Chancen für Jugendliche mit niedriger Schulbildung sinken weiter

Die Qualifikationsanforderungen in Ausbildungsberufen werden in den kommenden Jahren steigen

Die Qualifikationsanforderungen in Ausbildungsberufen werden in den kommenden Jahren steigen. Für Geringqualifizierte verringert sich das Jobangebot. Das ist auch deshalb keine gute Nachricht für den Arbeitsmarkt, weil die Zahl der Ungelernten in Deutschland gleichzeitig zunehmen wird. Das sind zentrale Ergebnisse einer Expert:innen-Befragung zu den Ausbildungsperspektiven von Jugendlichen mit niedriger Schulbildung im Jahr 2030, die die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung durchgeführt hat.

Anstieg der Zahl der Ungelernten

Die beruflichen Perspektiven für Jugendliche mit niedriger Schulbildung werden sich in den nächsten Jahren verschlechtern. Mehr als die Hälfte der rund 100 befragten Berufsbildungsexpert:innen (53 Prozent) rechnet mit steigenden Qualifikationsanforderungen auch in Ausbildungsberufen, die für Jugendliche mit niedriger Schulbildung relevant sind. 42 Prozent gehen davon aus, dass dies zumindest teilweise der Fall sein wird. Die Hälfte der befragten Fachleute erwartet zudem einen weiteren Anstieg der Zahl der Ungelernten bis 2030. Gleichzeitig gehen 61 Prozent davon aus, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten für Geringqualifizierte abnehmen werden. „Der Fachkräftemangel ist ein drängendes Thema unserer Zeit. Es geht aber auch um die persönliche Zukunft der Jugendlichen. Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, ob wir es uns weiter leisten können und wollen, dass jedes Jahr viele Jugendliche keinen Anschluss finden und gleichzeitig die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze steigt“, sagt Andreas Knoke, Abteilungsleiter Programme bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. „Es braucht endlich entschlossenes Anpacken, um wirklich allen Jugendlichen die Chance auf eine Ausbildung und damit individuelle Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen.“

Anhaltende Ungleichgewichte auf dem Ausbildungsmarkt

Nahezu alle Expert:innen erwarten zwar, dass die duale Berufsausbildung auch 2030 noch von hoher Bedeutung sein wird (51 Prozent volle und 46 Prozent teilweise Zustimmung). Gleichzeitig werden aber auch die Ungleichgewichte auf dem Ausbildungsmarkt weiter bestehen: Eine große Mehrheit der Befragten (85 Prozent) rechnet damit, dass es auch im Jahr 2030 noch Passungsprobleme geben wird – also das gleichzeitige Auftreten von unbesetzten Ausbildungsstellen und unversorgten Bewerber:innen. Zudem rechnen mehr als 60 Prozent der Expert:innen auch weiterhin damit, dass Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, zunächst Übergangsmaßnahmen durchlaufen müssen.

Berufsorientierung intensivieren und Ausbildung modularisieren

Eine große Mehrheit der Befragten sieht großes Potenzial in der schulischen Berufsorientierung (55 Prozent „hoch“, 25 Prozent „sehr hoch“), um die Übergangschancen von Jugendlichen mit niedrigen Schulabschlüssen zu verbessern. Dazu sollte zum Beispiel Berufsorientierung stärker in der Aus- und Weiterbildung für Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen verankert werden. Mehr als 80 Prozent der Expert:innen (83 Prozent) plädieren zudem für kontinuierliche und individuelle Begleitung von Jugendlichen, um Übergänge von der Schule in Ausbildung besser gelingen zu lassen. Auch eine Flexibilisierung des Ausbildungssystems erachten viele der Expert:innen als sinnvoll: Mehr als 60 Prozent der Befragten halten eine Modularisierung der Ausbildung für „sehr“ oder „eher“ wünschenswert, um gerade junge Menschen mit niedriger Schulbildung schrittweise zu einem vollwertigen Ausbildungsabschluss zu führen.

Bertelsmann Stiftung, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung GmbH (Hrsg.)

Zukunft ungewiss – Ausbildungsperspektiven von Jugendlichen mit niedriger Schulbildung

Ergebnisse einer Delphi-Befragung

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Quelle: Pressemitteilung Bertelsmann Stiftung




Mehrheit der Jugend fürchtet um berufliche Zukunft

Studie der Bertelsmann-Stiftung: Die Corona Krise führt zu zunehmender Verunsicherung

Die Corona-Krise führt zu einer wachsenden Verunsicherung junger Menschen im Hinblick auf die Situation am Ausbildungsmarkt. 71 Prozent aller Befragten – das sind 10 Prozent mehr als im Vorjahr – sind der Ansicht, dass sich die Chancen auf einen Ausbildungsplatz durch Corona verschlechtert haben. Bei Jugendlichen mit niedriger Schulbildung sind es sogar 78 Prozent. Für zukünftige Studierende sieht es deutlich besser aus: Weniger als ein Viertel (24 Prozent) aller Befragten glaubt, die Chancen auf einen Studienplatz seien durch Corona beeinträchtigt. Zu diesen Ergebnissen kommt die zweite Ausgabe einer repräsentativen Befragung von iconkids & youth im Auftrag der Bertelsmann Stiftung im Frühjahr 2021.  

Kaum Vertrauen in die Politik

Die Unterschiede in der Beurteilung der Zukunft sind nachvollziehbar, sagt Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung: „Wer das Abitur hat, besitzt quasi eine Studiengarantie. Jugendliche mit niedrigeren Schulabschlüssen lassen wir in Krisenzeiten allein. Das ist nicht gerecht.“ 

53 Prozent der Jugendlichen haben den Eindruck, die Politik tue wenig oder gar nichts für Ausbildungsplatzsuchende. Das sind noch einmal drei Prozent mehr als bei der Befragung im August vergangenen Jahres. Weitere 20 Prozent sagen, dass die Politik zwar eher viel tue, aber noch immer nicht genug. „Wir müssen jedem jungen Menschen eine Ausbildungsperspektive geben, gerade in der Krise“, fordert Dräger. Das sei eine Frage der Chancengerechtigkeit und diene der Fachkräftesicherung. „Jede Krise vernichtet dauerhaft Ausbildungsplätze. Das war 2008 so und wird auch jetzt wieder so sein. Ausbildungsprämien für Betriebe reichen leider nicht, um diese Entwicklung aufzuhalten. Wir brauchen eine Ausbildungsgarantie.“ 

Ausbildung nach wie vor sehr attraktiv für junge Menschen 

Das Interesse junger Menschen an einer Ausbildung ist auch im zweiten Corona-Jahr groß: 41 Prozent der 14- bis 20-Jährigen, die noch Schüler:innen einer allgemeinbildenden Schule sind, möchten auf jeden Fall eine Ausbildung machen. Weitere 36 Prozent sind noch unentschieden. Das bedeutet, dass fast vier Fünftel der Schüler:innen eine Ausbildung zumindest als Möglichkeit in Betracht ziehen. 

Jugendliche, die ihren Ausbildungsplatz schon angetreten oder bereits eine Zusage erhalten haben, sind mit ihrer Wahl höchst zufrieden: Mehr als 80 Prozent geben auf einer fünfstufigen Skala die beiden positivsten Bewertungen ab. Bemerkenswert ist, dass die Zufriedenheitsquote bei Jugendlichen mit niedriger Schulbildung mit 95 Prozent besonders hoch ist. „Das Potenzial der beruflichen Bildung ist nach wie vor sehr groß. Wir müssen alles daransetzen, dieses auch zu realisieren“, so Dräger. 

Berufsorientierung: Im Dschungel der Wegweiser 

Die große Mehrheit (79 Prozent) der Jugendlichen in Deutschland hält zwar das Informationsangebot zur Berufswahl insgesamt für ausreichend, allerdings beklagen 54 Prozent von ihnen, dass sie Schwierigkeiten haben, sich in der Fülle von Informationen zurechtzufinden. Was speziell das schulische Angebot zur Berufsorientierung betrifft, so schneiden Hauptschulen in den Einschätzungen der Schüler:innen besonders gut ab: 43 Prozent der Jugendlichen mit niedriger Schulbildung geben an, gut bis sehr gut über Berufe informiert zu sein. Umgekehrt zeigt sich die größte Unzufriedenheit bei den jungen Menschen mit hoher Schulbildung: Hier fühlen sich lediglich 23 Prozent gut bis sehr gut informiert und fast die Hälfte von ihnen (47 Prozent) hält sich für nicht so gut oder gar nicht gut informiert. 

Link zur vollständigen Studie