Kinderbetreuung in Deutschland: Bedarf übersteigt weiter das Angebot

Die DJI-Kinderbetreuungsstudie 2025 macht deutliche Unterschiede zwischen Ost und West sichtbar und zeigt soziale Hürden beim Zugang zu Kitas

Die aktuellen Ergebnisse der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) zeigen: Auch mehr als zehn Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Geburtstag bleibt die Versorgungslage in Deutschland angespannt. Obwohl die Geburtenzahlen sinken, besteht ein erheblicher Mangel an passenden Angeboten in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE).

West- und Ostdeutschland mit deutlichen Unterschieden

Besonders auffällig sind die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. Während in Westdeutschland 23 Prozent der Familien mit ein- oder zweijährigen Kindern trotz Bedarf keinen Platz nutzen, liegt dieser Anteil im Osten bei lediglich 9 Prozent. Hinzu kommt, dass weitere 6 Prozent der Eltern im Westen und 4 Prozent im Osten ihre aktuellen Betreuungszeiten als unzureichend einschätzen.

Nach Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (AKJStat) an der Technischen Universität Dortmund könnten sinkende Geburtenraten in Ostdeutschland dazu führen, dass künftig Plätze für Kinder ab drei Jahren in Angebote für unter Dreijährige umgewandelt werden. Im Westen bleibt die Lage dagegen aufgrund der konstant hohen Lücke zwischen Angebot und Nachfrage sowie des Personalmangels besonders schwierig.

Soziale Ungleichheit beim Zugang zur Kinderbetreuung

Die Analysen verdeutlichen auch, dass benachteiligte Familien seltener einen Betreuungsplatz erhalten. Familien mit Migrationsgeschichte haben trotz vergleichbaren Bedarfs signifikant schlechtere Chancen (-10 Prozentpunkte). Ebenso nutzen Familien, die Transferleistungen beziehen oder in denen der höchste Schulabschluss ein Hauptschulabschluss ist, die Angebote seltener (-9 bzw. -8 Prozentpunkte). Dieser Befund gilt seit 2016 unverändert.

„Die Angebotsplanung, vor allem vor Ort in den Kommunen, muss professioneller werden, damit alle Kinder gleiche Chancen auf einen bedarfsgerechten Platz haben. Kommunen müssen ressourcenschonend auf die Bevölkerungsentwicklung und Zuzugswellen reagieren können und dürfen zugleich die Angebotsqualität nicht vernachlässigen“, kritisiert Prof. Dr. Susanne Kuger, Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut. Sie betont: „Damit wurde eines der zentralen Ziele des Rechtsanspruchs – die Teilhabechancen aller Kinder zu verbessern und für mehr Chancengerechtigkeit beim Zugang zur Kindertagesbetreuung zu sorgen – bislang nicht erreicht.“

Unterschiedliche Bedarfe von Eltern in Ost und West

Seit 2013 ist der Betreuungsbedarf von Eltern mit ein- und zweijährigen Kindern deutlich gestiegen. Im Jahr 2024 liegt er bundesweit bei 65 Prozent (Einjährige) beziehungsweise 82 Prozent (Zweijährige). In Ostdeutschland ist die Nachfrage traditionell höher: 82 Prozent der Eltern mit einjährigen Kindern und 92 Prozent mit zweijährigen wünschen einen Platz, in Westdeutschland sind es 62 beziehungsweise 80 Prozent.

Auch die bevorzugten Betreuungsumfänge unterscheiden sich: Während ostdeutsche Eltern überwiegend Ganztagsplätze mit 35 bis 45 Wochenstunden nachfragen, bevorzugen westdeutsche Eltern meist erweiterte Halbtagsplätze zwischen 25 und 35 Stunden. Doch nicht immer können die gewünschten Modelle auch tatsächlich genutzt werden. Unzureichende Verlässlichkeit der Angebote – etwa durch ungeplante Schließtage – verschärft die Situation zusätzlich.

Die DJI-Kinderbetreuungsstudie

Die DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) ist eine jährliche, bundesweit repräsentative Befragung von rund 33.000 Eltern. Sie untersucht die aktuelle Betreuungssituation, elterliche Bedarfe sowie die wahrgenommene Qualität der Kindertagesbetreuung. Zudem wird erfasst, warum Familien kein Angebot nutzen. Gefördert wird die Studie durch das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Die neuesten Ergebnisse sind im DJI-Kinderbetreuungsreport 2025 (Studie 1) sowie in der Publikationsreihe „Kindertagesbetreuung Kompakt“ erschienen. Dort werden die Befunde mit den Beteiligungsquoten der AKJStat an der TU Dortmund verknüpft, um regionale Entwicklungen sichtbar zu machen.

Quelle: Deutsches Jugendinstitut (DJI), Pressemitteilung vom August 2025




Bundesregierung investiert 3,8 Milliarden Euro in den Kita-Ausbau

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Anhaltend hoher Bedarf an Kindertagesbetreuung – trotz sinkender Geburtenzahlen

Trotz rückläufiger Geburtenzahlen bleibt die Nachfrage nach Kindertagesbetreuung in Deutschland hoch. Das belegen aktuelle Zahlen aus der neuen Broschüre „Kindertagesbetreuung Kompakt“. Der Betreuungsanteil steigt über alle Altersgruppen hinweg – insbesondere bei Kindern unter drei Jahren. Gleichzeitig zeigt sich: Das Angebot an Betreuungsplätzen reicht vielerorts nicht aus, um den Bedarf zu decken.

Frühkindliche Bildung als Schlüssel für Chancengleichheit

Bundesbildungs- und Familienministerin Karin Prien betont die Bedeutung früher Bildung:

„Kitas geben Kindern frühe Bildungschancen und die Möglichkeit Gemeinschaft zu erleben – hier wird der Grundstein für den weiteren Erfolg in Schule und Beruf gelegt. Fast jedes Kind zwischen drei Jahren und Schuleintritt besucht eine Kita und auch bei den unter Dreijährigen steigt die Betreuungsquote stetig. Eltern brauchen Kitas als verlässliche Partner. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass wir die Kindertagesbetreuung weiter ausbauen, modernisieren und erhalten.“

Der Bund stellt aus dem Sondervermögen 6,5 Milliarden Euro für Bildung und Betreuung bereit. Rund 3,8 Milliarden Euro fließen direkt in ein neues Investitionsprogramm Kindertagesbetreuung. Ziel ist es, flächendeckend qualitativ hochwertige Betreuungsangebote sicherzustellen.

Zentrale Erkenntnisse der Broschüre „Kindertagesbetreuung Kompakt“

Die wichtigsten Daten im Überblick:

  • Anstieg der Betreuungsquote: 2024 besuchten 37,4 % der Kinder unter drei Jahren eine Kita – ein Plus von einem Prozentpunkt im Vergleich zu 2023.
  • Stabile Nachfrage trotz sinkender Geburtenzahlen: Besonders in Ostdeutschland liegt der Fokus auf dem Erhalt bestehender Plätze, während in Westdeutschland ein Ausbau notwendig bleibt.
  • Hohe elterliche Nachfrage: 98 % der Eltern wünschen sich Betreuung für Kinder ab drei Jahren – 91,6 % erhalten tatsächlich einen Platz.
  • Versorgungslücke bei U3-Betreuung: Bei Kindern unter drei Jahren beträgt die Differenz zwischen Bedarf und Angebot weiterhin 14,6 Prozentpunkte.

Qualität und Fachkräfte im Fokus

Zur Stärkung der frühkindlichen Bildung setzt der Bund auf ein ganzheitliches Förderkonzept:

  • Investitionen in Infrastruktur: Das Investitionsprogramm Kindertagesbetreuung wird mit 3,8 Milliarden Euro ausgestattet.
  • Kita-Qualitätsgesetz: Bis 2026 stellt der Bund jährlich rund 2 Milliarden Euro zur Qualitätsentwicklung bereit. Die Länder können diese Mittel unter anderem zur Fachkräftesicherung einsetzen.
  • Geplante Weiterentwicklung: Der Koalitionsvertrag sieht vor, das Kita-Qualitätsgesetz durch ein umfassendes Qualitätsentwicklungsgesetz abzulösen.

Fachkräfte als zentrale Ressource

Ein erfolgreicher Ausbau der Kindertagesbetreuung ist nur mit qualifiziertem Personal möglich. Insbesondere in Westdeutschland ist die Verfügbarkeit von pädagogischen Fachkräften der limitierende Faktor. In Ostdeutschland könnte durch mehr Personal die Stabilität der Betreuung verbessert werden – derzeit kommt es dort häufig zu kurzfristigen Schließungen.

Zur Fachkräftegewinnung setzt die Bundesregierung unter anderem auf digitale Angebote:

👉 Kompass Erziehungsberufe – Informationen rund um Ausbildung und Quereinstieg in pädagogische Berufe

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Die aktuelle Ausgabe von „Kindertagesbetreuung Kompakt“ finden Sie hier:

https://www.bmbfsfj.bund.de/Kindertagesbetreuung Kompakt




In Deutschland fehlen rund 266.000 U3-Kitaplätze

Betreuungslücke hat sich mittlerweile ein Stück weit geschlossen

Wer 2019 nach einem Kitaplatz für sein Kleinkind gesucht hat, hatte besonders schlechte Karten: Damals lag die Betreuungslücke bei knapp 360.000 fehlenden Plätzen – ein Negativrekord. Nach einem moderaten Rückgang 2020 um rund 35.000 Plätze ist die Lücke bis zum Frühjahr 2022 auf 266.000 Betreuungsangebote gesunken. Das zeigt eine neue IW-Studie auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes. 

Bremen löst NRW als Schlusslicht ab

Besonders schlecht ist die Lage derzeit in Bremen: Zwar ist die Betreuungslücke seit 2019 prozentual von 19,7 Prozent auf 16 Prozent gesunken, doch mit diesem Wert löst Bremen das bisherige Schlusslicht NRW ab. Im bevölkerungsreichsten Bundesland liegt die Betreuungslücke bei 13,9 Prozent – vor drei Jahren waren es noch sechs Prozentpunkte mehr. Spitzenreiter ist Sachsen mit 3,3 Prozent, dicht gefolgt von Hamburg mit 3,7 Prozent. Insgesamt konnten alle Bundesländer die Betreuungslücke etwas schließen. Das liegt an drei Gründen: Erstens haben die Städte und Gemeinden den Kitaausbau vorangetrieben, zweitens ist die Zahl der Kinder unter drei Jahren gesunken, ebenso wie pandemiebedingt der Anteil der Eltern, die überhaupt einen Betreuungsplatz gesucht haben. 

Trend vermutlich nicht von Dauer

Sind die Ergebnisse nun ein Grund zur Entwarnung? „Nein“, meint IW-Studienautor Wido Geis-Thöne. „Aufgrund der Coronapandemie wurden weniger Betreuungsplätze benötigt. Außerdem suchen seit einigen Monaten viele Menschen aus der Ukraine Schutz vor dem russischen Angriffskrieg – auch Eltern mit ihren Kleinkindern.“ Wie sich die Bedarfssituation in den kommenden Jahren entwickeln werde, lasse sich daher nur schwer abschätzen. Es könne aber dazu kommen, dass sich die Lage wieder verschärfe. 

Geis-Thöne, Wido, 2022, Die Kitalücke schließt sich langsam, IW-Kurzbericht, Nr. 97, Köln