitas und Grundschulen werden dieses Fachbuch als einen großen Schatz entdecken, auch wenn es anstrengend ist, sich auf einen vollkommen neuen, aber notwendigen Perspektivwechsel einzulassen, sind es doch vor allem die Erwachsenen oder bestimmte, eingefahrene Arbeitsstrukturen, die die Kinder zu Symptomträgern werden lassen.

Armin Krenz

Tures, Andrea (Hrsg.): Das schwierige Kind? Herausforderndem Verhalten professionell begegnen.

Cornelsen/ Verlag an der Ruhr, Mülheim 2025. ISBN: 978-3-8346-5294-2. 288 Seiten, 34,99 €.




Klatschspiele und Sprechzeichnen für 4- bis 8-Jährige

Doering, Sabine: Klatschspiele und Sprechzeichnen für 4- bis 8-Jährige. Spaßgedichte für Sprachförderung, Rhythmus

Fingerspiele, Klatschspiele und Reime gehören zu den ersten Spielformen, die mit Kindern gemeinsam erlebt werden können. Diese Spielform zeichnet in erster Linie >Bewegung im Rhythmus< aus und damit erfüllen diese Spielaktivitäten neben der Freude am Reimen, an der Sprache, am Sprechen, an der Interaktionsnähe zum Erwachsenen und der motorischen Aktivität vor allem das Gefühl der Sicherheit und Annahme. Beide Aspekte bilden unter anderem die Grundlage für eine beziehungsorientierte Kommunikation und bindungssichere Selbstbildungsimpulse im Kind. Gleichzeitig ergibt sich – das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen – aus einem intensiven Erleben von Finger- und Klatschspielen sowie aus motorisch umgesetzten Reimen (Reimspielen) bei Kindern der Wunsch, weiterhin neugierig sich selbst und die Welt um sie herum entdecken zu wollen. Damit ist auch der Grundstein für den Aufbau einer entstehenden Spielfähigkeit gewährleistet. Praxisbeobachtungen in Krippen und Kindertagesstätten offenbaren allerdings recht häufig, dass dieser übergreifenden Spielform zu wenig Beachtung geschenkt wird.

Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass die Autorin – Logopädin und Legasthenie-Therapeutin – ein Buch veröffentlicht hat, das 66 Spielverse zum Klatschen, Bewegen und Sprechzeichnen herausgebracht hat. Diese Veröffentlichung ist so aufgebaut, dass nach einem kurz gehaltenen Vorwort ein paar wenige Erläuterungen zu den Themen ‚Sprechsilben und Spracherwerb‘, ‚Klatschspiele‘ ‚Sprechzeichnen‘ sowie ‚Reimwörter und Gegensätze‘ vorgenommen werden und die theoretischen Aspekte mit einer Erklärung der Klatschmuster enden.

Der Praxisteil besteht dann aus:

  • vielerlei Klatschspielen (Teil 1),
  • Klatschspielen mit einem Jahreszeitenbezug (Teil 2),
  • Silben-Klatschspielen (Teil 3),
  • dem rhythmischen Sprechzeichnen (Teil 4)
  • sowie den ‚Reimwörtern und Gegensätzen‘ (Teil 5).

Gerade der letzte Schwerpunkt bietet sich für >Deutsch als Zweitsprache< (DaZ) sehr gut an. Als Zusatzmaterial können interessierte Leser*innen einige Reime und Verse mit Bildern downloaden.

Wie aus wissenschaftlichen Untersuchungen (aus dem Feld der Spiel{e]forschung) bekannt ist, erleben Kinder Reim- und Klatschspiele, die sowohl den motorischen, emotionalen, kognitiven und sozialen Kompetenzbereich von Kindern ansprechen, als ein überaus motivierendes Element, auch weitere Spielformen entdecken, erkunden und umsetzen zu wollen. Wird hingegen dieser ersten Spielform zu wenig Beachtung geschenkt, ist damit auch in vielen Fällen das Spielinteresse nicht mehr so überaus stark ausgeprägt, dann das Bauspiel, das Konstruktionsspiel, das Gestaltungsspiel mit Fundmaterialen, Musik- und Tanzspiele sowie das Rollenspiel in ganzer Erfahrungstiefe zu entdecken.

Insofern ist diese Veröffentlichung sehr zu begrüßen. Sie sollte daher in Krippen, Kindertagesstätten, bei Tagesmüttern und -vätern sowie in den ersten zwei Klassen einer Grundschule eine große Beachtung finden.

Armin Krenz

Doering, Sabine: Klatschspiele und Sprechzeichnen für 4- bis 8-Jährige.

Spaßgedichte für Sprachförderung, Rhythmus, Motorik und DaZ.

Verlag an der Ruhr, Mülheim 2024.
ISBN: 978-3-8346-6706-9.
96 Seiten, 18,99 €




Beziehungsorientiert und einfühlsam Gespräche führen

Schirmer, Uwe Bernd: Einfühlsam Gespräche führen. Wertschätzende und empathische Gesprächsführung in der Praxis der Gesundheits-, Erziehungs-, Pflege- und Sozialberufe

Sicher wird jede Fachkraft in einem (sozial)pädagogischen oder pflegerischen Berufsfeld sofort der Aussage zustimmen, dass >Kommunikation< das A&O einer erfolgreichen, für beide Seiten entwicklungsförderliche Arbeit ist, zumal nur eine wertschätzende, respektvolle Kommunikation Beziehungsangebote schafft und nur mithilfe dieser Merkmale Konflikte lösbar sind. Gleichzeitig offenbaren aber Gesprächsanalysen, dass Behauptungen und Realitäten häufig nicht deckungsgleich sind. Um diesem Umstand Abhilfe zu schaffen, hat Dr. Uwe Bernd Schirmer ein wichtiges Buch herausgebracht, in dem Grundlagen für eine empathisch geprägte Kommunikation aufgeführt sind. Empathisch deswegen, weil die Entwicklung des Menschen von Beginn an auf Beziehungsangebote und Bindungswünsche ausgerichtet ist. Der Wunsch jedes Menschen, verstanden zu werden und sich vom Gegenüber angenommen zu fühlen, ist evolutionär angelegt und bedarf daher stets einer gewichtigen Beachtung.

Die Publikation besitzt folgende Schwerpunkte. Zunächst wird auf die Bedeutung von Beziehungen eingegangen und dann werden die zwei Formen der Empathie, deren Grenzen und Risiken näher beleuchtet. Im Folgekapitel geht der Autor auf Grundlagen sowie Perspektiven einer einfühlsamen Gesprächsführung ein und beschreibt, was in einem empathischen Prozess vor sich geht. Das nächste Kapitel wendet sich der Anwendung einer einfühlsamen Gesprächsführung mit en drei Komponenten >Beobachtung, Gefühle und Bedürfnisse< zu, um dann auf die Perspektive der Bewältigung unter Berücksichtigung der Aspekte >Vom Bedürfnis zur Strategie< und >Strategien zur Bedürfnisbefriedigung< überzuleiten. Ein Fazit, Ausblick und ein Anhang mit zwei Praxisbeispielen sowie Übungsblättern schließen das Buch ab.

Was gefällt an dieser Veröffentlichung ganz besonders?

  • 1.) In jedem Kapitel finden Leserinnen sehr viele Beispiele, um sich selbst als Akteur mit der vorgestellten Situation identifizieren zu können.
  • 2.) Zudem gibt es immer wieder Übungsvorschläge, um einerseits sich selbst und das mögliche Vorgehen zu reflektieren und andererseits ein Gefühl zu spüren/ entwickeln zu können, wie eine wertschätzende und einfühlsame Gesprächsführung gelingen kann.
  • 3.) In grau unterlegten Kästen finden Leserinnen kurze Zusammenfassungen und bedeutsame Merksätze.
  • 4.) Übersichtliche Tabellen und halb-/ bzw. ganzseitige Abbildungen sorgen für einen fokussierten Blick auf wesentliche Kommunikationsaspekte, ein umfangreiches Literaturverzeichnis bietet zudem die Möglichkeit, bestimmte Schwerpunkte zu vertiefen und ein Sachwortverzeichnis hilft, bei einer gezielten Begriffssuche schnell fündig zu werden.

Da das Buch sehr strukturiert und mit einem klaren Aufbau konzipiert ist und die Inhalte miteinander vernetzt sind, ergibt sich die Notwendigkeit, diese Veröffentlichung von Anfang an zu lesen und nicht einzelne Kapitel auszuwählen. Der Autor vergleicht dieses notwendige Vorgehen mit dem Schwimmen oder Tanzen lernen, bei dem es auch darauf ankommt, von Anfang an dabei zu sein, ohne eigene Erlebnis- und Erfahrungsschritte auszulassen.

Auch wenn es auf dem Literaturmarkt viele Publikationen zum Schwerpunkt einer beziehungsorientierten, einfühlsamen Gesprächsführung gibt, gehört diese Veröffentlichung zu den Glanzlichtern und sollte daher unbedingt zur Standardliteratur für Personen in helfenden Berufen gehören.

Armin Krenz

Schirmer, Uwe Bernd: Einfühlsam Gespräche führen. Wertschätzende und empathische Gesprächsführung in der Praxis der Gesundheits-, Erziehungs-, Pflege- und Sozialberufe.

Hogrefe Verlag, Göttingen 2. vollst. überarb. u. erw. Auflage 2025. ISBN: 978-3-456-86331-3. 234 Seiten, 38,00 €




Werte- und sinnorientierte Pädagogik in der Kita

Klingler, Daniela: Werte- und sinnorientierte Pädagogik in der Kita. Kinder stärken und begleiten

Die Autorin, die Erziehungs- und Bildungswissenschaft studiert hat und unter anderem als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule in Tirol arbeitet, hat in ihrem Buch ein Thema aufgegriffen, das nicht nur zurzeit einen vielbeachteten Bedeutungswert sowohl für die Individualentwicklung des Menschen als auch für eine humane Sozial- und Weltgestaltung besitzt. So weisen uns die bedrohlichen Weltgeschehnisse als auch die vielfach destruktiven Umgangsformen in unserem eigenen Umfeld darauf hin, wie es um den Verlust umgangskultureller, sozialverantwortlicher Werte im Umgang miteinander, im Umgang mit der Natur und ihren Lebewesen sowie in Konfliktsituationen steht.

WERTE können nicht „auf kaltem Wege“ vermittelt werden

Das heißt, dass nachhaltig bedeutsame Werte nicht durch kognitive Erläuterungen, Anordnungen, Überredungen oder direktive Hinweise aufgebaut/ intrinsisch verankert werden können! Werte wollen vorgelebt, erfahren, gespürt und als wertvoll entdeckt werden. Häufig werden sogar ‚Werte‘ und ‚Normen‘ gleichgesetzt, obgleich es zwei völlig unterschiedliche/ gegensätzliche Begriffe sind, denen auch eine vollkommen andere HALTUNG zugrunde liegt.

Der Inhalt des Buches ist so aufgebaut, dass unter der pädagogischen Zielmaxime >Kinder in der Art und Weise zu begleiten sind, dass sie ein selbstbestimmtes, psychisch und physisch gesundes und gelingendes Leben führen können< dafür gesorgt werden muss, dass sie vor allem eine authentische Beziehungsfähigkeit, ein nachhaltiges Selbstwertgefühl, eine gefestigte Selbstwirksamkeit, ein Lebensinn- und Werteverständnis sowie ein verantwortungsvolles Freiheits- und Partizipationsempfinden besitzen.

  • So wird im ersten Kapitel auf den Begriff und Bedeutungswert von ‚Werten‘ eingegangen.
  • Im zweiten Kapitel dreht sich alles um die Merkmale einer sinn- und werteorientierten Pädagogik.
  • Das dritte Kapitel behandelt Gedanken, Ideen und Handlungs-/ Spielimpulse für ein praktiziertes Werteerleben.
  • Im vierten Kapitel finden Leser*innen Hinweise zum Umgang mit Alltagsherausforderungen, zum Konfliktmanagement und zur Klärung von Streitsituationen, Wiedergutmachung und eine notwendige Fehlerkultur, weil Kinder ein Recht darauf haben, Fehler machen zu dürfen und um daraus lernen zu können.
  • Im fünften Kapitel geht die Autorin auf die Schwerpunkte ‚Resilienz‘ und ‚Salutogenese‘ ein, verbunden mit sehr konkreten Hilfestellungen zur Stärkung des Selbstwertes, der Selbstwirksamkeit und des Selbstvertrauens.
  • Und bei aller Konzentration auf das Kind dürfen die zwei Personalkompetenzen ‚Gelassenheit und Glück‘, die zu den wichtigsten Kompetenzen einer pädagogischen Fachkraft gehören, nicht vergessen werden: dazu werden im sechsten Kapitel Hinweise gegeben.

An diesem Buch gefällt rundherum alles:

  • So werden zu allen Ausführungen Reflexionsfragen zur Verfügung gestellt,
  • Beispiele aus der Alltagspraxis erwähnt,
  • Kernaussagen auf den Punkt gebracht,
  • Spielvorschläge unterbreitet,
  • besonders hilfreiche Buchempfehlungen benannt,
  • bis hin zur Problematisierung pädagogisch vielgenutzten Mechanismen, die aber hinterfragt werden und neu bewertet werden müssen. Z.B. Nachteile des Lobens oder die entwicklungspädagogische Bedeutung einer zeitweiligen Langeweile.

Es bietet sich ohne Frage an, diese wunderbare Veröffentlichung zu bearbeiten und im Kollegium zu besprechen, um immer wieder eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und dort, wo es angezeigt ist, Veränderungen in Gang zu setzen.

Armin Krenz

Klingler, Daniela: Werte- und sinnorientierte Pädagogik in der Kita. Kinder stärken und begleiten.

Cornelsen/ Verlag an der Ruhr, Mülheim 2021. ISBN: 978-3-8346-5278-2. 127 Seiten, 19,99 €




Wild und gefährlich? Riskantes Spiel bei Kindern

Hansen Sandseter, Ellen Beate & Jensen, Jens-Ole (Hrsg.): Wild und gefährlich? Riskantes Spiel bei Kindern

Kinder wollen sich bewegen – Kinder müssen sich bewegen (dürfen)! In vielen wissenschaftlichen Untersuchungen wird deutlich darauf hingewiesen: >Bewegung ist das Tor zum Lernen< (so lautet auch der Titel des Buches von Dr. Carla Hannaford); Dr. Frieder Beck, Sportwissenschaftler und Hirnforscher titelt sein Buch mit >Bewegung macht schlau< und die Kognitionspsychologin Dr. Manuele Macedonia benennt ihre beachtenswerte Publikation mit dem Titel >Beweg Dich und dein Gehirn sagt danke.< In Deutschland fordert die Erziehungswissenschaftlerin und Professorin für Sportwissenschaft >Schafft die Stühle ab< und weist mit diesem Plädoyer auf die Notwendigkeit eines bewegten Kinderalltags. Gleichzeitig ist in vielen Kindertageseinrichtungen, und auch von Eltern, die immer wiederkehrende Aufforderung an Kinder zu hören: „Rennt nicht so rum!“ / Klettere da nicht hoch – das ist zu gefährlich!“ / „Hör‘ auf zu toben und komm‘ mal zur Ruhe!“ / „Kannst du nicht mal 5 Minuten ruhig sitzenbleiben?!“ … Gleichzeitig klagen Kinderärzte über übergewichtige/ bewegungsinaktive Kinder und Motopäd*innen stellen zunehmend motorische Koordinationsstörungen bei Kindern fest.

Daher ist es überaus zu begrüßen, dass sich zwei norwegische Wissenschaftler*innen dem wilden und riskanten Spiel von Kindern und Jugendlichen zugewandt haben und dabei der Frage nachgegangen sind, warum und wofür auch wilde und riskante, motorische Ausdrucksformen so bedeutsam für den Auf- und Ausbau von unterschiedlichen Entwicklungspotenzialen im kognitiven, motorischen, emotionalen und sozialen Bereich sind.

Das Buch, das unter Berücksichtigung forschungsbasierter Aufsätze verfasst wurde, setzt sich aus elf Kapiteln zusammen.

  • Zunächst geht es um die hohe Bedeutung von riskantem Spielverhalten für die kindliche Entwicklung (1).
  • Dann folgen die Schwerpunkte zur Zivilisierung wilder und gefährlicher Bewegungsspiele (2),
  • Gefahrenbewältigung beim Trampolinspringen (3),
  • Rauf- und Tobe-/ Kampfspiele sowie Kampfkultur (4),
  • Kindliche Tummelspiele und spielerisches Kämpfen (5), Tobespiele und spielerisches Kämpfen aus kindergartenpädagogischer Sicht (6),
  • Parkpuraktivitäten (7),
  • Rollenspiel im Zirkus und Zirkuspädagogik (8),
  • Zirkus im Kindergarten und das Zirkuserleben mit Kleinkindern (9),
  • Das kindliche Spiel im Naturkindergarten (10)
  • und Verletzungen, Unfälle und Sicherheitsdenken (11).

Auch wenn am Schluss eines jeden Kapitels norwegische bzw. englischsprachige Literaturquellen benannt sind, wäre es natürlich noch hilfreicher gewesen, wenn im Lektorat auch deutschsprachige Literatur zur Themenvertiefung für interessierte Leser*innen hinzugefügt worden wäre.

Diese Veröffentlichung muss es schaffen, die Mitarbeiter*innen in „Sitzkindergärten“ im Gegensatz zu „Bewegungskindergärten“ zum Aufstehen zu ermutigen – die unmissverständlichen Grundlagen sind dafür mehr als deutlich auf- und ausgeführt. Jungen und Mädchen brauchen motorische Herausforderungen, um sich selbst immer mehr zu entdecken, an motorische Grenzen zu stoßen und diese zu überwinden! Ein Satz zum Nachdenken: „Tischspiele und Basteln kann man im Altenheim immer noch nachholen!“   

So gilt es mehr und mehr, eine austarierte Balance zwischen ausgeprägten Bewegungsaktivitäten im Spiel und einem häufig viel zu engen Schutz- und Sicherheitsbedürfnis bei Erwachsenen zu finden. Und dabei fängt alles mit der eigenen, ungezügelten Bewegungsfreude an.

Armin Krenz

Hansen Sandseter, Ellen Beate & Jensen, Jens-Ole (Hrsg.): Wild und gefährlich? Riskantes Spiel bei Kindern.

Für Kita und Schule. Cornelsen/ Verlag an der Ruhr, Mülheim 2022. ISBN: 978-3-8346-5289-8. 219 Seiten, 29,99 €




Über die Kunst einer sinnvollen Begleitung im Spiel

Fischer-Düvel, Gaby/Held, Nina: Ich spiele, also lerne ich – Freispiel in der Kita sinnvoll begleiten

Gerade in einer Lebenswelt, in der die Kinderentwicklungsräume immer stärker eingeengt, die Kinderwelten immer mehr in Teilbereiche zerrissen und die Kinderzeiten immer häufiger verplant sind, ist es von hohem pädagogischem Wert, wenn Kinder ohne direktive Vorgaben oder verplanten Vorhaben die Möglichkeit erhalten, eigenen Spielvorhaben nachgehen zu können. Dabei kommt gerade dem FREISPIEL ein großer Bedeutungswert zu. Hier finden die Kinder eine Möglichkeit, vergangene Erfahrungen spielerisch umzusetzen, gegenwärtige Erlebnisse in frei gewählten Spielschwerpunkten noch intensiver auszudrücken und auch zukünftige Vorhaben/ ´Erwartungen/Hoffnungen in Spielhandlungen darzustellen.

Allerdings zeigen Beobachtungen in Krippen und Kindertagesstätten, dass Kinder in zunehmendem Maße – aus vielen verschiedenen Gründen – in ihrer Spielfähigkeit eingeschränkt sind und daher die vorhandene FREISPIELZEIT nicht mit genügend Fantasie, intrinsischen Handlungsimpulsen, kreativen Ideen und reichhaltigen Vorhaben ausfüllen. Bestand noch vor vielen Jahren die Aufgabe, Kinder dabei zu unterstützen, ihre Spielfähigkeit auszubauen, so kommt den pädagogischen Fachkräften immer stärker die Aufgabe zu, Kindern dabei hilfreich zur Seite zu stehen, ihre SPIELFÄHIGKEIT aufzubauen. Und an diesem Punkt setzt die Veröffentlichung von Fischer-Düvel & Held an. Es geht um eine BEGLEITUNG der Kinder in der Freispielzeit, in der diese eher ideenlos im Raum oder auf der Außenfläche herumstehen oder umherirren, ohne selbstgewählte Spielimpulse zu spüren und in vielfältige Spielhandlungen zu verwirklichen.

Dieses Buch setzt sich aus zwei Kapiteln zusammen

Zunächst wird der Schwerpunkt >Theoretisches Grundwissen zum Freispiel< aufgegriffen, bei dem es um die Beobachtung und eine kindorientierte Haltung als Grundlage für die pädagogische Arbeit geht, dann folgen Hinweise zum Freispiel selbst, zu den Gruppenphasen, den Mangel- und Wachstumsbedürfnissen, den unterschiedlichen Dimensionen des Spiels, zur professionell gestalteten Kommunikation und Konfliktbearbeitung sowie zur Erstellung eines Soziogramms.

Der zweite Teil beschreibt >Praxisbeispiele< anhand hilfreicher Handlungsstrategien, was nach einer Eingewöhnungszeit, im Konstruktionsbereich, beim Fußballspiel, beim Turmbau und im letzten Kindergartenjahr unternommen werden kann.

Was ist beim Lesen und Verstehen dieses Buches besonders wichtig?

Auch wenn die beiden Autorinnen ungezählte „Angebote“ in der Freispielzeit vorstellen, darf es nicht so verstanden werden, diese Vorschläge 1:1 in die Praxis umzusetzen, denn dann wäre der SINN des FREISPIELS falsch verstanden. Hier geht es um SPIELBEGLEITUNGEN für Kinder, die den Spielimpulsen der Kinder sinnbegleitend angeboten werden könnten, um durch außenstehende Ideen dem Kind zu helfen, seine Spiel-, Gedanken- und Handlungsperspektive zu erweitern. Die Kunst einer sinnvollen Begleitung besteht also darin, durch eigene Ideen oder in diesem Fall auch durch die Vielfalt der Handlungsvorschläge in diesem Buch diejenigen Ideen passgenau aufzugreifen, die sinnverbunden das vertiefende Spielinteresse des Kindes erweitern.

Kurzum: Vom Kind zur vertiefenden Spielbegleitung, nicht vom Spielangebot zum Kind! Das hätte in dem Buch viel deutlicher hervorgehen werden müssen. Und ein letzter Hinweis: die Praxisbeispiele werden hier als „Fallbeispiel“ benannt. Nun: kein Kind ist ein >Fall<. Dieser medizinisch-funktions- und defizitorientierte Begriff gehört endlich, ein für alle Mal, in die Mottenkiste des zurückliegenden pädagogischen Sprachgebrauchs. Die den Spielhandlungen zugeordneten ‚Bildungsbereiche‘ können z.B. für Elterngespräche oder Entwicklungsdokumentationen genutzt werden, dürfen aber unter dem Schwerpunkt ‚FREISPIEL‘ nicht als Ausgangspunkt zur ‚Förderung von …‘ eingesetzt werden. Gleichwohl beinhalten die vielen, vorstellten Handlungsideen reichhaltige Arbeitsimpulse für diejenigen Fachkräfte, die auf der Suche nach neuen und interessanten, bisher vielleicht unbekannten Spielvorschlägen sind.

Armin Krenz

Fischer-Düvel, Gaby + Held, Nina: Ich spiele, also lerne ich. FREISPIEL IN DER KITA sinnvoll begleiten.

Mit Praxisbeispielen zu allen Bildungsbereichen und digitalem Zusatzmaterial.
Verlag an der Ruhr, Mülheim 2024.
ISBN: 978-3-8346-6396-2. 112 Seiten, 24,99 €




Praxisorientiert mit praxisrelevanten Antworten und dabei immer locker

Marcus Damm: Schemapädagogik mit Eltern mit Persönlichkeitsstörungen

Dr. phil. Marcus Damm, Oberstudienrat an einer Fachschule für Sozialwesen, hat wieder einmal eine Veröffentlichung herausgegeben, die spannender ist als es viele Kriminalromane schaffen, Leser*innen regelrecht in vollem Umfang zu erfassen und inhaltlich zu fesseln. Davon werden viele Leser*innen nicht überrascht sein, hat es der Autor beispielsweise doch schon mit seinen Büchern „Schemapädagogik – Möglichkeiten und Methoden der Schematherapie im Praxisfeld Erziehung“ (2010), „Gar nichts muss ich – Mit narzisstischen Schülern kompetent umgehen“ (2019) oder „Ich beende den Unterricht, nicht die Klinge! 12 Lehrertypen – und wie man sich und anderen Lehrkräften auf die Schliche kommt“ (2023) geschafft, Zusammenhänge von Erziehungsstilen und bestimmten Verhaltensmerkmalen Erwachsener mit spezifischen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche zu verdeutlichen. Nun legt der Autor ein weiteres Buch vor, das sich mit den zwölf Erziehungsstilen, ihren Besonderheiten und ihren Auswirkungen (= entwicklungspsychologische Effekte) auf die Kommunikationspartner befasst. Auf diese Weise werden folgende Erziehungsstile in den Fokus gesetzt: gewissenhaft/zwanghaft, selbstbewusst/narzisstisch, fürsorglich/dependent-aktiv, dramatisierend/histrionisch, wachsam/paranoid, lässig/passiv-aggressiv, herausfordernd/antisozial, sich distanzierend/schizoid, sprunghaft/borderlinespezifisch, abhängig/dependent, aggressiv/sadistisch und selbstunsicher.

Nachdem der Autor zunächst die fünf Phasen der schemapädagogischen Elternarbeit vorgestellt hat, steigt er sofort – nach und nach – in die „vergifteten/vergiftenden“ Erziehungsstile ein, indem er zunächst immer ein Beispiel vorstellt, dann die Besonderheiten dieses Erziehungsstils herausstellt, anschließend den (ideal)typischen Sozialisationsverlauf skizziert, typische Kollusionen (= ein [unbewusstes], „heimliches“ Zusammenwirken von mindestens zwei Personen zum Schaden eines Dritten) beschreibt, Ressourcen und Fallstricke benennt, dann häufig gestellte Fragen aufgreift und die dazugehörenden Antworten liefert, um schließlich konkrete Hinweise für die Elternarbeit mit den Personen und ihren erziehungsstiltypischen Merkmalen zu geben. Hinweise auf Fortbildungsmöglichkeiten in Deutschland und der Schweiz sowie ausführliche Literaturnennungen beenden das Buch.

Was an dem Buch an allen Stellen umfassend gut gefällt ist Folgendes: der Autor schreibt in einer sehr verständlichen Sprache, immer gut verständlich und inhaltlich stets nachvollziehbar! Die Beispiele sind absolut praxisorientiert, die inhaltlichen Ausführungen kommen punktgenau zum Wesentlichen, die aufgeworfenen Fragen (FAQs = konkrete Informationen zu häufig gestellten Fragen oder aufgetretenen Problemen) werden praxisrelevant beantwortet und bei aller Ernsthaftigkeit und inhaltlichen Bedeutsamkeit wirkt die Sprache ‚locker‘.

Auch wenn sich das Buch auf die Institution Schule und die stationäre Jugendhilfe bezieht, ist es auch für die Elementarpädagogik von gleichhohem Wert. Nicht nur für die Zusammenarbeit und Gesprächsführung mit Eltern, sondern auch zur Reflexion des eigenen Erziehungsstils: bin ich vielleicht Frau Rottenmeier, Herr Trump, Frau Bardot, Herr Castro, Herr Schopenhauer oder gar Frau Weinhaus oder Frau Sadowski – alles Pseudonyme für bestimmte Erziehungsstilvertreter*innen? Das sehr empfehlenswerte Buch gibt auf diese Frage eine konkrete Antwort!

Armin Krenz

Marcus Damm
Schemapädagogik mit Eltern mit Persönlichkeitsstörungen.
12 toxische Erziehungsstile in Schule und stationärer Jugendhilfe
LIT Verlag, Berlin 2024
Softcover, 207 Seiten
ISBN: 978-3-643-15650-1
24,90 €. ISBN

Mehr zum Buch




Einladung zum Vortrag „Spielen ist der Beruf des Kindes“

Armin Krenz über die Bedeutung des Spiels für die Selbstbildung des Menschen

Im Laufe der Jahrzehnte hat Prof. Armin Krenz neben seiner Lehr- und Autorentätigkeit sicher eine nahezu unüberschaubare Zahl an Vorträgen, Beratungsgesprächen, Supervisionen, Fort- und Weiterbildungen, Onlineseminaren und Workshops gehalten. Dabei verschlug es ihn jedoch niemals nach Stuttgart. Insofern laden wir Sie hier zu einer Premiere ein. Denn aus Anlass der didacta Bildungsmesse in der baden-württembergischen Landeshauptstadt veranstalten wir einen Vortrag zum Thema „Spielen ist der Beruf des Kindes… und darf nicht immer mehr durch Förderprogramme verdrängt werden“. Dieser findet jedoch nicht auf der Messe statt, sondern mitten in Stuttgart im „Haus der Wirtschaft“ am 12. Februar 2025 um 19 Uhr. Der Eintritt zum Vortrag ist frei (Spenden sind erbeten). Da wir aber nur begrenzt Platz haben, bitten wir um Anmeldung unter der E-Mail: info@spielen-und-lernen.online.

Die Bedeutung des Spiels in der Kindertageseinrichtung

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Viele von Ihnen kennen Prof. Krenz auch als Begründer des situationsorientieren Ansatzes in der Kita und Vertreter einer humanistischen Bildung. Mit spielen und lernen verbindet ihn unter anderem das Verständnis über die Bedeutung des Spiels für die Entwicklung des Kindes. In unserem Schwesterverlag Burckhardthaus haben wir deshalb unlängst gemeinsam das Buch „SPIEL und SELBSTBILDUNG – Kitas brauchen eine pädagogische Revolution“ verlegt. Hintergrund ist die Beobachtung, dass das Spiel in den Kindertageseinrichtungen in den vergangenen Jahren deutlich an Wert verloren hat und diese Entwicklung zahlreiche negativen Folgen für die Kinder und damit für unsere Gesellschaft hat.

Um die Ursachen, die Folgen für die Persönlichkeits- und Lernentwicklung und die Rückkehr zu einer Elementarpädagogik, bei der nicht die wirtschaftlichen Interessen, sondern die Kinder mit ihren Entwicklungsbedürfnissen im Zentrum stehen, wird es auch an diesem Abend im „Haus der Wirtschaft“ in Stuttgart gehen.

Herzlich willkommen

Als Leser*innen von spielen und lernen sind Sie uns mit Ihren Kolleg*innen bei dieser Veranstaltung natürlich besonders willkommen. Melden Sie sich also bitte mit einer E-Mail an info@spielen-und-lernen.online an und freuen Sie sich mit uns auf einen spannenden und äußerst erkenntnisreichen Abend.

Sollten Sie an diesem Abend keine Zeit haben, haben Sie auch die Möglichkeit, Prof. Krenz auf der didacta in der Zeit vom 11. bis 13. Februar zu treffen. Viele Bücher, Informationen und Materialien der Verlage Burckhardthaus, Oberstebrink und spielen und lernen finden Sie während der gesamten Messe in Halle 9, Reihe A, Stand 44.

Referent: Prof. Armin Krenz
Thema: Spielen ist der Beruf des Kindes… und darf nicht immer mehr durch Förderprogramme verdrängt werden
Veranstaltungsort: Haus der Wirtschaft, Willi-Bleicher-Str. 19, 70174 Stuttgart, Konferenzraum Karlsruhe
Datum: 12. Februar 2024
Zeit: 19 bis 21 Uhr
Eintritt frei (freiwillige Spenden erbeten)
Anmeldung unter: info@spielen-und-lernen.online

Gernot Körner